Martin Luthers theologische Grundbegriffe - Reinhold Rieger - E-Book

Martin Luthers theologische Grundbegriffe E-Book

Reinhold Rieger

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine Einführung in den Umgang mit Luthers Schriften Dieses Lehrbuch bietet eine Auswahl der wichtigsten theologischen Grundbegriffe Luthers, dargeboten anhand von Zitaten, die in der Weimarer Ausgabe nachgewiesen werden. Es füllt die Lücke zwischen Konkordanzen und systematisierenden Darstellungen der Theologie Luthers und ist für Studierende, aber auch für PfarrerInnen oder ReligionslehrerInnen gedacht. Dieser Titel ist auf verschiedenen e-Book-Plattformen (Amazon, Libreka, Libri) auch als e-Pub-Version für mobile Lesegeräte verfügbar.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1258

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe

Von Abendmahl bis Zweifel

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG

Inhaltsverzeichnis

VorbemerkungAbendmahlAbgottAblassAffektAllegorieAlt/neuAmtAnalogieAnbetungAndachtAnfechtungAngstAnnehmenAntichristApostelArbeitArmutAuferstehungAuslegungÄußeres/InneresAusschließlichkeitBarmherzigkeitBedeutungBegierdeBekehrungBekenntnisBerufungBetrachtungBildBösesBuchstabe/GeistBundBußeChristDankDemutDienstDreifaltigkeitEhreEinigkeitElendEmpfangenEngelErfahrungErfüllungErkenntnisErleuchtungErlösungErwählungEvangelischEvangeliumEwigkeitExempelFigurFleisch/GeistFormFreiheitFreudeFriedeFrömmigkeitFühlenFurchtGabeGebetGebotGeduldGegenteilGeheimnisGehorsamGeistGenugtuungGerechtigkeitGerichtGeschichteGesetzGewaltGewissenGewissheitGlaubeGleichheitGnadeGottGottesdienstGottlosGunstGüteHeideHeilHeiligkeitHerrHerrlichkeitHerrschaftHerzHeucheleiHilfeHimmelHoffnungHölleHörenIrrtumJüngster TagKetzerKindKircheKraftKreuzLebenLehreLeibLeidenLicht/FinsternisLiebeLustMachtMenschMetapherMissbrauchMittlerMönchNächsterNameNaturNichtsNotwendigkeitNutzenOffenbarungOpferPapstPersonPfarrerPhilosophiePredigtPriesterProphetRatRechtRechtfertigungReformationReichReinheitReligionReueSakramentSchönheitSchöpfungSchreckenSchriftSchuldSchwachheitSchwärmereiSeeleSegenSehenSelbstSeligkeitSicherheitSinnSorgeSpracheSterbenStrafeSündeTaufeTeufelTheologieTodTraurigkeitTreueTrostTugendUnglaubeUnterscheidungUrteilVerborgenheitVerdammnisVerdienstVergebungVerheißungVerkündigungVernunftVersöhnungVerstehenVertrauenVerzweiflungVollkommenheitWahrheitWeisheitWeltWerkWiderspruchWiedergeburtWilleWissenWohlgefallenWohltatWortWunderZeichenZeitZeugnisZielZornZuversichtZwangZweifelSachregister
[Zum Inhalt]

|1|Vorbemerkung

Die Theologie Luthers soll am Leitfaden ihrer Grundbegriffe und in seinen eigenen Aussagen dargestellt werden. Grundbegriffe sind hier nicht notwendigerweise streng definierte Systembausteine, sondern tragende Begriffe einer Theologie, die selbst Verkündigung des Evangeliums sein will. Sie hatten meist schon vor Luther eine Geschichte und erfuhren oft von ihm eine Umprägung, Neubestimmung, Zuspitzung, die sie zu spezifischen Begriffen seiner und der an ihn anknüpfenden Theologie werden ließen.

Die alphabetische Folge der Stichwörter benennt theologische Grundbegriffe Luthers, die allerdings ein unterschiedliches Gewicht haben. Sie sind in seinen Texten sprachlich oft durch verschiedene Wörter zum Ausdruck gebracht, einerseits schon wegen des Nebeneinanders seiner lateinischen und deutschen Texte, andererseits durch Synonyme, bedeutungsverwandte Wörter, Antonyme, aber auch durch verschiedene Wortarten wie Substantive, Adjektive, Verben, in denen ein Begriff erscheinen kann. Deshalb enthalten die Belege manchmal nicht das Artikelstichwort selbst, obwohl die mit ihm gemeinte Sache in anderen Ausdrücken zur Sprache kommt.

Die gebotenen Belegtexte aus den Schriften Luthers sind oft weniger Übersetzungen aus dem Lateinischen oder Frühneuhochdeutschen als eher Paraphrasen, in denen allerdings Luthers Syntax und Wortschatz noch durchschimmern. Auslassungen sind nicht vermerkt. Die Belegstellenangabe bezieht sich auf die Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers (WA für die Reihe der Schriften, WABr für die Reihe der Briefe und DB für die Deutsche Bibel) und nennt zuerst den Band, dann die Seite, schließlich die Zeilen. Sie ermöglicht, in dieser Ausgabe den Beleg in seinem Originalwortlaut und seinem Zusammenhang nachzulesen. Nicht alle Texte in der WA stammen aus der Feder Luthers selbst, einige von ihnen sind Predigt- oder Vorlesungsmitschriften von Hörern. Die Belege berücksichtigen Texte beider Provenienzen. Der Überlieferungsunterschied ist in den Einleitungen zu den Texten der WA nachgewiesen.

Die Artikel setzen gegebenenfalls ein mit definitorischen Bemerkungen oder Beobachtungen Luthers zum Stichwort oder seinem Bedeutungs- oder Begriffsfeld. Darauf folgen im Hauptteil inhaltliche Aussagen in sachlicher Gliederung, wobei innerhalb der Abschnitte meist Themen- und Motivblöcke gebildet, sonst häufig eine chronologische Reihenfolge der Belege gewählt wurde. In manchen Fällen treten Änderungen der Auffassung Luthers, Unstimmigkeiten, ja Widersprüche zu Tage, die nicht zugunsten einer harmonisierenden oder systematisierenden Darstellung unterschlagen wurden.

Die Literaturhinweise am Ende der Artikel benennen vor allem neuere, aber auch klassische ältere Veröffentlichungen der Lutherforschung. Der Kürze halber sind manchmal die präziseren Untertitel angeführt und die weniger aussagekräftigen Haupttitel vernachlässigt. Die Abkürzungen der Titel von Periodika und Nachschlagewerken richten sich nach den gängigen Verzeichnissen.

Das Sachregister ermöglicht ein Auffinden weiterer Erwähnungen der Stichwörter in anderen Artikeln und weiterer theologischer Begriffe Luthers, denen kein eigener Artikel gewidmet wurde.

[Zum Inhalt]

|3|Abendmahl

→ Leib, Sakrament

Das Wort Abendmahl wurde schon vor Luther für ein abendliches Essen und das Abschiedsmahl Jesu, vereinzelt auch für das Sakrament, gebraucht, Luther aber hat das Wort für das letztere durchgesetzt, so dass es zum feststehenden Terminus im Protestantismus wurde. Luther nennt das Abendmahl sehr häufig Sakrament des Leibes und Blutes Christi, im Lateinischen spricht er von coena Domini, dem Mahl des Herrn. Er übernimmt aber auch die Bezeichnung als Messe (missa) und erklärt deren griechisches Äquivalent Eucharistie (Ign. Phld. 4) als Danksagung (6, 231, 7). Auch die traditionelle Bezeichnung sacramentum altaris (Altarsakrament; Aug. Sermo 228, 3) und sacramentum panis (Brotsakrament) kommen vor. Allgemein spricht Luther vom Abendmahl als dem Sakrament (sacramentum; Cyp. Ep. 63, 16).

1. Das Abendmahl ist die Summe und die Zusammenfassung des Evangeliums (6, 525, 36). Im Abendmahl empfängt man Christus, aber das wäre ganz umsonst, wenn man nicht neben dem Sakrament Christus im Wort empfinge. Denn das Wort macht Christus bekannt im Herzen, das ihn bloß aus dem Sakrament nicht verstünde (2, 112, 13–17). Das Abendmahl ist ein Sakrament und verbindet als solches das wirksame Wort der göttlichen Verheißung mit einem sichtbaren Zeichen, Leib und Blut Christi in den Elementen Brot und Wein. (6, 518, 10–16). Das Entscheidende ist das Wort der Verheißung. Nach Augustin (Tr. in Joh. 80) gilt, wenn das Wort zum äußerlichen Ding kommt, so wird es ein Sakrament (30I, 223, 28–32). Das Abendmahl ist die Erfüllung des Wortes der Verheißung und gewährt Vergebung der Sünden, Geist, Gnade, Leben und alle Seligkeit (26, 478, 25–479, 6).

2. Das Abendmahl ist kein Werk, kein Opfer der Kirche, sondern eine Tat Christi an uns, seine Gabe und sein Geschenk (11, 442, 12–16; 30III, 310, 3–10). Weil Christus beim Abendmahl das Sakrament nicht geopfert hat, soll es auch in keiner Messe geopfert werden, und nichts Neues außer der Schrift aufgerichtet werden (6, 523, 22–25; 10II, 255, 27–29). Das Abendmahl als Opfer zu betrachten, ist der gottloseste Missbrauch, der dazu geführt hat, das Abendmahl als gutes Werk aufzufassen und menschliche Bemühungen in den Mittelpunkt zu stellen, statt der Tat Christi am Menschen zu gedenken (6, 512, 7–25; vgl. 8, 431–448; 8, 511, 22–26; 23, 273, 13–33). Nicht die Handlung des Menschen, und sei es des Priesters, ist das entscheidende, sondern allein das Wort Christi, durch das er das Abendmahl eingesetzt, vollbracht und befohlen hat. Denn in diesem Wort besteht die Kraft, Natur und das ganze Wesen der Messe (6, 512, 33f.). Die Messe ist also die von Gott uns gegebene Verheißung der Vergebung der Sünden, die durch den Tod des Sohnes Gottes bekräftigt ist (6, 513, 34–36). Ein Opfer darzubringen ist eine menschliche Gabe, in der Messe aber empfangen die Menschen die Verheißung Gottes. Es wäre widersprüchlich, eine Verheißung zu empfangen und ein Opfer zu bringen. Dasselbe kann nicht zugleich empfangen und geopfert werden (6, 523, 38–524, 2). Die zur Messe mitgebrachten Gaben oder die Gebete und das Abendmahl selbst müssen klar unterschieden werden (6, 524, 4–525, 5; 526, 5–21).

3. Das Abendmahl hat Wirkung nur durch Glauben, es wirkt nicht durch den bloßen äußerlichen Vollzug: Das Sakrament für sich selbst, ohne den Glauben, wirkt nichts (6, 371,7–10; vgl. 2, 749–752; 6, 520, 14–16). Da das Abendmahl Verheißung ist, setzt es keine Werke, keine Kräfte, keine Verdienste voraus, sondern allein den |4|Glauben. Dem Wort des verheißenden Gottes entspricht der Glaube des annehmenden Menschen (6, 514, 12f.). Der Glaube ist die Erfüllung des durch das Wort Verheißenen (30I, 226, 23–28.). Der würdige Vollzug der Messe erfordert nichts als den Glauben, der sich auf die Verheißung fest verlässt und aus dem als Frucht die Liebe hervorgeht und ein neuer Mensch entsteht (6, 515, 30f.). Der im Abendmahl begriffene Schatz, das Wort Gottes, kann nur mit dem Herzen ergriffen werden. Dennoch ist die Wirkung nicht vom subjektiven Glauben abhängig: Das Abendmahl steht nicht auf menschlichem Glauben oder Unglauben, sondern auf Gottes Wort und Ordnung (26, 506, 21–25; vgl. 6, 525, 33–35). Denn es ist nicht gegründet auf menschlicher Heiligkeit, sondern auf Gottes Wort (30I, 224, 18–30). Aber Luther kennt eine Wirkung des Abendmahl an Ungläubigen: Der Ungläubige kann die mit dem Abendmahl verbundene und in ihr wirksame Verheißung den Glaubenden mitteilen und auch selbst daran teilnehmen, aber sie wirkt in ihm anders als im Glaubenden. Dasselbe Sakrament und dieselbe Verheißung bewirken im Glaubenden ihr eigentliches Werk, die Erlösung, im Unglaubenden ihr fremdes Werk, das Gericht, die Verdammung (6, 526, 8–10; vgl. 57III, 171, 1). Da nach Röm 14,23 alles, was nicht aus Glauben getan wird, Sünde ist, wirkt das Essen des Abendmahl ohne Glaube die Verdammnis (6, 97, 28–36; 30I, 231, 4f.; 30III, 123, 10f.).

4. Wirkungen des Abendmahl sind Sündenvergebung, Trost, Leben: Luther mahnt, das Abendmahl für ein lebendiges, ewiges, allmächtiges Wort zu halten, das lebendig, von allen Sünden und Tod frei machen kann (11, 433, 25–28; 30I, 231, 9–13). Wer ein böses Gewissen hat von den Sünden, der solle zum Sakrament gehen und Trost holen, nicht an Brot und Wein, nicht an Leib und Blut Christi, sondern am Wort, das im Sakrament den Leib und das Blut Christi als für uns gegeben und vergossen darbietet (18, 204, 5–8). Die Worte Christi beim Abendmahl sind Worte des Lebens und der Seligkeit, so dass dem, der daran glaubt, durch solchen Glauben alle Sünden vergeben sind und er ein Kind des Lebens ist und Hölle und Tod überwunden hat (11, 432, 21–27; vgl. 23, 205, 20–23).

5. Die Wirkung des Abendmahl hat ihren Grund in der wirklichen Gegenwart Christi im Abendmahl Die Einheit von Brot und Wein mit Leib und Blut Christi im Abendmahl ist rational nicht zu verstehen (6, 511, 18–21). Dennoch ist die Einheit nicht wider Vernunft und Logik (26, 440, 16f.). Aber die vermeintliche rationale Erklärung als Transsubstantiation führt in die Irre, weil sie philosophisch argumentieren will und eine bloße Meinung etabliert, die mit dem Glauben nichts zu tun hat (6, 508, 17–22), aber mit dem Anspruch auf verbindliche Glaubenswahrheit verkündet wird (ebd. 17. 27–31; vgl. 11, 441, 18–31). Die Transsubstantiation, die nicht notwendig angenommen werden muss, ist für eine Erfindung menschlicher Meinung zu halten, da sie durch keine Schriftstelle und keinen Vernunftgrund gestützt wird (6, 509, 15–21). Die Zweinaturenlehre in der Christologie zeigt, dass eine Einheit zweier Wesen möglich ist, ohne dass sich eines der beiden verändern müsste. So gebe es auch im Abendmahl den wahren Leib und das wahre Blut Christi, ohne dass Brot und Wein ihre Substanz ändern müssten (6, 511, 34–512, 1; vgl. 23, 145, 13–21; 26, 440, 34–441, 8). Der Begriff der Konsubstantiation ist für die Deutung der Abendmahlslehre Luthers ungeeignet, da er den Substanzbegriff voraussetzt, der bei der Erläuterung des Abendmahl auf eine falsche Ebene, die des Wissens, führt. Luther toleriert diese philosophische Deutung des Abendmahl, fordert aber, diese Meinung nicht zu einem |5|verbindlichen Glaubensartikel zu erklären (6, 512, 4–6). Es besteht nach Luther keine logisch-ontologische Identität von Brot und Leib, sondern eine sakramental-soteriologische Einheit, wo zwei unterschiedliche Wesen in ein Wesen kommen (26, 443, 15), obwohl jedes für sich sein eigenes Wesen hat (ebd. 27–32). Diese Einheit aus zwei für sich bestehenbleibenden Dingen, die zusammen ein neues Wesen ausmachen, wird sprachlich durch eine Synekdoche ausgedrückt (26, 444, 2). Der Grund für die Anwesenheit Christi im Abendmahl liegt in seiner Erhöhung zur Rechten Gottes nach Auferstehung und Himmelfahrt. Christus ist als Gott und Mensch bei Gott und hat Teil an Gottes Allwirksamkeit und Allgegenwart (23, 143–153) (Ubiquität; vgl. 19, 491, 13–20). Diese verschiedenen Varianten des Ausdrucks der Realpräsenz Christi im Abendmahl toleriert Luther, aber er lehnt ihre Interpretation als Bedeutungen, die analog zur alttestamentlichen Typologie zu verstehen wären, ab: Das ‚Ist‘ in den Abendmahlsworten ‚Das ist mein Leib‘ dürfe nicht als ‚bedeutet‘ verstanden werden, so dass es heiße: ‚das bedeutet mein Leib‘ (11, 434, 17–26). Diese Interpretation der Abendmahlsworte fand Luther zuerst 1522 bei Cornelius Honius (Hoen), später bei Karlstadt und Zwingli, gegen die er vehement die Realpräsenz verteidigte. Luther wirft Zwingli ein Missverständnis der Funktionsweise von Metaphern vor, wenn er die Rede Christi im Abendmahl ‚Das ist mein Leib‘ als Rede über die Bedeutung verstehen wolle. Denn eine Metapher schafft ein neues Wort mit neuer Bedeutung, und ihre Prädikation ist eine Aussage über das Sein, nicht über die Bedeutung. Auch Johannes Oekolampads Auffassung, das Brot im Abendmahl sei Zeichen des Leibes Christi, entspricht nicht der Rede Christi (23, 105; 26, 278f.). Luther lehnt auch die Deutung des Abendmahls als Integration in den geistlichen Leib Christi, also die christliche Gemeinde ab (11, 437, 16–18). Auch dies wäre eine nicht schriftgemäße Rationalisierung (11, 438, 10). Denn der geistliche Leib Christi ist nicht für uns gegeben, sondern sein natürlicher Leib ist für seinen geistlichen Leib, der wir sind, gegeben (11, 438, 30f.).

6. Der Leib Christi im Abendmahl ist ein geistlicher Leib, der geistlich genossen wird: Diese Speise verwandelt den, der sie isst, in sich und macht ihn ihr selbst gleich, geistlich, lebendig und ewig. Es ist dieselbe unvergängliche Speise, die im Abendmahl mit dem Mund leiblich und mit dem Herzen geistlich gegessen wird (23, 203, 14–33). Es gibt also im Abendmahl ein leibliches und ein geistliches Essen zugleich. Das geistliche nährt das Herz des Menschen (5, 665, 2–4).

7. Gemeinschaft der Glaubenden mit Christus und untereinander ist eine Folge des Abendmahls. Denn der Genuss des wirklichen Leibes Christi im Abendmahl schafft die Teilhabe am geistlichen Leib Christi (11, 439–441). Die Bedeutung oder das Werk dieses Sakraments ist Gemeinschaft aller Heiligen; darum nennt man es auch Communio, das ist Gemeinschaft Christi mit allen seinen Heiligen in einem geistlichen Körper (2, 743, 7–22). So wird das Abendmahl zu einem Gemeinschaftsmahl: Dass wir einerlei Brot und Trank genießen, das bewirkt auch, dass wir ein Brot und Trank werden, ja einer des andern Speise und Trank, gleichwie Christus uns Speise und Trank ist (11, 441, 3–8). Die Liebe ist also Folge der im Abendmahl empfangenen Gabe (2, 750f.). Auch Dank ist Folge des Abendmahls, das deshalb Eucharistie genannt wird (5, 198, 18f.; 6, 231, 6; 368, 8–10; 26, 463, 28f.).

8. Das Abendmahl ist Merkmal der Kirche: Die Zeichen, an denen man äußerlich bemerken kann, wo dieselbe Kirche in der Welt ist, sind Taufe, Abendmahl und das Evangelium (6, 301, 3f.).

|6|9. Das Abendmahl ist nicht heilsnotwendig, sondern wie alles für den Christen frei: Christus habe selbst das Abendmahl nicht als notwendig gefordert und durch ein Gesetz festgelegt, sondern es jedem freigestellt (12, 216, 33f.). Aber obwohl Christus wusste, dass alles unter einer Gestalt, ja allein im Glauben, ohne das Sakrament, empfangen würde, hat er nicht vergebens beide Gestalten eingesetzt (7, 399, 28–30; vgl. 6, 79, 32–34; 518, 17–23; 11, 433, 18–20). Aber das Abendmahl ist sowohl Gebot als auch Verheißung. Man soll niemand zum Abendmahl treiben noch zwingen, aber das soll man dennoch wissen, dass solche Leute für keine Christen zu halten sind, die sich lange Zeit dem Sakrament entziehen (30I, 227, 16–23).

10. Das Abendmahl ist unter beiderlei Gestalt, als Brot und Wein, allen Glaubenden zu reichen, da es von Christus so eingesetzt wurde (2, 742f.). Es ist gottlos und tyrannisch, den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu verwehren (6, 506, 33f.; vgl. 7, 391. 399). So haben die Priester nun ein anderes Sakrament als die Laien (7, 395, 22f.). Nicht dass die gegen Christus sündigen, die eine Gestalt gebrauchen, denn Christus hat nicht geboten, sie zu gebrauchen, sondern hat es dem Willen eines jeden anheimgestellt. Aber diejenigen sündigen, die verbieten, denen, die das Abendmahl freiwillig so halten wollen, es in beiderlei Gestalt zu geben. Die Schuld liegt nicht bei den Laien, sondern bei den Priestern. Das Sakrament gehört nicht den Priestern, sondern allen (6, 507, 7–12; vgl. 6, 525, 12).

12. Luther setzte sich zuerst mit der römischen Abendmahlslehre auseinander. Die erste Gefangenschaft des Abendmahls durch die römische Kirche ist für ihn die Verweigerung des Laienkelches und die Beschränkung auf die Gabe des Brotes an die Laien (6, 507). Die zweite Gefangenschaft ist die römische Lehre von der Transsubstantiation, wie sie vom vierten Laterankonzil 1215 dogmatisiert worden war, nach der in der Messe die Substanz der Elemente in Leib und Blut Christi gewandelt, die Akzidentien beibehalten werden. Luthers Kritik daran begründet eine neuartige Abendmahlslehre, die sich nicht mehr philosophischer Begriffe bedient und eine wissenschaftliche Meinung ausbildet. Die dritte Gefangenschaft ist das Verständnis der Messe als Opfer. Luther gibt der Messe eine neue Form, ohne Offertorium. Nach dieser Auseinandersetzung mit der römischen Messlehre verteidigte Luther gegen Karlstadt und Zwingli die im Glauben erfahrbare und geschichtlich wirksame Realpräsenz Christi im Abendmahl und gab so der lutherischen Abendmahlslehre ihren spezifischen Gehalt. Gegen Karlstadt hielt Luther am Sakramentscharakter des Abendmahls fest (18, 139–142; 162, 36).

📖 Theodor Kochs, Art. Abendmahl, in: DWB1, 137f. Christoph Markschies, Art. Abendmahl II. Kirchengeschichtlich 1. Alte Kirche, in: RGG4. Aufl., 1, 15–21. Thomas Kaufmann, Art. Abendmahl II. Kirchengeschichtlich 3. Reformation, ebd. 24–28. Jörg Baur, Art. Abendmahl III. Dogmatisch 1. Evangelisch, ebd. 31–36. Jürgen Diestelmann, Das Heilige Abendmahl bei Luther und Melanchthon, 2007. Hartmut Hilgenfeld, Mittelalterliche traditionelle Elemente in Luthers Abendmahlsschriften, 1971. Hans Grass, Die Abendmahlslehre bei Luther und Calvin, 2. Aufl. 1954. Eberhard Grötzinger, Luther und Zwingli. Die Kritik an der mittelalterlichen Lehre von der Messe als Wurzel des Abendmahlsstreites, 1980. Franz Hildebrandt, Est. Das lutherische Prinzip, 1930. Ernst Kinder, Realpräsenz und Repräsentation. Feststellungen zu Luthers Abendmahlslehre, in: ThLZ84 (1959) 881–894. Ulrich Kühn, Sakramente, 1985, 45–67. Athina Lexutt, Das Abendmahl. Die lutherische Position, in: Die Marburger Artikel als Zeugnis der Einheit, 2012, 151–174. Frido Mann, Das Abendmahl beim jungen Luther, 1971. Hans Bernhard Meyer, Luther und die Messe. Eine liturgiewissenschaftliche Untersuchung über |7|das Verhältnis Luthers zum Meßwesen des späten Mittelalters, 1965. Albrecht Peters, Realpräsenz. Luthers Zeugnis von Christi Gegenwart im Abendmahl, 2. Aufl. 1966. Albrecht Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen, Band 4, 1993, 129–187. Joachim Ringleben, Der Sinn der Einsetzungsworte nach Luther, in: Karl-Hermann Kandler, Hg., Das Mahl Christi mit seiner Kirche, 2006, 13–31. Reinhard Schwarz, Der hermeneutische Angelpunkt in Luthers Meßreform, in: ZThK 89 (1992) 340–364. Ders., Selbstvergegenwärtigung Christi, in: Dietrich Korsch, Hg., Die Gegenwart Christi im Abendmahl, 2005, 18–49. Wolfgang Simon, Die Meßopfertheologie Martin Luthers, 2003. Ernst Sommerlath, Der Sinn des Abendmahls nach Luthers Gedanken über das Abendmahl 1527 / 29, 1930. Carl Fr. Wislöff, Abendmahl und Messe. Die Kritik Luthers am Meßopfer, 1969.

[Zum Inhalt]

Abgott

1. Wesen: Ein Idol oder Abgötterei ist nichts anderes als ein menschlicher Wahn und Gedanke, der vom Teufel unter dem Namen des wahren Gottes ins Herz eingebildet wird (16, 348, 22–24). Die Heiden machen ihren eigenen erdichteten Dünkel und Traum von Gott zum Abgott und verlassen sich auf dieses bloße Nichts. Die Abgötterei besteht nicht allein darin, dass man ein Bild aufrichtet und anbetet, sondern im Herzen Hilfe und Trost sucht bei den Kreaturen, Heiligen oder Teufeln und sich um Gott nicht kümmert (30I, 135, 6–16; 28, 621, 12f.). Aller Unglaube ist Abgötterei (10I.1, 684, 7). Denn was ohne Glaube und ohne Bezug auf Christus geschieht, ist Götzendienst. Da nur Gott durch Glaube, Liebe, Hoffnung verehrt wird, ist alles andere, was geliebt, gehofft und besessen wird, ein Abgott. Also gibt es so viele Abgötter wie geliebte Dinge (1, 70, 15–17). Die Liebe zur Bequemlichkeit und die Furcht vor Strafe sind Laster und Arten von Abgötterei, da nur Gott Liebe und Furcht gebührt (2, 469, 6f.). Götzendienst ist das feste Vertrauen auf die Werke (13, 4, 2). Jede Religion, in der Gott ohne sein Wort und seinen Befehl verehrt wird, aus eigener Andacht, ist Götzendienst. Je heiliger und geistlicher sie dem Ansehen nach ist, desto schädlicher und giftiger ist sie, denn sie wendet die Menschen vom Glauben an Christus ab und macht, dass sie sich auf ihre eigenen Kräfte, Werke, Gerechtigkeit verlassen (40II, 110, 14f.). Jede Gottesverehrung ohne Bezug zu Christus ist Götzendienst (40II, 111, 15f.). Götzendienst ist, einem anderen als allein Gott zu vertrauen (31II, 54, 29f.). Es gibt keine größere Sünde des Götzendienstes, als die Verheißung Gottes für eigene Zwecke zu missbrauchen und den Glauben an sie auszulöschen (6, 516, 27–29).

2. Es gibt zwei Arten von Götzendienst: äußeren und inneren. Der äußere geschieht, wenn der Mensch Holz, Steine, Tiere, Sterne anbetet. Dieser ist vom inneren Götzendienst bestimmt, durch den der Mensch aus Furcht vor Strafe oder aus Liebe die äußere Verehrung des Geschöpfes aufgibt, aber innerlich die Liebe und das Vertrauen zu ihm behält (1, 399, 11–17; vgl. 14, 593, 4; 16, 462, 18–463, 2). Aus dem inneren Götzendienst, dem Unglauben, erwächst der äußere, der die Ehre, die nur dem einen Gott gebührt, irgendwelchen Geschöpfen gibt. Auch wenn die Menschen nicht immer Bilder von Geschöpfen anbeten, haben sie doch dieses Ehrgefühl ihnen gegenüber, das die Quelle des Götzendienstes ist (5, 103, 33f.; vgl. 14, 618, 27f.).

3. Ursache: Allein das Trauen und Glauben des Herzens macht beide, Gott und Abgott (30I, 133, 4). Wenn einer von dem ersten Gebot abfällt, richtet er einen Abgott und ein Werk auf, darauf er vertraut (28, 574, 20f.). Die Missachtung des ersten Gebots führt dazu, statt dem wahren Gott den Götzen der eigenen Weisheit und Gerechtigkeit zu verehren (1, 426, 18). Ohne Glaube sind alle Werke und guten Vorsätze gottloser |8|Götzendienst (8, 334, 8). Der Hochmut, der im ersten Gebot verboten wird, ist der Anfang der Sünde und ist Abfall von Gott durch Selbstvergötzung. Die größte Sünde ist es, sich selbst zu genügen und einen anderen Gott in sich selbst zu verehren. Seit Adam gab es niemand, der nicht diesen Götzendienst in sich pflegte (1, 518, 13–19). Der Grund für den Götzendienst liegt im Abfall vom Glauben und im Vertrauen auf die eigenen Kräfte, wie die Vernunft, auch wenn eine Kenntnis von Gott und Christus vorhanden ist (40II, 110, 31f.). Durch das Vertrauen auf die eigene Gerechtigkeit sollen die Sünden getilgt und Gnade und ewiges Leben erlangt werden (40II, 111, 14f.). Der freie Wille schafft einen Götzen, weil er sich göttliche Macht anmaßt (13, 39, 4f.). Wer sich durch eigene Vernunft und freien Willen glaubt von Sünden fernhalten zu können, richtet in sich einen Abgott seines Herzens auf (8, 553, 2–5; vgl. 8, 171, 29–34). Der durch das Fleisch bestimmte alte Mensch, der noch nicht durch den Geist erneuert ist, baut auf den Götzen seiner eigenen Weisheit (4, 136, 30–32). So muss die Vernunft Abgötter machen (10I.1, 240, 22–25). Wenn nicht die Kenntnis Gottes allen Menschen unauslöschlich eingepflanzt wäre, wäre niemals der Götzendienst erfunden worden (5, 392, 37f.). Diese Gotteserkenntnis ist aber ein bloßer Formalbegriff von Gott, da sie die Wahrheit Gottes in Lüge verkehrt und den wahren Gott in den Geschöpfen sucht und umgekehrt (5, 393, 5–11).

4. Der Götzendienst ist als solcher nur denen erkennbar, die an Christus glauben, da er den Schein der Heiligkeit hat (40II, 111, 20f.).

5. Beispiele für Götzendienst sind das Mönchsleben mit Fasten und Beten (40II, 110, 28f.; vgl. 6, 439, 7–39; 8, 619, 3; 13, 229, 12), das Priestertum der Papstkirche und die von ihm als Opfer verstandenen Messen (8, 417, 36–38; vgl. 6, 564, 28; 8, 489, 19; 30II, 307, 31–34; 38, 197, 23), erst recht die Privatmesse (40II, 111, 26f.). Denn sie haben in dem Sakrament nicht einen wahren Gott, sondern machen und erdichten sich einen Abgott ihres Herzens, der zornig und zu versöhnen sei (8, 518, 29–33). Wenn der Papst die Kirche ohne das Wort Gottes regiert, ist er ein Götze gegen Christus (7, 131, 2f.; vgl. 2, 670, 30f.; 5, 456, 2f.). Die Heiligen werden zu Götzen gemacht, wenn man sich von ihnen Hilfe verspricht (1, 411, 13f.; vgl. 418, 37). Allerdings soll die Kritik an der Heiligenverehrung nicht zum Bildersturm veranlassen, da auch im Alten Testament die rechten Abgötter nicht schaden, wenn nur der rechte Gott mit dem Herzen angebetet wird, obwohl man sie äußerlich anbetet (18, 79, 20–22). Selbst das Wort Gottes kann zum Götzen werden, wenn es durch den menschlichen Geist verfälscht wird, so dass es nicht mehr dazu dient, die Seele zu erheben, sondern zum Irrtum zu verführen (1, 620, 23–25; vgl. 4, 318, 11–14). Selbstvergötzung ist die höchste Verkehrtheit, nämlich sich selbst zu genügen und sich selbst zu genießen in seinen Werken und sich selbst als Götzen abzubeten (1, 358, 5–7). Gott nicht zu glauben und die Wahrheit bei sich selbst zu suchen, bedeutet, Gott zu verneinen und sich selbst in seinem Herzen zum Götzen zu erheben (7, 54, 12–15). Sich selbst nicht als Sünder zu verstehen und zu zweifeln, dass Gott an uns Gefallen hat, bedeutet, Gott zu einem Lügner zu machen und sich selbst zur Wahrheit, also die größte Abgötterei (1, 187, 37–39; 2, 460, 24–27; 6, 211, 25–29). Das irdische Wohlergehen und irdische Güter werden zu Götzen, wenn man sein Herz daran hängt (30I, 133, 18–25; vgl. 7, 593, 17f.).

|9|📖 Albrecht Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen, Band 1, 1990, 109–137. Uwe Rieske-Braun, Glaube und Aberglaube, in: LuJ 69 (2002) 21–46.

[Zum Inhalt]

Ablass

→ Buße

Das Wort Ablass bedeutet bei Luther wie schon vor ihm allgemein das Ablassen, Nachlassen, Erlassen von etwas, dann spezifischer den Nachlass von Schuld und schließlich terminologisch den Nachlass von Sündenstrafe.

1. Wesen: Der Ablass erlässt Werke der Genugtuung und versöhnt den Menschen äußerlich mit der Kirche (1, 243, 12–14; 2, 714, 13f.). Er ist kein gutes Werk, sondern der Erlass guter Werke um eines geringeren Werkes willen. Auch wenn das gute Werk, für das der Ablass gewährt wird, verdienstlich wäre, ist deshalb der Ablass nicht verdienstlich, da das von ihm erlassene Werk nicht weniger, ja sogar mehr verdienstlich wäre. Der Ablass ist vielmehr schädlich, da er gute Werke erlässt (1, 570, 2–7). Er kann höchstens kirchliche Strafen nachlassen, nicht jedoch göttliche (1, 233, 18f.; 234, 15–18; 235, 1–4). Denn alles, was Gott auferlegt, ist zuträglich den Christen und bessert sie (1, 245, 3f.). Der Ablass verspricht missbräuchlich auch Nachlass der Schuld (30II, 282, 15–17). Der Ablass ist eine schändliche, verfluchte Abgötterei (50, 76, 2; vgl. 30II, 284, 32).

2. Ursache: Die römische Kirche schöpft die Erteilung des Ablasses aus dem Schatz der Kirche, der in den überschüssigen Verdiensten Christi und der Heiligen besteht (1, 605, 34–36). Dann wäre der Ablass kein Ablass, da er nicht gnädiger Nachlass wäre, sondern die Anwendung fremder Genugtuung (1, 606, 1f.), die Übertragung fremder Werke auf andere (1, 608, 38f.).

3. Wirkung: Die Seelen sollen durch den Ablass aus dem Fegfeuer gezogen werden. Aber das Fegfeuer ist wie die Verzweiflung oder die Hölle, aus der die Seelen weder durch Fürbitten noch durch Ablässe gebracht werden können, außer durch das Gebet der Kirche (5, 204, 28–31).

4. Folgen: Der Ablass mindert die Buße, er verhindert die Bereitschaft zur Genugtuung, er hält von guten Werken ab. Thomas, Bonaventura und ihre Anhänger sagen beständig und übereinstimmend, dass gute Werke besser sind als Ablass (1, 609, 10f.). Wer sich auf den Ablass verlassen hat, der hat damit den Heiland Jesus Christus fahren lassen, verleugnet und vergessen und keinen Trost an ihm (30III, 309, 7–10). Die wahrhaftige Reue sucht und liebt die Strafen; die Fülle der Nachlässe aber erlässt sie und lehrt sie zu hassen (1, 235, 16f.; 244, 38f.). Ablass nimmt nicht die Sünde ab, sondern die Strafe der Sünde. Nun ist niemand so närrisch (ausgenommen der Papst und seine Schmeichler), der da meine, dass Nachlassung der Strafe jemand bessere, sondern Auflegung der Strafe mag jemand zu bessern, wie Vernunft, Erfahrung, Schrift lehren (7, 401, 11–16).

5. Das Evangelium befreit vom Ablass (30II, 281, 25–29; 50, 209, 14–22). Der Friede der Christen ist die Herrlichkeit des Gewissens, die nicht durch Ablässe, sondern durch Vergebung der Schuld allein durch die Gnade zustandekommt (1, 314, 12f.). Gott allein vergibt die Schuld durch Gnade, die nicht durch Ablass erlangt werden kann (2, 29, 9–11).

|10|6. Auch will Augustin in seinen vielen Schriften gegen die Donatisten auf nichts anderes hinaus, als dass die Sünden von Gott allein vergeben werden (1, 539, 8–10). Der Irrtum über den Ablass bei Bonaventura, Thomas von Aquin, Alexander von Hales u.a. ist durch Aristotelesrezeption bedingt (1, 611, 21–612, 23).

📖 Heinrich Bornkamm, Thesen und Thesenanschlag Luthers. Geschehen und Bedeutung, 1967. Hannegreth Grundmann, Die theologische Grundlage von Luthers Kritik am Ablass, in: Rainer Rausch, Hg., Gnade – Sonst nichts! 2014, 83–113. Berndt Hamm, Die 95 Thesen, in: ders., Der frühe Luther, 2010, 90–114. Bernd Moeller, Die letzten Ablaßkampagnen. Luthers Widerspruch gegen den Ablaß in seinem geschichtlichen Zusammenhang, in: ders., Die Reformation und das Mittelalter, 1991, 53–72. Thomas Schirrmacher, Der Ablaß, 2005. Wolfgang Thönissen, Luthers 95 Thesen, in: Meilensteine der Reformation, 2014, 89–99. 259–261.

[Zum Inhalt]

Affekt

→ Angst, Freude, Fühlen, Glaube, Herz, Hoffnung, Liebe, Zorn

Luther verwendet das lateinische „affectus“ sehr häufig für eine emotionale Gestimmtheit oder eine Ausrichtung des Willens, während die deutsche Form Affekt nur selten vorkommt.

1. Wesen und Arten: Der Affekt ist die Bestimmtheit des Herzens. Die Menschen sind von ihren Affekten gefangen, denen sie folgen, sie hören nicht andere Ratgeber (20, 167, 25f.). Aber der Affekt gehört zum guten Handeln dazu: Was ohne den guten Affekt des Herzens geschieht, das geschieht vergeblich und ist sündhaft (7, 766, 14f.). Aus den Affekten entstehen die Werke des Menschen (38, 646, 10–12). Die Menschen sind mehr am Affekt zu messen als an ihrer Rede (18, 644, 15f.). Religiös gilt: Der Affekt bildet mehr als der Verstand (3, 186, 4). Deshalb bedarf auch die Theologie der Affekte (18, 669, 4–6). Der Mensch besitzt gute Affekte, wie Barmherzigkeit, Wohlwollen, Geduld, Milde nicht von Natur aus, sondern nur durch die Gnade Gottes in Christus (1, 263, 20–22). Christus ist die Quelle aller guten Affekte (1, 341, 3–12). Durch Christus weichen die bösen Affekte den guten: Wenn man hört, dass er für uns gelitten hat, und glaubt, entsteht das Vertrauen auf ihn und die süße Liebe, und so vergeht jeder Affekt, der sich an unnütze Dinge hängt (1, 399, 32–34). Das Gesetz kann die Affekte nicht zum Guten verändern, sondern nur die Gnade und der Glaube (9, 355, 14f.; 426, 3f.; 431, 11f.). Die Affekte Hass und Liebe liegen allen anderen zugrunde (5, 139, 29f.). Das Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, setzt die Selbstliebe voraus. Nichts ist im Menschen tiefer verankert als dieser Affekt: sich selbst zu lieben (57II, 41, 17f.). Die Gottesbeziehung wird durch die Affekte bestimmt: Gott verändert sich, je nachdem unser Affekt ihm gegenüber sich verändert (14, 608, 26f.). In bezug auf Gott ist der Affekt, der ihm Ehre gibt, der höchste und erste aller anderen Affekte (5, 198, 5). Der Affekt der Liebe zu Gott lässt die Menschen wollen und lieben, was der Verstand und der Glaube sie verstehen lässt (56, 239, 10–13). Das erste Gebot fordert zwei grundlegende Affekte Gott gegenüber: Furcht und Vertrauen (30I, 59, 27f.). Für die christliche Ethik ist die Eintracht der Menschen untereinander der grundlegende Affekt (7, 484, 13f.). Dieser Affekt ist die innere Bewegung des Herzens zum Nächsten hin (7, 484, 18f.). Aber dieser Affekt kann auch die Einheit |11|der Kirche gefährden, wenn er zu konkurrierender Gruppensolidarität führt (7, 484, 21–23). Deshalb gilt: Wieviel Affekte, soviel Herzen, die sich aber alle im Namen Christi rühmen (7, 484, 26f.).

2. Der Affekt bestimmt das Verhältnis zu Christus: Wenn sich das Herz Christus durch den Glauben ergibt, dann wird davon das Herz süß, fröhlich, getrost, unerschrocken und hat Friede vor allem Jammer (7, 190, 23–36). Die heilige Schrift ermahnt mehr zur Betrachtung der Passion Christi mit dem Affekt als mit dem Verstand (1, 343, 28f.). Denn der Verstand kann nicht begreifen noch die Sprache sagen, was es bedeute, dass Christus gelitten hat, sondern nur der Affekt kann es erfassen. (1, 344, 9–11). Aber niemand ergreift Christus, es sei denn, sein Herz sei leer von allen irdischen Affekten (9, 519, 22–23). Denn das Herz soll sich nicht an endliche Güter hängen.

3. Der Affekt soll durch den Glauben bestimmt werden: Aus dem Glauben geht sofort frei der süßeste Affekt des Herzens hervor, durch den der Geist des Menschen erweitert und geöffnet wird, das ist die Liebe, die durch den heiligen Geist in Christus geschenkt wird, damit er zu Christus gezogen und ein gänzlich anderer und neuer Mensch wird (6, 515, 29–33). Die Schau Gottes bedeutet, sich mit Verstand und Affekt abzuwenden von allem Sichtbaren und sich hinzuwenden zum Unsichtbaren und Göttlichen. Die Seele wird nicht anders umgewandelt als durch Affekt und Verstand, was durch den Glauben geschieht (4, 107, 30–34). Wer an Christus glaubt, der ist wiedergeboren oder neu geboren. Bleibt er nun in diesem Glauben, so ist der heilige Geist da, gibt Glauben und neuen Verstand ins Herz, er erweckt auch heilige und neue Gedanken und Affekte, damit man anfängt, Gott zu lieben (47, 14, 8–16). Luther kann auch den Glauben als einen Affekt bezeichnen, aber als einen, der nicht aus den eigenen Kräften des Menschen kommt, sondern vom heiligen Geist (2, 458, 26f.; vgl. 5, 460, 2). Glaube, Hoffnung und Liebe sind eigentlich die besten und göttlichen Affekte (5, 460, 18f.). Der Affekt des Glaubens muss in den Glaubensartikeln geübt werden, nicht der Verstand der Philosophie (39II, 5, 39f.). Wenn die Liebe durch den Glauben bestimmt ist, dann ist sie nicht mehr ein der menschlichen Natur entspringender Affekt (2, 578). Also muss der Affekt frei sein von aller unserer Weisheit und Gerechtigkeit und sich nur auf Gott verlassen und sich nichts rühmen (9, 103, 35–37). Gott kann geglaubt werden, dass er gütig und gnädig sei, auch wenn er selbst sich anders stellt und alle Sinne und alles Fühlen anders dächten. Denn damit wird das Fühlen getötet und geht der alte Mensch unter, damit lauter Glauben an Gottes Güte und kein Fühlen in uns bleibe (17II, 66, 26–30). Will einer ein Christ sein und nach dem Fühlen sich richten, so verliert er Christus (32, 34, 20f.).

4. Der böse Affekt: Niemand kann sich rühmen, ein reines Herz zu haben, weil das Fleisch, das ist der Affekt des Fleisches und die Begierde, die der Grund des alten Übels ist, den ganzen Menschen verdirbt (2, 415, 11–13). Nicht nur die niederen Affekte sind im sündigen Menschen von der Sünde beherrscht, sondern auch und gerade die höheren, wie Vernunft und Wille, also der ganze Mensch (18, 742–783). Eine Sünde zu vollbringen bedeutet, dem Ansporn und Affekt der Sünde zu folgen (20, 700, 38). Die Affekte des Fleisches sind Furcht, Hoffnung, Freude, Traurigkeit. Sie entstehen aus Hass und Liebe. Durch diese Affekte wird der Mensch daran gehindert, zu Christus zu gelangen, weil er durch sie den zeitlichen Gütern anhängt (4, 102, 7–11). Gottes Wort strebt immer gegen menschliche fleischliche Affekte und Gedanken (17II, 282, 1f.). |12|Aber vom menschlichen Wort gilt, dass die Affekte immer stärker sind, als es Worte sein können (20, 22, 35).

5. Der Psalter ist nichts anderes ist als eine Schule und Übung der Affekte (5, 46, 15–19).

📖 Günther Metzger, Gelebter Glaube. Die Formierung des reformatorischen Denkens in Luthers erster Psalmenvorlesung, dargestellt am Begriff des Affekts, 1964. Birgit Stolt, Gefühlswelt und Gefühlsnavigierung in Luthers Reformationsarbeit, 2012. Karl-Heinz zur Mühlen, Art. Affekt II. 6 Luther, in: TRE1, 605–612. Ders., Die Affektenlehre im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: ders., Reformatorisches Profil, 1995, 101–122. Johann Anselm Steiger, Hg., Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit, 2005.

[Zum Inhalt]

Allegorie

→ Analogie, Buchstabe, Geheimnis, Geschichte, Sinn

1. Wesen: Allegorie ist eine fortgesetzte Metapher (38, 539, 34). Die Allegorie gibt etwas anderes vor in den Worten und bedeutet etwas anderes im Sinn (2, 551, 7–10). Die Neigung zur Allegorie ist dem menschlichen Geist natürlicherweise zu eigen (5, 505, 16). Die Allegorien erzeugen keine sicheren Beweise in der Theologie, sondern sie schmücken und beleuchten die Sache wie Bilder (40I, 657, 13–22; vgl. 25, 141, 36; 44, 109, 13–18). Was Paulus Allegorie nennt, nennen Origenes und Hieronymus den geistlichen Sinn (2, 551, 16f.). Die Unterscheidung zwischen Literalsinn und allegorischem Sinn deckt sich nicht mit der zwischen Buchstabe und Geist (2, 551, 23–34). Denn der Literalsinn kann Geist, die Allegorie toter Buchstabe sein (7, 655, 27–29; 22, 219, 14–17). Durch Allegorien und Gleichnisse wird der gewöhnliche Mensch stark angesprochen. Deshalb verwendet sie auch Christus häufig. Sie sind nämlich wie Bilder, die den einfachen Menschen die Dinge wie vor Augen gemalt zeigen und die deshalb die Gemüter sehr bewegen, besonders der Ungebildeten (40I, 652, 33).

2. Umgang: Es ist nicht erlaubt, in der Schrift mit Allegorien zu spielen, es sei denn, dass die Allegorie durch andere Stellen der Schrift unwiderleglich erwiesen ist (5, 541, 16f.). Diejenigen, die die heilige Schrift studieren und Prediger werden wollen, sollen sich hüten vor den geistlichen Deutungen oder Allegorien (16, 67, 24–26; vgl. 43, 667, 4–10). Nach Paulus gelte, dass wer heimliche Deutungen einführen will, der sehe zu, dass er sie deute auf den Glauben, dass sie sich zum Glauben reimen (16, 68, 11–28). Paulus war der beste Meister im Umgang mit den Allegorien, da er sie auf die Lehre vom Glauben, auf die Gnade und auf Christus bezog, nicht auf das Gesetz und die Werke, wie es Origenes und Hieronymus taten. Wer nicht die vollkommene Erkenntnis der christlichen Lehre hat, kann die Allegorien nicht sinnvoll behandeln (40I, 653, 14–20; vgl. 14, 500, 14f.; 16, 275, 15–18; 25, 240, 10f.). Aber die Befestigung des Glaubens besteht nicht in Allegorien (31II, 97, 23). Aus der Geschichte ist der Glaube aufzubauen, in dem allein wir verharren sollen und nicht so leicht auf Allegorien verfallen (31II, 242, 24–26). Der Allegorie geht immer das Fundament der Geschichte voraus (16, 579, 30). Die Allegorie ist schädlich, wenn sie nicht mit der Geschichte übereinstimmt (43, 667, 4f.). Der Umgang mit Allegorien ist recht, wenn in ihnen der Dienst des Wortes und der Lauf des Evangeliums und des Glaubens |13|gefunden werden (14, 500, 18f.; vgl. 11, 665, 13; 16, 255, 7). Wer eine Allegorie in der Schrift finden will, bemühe sich, dass er alles auf Christus beziehe (14, 306, 20f.). Die Glaubenden können mit Allegorien erbaut werden, den Ungläubigen hingegen kann durch sie nichts bewiesen werden. Andererseits verstehen die Ungebildeten durch Ähnlichkeiten, Gleichnisse, Allegorien mit Vergnügen (2, 550, 13f.). Man soll aber beim grammatischen und historischen Sinn bleiben (31II, 243, 16; vgl. 25, 113, 11–14), dem wahren Kern und Saft der Schrift. Dann kann man das Geheimnis hinzufügen (16, 72, 1f.). Die sich unter Vernachlässigung der Geschichte an Allegorien erfreuen, die gewinnen nur Nichtiges. Zweck der Allegorien ist nur, dass sie als Ornamente und Veranschaulichungen benutzt werden, im Kampf aber nützen sie überhaupt nichts. Die Geschichten aber leisten einen großen Beitrag zur Vermehrung und Befestigung des Glaubens (25, 225, 21–25; vgl. 31II, 89, 11f.; 97, 13–23). Luther hat seit der Zeit, als er begann, den historischen Sinn hochzuschätzen, die Allegorien verschmäht und sie nicht gebraucht, es sei denn, der Text selbst wiese sie auf oder die Deutungen könnten aus dem Neuen Testament entnommen werden (42, 173, 26–29; vgl. 666, 36–667, 3). Die Allegorien sollen nicht grundsätzlich verdammt werden, da Christus und die Apostel sie auch gebraucht haben nach der Analogie des Glaubens, so dass sie die Lehre schmückten und die Gewissen trösteten (42, 367, 32–40). Denn die Allegorie muss den Glauben nähren (43, 582, 20f.).

3. Gegenstände: Alle geschaffenen Ordnungen sind Masken Gottes, Allegorien, durch die er seine Theologie rhetorisch malt: alles soll Christus in sich fassen (40I, 463, 9–464, 1). Alles Sichtbare kann verstanden werden als Figuren und Allegorien unsichtbarer Dinge. Aber Figur oder Allegorie sind keine Sakramente (6, 550, 21f.). Das Abendmahl ist keine Allegorie, die meint, das Brot bedeute des Herrn Leib, so Luther gegen Zwingli (26, 390, 27–29).

📖 Gerhard Ebeling, Evangelische Evangelienauslegung, 1942. Timothy H. Maschke, The understandig and use of allegory in the lectures on the Epistle of Saint Paul to the Galatians by Doctor Martin Luther, 1993. Hans Wernle, Allegorie und Erlebnis bei Luther, 1960.

[Zum Inhalt]

Alt/neu

→ Buchstabe/Geist, Christ, Fleisch/Geist, Mensch, Metapher, Reformation

1. Altes/Neues Testament: Unter Altem und Neuem Testament versteht Luther nicht zuerst die biblischen Bücher, sondern den alten und den neuen Bund Gottes mit den Menschen. Das Alte Testament ist eine Figur des Neuen Testaments gewesen (6, 302, 21). Das Alte Testament musste alt werden und aufhören, weil es nicht auf Gottes Gnade, sondern auf Menschenwerken stand, und es musste ein anderes Testament kommen, das nicht alt würde, auch nicht auf unserem Tun, sondern auf Gottes Wort und Werke stünde, auf dass es ewiglich währt (DB8, 29, 1–10). Jesus spricht, es sei ein neues, ewiges Testament in seinem eigenen Blut zur Vergebung der Sünden, womit er das Alte Testament aufhebt (6, 357, 29–32). Christus verwirft und hebt das alte Gesetz mit seinen Opfern und seiner Heiligkeit auf, da damit Gottes Wille nicht erfüllt sei, und nicht unser Werk und Opfer, sondern er selbst und alleine muss es für uns alle tun. Er verheißt also und stiftet das Neue Testament, da die Gerechtigkeit des |14|Glaubens in großer Gemeinde, das ist in aller Welt, gepredigt werden soll und nicht die Gerechtigkeit der Opfer oder unserer Werke (38, 33, 5–10). Die Gebote Gottes sind altes Testament, seine Verheißung neues Testament (7, 23, 30–24, 21), das Gesetz ist das Alte, das Evangelium das Neue (9, 569, 8f.). Denn das Alte Testament war wohl eine Verheißung, aber nicht der Vergebung der Sünden und ewiger Güter, sondern zeitlicher Güter, durch die niemand im Geist erneuert wurde (6, 515, 5–11). Das Alte Testament predigt den Buchstaben, das Neue predigt den Geist (7, 653, 17f.). Aber alles, was die Apostel gelehrt und geschrieben haben, das haben sie aus dem Alten Testament gezogen; denn in diesem ist alles verkündigt, was in Christus zukünftig geschehen und gepredigt werden sollte. Es ist kein Wort im Neuen Testament, das nicht hinter sich sehe in das Alte, worin es zuvor verkündigt ist, denn das Neue Testament ist nicht mehr als eine Offenbarung des Alten (10I.1, 181, 15–25). Das Evangelium oder Christus predigt nicht eine neue Lehre, die das Gesetz aufhebe oder ändere (32, 356, 18f.). Durch das Alte Testament macht man uns geschickt zu Christus zu kommen, denn wir sehen dadurch unser Gebrechen, werden demütig und wollen gern Hilfe haben. Das Neue hilft und macht fromm (9, 578, 13–15).

2. Alter/neuer Mensch: Es gibt zwei Menschen in uns, Adam und Christus, jener der alte, dieser der neue Mensch (1, 81, 8f.). Der neue Mensch ist der Mensch der Gnade, der geistliche und innere Mensch vor Gott. Der alte Mensch aber ist der Mensch der Sünde, der fleischliche und äußere Mensch vor der Welt. Die Neuheit ist die Gnade, das Altsein die Sünde (3, 182, 24–27). Wir werden alte und neue Menschen genannt, doch nicht so, dass der Mensch zwei Dinge sei. Soweit wir den Glauben haben, sind wir neu, soweit wir nicht glauben, sind wir alt. Darum kann man den alten Menschen nicht deuten, als sei er allein Fleisch und Blut, denn er, wie auch der neue Mensch, ist der ganze Mensch (24, 557, 10–14). So muss man gegeneinander halten den alten und neuen Adam, wie Paulus sagt, so dass der alte Adam eine Figur des neuen Adams sei, dass der alte mit seiner Sünde alles vergiftet hat, was von ihm kommt, der neue alles, was von ihm kommt, selig gemacht und geheiligt hat durch den Geist (10III, 75, 22–25). Der alte Mensch hört nimmer auf zu sündigen, hat noch immer eine böse Neigung (9, 572, 23f.; vgl. 30I, 220, 25–28). Der alte Mensch wird Fleisch genannt. Wer nicht aus Geist wiedergeboren ist (er sei vor sich selbst und den Menschen gerecht, fromm, weise), ist Fleisch, fleischlich, alter Mensch (1, 146, 17–22). Ohne den Geist ist der ganze Mensch alt und äußerlich (56, 345, 31). Der alte Mensch, der ohne Glauben und nicht reinen Herzens ist und Christus nicht hat, muss das Gesetz haben und immer mit Werken getrieben werden (17I, 123, 18–20). Das irdische, alte Leben nach dem alten Adam, wie man in der Welt ohne den Geist Gottes lebt, wird vom neuen Adam, Christus, überwunden (26, 307, 23f.). Paulus redet von der Tötung des alten Adams und will sagen, dass wir nicht mehr nach dem Fleisch, sondern als eine neue Kreatur in Christus leben sollen (26, 308, 32f.). Den alten Menschen nennt Paulus nicht allein den Leib oder die groben sündlichen Werke, die der Leib begeht mit den äußerlichen fünf Sinnen, sondern den ganzen Menschen, wie er von Adam geboren ist, mit Leib und Seele, Willen, Vernunft und Verstand, der noch in Unglauben, Gottesverachtung und Ungehorsam ist. Neuer Mensch heißt der, der durch die Buße sich zu Gott bekehrt und nun ein anderes Herz und anderen Verstand hat als zuvor, anders glaubt und lebt nach Gottes Wort und Willen durch den heiligen Geist. Dieser fängt an in der Taufe oder in der Buße und Bekehrung, dass er dem alten Menschen und |15|seinen sündlichen Lüsten durch den heiligen Geist widerstehe (22, 98, 13–38). Im alten Menschen ist nichts als Irrtum, wodurch ihn der Teufel ins Verderben führt. Aber der neue Mensch hat dagegen den Geist und Wahrheit, wodurch das Herz erleuchtet wird und Gerechtigkeit und Heiligkeit mit sich bringt, so dass der Mensch Gottes Wort folgt und Lust hat zu gutem göttlichem Wandel und Leben. Ein solcher neuer Mensch ist geschaffen nach Gott als ein Bild Gottes (22, 315, 23–29). Erneuert zu werden bedeutet, aus dem Alten ins Neue überzugehen. Das Alte ist die Sünde des alten Menschen, das Neue ist die Gnade des neuen Menschen (7, 106, 32–34). Die Taufe bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten, und wiederum täglich ein neuer Mensch herauskommen und auferstehen soll, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe (30I, 382, 8–383, 2). Christus hat die Erlösung von Sünden und Tod erworben, dass uns der heilige Geist an Christus zu neuen Menschen machen soll aus dem alten Adam (50, 599, 29–31). Das ist nun die Natur des inwendigen und neuen Menschen, dass er ein stetes Harren, Hoffen, Trauen, Glauben trägt zu Gott. Das Wort und die Verheißung Gottes ist der ganze Inhalt des neuen Menschen (1, 209, 18–23). Der neue Mensch gewinnt Lust zu Gottes Geboten und tut alles mit Freuden, was er soll (7, 654, 6–8; vgl. 10I.1, 49, 5–7). Der heilige Geist macht die Person anders und verwandelt sie in einen neuen Menschen, der dann eine andere Vernunft, einen anderen Willen hat, geneigt zum Guten (10I.1, 328, 17f.; vgl. 12, 298, 30–33). So ist jeder Christ in bezug auf seinen äußeren Menschen unter Mose oder dem Gesetz, unter dem Tod, der Hölle, dem Teufel, weil der äußere oder alte Mensch noch gekreuzigt und getötet werden muss. Nach dem Glauben erfasst der neue Mensch den Sohn und ist Herr über Tod, Gesetz, Hölle und Teufel. Dies ist die Freiheit, die uns durch diesen König, der uns als Sohn gegeben wurde, gegen die Knechtschaft des Gesetzes zukommt (40III, 655, 5–13). Im neuen Menschen ist Sohnschaft, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Heil, Erlösung und ewiges Leben (40III, 655, 20–22). Christus will, weil wir neue Menschen sein sollen, dass wir auch andere und neue Gedanken, Verstand und Sinne haben und kein Ding ansehen nach der Vernunft, wie es vor der Welt steht, sondern wie es vor seinen Augen ist, und uns richten nach dem zukünftigen, unsichtbaren neuen Wesen, das wir zu hoffen haben und das nach diesem Leiden und elenden Wesen folgen soll (34II, 481, 12–16).

3. Alte/neue Welt: Man muss unterscheiden zwischen der Schöpfung, die erst geschehen, und der neuen Geburt, die uns wiederbringt, was wir nach der Schöpfung verloren haben (46, 622, 38–40). Christi Tod und Auferstehung wird alles neu machen in Himmel und Erden (46, 33, 6f.).

4. Alter/neuer Gott: Gott ist älter und größer als alle Dinge (15, 493, 31). So ist Gott und sein Wort älter, als wir sind, er wird auch wohl jünger und neuer sein, als wir sind, denn er ist ewig, darum soll er beides, Altes und Neues, ändern und regieren und sich weder vom Neuen noch Alten ändern oder regieren lassen (30II, 321, 19–22).

5. Alte/neue Lehre: Menschen sollen keine neuen Artikel des Glaubens setzen (6, 322, 2f.). Luther predigt seinem Anspruch nach nicht neue Dinge, er sagt, dass alle christlichen Dinge bei denen untergegangen seien, die sie bewahren sollten, nämlich bei den Bischöfen und Gelehrten (7, 313, 37–39; vgl. 33, 462, 34–37). Er habe diese Predigt nicht neu gemacht, sondern eben dieselbe alte, befestigte Lehre der Apostel wieder hervorgebracht, wie er auch keine neue Taufe, Sakrament, Vater unser, Glauben |16|gemacht habe, sondern allein wegen des Alten, das Christus und die Apostel hinterlassen haben, streite (46, 62, 26–32). Das Konzil von Nizäa hat nichts Neues erdacht noch gesetzt, sondern den alten Glauben wider den neuen Irrtum des Arius durch die heilige Schrift verteidigt. Deshalb kann man den Konzilien nicht die Macht geben und noch viel weniger dem Papst, neue Artikel des Glaubens zu erdenken oder zu setzen (50, 575, 4–8; vgl. 580, 17–24; 607, 12–17; 618, 10–14).

📖 Oswald Bayer, Luthers Theologie, 3. Aufl. 2010. Peter Schwanz, Der neue Mensch, 1992.

[Zum Inhalt]

Amt

→ Beruf, Dienst, Pfarrer, Priester

1. Wesen: Amt ist zuerst Dienst. Christus hat keine Macht mitgeteilt, sondern das brüderliche Amt der Liebe angewiesen (2, 632, 13f.). Alle Christen dienen Gott, aber sie sind nicht alle im Amt (10I.2, 122, 9–22). Wer das Amt zu lehren hat, kann sagen, dass dieses Amt, wenn es sich auf das Wort Gottes bezieht, heilig ist vor Gott (25, 242, 14–16