Master of my Feelings (Master-Reihe Band 4) - Holly Summer - E-Book

Master of my Feelings (Master-Reihe Band 4) E-Book

Holly Summer

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Beschreibung

Nie wieder einem Playboy verfallen! Elizabeth McQueen und Jayden Hunt haben einiges gemeinsam: Sie sind jung, attraktiv und erfolgreich. Doch während Elizabeth nach einer gescheiterten Beziehung solch einem Typ Mann abgeschworen hat, nimmt Jayden die Herausforderung allzu gerne an und versucht alles, um sie für sich zu gewinnen. Elizabeth ist jedoch nicht so leicht zu haben, wie die zahlreichen Frauen zuvor, sodass es für beide ein emotionaler Spagat zwischen Vernunft und Leidenschaft wird. Der finale Band der Bestseller-Reihe "Master" von Holly Summer

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Holly Summer

Master of my Feelings

Master-Reihe Band 4

© 2016 Amrûn Verlag

Jürgen Eglseer, Traunstein

Covergestaltung: ASP Design, Grit Richter

Lektorat: Simona Turini, Lektorat Turini

Korrekorat: Jessica Idczak, Stilfeder

Alle Rechte vorbehalten

ISBN – 978-3-95869-104-9

Besuchen Sie unsere Webseite:

amrun-verlag.dehollysummer.de

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.Alle beschriebenen Personen sind volljährig.Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebendenoder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind imInternet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für die Menschen, die ich liebe

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Danksagung

Unruhig tippe ich mit dem Fuß auf die Fliesen, bis das Räuspern der Frau hinter mir mich in meiner Bewegung innehalten lässt. Ich habe gar nicht bemerkt, wie störend das Geräusch sein kann, wenn Absätze mit Stein kollidieren. Die Schlange vor mir nimmt kein Ende, aber ich brauche dringend einen von diesen leckeren Frischkäsebageln mit Gurke und einen Milchkaffee, bevor ich mich in die Arbeit stürze.

Mittlerweile sind nur noch zwei Personen vor mir, aber die Frau, die gerade ihre Bestellung aufgibt, bringt mich so richtig zur Weißglut. Warum kann sie sich nicht entscheiden, verflucht?! Es ist doch wirklich nicht allzu schwer, aus dem überschaubaren Angebot an Gebäckstücken in der Auslage zu wählen. Wieder überlegt sie es sich anders und bestellt statt einem Muffin jetzt ein Laugencroissant. Meine Güte, wie der Angestellte hinter der Theke nur so ruhig bleiben kann, ist mir ein Rätsel. Als ich etwas zu laut schnaube und leise vor mich hin grummle, dreht sich der Mann vor mir um und grinst mich mitleidig an.

»Bei mir geht es ganz schnell, versprochen.«

Ich ziehe die Lippen gekünstelt zu einem Lächeln nach oben und hoffe, dass er auch wirklich meint, was er sagt. Wieder werfe ich einen genervten Blick auf meine Armbanduhr, nur um festzustellen, dass ich es jetzt ganz bestimmt nicht mehr pünktlich zu meinem ersten Termin schaffen werde. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich endlich an der Reihe und gebe die Bestellung auf. Ich reiche dem Kassierer einen Zehn-Dollar-Schein über die Theke, warte auf das Wechselgeld und schnappe mir mein Frühstück to go.

Ungeduldig dränge ich mich an den jungen Leuten, die gerade den Laden betreten, vorbei auf die Straße. Ich bin mittlerweile definitiv viel zu spät dran und mein Kunde wartet sicher schon auf mich. Zwei Blocks von meinem Büro entfernt, klemme ich mir umständlich den Becher unter den Arm und beiße hungrig in das leckere Gebäckstück. Mit der anderen Hand angle ich nach meinem Handy in der Tasche, um im Büro Bescheid zu sagen, dass ich gleich da sein werde. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass die Straßen und auch Bürgersteige in der City von Boston um diese Uhrzeit einem Ameisenhaufen gleichen und ich immer wieder gezwungen werde, vorbeigehenden Passanten auszuweichen. Die Autos drängen sich mühsam durch die überfüllte Innenstadt, sodass ich heilfroh bin, heute die öffentlichen Verkehrsmittel gewählt zu haben.

Irgendwie gelingt es mir, meine Büronummer zu wählen, ohne dass mir der Kaffee runterrutscht, während ich den Rest des Bagels in den Mund schiebe und genüsslich die letzten Reste der Frischkäsecreme von meinen Fingern lecke. Es klingelt. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Straße vor mir und sprinte, soweit mir das mit meinen High Heels und dem engen Bleistiftrock möglich ist, über den Asphalt. Ich habe mich heute für ein elegantes Businessoutfit aus kurzem Rock, weißer Bluse und Blazer entschieden. Ein Style, der mir den Ruf der ehrgeizigen Karrierefrau bei meinen Kollegen eingebracht hat.

Kurz bevor ich die andere Straßenseite erreiche, werde ich von dem energischen Hupen eines Autofahrers, der gerade in die Straße einbiegen will und seinen Wagen direkt vor mir zum Stehen bringt, so erschreckt, dass mir jetzt doch der Becher aus der Hand rutscht und mit einem dumpfen Aufprall auf der Motorhaube des schicken Sportwagens landet. Der Deckel springt ab und die braune Flüssigkeit verteilt sich über dem glänzenden Lack. Einige Spritzer finden sich auch auf der Windschutzscheibe wieder – und auf meiner Bluse, wie ich mit Verärgerung registriere. Verdammter Mist.

Im Kopf gehe ich schon die Möglichkeiten durch, wie ich vor meinem Termin noch an eine frische Bluse kommen soll, hake diesen Gedanken allerdings als unmöglich ab. Mein Blick gleitet zu dem Unfallverursacher. Hinter den abgedunkelten Scheiben kann ich den Fahrer nur undeutlich erkennen. Seiner Größe nach zu urteilen, handelt es sich um einen Mann. Natürlich! Eine Frau würde nie in diesem Fahrstil in eine belebte Straße einbiegen. Dieser Vollidiot hätte mich beinahe angefahren. Außerdem muss ich jetzt auf meinen ersten Kaffee am Morgen verzichten.

Passanten schütteln teilweise belustigt, teilweise empört den Kopf. Ob sie damit mich oder den Autofahrer meinen, der mich fast über den Haufen gefahren hätte, weiß ich nicht. Und im Grunde interessiert es mich auch nicht. Ich habe es eilig und bin spät dran. Eine Frau kommt näher und fragt mich, ob alles in Ordnung sei. Ich nicke und hebe den Kaffeebecher vom Boden auf. Da ich immer noch mein Handy in der Hand halte, wird mir bewusst, dass am anderen Ende jemand auf eine Antwort wartet.

»Hallo?«

»Elizabeth, bist du das?«, höre ich Dorothees Stimme.

»Ja, ist mein Klient schon da?«

»Gerade gekommen. Was ist denn los?«

»Biete ihm bitte einen Kaffee an. Ich bin gleich da.« Ich beende das Gespräch und will weitergehen, als die Tür des Wagens aufgerissen wird und ein Mann aussteigt, der alles Mögliche im Sinn hat, nur nicht, sich zu entschuldigen. Er schiebt aufgeregt die Sonnenbrille über die Stirn und flucht leise irgendeine Verwünschung, die ich nicht verstehen kann. Sein wütender Blick streift erst mich, bevor er mit zusammengekniffenen Augen sein Auto betrachtet. Tja, dazu kann ich nur sagen, selbst Schuld und lieber etwas langsamer fahren.

»Laufen Sie immer völlig kopflos über die Straße, Lady? Sehen Sie sich mal die Schweinerei an«, fährt er mich an, dabei stützt er seinen Arm auf der Scheibe seines schicken Cabrios auf. Das kann jetzt nicht sein Ernst sein. Am liebsten hätte ich empört losgelacht, tue es aber nicht. Was denkt sich dieser Vollidiot? Er hat mich fast angefahren. Eine Entschuldigung hätte völlig genügt, aber dieses Verhalten zeugt davon, dass ich es hier mit einem arroganten Arschloch der Sonderklasse zu tun habe. Doch auch damit habe ich kein Problem. Diesem aufgeblasenen Adonis werde ich die passenden Worte gleich um die Ohren hauen.

»Ich bin nicht völlig kopflos über die Straße gelaufen, Sir.« Das letzte Wort betone ich besonders, um ihm zu zeigen, was für ein arroganter Sack er ist. »Sie waren es, der viel zu schnell unterwegs war. Sie hätten mich beinahe angefahren, ist Ihnen das eigentlich klar? Hier sind nur 15 Meilen erlaubt. Das war ganz allein Ihre Schuld. Eine Entschuldigung wäre wohl eher angebracht, als sich aufzuführen wie ein chauvinistisches A...«, den Rest schlucke ich hinunter. Ich bin schließlich nicht im New Yorker Harlem aufgewachsen und solche Kraftausdrücke entsprechen auch nicht meinem Sprachgebrauch. Stattdessen rede ich in einem anzüglichen Ton weiter. »Und ich bin sicher, eine Waschstraße bringt das schnell wieder in Ordnung«, dabei deutet ich auf seine Motorhaube, von der der Kaffee immer noch auf den Asphalt tropft. Diese kleine Spitze konnte ich mir nicht verkneifen. Seine Augen sprühen Funken und seine Kiefermuskeln zucken leicht, während er versucht, sich zusammenzureißen.

»Passen Sie auf, dass ich Ihnen nicht einen Wassereimer und Schwamm in die Hand drücke, damit Sie die Schweinerei aufwischen können.«

Ich schnappe sprachlos nach Luft, aber er zeigt ein Stück die Straße entlang und redet unbeirrt weiter.

»Dort drüben ist übrigens eine Fußgängerampel, Lady, und ein Zebrastreifen. Den hätten Sie benutzen können, dann wäre sicher nichts passiert«, kontert er.

»Ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie hier mit einem Affenzahn in die Straße einbiegen wollen, um ahnungslose Fußgänger über den Haufen zu fahren. Außerdem hatte ich es eilig.« Meine Stimme wird immer gereizter.

»Dann sollten Sie sich vielleicht auf eine Sache konzentrieren, nämlich vorschriftsmäßig die Straße zu überqueren, anstatt gleichzeitig zu frühstücken«, dabei schaut er auf meinen leeren Becher und die braune Flüssigkeit, die sich auf seiner Motorhaube verteilt hat und dunkle Wasserflecken auf der weißen Farbe hinterlässt.

»Ich habe telefoniert und nicht gefrühstückt«, antworte ich angefressen.

»Noch schlimmer«, knurrt er verächtlich.

Woher will er denn wissen, was ich getan habe? Er kommt einen Schritt auf mich zu, streckt seine Hand aus, berührt meinen Mundwinkel mit dem Daumen und streicht leicht darüber. Das alles passiert so schnell, dass ich gar nicht reagieren kann und perplex die Augen aufreiße.

»Da hing noch der Rest von Ihrem Frühstück«, knurrt er.

Jetzt wische ich mir selbst irritiert über die Lippen. Was fällt diesem arroganten Chauvinisten ein, mich auch noch zu berühren? Mit zusammengekniffenen Augen funkle ich ihn an.

»Ich wollte Sie nur vor einer weiteren Unannehmlichkeit bewahren.«

»Ach ja? Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten und im Übrigen gibt es Menschen, die multitaskingfähig sind. In der Regel trifft diese Behauptung allerdings eher auf den weiblichen Teil der Bevölkerung zu«, ist meine Antwort auf seine Unverschämtheit.

»Dazu gehören Sie aber nicht.« Und plötzlich breitet sich ein arrogantes Lächeln auf seinen Lippen aus, während er die Sonnenbrille wieder über seine Augen gleiten lässt.

Jetzt reicht es mir. Ich habe es nicht nötig, mich mit diesem Schnösel auseinanderzusetzen. Er soll froh sein, dass ich ihn nicht anzeige. Hinter seinem Wagen hat sich bereits eine Schlange wartender Autos gebildet und das verärgerte Hupen bewahrt mich davor, ihm die passenden Worte entgegenzuschleudern und mich weiter von ihm provozieren zu lassen. Stattdessen stelle ich den leeren Becher provokativ auf seiner Motorhaube ab, drehe ich mich um, werfe ihm über die Schulter noch einen bösen Blick zu und lasse diesen Idioten einfach stehen.

Zufrieden schaue ich mich in der großen Halle um und muss zugeben, dass sie stilistisch vollendet ist. Die Natursteinwände, die mit einem unterbrochenen Weiß getüncht sind, setzen die Struktur des Mauerwerks so richtig in Szene, dazu lässt der warme Farbton des dunklen Parkettbodens, der dem Raum das gewisse Etwas verleiht, ihn im Gegensatz zu den fast farblosen Wänden edel und harmonisch wirken. Die in den Boden eingelassenen Lampen strahlen die Bilder an den Wänden perfekt an und geben exakt das wieder, was unser Kunde erwartet hat. Der Auftrag lautete: klare Linien, aufeinander abgestimmte Farben, absolut dezent, aber wirkungsvoll. Ich denke, die Vorgaben habe ich alle erfüllt.

Ich muss zugeben, das Loft wirkt durch die dezente Farbzusammenstellung exklusiv und nicht verschwenderisch. Meine Aufmerksamkeit wird auf die große Skulptur in der Mitte des Raumes gelenkt. Sie ist noch mit einem Tuch verhüllt und wartet nur darauf, jeden Moment ihr Antlitz zu zeigen. Langsam nimmt die Besucherzahl derjenigen, die zu dieser Ausstellung eingeladen wurden, zu. Viele der Gäste kommen aus der Politik oder entstammen der oberen Gesellschaftsschicht Bostons. Der Bürgermeister steht mit seiner Frau in einer kleinen Gruppe am Eingang und lächelt mir zu. Er ist ein alter Bekannter meiner Eltern und war schon oft bei ihnen zu Hause zu Besuch.

Die Stimmen der Gäste werden lauter und vermischen sich mit der leisen Hintergrundmusik, die von dem Piano an der Fensterfront herüberweht. »As time goes by«. Die letzten Töne verklingen, bevor der Mann am Flügel die Seite umblättert, um sich dem nächsten sentimentalen Song zu widmen. Keiner der Gäste nimmt auch nur einen Moment den Klang der Musik wahr, stattdessen reden sie alle durcheinander. Aber ich liebe diese sanften emotionalen Balladen. Der Pianist konzentriert sich auf das neue Stück und spult sein Repertoire herunter. Ihm kann es egal sein, er wird für seine Zeit bezahlt. Trotzdem muss es frustrierend sein, nicht gewürdigt zu werden. Ich gehe wie von einem Magneten angezogen zum Flügel und lächle den Mann an, der mir mit einer Geste zu verstehen gibt, dass er das nächste Stück nur für mich spielen wird.

»In the mood« erklingt, ich lehne mich an den schwarzen Klangkörper des Instruments und vergesse für einen Moment, dass ich mich bei einer Charity-Veranstaltung unseres Auftraggebers befinde. Als der Pianist sanft die Hände von den Tasten hebt, bin ich die Einzige, die leise Beifall klatscht.

»Liz«, höre ich meinen Namen und drehe mich in Richtung der Stimme um. Es ist Jake Melone, mein Chef, der auf mich zukommt. Er wirkt gehetzt.

»Jake, du bist spät. Die Eröffnung fängt gleich an.«

»Tut mir leid, dass du warten musstest. Ich hatte noch einen Klienten, du kennst ihn. Der Immobilienmakler mit der großen Villa in Beacon Hill. Der konnte sich nicht entscheiden, ob er die Wände weiß oder doch lieber farbig haben wollte. Seine schrecklich impertinente Frau war auch dabei«, genervt verdreht Jake die Augen. »Wenn es nach ihr ginge, würden wir jetzt noch diskutieren. Ich kann diesen neureichen Snobs einfach nichts abgewinnen.« Jetzt gleitet sein Blick beeindruckt durch den Raum. »Perfekt.« Dabei lächelt er mich an. »Die Räume sind einfach perfekt. Ich wusste doch, dass du die Beste für diesen Auftrag bist.« Dabei lässt er seinen Blick erneut durch das Loft schweifen.

»Danke für den Zucker, aber ich trinke ohne. Wichtig ist doch nur, dass dein Kunde zufrieden ist, oder?« Dabei stupse ich ihn grinsend an.

»Das wird er sein. Da drüben steht er übrigens.«

Jake deutet mit dem Kopf Richtung Eingang. Ich folge seinem Blick. Ich bin gespannt, wer sich hinter Jayden Hunt verbirgt. So was kommt selten vor, dass ich den Klienten erst nach der Fertigstellung kennenlerne. »Welcher von den Dreien ist es denn?«

»Der Mann mit den dunklen Haaren.«

»Die haben alle mehr oder weniger dunkle Haare. Meinst du den Kleinen mit der Nerdbrille, der aussieht wie eine Mischung aus Louis de Funès und Donald Duck?« Dabei muss ich kichern. Auch Jake kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Eine schreckliche Angewohnheit von mir, ständig Gedankenverknüpfungen zu Menschen herzustellen und sie mit anderen Personen zu assoziieren. »Oder meinst du den Großen? Der mit den perfekt gegelten Haaren, der aussieht wie George Cloony, nur mindestens 25 Jahre jünger?«

Jake nickt.

»Genau der. Man sagt ihm sogar nach, dass er Geschäfte mit der Mafia macht«, flüstert er mir leise zu, sodass nur ich es hören kann. »Zumindest ist er an vielen Unternehmungen beteiligt. Keiner weiß genau, wie er zu seinem Vermögen gekommen ist. Es gibt überhaupt sehr wenig, was du über ihn nachlesen kannst, außer dem üblichen Klatsch. Ein Playboy und ein verdammt guter Geschäftsmann. Über seine Vergangenheit ist so gut wie nichts bekannt. Den Mann umgibt eine geheimnisvolle Aura. Aber jeder möchte mit ihm ins Geschäft kommen. Er ist der Gewinnertyp schlechthin.«

»Aha. Bist du fertig mit seinem Dossier?«

Jake wirkt irritiert. Er hat es nicht verdient, dass ich meine schlechte Laune, die mich überkommen hat, als ich das Gesicht unseres Auftraggebers erkannt habe, an ihm auslasse.

»Hey, entspann dich. Wir müssen nicht lange bleiben. Ich dachte, du magst solche Veranstaltungen. Oder liegt es an dem Mann, der seine Aufmerksamkeit schon seit einigen Minuten auf dich gerichtet hat?«, fragt er lächelnd.

Wie Recht Jake doch hat. Aber das werde ich ihm nicht auf die Nase binden und in der Regel mag ich diese Veranstaltungen wirklich. Ich stamme aus einer gut betuchten Familie. Mein Vater ist ein bekannter Arzt im Ruhestand, meine Mutter eine angesehene Autorin und meine beiden Brüder sind erfolgreiche Geschäftsmänner und nicht nur in Boston bekannt. Solche Partys gehören für mich zum normalen Leben. Es liegt auch gar nicht an der Ausstellung, dass meine Stimmung gerade in den Keller gerutscht ist. Es liegt vielmehr am Gastgeber.

»Warum schaut er mich so an?«, will ich wissen, während ich ihn noch für einige Sekunden anstarre, bevor ich mich zu Jake drehe. Jake folgt meinem Blick und sein Grinsen wird breiter.

»Vielleicht gefällst du ihm. Wer weiß das schon.«

»Er gefällt mir aber nicht«, rutscht es mir jetzt heraus, als ich ihn mir genauer betrachte und die Szene unseres ersten Zusammentreffens sich in meine Gedanken projiziert.

»Warum? Er sieht doch fantastisch aus. Genau dein Typ«, stichelt Jake. Sein Lachen kann er sich wirklich schenken. Vorsicht, Mr. Melone!, signalisiere ich ihm mit zusammengekniffenen Augen.

»Da muss ich dich leider enttäuschen, er ist ganz und gar nicht mein Typ. Von dieser Sorte Männer habe ich endgültig die Nase voll. Du hast es selbst gesagt, ein Playboy. Danke, mein Bedarf ist gedeckt. Außerdem hatte ich bereits das Vergnügen, ihn kurz kennenzulernen.« Wenn man diese Begegnung überhaupt als Kennenlernen bezeichnen kann.

»Aha. Das wusste ich nicht. Er ist doch erst seit heute wieder in den Staaten. Wann habt ihr euch denn getroffen?«

Ich winke ab. »Ich konnte ja nicht ahnen, wer er ist. Ich erzähle es dir ein anderes Mal. Ist nicht wichtig.« Das hoffe ich zumindest.

»Du machst mich wirklich neugierig, wenn du so eine Abneigung gegen ihn empfindest. Außerdem ist er nur ein Klient. Du sollst ihn ja nicht heiraten.«

»Was?«, rutscht es mir etwas zu laut heraus, sodass die Frau neben mir zusammenzuckt.

Jake zuckt die Schultern. »Ein Sprichwort, sagt man nicht so? Warum regt dich das so auf?«

»Tut mir leid. Ich bekomme heute wohl alles in den falschen Hals.«

»Ich sag dir was! Du brauchst dringend Urlaub.« Dann gleitet Jakes Blick wieder zu unserem Gastgeber. »Na ja, das musst du ihm ja nicht auf die Nase binden.«

»Was soll ich ihm nicht auf die Nase binden?«

»Dass er nicht dein Typ ist und du ihn nicht leiden kannst. Hat er sich etwa über deine Arbeit beschwert? Das kann ich mir gar nicht vorstellen«, grübelt er.

»Nein, ich kenne ihn eigentlich gar nicht. Vergiss es einfach.« Warum habe ich überhaupt davon angefangen und Jake gegenüber Andeutungen gemacht? Jetzt wird er keine Ruhe geben, bis ich ihm alles erzählt habe.

»Er kann schon manchmal ein verdammter Mistkerl sein, was man so hört. Zumindest ist er ein aalglatter Geschäftsmann. Einige behaupten, er sei unnachgiebig, und was er will, das nimmt er sich. Ich kann mich nicht beklagen, wir hatten bisher ein gutes Verhältnis. Außerdem ist er sehr großzügig und hilft unbekannten Künstlern, ihre Werke hier auszustellen.«

Ich schaue mich in dem Raum um. Die Bilder, die an den Wänden hängen, sind nicht gerade das, was ich als moderne Kunst bezeichnen würde, aber ich habe auch keine Ahnung von der Szene.

»Ich habe gehört, dass er ein altes Herrenhaus in England gekauft hat, das er renovieren lassen will, um ein kleines exklusives Hotel daraus zu machen«, wechselt Jake das Thema, als ich nicht auf seine Lobeshymnen eingehe. »Schätzchen, wenn wir ihn mit diesem Projekt überzeugt haben, dann winken noch ganz andere Aufträge. Wer weiß, vielleicht vergibt er den Auftrag an unser Büro. Das hier war doch nur ein Test. Sozusagen die Feuerprobe, die wir meiner Meinung nach bestanden haben.«

Immer noch starrt mich unser Gastgeber mit einem geheimnisvollen Grinsen von Weitem an, während Jake unentwegt euphorisch seinen Monolog führt. Unser Kunde ist attraktiv, und das weiß er. Ich hatte den Fastzusammenstoß vor zwei Wochen eigentlich vergessen. Zumindest bis heute, denn jetzt kommt die Szene gerade wieder in meinem Bewusstsein hoch, und ich spüre Ärger in mir aufsteigen. Dieses selbstgefällige Lächeln, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht wischen möchte, erkenne ich sofort wieder. Aber mich wird er nicht um den Finger wickeln.

Braucht er auch nicht, denn die Frauen fliegen nur so auf ihn, was ich gar nicht verstehen kann. Gutes Aussehen kann nicht über seine arrogante Art hinwegtäuschen. Ich muss mich korrigieren, er sieht nicht nur verdammt gut aus, er ist vielmehr der heißeste Typ, der mir seit Langem unter die Augen gekommen ist. Schon wieder drängt sich eine Frau – dieses Mal eine Rothaarige – an seine Seite und lächelt ihn herausfordernd an, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Aber er scheint mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Bei mir, was mir ganz und gar nicht gefällt. Ich wüsste nicht, womit ich sein Interesse geweckt haben sollte.

Womöglich erinnert er sich genau wie ich an unsere erste Begegnung. Ob er weiß, dass ich für die Gestaltung der Räume zuständig war? Ich habe den Auftrag kurzfristig von Jake übernommen, der die Gespräche mit dem Kunden geführt hat. Offiziell vorgestellt wurden wir uns bis jetzt noch nicht, aber wie ich meinen Chef kenne, wird er diesen Umstand in Kürze ändern. Peinlich berührt – warum, weiß ich eigentlich nicht – drehe ich schnell meinen Kopf zur Seite und schenke Jake wieder meine volle Aufmerksamkeit.

»Na, dann wünsche ich dir viel Spaß in England, Jake. Falls wir den Auftrag überhaupt bekommen sollten.«

»Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Vertrau mir, ich habe ein Gespür dafür. Und wieso ich? Du wirst den Auftrag ausführen. Du bist prädestiniert dafür, oder willst du, dass uns dieser Job durch die Lappen geht?«

»Ich?«, stoße ich entsetzt aus.

»Natürlich du. Du bist die Beste, wenn es darum geht, alten Häusern ihren Charme zurückzugeben, und das weißt du auch. Meine Leidenschaft ist das Futuristische. Gib mir einen alten Bürokomplex und ich zaubere dir ein Objekt, nach dem sich jede Firma die Finger lecken würde.«

Ich rolle genervt mit den Augen. Jake und ich sind ein Team, das sich prima ergänzt. Er behandelt mich nicht wie seine Angestellte, im Gegenteil, ich genieße vielmehr den Status eines gleichberechtigten Partners. Einen besseren Chef könnte ich mir nicht wünschen. Aber manchmal möchte ich ihn erwürgen.

Kaum hat Jake den letzten Satz ausgesprochen, kommt der Mann, der mich immer noch mit seinem Blick hypnotisiert, auf uns zu. Allein sein aufrechter Gang drückt Souveränität und ein Selbstbewusstsein aus, das beunruhigend auf mich wirkt. Wie ein Tiger bewegt er sich auf uns zu, bereit, seine Beute zu umgarnen, um dann gezielt zupacken zu können. Ich schüttle innerlich den Kopf über meine verworrenen Fantasien und rufe mich selbst zur Ordnung. Ich weiß nicht, was es ist, das die Menschen um ihn herum in seinen Bann zieht. Ist es seine Ausstrahlung von Macht und Stärke oder sein fantastisches Aussehen? Sein Lächeln, gepaart mit diesem durchdringenden Blick, der alles andere als unangenehm ist?

Dummerweise hat sich in den letzten Minuten mein Herzschlag beschleunigt. Ich verstehe nicht, was mit mir los ist, denn eigentlich bin ich ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht, und über arrogante Typen wie diesen Charming-Bad-Boy-Mix kann ich nur lachen. Im Gegenteil, ich bin dafür bekannt, in jeder Situation ruhig und gelassen zu bleiben. Mich kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen, und doch hat Mr. Hunt es bereits geschafft, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und mich nervös werden zu lassen.

Am liebsten würde ich ihm mit ein paar kräftigen Worten meine Meinung ins Gesicht schleudern. Aber selbstverständlich tue ich es nicht und lächle stattdessen gespielt freundlich, sodass sich meine Mundwinkel ein Stück nach oben ziehen, während ich immer noch den Blickkontakt mit ihm halte. Es ist wie ein Spiel zwischen uns. Wer wird zuerst peinlich berührt wegschauen? Darauf kannst du lange warten, Mister!

»Jake. Ich freue mich, dass Sie hier sind. Wie gefällt Ihnen die Ausstellung?«, wendet sich unser Gastgeber an meinen Chef und schüttelt ihm die Hand. Sein Interesse an mir scheint wie ausgelöscht. Aber ich fühle mich von ihm magnetisch angezogen. Seine markanten Gesichtszüge sind heute entspannt, und wenn er lächelt wie jetzt, bildet sich ein kleines Grübchen neben seinem Mundwinkel, was ihm eine Sanftheit verleiht, die ihn noch anziehender wirken lässt.

»Ich bin beeindruckt, Jayden. Eine fantastische Ausstellung. Werden die Künstler heute Abend auch anwesend sein?«

»Aber natürlich. Ich bin übrigens angenehm überrascht, was Sie in der kurzen Zeit hier geleistet haben«, lobt er meinen Chef. Immer noch behandelt er mich, als wäre ich Luft. »Ich bin sehr zufrieden mit den Räumen. Sie haben meine Wünsche auf den Punkt erfüllt.«

Jakes Mundwinkel verziehen sich zu einem wissenden Lächeln, bevor er sich mir zuwendet.

»Danke, Jayden. Aber das Lob gilt nicht mir. Darf ich Ihnen meine Mitarbeiterin Elizabeth McQueen vorstellen?« Dabei tritt er einen Schritt zur Seite, sodass ich wieder in den Vordergrund gerückt werde. »Sie war für die Gestaltung hier verantwortlich. Außerdem ist sie meine beste Innenarchitektin. Sie hatten Glück, dass ich selbst verhindert war. Liz hat ein Gespür dafür, alten Gemäuern den richtigen Touch zu verleihen und sie in neuer Eleganz erstrahlen zu lassen. Nicht zu vergessen ihr Blick für das Zusammenspiel von Farben und Materialien. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, in diesem Gebäude mit Holz zu arbeiten, aber Elizabeth versteht es, zu provozieren, ohne den Stil anzugreifen«, lobt er mich nicht ohne Stolz in der Stimme. Und jetzt könnte ich ihm wirklich den Hals umdrehen, mich so in die Enge zu drängen. Ich ahne schon, was er vorhat und wohin er das Gesprächsthema lenken will. Er weiß genau, wie ich Beweihräucherungen hasse. Besonders, wenn sie so aufgesetzt rüberkommen.

»Elizabeth, das ist Jayden Hunt, unser Auftraggeber. Ich glaube, ihr seid euch noch nicht vorgestellt worden. Jayden, ich freue mich, Sie mit Elizabeth McQueen bekannt machen zu dürfen.«

Wieder gleitet Mr. Hunts Blick über mein Gesicht und bleibt an meinen Augen haften. Seine sind blau, so was von blau, dass es fast unnatürlich wirkt. Manche Leute tragen Kontaktlinsen, um die Wirkung ihrer Augenfarbe zu verstärken. Aber bei Mr. Hunt trifft dieser Verdacht nicht zu. Seine Augen sind blau wie der azurfarbene Himmel, das fällt mir jetzt erst auf. Bei unserem ersten Zusammentreffen haben die meiste Zeit Sonnenbrillengläser seine Augen verdeckt.

Er ist mindestens eins neunzig groß, schätze ich, da er mich um einiges überragt, obwohl ich hohe Schuhe trage. Hat einen athletischen Körperbau und einen breiten Rücken. Sicher hält er sich täglich im Fitnessstudio auf, um den Frauen dort den Kopf zu verdrehen und eine nach der anderen flachzulegen. Seine pechschwarzen Haare sind mit Gel perfekt modelliert, was ihm ein verwegenes Aussehen verleiht. Ganz zu schweigen von seinem dunklen Teint, der ihn wie einen südamerikanischen Polospieler wirken lässt. Diese Augen, die eher zu einem Engel passen als zu einem Mann, der wie der Teufel wirkt, ziehen mich sofort in seinen Bann, obwohl ich das überhaupt nicht verstehen kann. Besonders, wenn sie mich anschauen, als wollten sie in mich hineinkriechen und meine Seele ergründen.

Ich kann überhebliche Typen auf den Tod nicht ausstehen und Mr. Hunt ist einer von der Sorte, das habe ich sofort gespürt. Er hat seine Hände lässig in den Hosentaschen seines Maßanzuges vergraben und macht sich nicht einmal die Mühe, mir die Hand zu reichen. Im Gegenteil, er grinst mich nur herausfordernd an. Unhöflich ist er also auch noch. Arrogant und unhöflich. Mein Gott, er könnte wenigstens so tun, als hätte er eine gute Kinderstube genossen. Er ist genau der Typ Mann, der mich noch nie interessiert hat, und doch löst er in mir das kribbelige Gefühl aus, mich ihm nicht entziehen zu können.

Meine letzte Beziehung war die reinste Katastrophe, auf eine weitere Erfahrung mit einem Playboy kann ich gut verzichten. Und trotzdem hat sich mein Puls, seit er neben mir steht, beschleunigt. Etwas, das bei mir völlig ungewöhnlich ist. Ganz unbewusst trete ich einen Schritt zurück, um Distanz zwischen uns zu bringen. Und endlich bricht er das peinliche Schweigen.

»Wir kennen uns bereits. Gratuliere, Miss McQueen«, sagt er kurzangebunden mit einem Lächeln im Gesicht und doch spüre ich förmlich, dass er mich herausfordern will. »Im Provozieren ist sie wirklich ein Ass«, setzt er noch hinzu und fixiert mich weiter, was von Jake mit einem Stirnrunzeln kommentiert wird.

»Danke, Mr. Hunt«, antworte ich ebenso einsilbig herablassend, um ihm zu signalisieren, dass er mit mir keine Spielchen treiben kann.

Wenn es darum geht, wer schlagfertiger ist, dann spielen wir beide in der gleichen Liga. Um seine Mundwinkel kann ich ein leichtes Zucken erkennen. Meine kühle Art scheint ihn beeindruckt zu haben.

Hat er etwa angenommen, ich würde mich wie ein verschrecktes Reh benehmen, mich mit hochrotem Kopf peinlich berührt zurückziehen? Da kann ich nur lachen. Lassen wir die Spiele beginnen, Mr. Hunt, ich habe keine Angst vor Ihnen. Seine unverschämte zweideutige Bemerkung hätte er sich in Gegenwart von Jake wirklich sparen können.

»Ich hatte ebenfalls bereits das Vergnügen, einige von Mr. Hunts hervorragenden Eigenschaften kennenzulernen«, kontere ich, ohne den Blickkontakt mit dem Mann mir gegenüber zu unterbrechen. Und jetzt bin ich mir ganz sicher, als er lächelnd eine Augenbraue hochzieht, dass er alles andere als Desinteresse an mir zeigt. Im Gegenteil, ich scheine sein Interesse gerade herausgefordert, mich in seinen Fokus gerückt zu haben.

»Nennen Sie mich Jayden, das tun alle meine Freunde.«

Ich bin aber nicht Ihr Freund, würde ich ihm am liebsten entgegenspucken, halte mich aber zurück und lächle ihn mit einem gestellt freundlichen Grinsen an. Meine Gefühle zu verbergen, darin bin ich Profi.

Warum plötzlich so freundlich, Mr. Hunt, oder sollte ich lieber sagen Hunter? Denn so wirkt er auf mich, wie ein Jäger, der seine Beute fixiert, um sie dann zu hetzen und zu erlegen. Aber mich wirst du nicht erlegen!

Jake scheint von der Spannung, die zwischen uns herrscht, nichts mitbekommen zu haben. Sein Blick gleitet durch den Raum, bis er findet, wonach er Ausschau gehalten hat.

»Elizabeth, Jayden, ihr entschuldigt mich bitte. Ich habe dort jemanden gesehen, den ich unbedingt begrüßen möchte.«

Zornig starre ich Jake an, aber er schenkt mir nur sein schönstes Lächeln und verschwindet in der Menschenmenge. Bevor ich mich umdrehen und diesem arroganten Snob die kalte Schulter zeigen kann, spricht er mich an.

»Ich hoffe, Sie sind jetzt vorsichtiger im Straßenverkehr. Sie hatten Glück, dass nicht mehr passiert ist.«

»Wenn Menschen wie Sie sich an die Verkehrsregeln halten, haben wir sicher kein Problem«, kontere ich.

»Sie sind immer noch verärgert?« Das ist keine Frage, sondern eher eine Feststellung, und doch legt er den Kopf ein wenig schräg und wartet auf eine Äußerung von mir.

Was soll ich darauf antworten? Wenn ich es bestätige, wird er annehmen, ich sei eine nachtragende Emanzenzicke, und das bin ich nicht. Also zucke ich gleichgültig die Schultern und antworte stattdessen: »Wären Sie das nicht, wenn Ihr Morgenkaffee auf der Motorhaube eines Sportwagens landet?«

»Sie sind also ein Morgenmuffel?«

Ich öffne empört den Mund, aber er lässt mich sofort innehalten.

»Vergessen Sie diesen Zwischenfall«, bestimmt er. »Ich verspreche Ihnen, ich mache es wieder gut.« Jetzt wirkt er versöhnlich, so als hätte er genug von den Wortgefechten. Das kann mir nur recht sein.

»Dann geben Sie also zu, dass es Ihre Schuld war und nicht meine?« So langsam nimmt er ja wirklich menschliche Züge an. Das gefällt mir. Womöglich habe ich ihn falsch eingeschätzt und er hatte einfach nur einen schlechten Tag.

»Ich gebe nie etwas zu. Etwas zuzugeben heißt, Schwäche zu zeigen und Fehler einzugestehen, und diese Wörter gehören nicht in mein Vokabular. Aber einigen wir uns darauf, dass ich tatsächlich ein wenig zu schnell unterwegs war und Sie nicht aufgepasst haben. Einverstanden?«

Ich nicke, was sollte ich auch sonst tun, und jetzt zeigt sich auf seinen Lippen ein ehrliches Lächeln, das ihn einfach nur sympathisch wirken lässt.

»Möchten Sie, dass ich Sie ein wenig herumführe, Miss McQueen, oder darf ich Elizabeth sagen?«

»Meine Freunde nennen mich Liz. Warum nicht.«

»Elizabeth?« Jayden greift nach meinem Arm und leitet mich durch den Raum. Natürlich hat er ganz bewusst darauf verzichtet, mich mit meinem Spitznamen anzusprechen, oder will er mich immer noch provozieren? Ich weiß wirklich nicht, woran ich bei ihm bin.

»Wie gefallen Ihnen die Bilder?«, lenkt er jetzt das Gesprächsthema auf eine neutrale Ebene.

Ich zucke mit den Schultern. Es sind alles Aktbilder, die Frauen in verschiedenen Posen zeigen.

»Dieses zum Beispiel ist von einem Künstler, der noch vor einem Jahr auf der Straße gelebt hat.« Er bleibt stehen und betrachtet interessiert eine der Bleistiftzeichnungen einer Frau, die eine intensive Ausstrahlung hat, deren Blick aber traurig und resigniert wirkt.

Wir gehen weiter und stehen jetzt vor Bildern, die in Ölfarbe gemalt wurden. Es sind vier Gemälde, die eine andere Frau zeigen, nackt, ohne anrüchig zu wirken, geschweige denn mehr zu enthüllen als nackte Haut. Die Bilder zeigen sie meist von hinten, sodass keine Geschlechtsteile oder Brüste zu sehen sind, was die Bilder sehr ästhetisch wirken lässt.

»Auf diesen Bildern ist immer die gleiche Frau zu sehen«, stelle ich fest.

»Ja, sie ist sehr begabt.« Dabei betrachtet er nachdenklich das Kunstwerk und ein melancholischer Ausdruck zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

»Begabt, wofür?«, rutscht es mir heraus und ich möchte am liebsten im Boden versinken. Jetzt bleibt er stehen und taxiert mich regelrecht.

»Fürs Modellstehen natürlich. Oder an was haben Sie gedacht?«, sagt er nüchtern und wirkt leicht pikiert. Ich spüre, dass ich einen Fehler gemacht habe und wie ich bei seiner zweideutigen Frage rot werde. Er bringt mich total aus dem Konzept. Verdammt, was ist nur los mit mir? Wieso behandle ich ihn wie einen arroganten Spießer? Das hat er nicht verdient. Gerade haben wir uns noch nett über die Bilder unterhalten und jetzt ist die Stimmung angespannt und peinlich.

»Natürlich.« Beschämt wende ich mich ab und halte nach Jake Ausschau, der aber irgendwo in der Menschenmasse abgetaucht ist.

»Welches sind Ihre Begabungen, außer Ihren architektonischen Fähigkeiten?«

Ich drehe den Kopf zu ihm und in diesem Moment ist er mir ganz nah, so nah, dass ich sein frisches Aftershave riechen kann. Tom Ford, Tuscan Leather, ein sehr holziger, aber frisch-intensiver Duft. Er passt zu ihm und das weibliche Pendant dazu ist mein Lieblingsduft. Ich kenne ihn, da mein Bruder den gleichen Geschmack für diesen Duft entwickelt hat. Ich kann nur hoffen, dass die Leidenschaft für exklusive Düfte die einzige Gemeinsamkeit ist, die uns verbindet. Ich schlucke und rufe mich wieder mal selbst zur Ordnung.

»Ich habe viele Talente«, antworte ich etwas zu herablassend. Schon wieder habe ich es getan. Ihn von oben herab meine Abneigung spüren lassen.

Er beobachtet mich nachdenklich. Was glaubt er, hinter meiner Fassade entdecken zu können? Denkt er darüber nach, welches Geheimnis ich verberge? Da muss ich ihn leider enttäuschen. Um mich ranken sich keine dunklen Mysterien. Aber was mag es sein, dass er so erfolgreich in den Hintergrund rückt? Das Interesse an ihm weckt, ihn zu einer Person macht, die in der Geschäftswelt gefürchtet und von Frauen heiß begehrt wird? Will ich überhaupt hinter seine Fassade blicken? Er ist mir vollkommen gleichgültig und doch kreisen meine Gedanken den ganzen Abend schon um seine Person.

»Dann freue ich mich schon, sie alle kennenzulernen«, holt er mich aus meinen Überlegungen. »Kommen Sie, Elizabeth, die Gäste warten auf die Enthüllung der Statue.«

Wieder fühle ich mich, als hätte ich einen Fehler gemacht. Er hat schließlich angeboten, mich herumzuführen, nicht ich. Ich wollte ihm seine kostbare Zeit ganz sicher nicht stehlen. Er greift meinen Arm, führt mich in die Mitte des Raumes und ich lasse es stumm zu. Zum Glück ist er nicht weiter auf meine peinliche Äußerung eingegangen. Ich bleibe in der Menschenmenge zurück, während er zu dem Podest geht und um Ruhe bittet. Innerhalb kürzester Zeit ist die Aufmerksamkeit ausschließlich auf ihn gerichtet und es wird still im Raum. Er eröffnet souverän seine Rede, die er wie aus dem Ärmel geschüttelt vorträgt.

Ich höre gar nicht richtig zu, als er das Kunstwerk jetzt enthüllt, einige Informationen über den Künstler preisgibt, bis mich der Applaus der anderen Besucher aus meinen Gedanken reißt. Die Frau des Bürgermeisters steht neben mir und wirft mir einen fragenden Blick zu, bis ich ebenfalls in den Applaus einstimme. Ich ärgere mich über mich selbst. Wo ist meine charmante und souveräne Art geblieben? Meine kühle Gelassenheit ist wie weggeweht.

Vor mir erscheint die gleiche Frau, die mich auf den Ölbildern bereits beeindruckt hat. Sie ist nackt und ihr anmutiger Körper, der in Gips modelliert wurde, zeigt sie in einer Pose, die Hilflosigkeit vermittelt und doch auch Stärke und Stolz ausdrückt. Erst als ein Raunen durch den Saal geht und das Model persönlich – dieses Mal natürlich bekleidet – und ihr Künstler neben Jayden vor dem Podest erscheinen, kann ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Worte unseres Gastgebers richten. Er begrüßt erst den Künstler, der mit lautem Beifall empfangen wird, bevor Jayden sich zu der Frau herunterbeugt und ihr angedeutete Küsse auf die Wangen haucht. Sofort erscheint ein Lächeln auf ihren Lippen, als Jayden sie noch näher an sich heranzieht, sodass man fast annehmen könnte, sie wären ein Liebespaar.

Zumindest wirkt es im ersten Moment so auf mich. Wenn er sie anschaut, ist da nichts Reserviertes oder Hartes in seinem Gesicht, nur Sympathie strahlt aus seinen Augen, die sie begierig aufzusaugen scheint. Ihr Blick gleitet liebevoll zu ihm hoch. Jetzt lächelt sie in die Kameras der Fotografen, stellt sich mit dem Künstler und Jayden in Position, damit die Presse gute Bilder von den Dreien schießen kann, und ich verspüre einen kleinen Stich in meiner Brust. Ich kann noch seine Hand spüren, die er um meinen Arm gelegt hat. Interessiert strömen die Gäste näher zu dem Model und dem Künstler, sodass ich mich zurückziehen kann.

Meine Arbeit ist getan. Ich schaue mich suchend nach Jake um und trete aus der Menschenmenge, die den Künstler mit Fragen bombardiert.

Da ich seit heute Morgen nichts mehr gegessen habe und mein Magen fürchterlich zu knurren anfängt, gehe ich in den Nebenraum, in dem ein kaltes Buffet aufgebaut ist. Es sieht verführerisch aus, wurde allerdings noch nicht offiziell eröffnet. Ich blicke mich um, stelle fest, dass ich allein bin, und greife zu einem Stück Baguette, das mit Lachs und Meerrettichsahne belegt ist, als ich die vertraute Stimme hinter mir höre.

»Das Buffet ist zwar noch nicht offiziell eröffnet, aber bedienen Sie sich ruhig.«

Als wäre ich bei etwas Verbotenem ertappt worden, ziehe ich die Hand zurück und drehe mich um. Nicht schon wieder er! Hinter mir steht Jayden und grinst mich anzüglich an. Verflucht, in wie viele Fettnäpfchen kann man an einem einzigen Tag noch treten? Seit ich diesem Mr. Hunt begegnet bin, scheint sich alles gegen mich verschworen zu haben. Ich zähle langsam von zehn runter, um meinen Ärger zu unterdrücken, und jetzt fängt mein Magen wieder fürchterlich an zu knurren. Jayden kommt auf mich zu, greift nach einer Serviette und nimmt das Objekt meiner Begierde von dem silbernen Tablett.

»Hier, bitte. Essen Sie«, dabei hält er mir die Serviette mit dem Lachsbaguette hin. Der leckere Geruch und mein leerer Magen lassen mich über meinen eigenen Schatten springen.

»Danke, ich habe tatsächlich seit heute Morgen nichts mehr gegessen«, sage ich lächelnd zu ihm und beiße in das Brot. Er grinst mich an, als er mir ein zweites reicht, und endlich ist die Atmosphäre zwischen uns wieder locker.

»Was ist so komisch?«, frage ich ihn, nachdem ich den Mund wieder frei habe.

Er schüttelt nur den Kopf. »Nichts. Die meisten Frauen essen fast gar nichts oder nur Slowfood, weil sie Angst haben, ein paar Gramm zuzunehmen, aber Sie ...«

»Ich habe einfach Hunger, das ist alles.«

Bevor er noch weiter auf das Thema eingehen kann, wird er von seinen Gästen wieder in Beschlag genommen, die jetzt den Raum betreten, was ich fast ein wenig bedaure.

Jayden erklärt das Buffet offiziell für eröffnet, sodass ich mich nach Jake umschaue. Im Foyer treffe ich ihn.

»Liz, da bist du ja. Ich habe dich gesucht. Du scheinst dich mit Jayden ja ganz gut unterhalten zu haben. Wie gefällt dir die Ausstellung?«

»Ganz gut. Ich habe Kopfschmerzen und werde jetzt fahren«, entschuldige ich mich.

»Ja, ich muss auch los. Hast du Jayden gesehen? Wir sollten uns noch verabschieden«, schlägt mein Chef vor.

»Er ist nebenan. Kannst du mich bitte bei ihm entschuldigen? Ich warte draußen auf dich.«

»Ja, natürlich. Geht es dir so schlecht?«

»Nein, nein, ich brauche nur ein wenig frische Luft, das ist alles.«

»Also gut, dann bis gleich. Geht es dir wirklich gut?«, dabei dreht er sich noch einmal zu mir um.

Ich nicke, gehe auf die große Eingangstür zu und fahre mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Die Fahrt kommt mir unendlich lang vor, Stockwerk für Stockwerk blinken die Zahlen auf der Anzeige vor mir auf. Als die Türen sich endlich öffnen, eile ich schnell durch das Foyer zum Ausgang. Der Portier wünscht mir einen schönen Abend, bevor ich durch die Glastüren in die dunkle Nacht hinaustrete. Als die Tür hinter mir zufällt und ich die frische Luft einatme, spüre ich plötzlich, wie müde und abgespannt ich bin. Aber es liegt nicht nur daran, dass ich die letzten Wochen immer zu lange gearbeitet habe, es liegt an dem Mann da oben, den ich nicht einschätzen kann.

Wann hat mich ein Mann jemals so sehr aus dem Konzept gebracht? Ich nehme mir fest vor, keinen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden. Wozu auch, der Auftrag ist erledigt und es gibt nichts mehr, was uns beide verbinden könnte. Zumindest rede ich mir das ein. Dieses Wochenende werde ich keine Verabredungen treffen, sondern einfach nur lange schlafen und den Tag auf der Couch mit einem guten Buch und meiner Katze verbringen.

Jake betritt den Parkplatz und kommt auf mich zu.

»Geht es dir wieder besser?«

»Ja, alles klar. Die frische Luft tut gut.«

Er wirkt beruhigt und tätschelt meinen Arm.

»Wir sehen uns dann morgen, Jake«, verabschiede ich mich, als ich hinter mir Jakes Namen höre. Ich brauche mich gar nicht umzudrehen, denn ich kenne diese Stimme nur zu gut. Es ist Jayden, der gerade auf den Parkplatz tritt.

»Jake, können Sie mich in die Stadt mitnehmen? Mein Bentley ist total eingeparkt.« Sein Bentley! Hätte ich mir ja denken können, dass so ein reicher Geschäftsmann nicht nur einen Wagen besitzt. Im Gegenteil, er fährt mit einem Auto der Luxusklasse durch die Gegend. Aber er hat tatsächlich recht, der teure Schlitten ist komplett von Autos eingeparkt, und da die Party noch in vollem Gange ist, wäre es geradezu unhöflich, die jeweiligen Besitzer ausrufen zu lassen, damit sie ihre Wagen wegfahren. Ich will mich schon umdrehen und mein Auto aufschließen, als ich Jakes Hand an meinem Arm spüre.

»Sehr gern, Jayden, aber ich habe noch einen Termin und muss in die andere Richtung.« Dann schaut Jake mich an und ich kneife unwillkürlich die Augen zusammen. Denk gar nicht erst daran!

»Aber Elizabeth fährt wieder in die City. Sie wohnt nicht weit von Ihnen entfernt.«

»Du hast jetzt einen Termin? So spät noch?«, frage ich irritiert.

»Ja, habe ich dir das nicht gesagt?«

Ich schüttle den Kopf. Am liebsten würde ich meinem Chef gegen das Schienbein treten oder noch besser zwischen die Beine.

»Es macht dir doch nichts aus Elizabeth, oder?«

Innerlich bin ich aufgewühlt, gebe mich äußerlich jedoch ganz gelassen. »Natürlich nicht, steigen Sie ein«, wende ich mich an Jayden.

»Wir sehen uns dann morgen«, verabschiedet sich Jake von mir und springt schnell in seinen Wagen.

»Wo kann ich Sie hinbringen?«

»Back Bay, wenn das kein Umweg für Sie ist.«

»Back Bay? Da wohnt mein Bruder.« Hätte ich mir ja fast denken können, dass er in diesem Teil von Boston wohnt. Aber im Grunde war ich fast der Meinung, dass er ein Haus außerhalb der City besitzt oder sogar ein großes Anwesen.

»Matthew McQueen? Er ist Ihr Bruder?«

»Ja, kennen Sie ihn?«, frage ich neugierig. Das hat mir gerade noch gefehlt.

»Mit Matthew habe ich meinen ersten großen Deal durchgezogen. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Wie geht es ihm?«

»Er ist seit drei Jahren wieder glücklich verheiratet«, teile ich ihm mit.

»Das freut mich für ihn.«

Ich nicke nur, lege den Gang ein und verlasse das Grundstück. Der Regen klatscht mittlerweile auf die Windschutzscheibe und der Sturm, der sich bereits heute Nachmittag angekündigt hat, nimmt an Kraft zu. Ich schalte das Autoradio ein und drehe die Musik ein wenig lauter. Vor ein paar Minuten war ich mir sicher, ihn nicht wiederzusehen. Warum geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass dies nicht das letzte Treffen mit ihm war? Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er diese Situation hier forciert hat. Zumal es doch ungewöhnlich ist, dass er seine eigene Veranstaltung so früh verlässt.

Ein gelungener Schachzug! Zumindest sitze ich in ihrem Wagen. Ich konnte sie einfach nicht gehen lassen. Nicht so. Zwischen uns besteht eine Anziehungskraft, die selbst Elizabeth gespürt haben muss. Ich kann mich nicht erinnern, jemals kopflos wie ein verliebter Teenager gehandelt und meine eigene Veranstaltung vorzeitig verlassen zu haben. Diese kleine freche Göre hat mich sofort gereizt, als sie mit vorgestrecktem Kinn versucht hat, mich in meine Schranken zu weisen. Sie hat keine Ahnung, mit wem sie sich anlegt.

Sie als kleine Göre zu bezeichnen, spottet eigentlich jeder Beschreibung, denn Elizabeth ist alles andere als ein Kind, sie ist eine erwachsene Frau, die scheinbar genau weiß, was sie will. Sie hat Klasse, sieht fantastisch aus und ich könnte mir vorstellen, dass sie, wenn sie jemanden in ihr Herz geschlossen hat, der Typ Mensch ist, mit dem man Pferde stehlen und jede Menge Spaß haben kann. Auch wenn sie jetzt so tut, als wäre es ihr lästig, mich in ihrem Wagen mitzunehmen. Sie hat natürlich nicht abgelehnt, dafür hat sie eine zu gute Kinderstube genossen, wie alle McQueens. Als ob ich sie nicht durchschaut hätte. Sie will mich, sie weiß es nur noch nicht. Die Signale, die sie aussendet, sind fast schon klischeehaft. Die reservierte, fast scharfzüngige Art, die sie an den Tag legt.

Schon als ich sie das erste Mal gesehen habe, hätte ich sie am liebsten quer über die Motorhaube gelegt und ihr den kurzen Rock über die Hüften geschoben, um ihr zu zeigen, was ich davon halte, wenn man sich so anmaßend verhält, wie sie es getan hat. Jetzt versucht sie hartnäckig, keine Kommunikation zwischen uns aufkommen zu lassen. Von mir aus gern, kleine Lady, aber das wird dir nichts nützen. Was ich will, das bekomme ich auch. Und du hast mich gerade herausgefordert. Man nennt mich nicht umsonst The Hunter. Dabei mache ich keinen Unterschied zwischen Geschäfts- und Privatleben.

Wenn sie wüsste, welche Absichten ich verfolge, würde sie nicht so unbeteiligt neben mir am Steuer sitzen und sich verbissen auf die Straße konzentrieren. Ich kann an ihrer Körpersprache erkennen, dass sie ganz andere Gefühle für mich empfindet als Abneigung. Ihre Hände liegen verkrampft auf dem Lenkrad, während sie versucht, mit ihrem Blick zu signalisieren, dass sie sich ganz auf das Fahren konzentrieren muss, anstatt Smalltalk zu führen.

Als ich sie auf die Aktbilder angesprochen habe, kam genau die Reaktion, die ich von ihr erwartet hatte. Jeder Kunstliebhaber wäre sachlich an die Betrachtung des Werkes rangegangen. Sie dagegen hat nur das Objekt der männlichen Begierde gesehen. Oder hat sie sich am Ende selbst auf das Kunstwerk projiziert? Ich muss jetzt noch schmunzeln, wie sie sich mit hochrotem Kopf abgewendet hat. Und dann ihre Reaktion, als wir die Statue enthüllten. Sicher denkt sie, das Model und ich hätten eine Affäre. Mein Gott, wenn sie wüsste!

Ihre impulsive Art gefällt mir. Sie hat sich mit mir auf ein Spiel eingelassen, zu dem ich die Spielregeln diktieren werde. Sie ahnt nicht einmal, dass sie spätestens in ein paar Tagen meinen Verführungskünsten erlegen sein würde, wenn ich es zuließe. Zumindest rede ich mir das ein.

Plötzlich wird es ruhig im Auto, und das Radio verstummt. Kurz darauf gehen die Scheinwerfer wie durch Geisterhand aus.

»Was ist los?«, fragt sie erschrocken.

»Woher soll ich das wissen. Wer ist denn der Fahrer?«, knurre ich sie an. Dabei wollte ich auf keinen Fall unfreundlich rüberkommen, aber irgendetwas an ihr lässt mich alle Höflichkeit vergessen und zum arroganten Arschloch werden.

Um uns herum ist es stockdunkel, wir befinden uns mitten auf einer wenig befahrenen Nebenstraße, mindestens noch einige Meilen von der City entfernt. Weit und breit ist kein Haus, geschweige denn eine Tankstelle in Sicht, es gibt nur Wald. Ich bin sicher, dass es nicht an der Fähigkeit von Elizabeth liegt, ein Auto zu fahren, dass der Motor plötzlich ausgegangen ist. Ich greife ins Lenkrad. Etwas, das ich noch nie bei jemandem getan habe, und zusammen bringen wir den Wagen auf dem Standstreifen zum Stehen, bevor wir noch von dem Wagen hinter uns gerammt werden, der jetzt in einem Affenzahn an uns vorbeirast. Der Abend nimmt absolut nicht den Verlauf, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Genervt löse ich den Sicherheitsgurt und steige aus. Regen plätschert erbarmungslos vom Himmel und der Wind peitscht mir die Tropfen ins Gesicht. Auch Elizabeth öffnet vorsichtig die Fahrertür und verlässt den Wagen.

»Bleiben Sie sitzen und öffnen Sie die Motorhaube«, rufe ich ihr zu. »Es reicht, wenn einer von uns bis auf die Haut nass wird.«

»Kennen Sie sich denn damit aus?«, schreit sie gegen den Sturm an und steigt trotzdem aus.

Ich werfe ihr einen genervten Blick zu. Ich bin kein verdammter Gebrauchtwagenhändler, aber was denkt sie denn von mir?

»Machen Sie die Motorhaube auf und debattieren Sie nicht weiter mit mir. Im Übrigen würde ich Ihnen vorschlagen, bei diesem Regen im Wagen zu bleiben.« Dabei deute ich auf ihre helle Bluse, die bereits verdächtig anfängt, durchsichtig zu werden und perfekt geformte, feste Brüste zum Vorschein bringt. Verdammt, sie trägt keinen Büstenhalter darunter. Das braucht sie auch nicht. Ihre Brüste sind fest, wie die einer Sportlerin. Ihre Nippel klein und wenn sie sich, wie jetzt, durch die Kälte zusammenziehen, leuchten sie dunkelrosa durch ihre zunehmend transparenter werdende Bluse.

Ich muss mich zusammenreißen, ihr nicht dieses verdammte Teil, das mehr verspricht als verdeckt, von den Schultern zu reißen und meine Lippen um ihre Nippel zu legen, die danach schreien, von mir in Besitz genommen zu werden. Unangenehm berührt blickt sie an sich herunter und kreuzt schnell die Arme vor der Brust.

»Wenn Sie ein Gentleman wären, würden Sie Ihren Blick auf das Problem unter der Motorhaube richten und nicht auf meine Titten.«

Die Kleine gefällt mir. Schlagfertig ist sie ohne Zweifel und genau das reizt mich an ihr. Sie ist keine von den Frauen, die ich nachts in einem Club an der Bar aufgabele und die mit einem Fingerschnippen in meinem Bett landen, wo am nächsten Morgen nur noch ein schaler Nachgeschmack von schlechtem Sex übrig bleibt. Keine tief gehenden Gefühle, keine Wärme oder das Verlangen, dort weiterzumachen, wo man in der Nacht aufgehört hat. Das Einzige, was ich dann erwarte, ist, dass sie geräuschlos verschwinden.

»Haben Sie immer so eine vulgäre Ausdrucksweise? Außerdem hatte ich Sie gewarnt, im Wagen zu bleiben.«

Ich höre sie noch verärgert schnauben, bevor sie sich wieder ins Auto setzt und die Tür mit einem lauten Knall zuwirft. Ich muss grinsen und schüttle belustigt den Kopf. Da es verdammt dunkel ist, gehe ich wieder um den Wagen herum und klopfe an ihre Fensterscheibe, die sie mit einem Knopfdruck herunterlässt.

»Geben Sie mir mal Ihr Handy, ich brauche Licht«, rufe ich ihr zu. Ich lehne mich zu ihr herunter und sehe, wie sie aufgebracht in ihrer Handtasche wühlt und dann ein iPhone herauszieht. Ich halte meine ausgestreckte Hand durch das geöffnete Fenster, ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen, um sie nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen, als ich es heute sowieso schon getan habe, und warte, bis sie das Handy entsperrt hat.

Aber anstatt mir ihr Smartphone zu reichen, höre ich sie fluchen.

»Was ist jetzt schon wieder? Ich hatte nicht vor, die Nacht hier draußen zu verbringen«, fahre ich sie an. Schon wieder habe ich sie behandelt wie ein aufgeblasener Mistkerl. Ich sollte mich zurücknehmen, wenn ich sie näher kennenlernen will.

»Mein Akku ist leer.«

»Was?«

Jetzt lehne ich mich doch zu ihr ins Wageninnere.

»Mein Akku ist leer. Wo ist Ihr Handy?«

»Ich habe kein Handy dabei«, sage ich ganz langsam, um meinen Ärger zu unterdrücken.

»Wieso haben Sie kein Handy? Jeder hat eins«, schreit sie mich an.

»Wieso ist Ihres nicht aufgeladen? Ich habe ein Telefon in meinem Wagen, da brauche ich kein zweites, wenn ich einen geschäftlichen Termin habe«, fahre ich sie an. Im Grunde hat sie vollkommen recht, aber das werde ich ihr gegenüber nicht zugeben.

»Was sollen wir denn jetzt machen? Sie bringen mich wirklich in die unmöglichsten Situationen.« Sie wirkt fast verzweifelt. Etwas, das überhaupt nicht zu ihr zu passen scheint. Und doch könnte ich sie schon wieder zur Vernunft ficken.

»Was habe ich damit zu tun? Ist das mein Wagen oder Ihrer? Sie verwechseln hier offenbar, wer wen in unmögliche Situationen bringt«, knurre ich sie stattdessen an.

»Tut mir leid, ich bin einfach nur schrecklich müde und möchte nach Hause«, entschuldigt sie sich genervt. »Und jetzt müssen wir die Nacht hier im Nirgendwo verbringen, oh Gott!«

»Wäre das so schlimm? Keine Angst, ich kann mich beherrschen.«

Sie wirft mir einen strengen Blick zu. Darüber scheint sie sich offenbar keine Gedanken gemacht zu haben.

»Das will ich für Sie auch hoffen. Wagen Sie es ja nicht, sich an mir zu vergreifen«, kontert sie aufgebracht.

»Haben Sie nur Zweideutigkeiten im Kopf, Lady? Nichts liegt mir ferner, als mich hier im Wagen an Ihnen zu vergreifen. Dafür habe ich andere Möglichkeiten.«

Ein lautes Schnauben ist die Antwort, bevor sie sich umdreht und stur durch die Windschutzscheibe die offene Motorhaube anstarrt. Okay, wir stehen hier mitten auf einer wenig befahrenen Straße, um uns herum nur Wald. Aber sie ist zum Glück nicht allein. Ich werde sie mit allem, was in meiner Macht steht, beschützen. Gleichzeitig habe ich eine Stinkwut. Nicht auf sie, sondern auf die Situation, in die sie mich gebracht hat.

»Haben Sie eine Taschenlampe?«, frage ich ganz ruhig. Wieder kramt sie in ihrem Handschuhfach und zieht tatsächlich eine kleine Taschenlampe heraus.

»Hier, ich hoffe, sie funktioniert.«

»Danke«, frotzle ich und begebe mich wieder unter die Motorhaube. Was ich dort sehe, ist alles andere als zufriedenstellend.

»Es ist der Keilriemen«, rufe ich ihr zu. Eines ist klar, mit diesem Auto werden wir heute nicht mehr in die City kommen. Da hilft nur noch ein Abschleppwagen.

»Sind Sie sicher? Sie sehen nicht aus wie jemand, der damit täglich zu tun hat.«

»Was wird das?«, knurre ich. Wieso stellt sie alles infrage? »Es ist zwar irrelevant, aber ja, ich bin sicher. Zu Ihrer Information: Ich habe eine Leidenschaft für Oldtimer und ja, ich repariere sie selbst«, antworte ich gereizt.

»Tut mir leid«, entschuldigt sie sich schon zum zweiten Mal. Und wenn sie mich mit ihren großen rehbrauen Augen wie ein junger Welpe anschaut, möchte ich sie nur in den Arm nehmen und trösten.

»Kommen Sie, steigen Sie aus. Wir werden zu Fuß in die Stadt zurücklaufen.«

»Was? Es regnet in Strömen, falls Sie das noch nicht bemerkt haben.«

Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, wenn ich sie mir so anschaue. Sie trägt nur eine dünne Bluse, die mehr zeigt, als sie verdeckt, einen kurzen Rock und dazu hohe Pumps. Eine Jacke habe ich nicht gesehen. Ich atme tief aus, öffne die Fahrertür, greife ihren Arm und hole sie aus dem Wagen.

»Ich gehe keinen Schritt mit Ihnen«, fährt sie mich an.

»Und ich lasse Sie nicht allein zurück. Ende der Diskussion. Außerdem regnet es kaum noch.«

Aus ihrem perfekt gestylten Zopf haben sich einige Haarsträhnen gelöst, die ihr jetzt nass um das Gesicht fallen, was sie auf keinen Fall unattraktiv macht. Im Gegenteil, wenn sie so vor mir steht, mit der nassen Bluse, den Regentropfen, die ihr über das Gesicht laufen, und ihrem zornigen Blick, will ich sie sofort verführen. Aber noch ist es zu früh dazu, viel zu früh. Erst einmal werde ich sie sicher nach Hause bringen, und wenn es die ganze Nacht dauert.