Two of Us: Außer Kontrolle - Holly Summer - E-Book

Two of Us: Außer Kontrolle E-Book

Holly Summer

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Beschreibung

Ein wunderschönes Haus in Florida, beruflich läuft es prächtig, die Kinder sind erwachsen und Alexa und Marc gelten als das Vorzeigepaar. Eigentlich beneidenswert, doch immer wieder beschleicht Alexa das Gefühl, dass sie den Höhepunkt ihres Lebens bereits hinter sich hat und keine Herausforderungen mehr auf sie warten. Ihr ist klar: Es muss etwas geschehen! Da kommt ihr ein etwas delikater Auftrag ihres Chefs gerade recht. Es bleibt nicht bei der journalistischen Recherche, Alexa findet sich bald selbst mitten im Geschehen wieder. Plötzlich ist in ihrem Leben alles anders. Ihre Wünsche scheinen sich zu erfüllen. Oder ist sie am Ende einen Schritt zu weit gegangen? Läuft sie Gefahr, den Menschen zu verlieren, den sie am meisten liebt? ----------------------------------------------- Von Holly Summer bereits erschienen: Master-Reihe 1: Master of my heart 2; Master of my passion 3: Master of my dreams 4: Master of my feelings Boston Bad Boys Reihe 1: Secret Stranger 2: Dark Guardian 3: Perfect Lover

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Holly Summer

TWO

OF US

Außer Kontrolle

© 2019 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Covergestaltung: Art Skript Phantastik DesignLektorat: Beate Fischer

Alle Rechte vorbehalten

ISBN – 978-3-95869-417-0

Besuchen Sie unsere Webseiten:amrun-verlag.de

hollysummer.de

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv. Alle beschriebenen Personen sind volljährig.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

v1 19

Für Marcus

Kapitel 1

Wie jeden Morgen kurz vor den Achtuhrnachrichten steht Alexa im Badezimmer vor dem Spiegel und legt ihr Make-up auf. Die Samstage und Sonntage ausgenommen. Denn seit die Kinder aus dem Haus sind, genießt es Alexa, die Wochenenden mit einem späten Frühstück zu beginnen und das Mittagessen ausfallen zu lassen. Jetzt schneidet sie eine Grimasse und mustert sich im Spiegel. Sie ist keine Zwanzig mehr, die Dreißig hat sie längst hinter sich gelassen und eine dicke Vier weist auf ihre Altersgruppe hin. Die ersten winzigen Fältchen graben sich langsam, aber sicher einen Weg in ihre sonst makellose Haut, wenn sie, wie jetzt, die Mundwinkel nach oben zieht und ein Lächeln ihre Augen erstrahlen lässt. Mimikfalten nennt ihre Freundin Christabel die dünnen Linien. Aber Alexa weiß es besser: Das Alter beginnt, sich in ihren Körper und ihr Gesicht zu schleichen. Erst gestern hat sie doch tatsächlich das erste graue Haar an ihren Schläfen entdeckt. Vielleicht waren es auch zwei oder drei. Alexa hat nicht lange gezögert und sie mit einem erhabenen Lächeln einfach herausgezupft. Sie strahlt immer noch eine Attraktivität aus, um die sie viele ihrer Freundinnen beneiden. Trotzdem benutzt sie schon seit einiger Zeit mehr als nur ihren dezenten Lipgloss und schwarze Mascara, mit der sie ihre dünner gewordenen Wimpern wieder in Form bringt. Seit sie die 40 überschritten hat und die 50 in greifbare Nähe rückt, war das nicht mehr genug. 50! Aber was bedeuten schon Zahlen? Zufrieden lächelt sie ihr Spiegelbild an.

Ihr Mann Marc hat heute früher das Haus verlassen und ist zu einem Termin bei Gericht gefahren. In letzter Zeit ist er immer häufiger unterwegs. Wenn er dann abends nach Hause kommt, wirkt er abgespannt, müde und ist mit seinen Gedanken meist noch bei einem seiner Klienten. Alexa weiß aus Erfahrung, dass sie ihn dann nicht auf unangenehme Themen ansprechen darf. Selbst ihre Versuche, mit ihm auf Kuschelkurs zu gehen, blieben in den letzten Monaten oft erfolglos. Doch aufgeben kommt für Alexa nicht in Frage. Auch wenn die Situation sie frustriert, weiß sie, dass sie Mittel und Wege finden wird, ihren Mann zurückzugewinnen. Der Sprecher im Radio sagt einen wunderschönen Frühlingstag mit einer Regenwahrscheinlichkeit von null Prozent voraus, was Alexa wieder an das Golfmatch erinnert, zu dem sie mit Marc und Freunden am Abend verabredet ist. Und Marc hat ihr versprochen, dass er heute nicht zu spät nach Hause kommen wird. Wie oft hat er diesen Satz schon zu ihr gesagt und sich doch verspätet, denkt sie wehmütig und lässt den Lippenstift wieder in die Kosmetiktasche gleiten. Alexa hat es zwischenzeitlich aufgegeben, ihm deswegen Vorwürfe zu machen. Er ist ein schwerbeschäftigter Mann, der seinen Beruf als Anwalt ernst nimmt. Seit er in die große Kanzlei mit einsteigen konnte und damit die Chance ergriffen hat, sich beruflich und auch gesellschaftlich einen Namen zu machen, hat sich vieles in Alexas und Marcs Leben verändert. Alle haben sie davon profitiert. Besonders die Kinder.

Die Zeitansage im Radio holt Alexa in die Realität zurück. Entschlossen zieht sie sich die Pumps über, schnappt sich ihre leichte Sommerjacke und verlässt das obere Stockwerk. Ihre Absätze klackern auf dem dunklen Marmorboden, der den Eingangsbereich bedeckt, während sie nach ihrer Tasche und den Autoschlüsseln greift und das Haus verlässt. Auf dem Weg zur Redaktion kommt ihr wieder das Gespräch in den Sinn, das sie gestern mit ihrem Chef geführt hat. »Warum übernimmst du nicht die Kolumne für Haus und Garten?«, hatte er sie ganz offen gefragt. Haus und Garten! Hielt er sie für zu alt für die Rubrik Lifestyle? Musste eine jüngere Kolumnistin her? Stand sie vielleicht schon in den Startlöchern? Schließlich hatte Lance nicht umsonst vor einem halben Jahr Heather zur Unterstützung für Alexa eingestellt. Eine Aufgabe, die die junge und ambitionierte Frau von Beginn an mit Bravour gemeistert hat. Und doch denkt Alexa gar nicht daran, ihre Kolumne aufzugeben und ihr Lebenswerk einer Jüngeren zu überlassen.

Lance hatte ihr vor zehn Jahren selbst die Lifestyle-Kolumne angeboten und sie so zur Daily Post gelockt. Der Erfolg gibt beiden Recht. Alexas Artikel sind populär, und für die Leser nicht mehr wegzudenken. Trotzdem sind die Auflagezahlen der Zeitung in letzter Zeit geschrumpft. Liegt das auch an ihren Texten? Haben sie nicht mehr genügend Aktualität oder Esprit, die Leser zu fesseln? Warum muss sie immer an ihrem Können zweifeln? Die Kolumne ist Alexas Baby und sie wird sie behalten. Punkt! Wer hat denn die ganzen Kontakte zur Szene? Alexa!

Warum Heather überhaupt mit ihrem hervorragenden Abschluss in der Tasche hier unten in Florida Fuß fassen will, ist Alexa ein Rätsel. Sie könnte überall bei den großen Zeitungen unterkommen. Aber Heather hat sich für die Daily Post entschieden. Nur wenige Minuten in Lance‘ Büro und schon waren sich ihr Chef und Heather einig. Weiß der Teufel, warum. Sie hat eine Chance verdient, aber keine, die Alexa schadet.

Innerlich aufgewühlt hätte sie fast die rote Ampel übersehen und eine Passantin angefahren, die in letzter Sekunde auf den Bürgersteig springt und fürchterlich zu schimpfen anfängt. Alexa rollt nur die Augen und murmelt eine Verwünschung, bevor sie sich mit einem Lächeln bei ihr entschuldigt. In diesem Moment klingelt ihr Handy. Es ist ihre Tochter, die genau wie damals Alexa, in New York Journalismus studiert.

»Hi Schatz.«

»Hi Mom. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dieses Wochenende nicht nach Hause komme. Ein paar Leute aus der Uni fahren nach Rhode Island hoch.«

»Und da willst du natürlich mitfahren.«

»Ja, ist doch kein Problem für euch, oder?«

»Nein, natürlich nicht. Mach dir ein schönes Wochenende.«

»Wir sehen uns dann spätestens zu eurer Silberhochzeit. Bis dahin ist es eh nicht mehr lange. Ich weiß nicht, ob ich es noch schaffe, vorher zu euch zu kommen. Ich hab noch viel aufzuarbeiten, weißt du?«

Alexa kommt es vor, als wollte sich Toni rechtfertigen, aber das muss sie nicht. Sie lebt jetzt in New York, hat dort neue Freunde gefunden und in erster Linie zählt nur ihr Studium. Alles okay!

»Mach dir keine Gedanken Schatz, wir verstehen das.«

Alexa zögert kurz, ihrer Tochter anzubieten, nächstes Wochenende zu ihr nach New York zu kommen, verwirft diesen Gedanken aber schnell wieder. Toni ist erwachsen und muss ihr eigenes Leben führen, auch wenn es Alexa schwerfällt, loszulassen.

»Wir haben hier sowieso alle Hände voll zu tun.«

»Habt ihr denn jetzt eigentlich ein Event für euren besonderen Tag geplant?«

»Nicht wirklich. Dein Dad hüllt sich noch in Schweigen. Er will sich um alles kümmern und mich damit überraschen.«

»Oh mein Gott. Wenn Dad sich um die Silberhochzeit kümmert, dann kann da nichts Gescheites rauskommen. Ihr solltet Heather damit beauftragen. Ich finde, sie hat ein Händchen dafür, tolle Partys zu planen.«

»Ach weißt du, vielleicht fahren dein Dad und ich auch einfach für ein paar Tage weg.«

»Das könnte euch so passen. Einfach ab durch die Mitte, was?« Toni lacht und Alexa wechselt das Thema, bevor ihre Tochter sich noch weiter einmischen kann.

»Hast du was von deinem Bruder gehört?«

»Mitch?«

»Ja, ich wüsste nicht, dass du einen weiteren Bruder hast.« Alexa muss grinsen.

»Nö, nur gesehen. Er hat mir ganz stolz ein Foto von sich vor der Harvard Uni geschickt.«

»Dann bist du uns einen Schritt voraus«, sagt Alexa wehmütig.

»Er wird sich schon melden, Mom. Spätestens, wenn ihm das Geld ausgegangen ist«, ulkt Toni. Sie war schon immer die Schlagfertigere von den Zwillingen, Mitch der feinfühlige und ruhige Typ. Und gerade deshalb ist Alexa immer ein wenig in Sorge um ihn.

»Er hat sich eben viel vorgenommen.« Alexa ergreift automatisch Partei für ihren Sohn. Sie liebt beide Kinder, aber Mitch war im Geheimen immer ihr Liebling. Dafür konnte Marc Toni nie einen Wunsch abschlagen.

»Mag sein. Mitch war ja schon immer ein Perfektionist.«

»Bist du jetzt nicht ungerecht?«

»Du, Mom ich muss los. Wir sehen uns ja bald. Ciao.«

»Ciao Süße.«

Hi, ciao, eine Absage, das war alles. Für einen Augenblick ist es wieder da: dieses Gefühl von Verlust. Doch das wird vergehen. Ganz sicher wird es vorbeigehen. Toni und Mitch leben jetzt ihr eigenes Leben, an dem Alexa und Marc nur noch begrenzt teilhaben werden. Wieder drängt sich das Gefühl in Alexa auf, nicht mehr gebraucht zu werden, alles im Leben erreicht zu haben, so dass es nur noch bergab gehen kann. Aber das darf es nicht. Nicht bei ihr und Marc. Die meisten ihrer Freunde sind längst geschieden, haben Verhältnisse oder leben nur noch nebeneinander her, weil es bequem ist. Bequem! Ist es bei ihr und Marc auch nur bequem und zur Gewohnheit geworden? Nicht zum ersten Mal denkt sie über diese Frage nach. Wann hatte sie das letzte Mal Sex mit ihrem Mann? Wann haben sie mal etwas Verrücktes getan? Ihr Leben ist durchorganisiert und geplant bis ins letzte Detail. Die Treffen mit ihren Freunden in einer der schicken Bars hier im Süden von Florida, sind schon lange zur Gewohnheit geworden. Von den Dinnerverabredungen will sie gar nicht reden. Meistens sitzt sie dort mit Geschäftskollegen ihres Mannes an einem Tisch und führt langweilige Konversation. Wo ist die Zweisamkeit für Alexa und Marc geblieben?

Als hätte ihr Mann ihre Gedanken gehört, vibriert ihr Handy.

»Hi Schatz«, begrüßt sie ihn.

»Hi, ich wollte mich nur kurz bei dir melden. Ich werde heute den ganzen Tag unterwegs sein oder in Terminen stecken«, teilt er ihr mit.

»Okay, aber vergiss nicht, wir sind heute Abend mit William und Christabel zum Golfspielen verabredet.«

»Ich weiß, dabei passt es mir heute eigentlich überhaupt nicht.«

»Wann passt es denn mal bei dir?«, fragt Alexa vorwurfsvoll. »Weißt du, wie sehr ich mir die Zeit zurückwünsche, als wir uns kennenlernten?«

»Was soll das jetzt, Alexa?«

»Ach, ich würde nur einfach gerne wieder mal mit dir zu einem Baseballspiel der Golden Eagles gehen und alte Zeiten heraufbeschwören. Du kannst dich doch sicher noch erinnern?«

»Natürlich, wie kannst du nur fragen? Bei einem Baseballspiel fing alles an. Die Cola, die du mir beim Jubeln über die Hose gekippt hast, klebt heute noch.«

»Und dann schauten wir uns nur in die Augen«, erinnert sich Alexa. »Ich stammelte irgendeine Entschuldigung und eine Stunde später saßen wir zusammen in einer Bar am Strand.«

»Vorher hast du aber noch wie wild auf dem Fleck herumgewischt.«

»Weißt du, von diesem Moment an wusste ich, dass du meine große Liebe warst und es immer noch bist.«

»Und jetzt denkst du, dass ich dich nicht mehr liebe, nur weil ich beruflich sehr eingespannt bin?«

»Nein, aber die Zeit hat vieles verändert. Wir sind älter und reifer geworden, vielleicht auch ein wenig weiser und nicht mehr so verrückt und unternehmungslustig, wie wir es damals waren. Aber warum eigentlich?«

»Weil wir Verantwortung übernommen haben«, sagt Marc nüchtern.

»Aber wir sind doch noch nicht zu alt, um etwas Verrücktes zu tun. Warum sollten wir jetzt nicht noch einmal durchstarten, uns auf neue Abenteuer einlassen. Schau, die Kinder sind aus dem Haus, wohnen sogar in einer anderen Stadt und haben ihr eigenes Leben. Warum sollten wir nicht mal wieder in einen Club tanzen oder einfach wie früher zu einem Rockkonzert fahren? Hm, was meinst du?«

»Ist es das, was du dir wünschst? Warum hast du das noch nie gesagt?«

»Vielleicht, weil ich dachte, du könntest selbst mal auf die Idee kommen. Weißt du eigentlich, wann wir das letzten Mal Sex hatten.«

Marc schweigt eine gefühlte Ewigkeit.

»Siehst du. Es fällt dir beim besten Willen nicht ein«, hält Alexa ihrem Mann vor.

»Weißt du es denn?«

Jetzt ist es Alexa, die sich in Schweigen hüllt.

»Okay, genau weiß ich es auch nicht. Aber wenn wir wenigstens in diesem Punkt fantasievoller wären, könnte ich über die wenigen Male hinwegsehen. Oder siehst du das anders?«

»Alexa, denkst du nicht, wir könnten diese Diskussion auf später verschieben?«

»Tut mir leid. Natürlich, aber wann hast du denn mal Zeit für ernste Diskussionen?«

»Heute Abend, versprochen. Also bis später.«

Marc verabschiedet sich abrupt und Alexa geht ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: Es muss sich etwas ändern! Irgendetwas muss passieren, und zwar bald!

Als sie an einer Plakatwerbung für einen Urlaub an einem tropischen Strand vorüberfährt, weiß sie auch schon genau, wie sie ihren Mann wieder ins Boot holt. Sie wird mit Marc für ein paar Tage wegfahren. Vielleicht ein Urlaub auf den Bahamas? Alexa beschließt, diese Idee weiter zu verfolgen und Marc später darauf anzusprechen. Vielleicht könnte sie sogar in der Mittagspause kurz zum Reisebüro rübergehen oder im Internet nach einer schönen Reise recherchieren. Mit diesen Gedanken hellt sich ihre Stimmung sofort wieder auf.

Vor dem Zeitungsverlag wird gerade eine Parklücke frei, sodass Alexa wenigstens in diesem Punkt heute Glück zu haben scheint. Sie schnappt sich ihre Tasche und ihre Jacke und läuft durch das Treppenhaus in den zweiten Stock.

»Guten Morgen, Alexa. Kann ich dich gleich in meinem Büro sprechen«, wird sie von ihrem Chef begrüßt, der im Türrahmen steht und Alexa hereinkommen sieht.

»Natürlich Lance.«

Sie stellt ihre Tasche neben ihren Schreibtisch, zieht sich den Bleistiftrock in Form und schreitet mit erhobenem Kopf durch die Glastür in das Büro von Lance Hanson. Er ist der Herausgeber der Zeitung und ein gerissener Fuchs, wenn es darum geht, hinter einer Story herzujagen und außerdem ein guter Freund von Alexa und Marc.

»Setz dich doch.«

»Lance, wenn du noch einmal auf unser Gespräch von gestern ...«

Lance hebt abwehrend die Hände.

»Nein, nein, darum geht es nicht. Vergiss es einfach. Es war nur so eine Idee von mir.«

»Eine blöde Idee.« Diesen kleinen Hieb kann sich Alexa nicht verkneifen. Jetzt lächelt sie Lance an und nimmt ihm gegenüber Platz.

»Ja, du hast Recht. Aber um auf das eigentliche Thema zurückzukommen. Was hältst du von einer Serie über Paare und deren Verhaltensweisen beim Sex, ihre Vorlieben und Gewohnheiten und so weiter? Ich denke, das ist ein aktuelles Thema, das die Auflagenzahl wieder in die Höhe treiben könnte.«

»Ja, warum nicht. Hast du schon konkrete Vorstellungen, wie wir vorgehen wollen?«

»Nein, ich bin da ganz offen und überlasse gerne dir die Entscheidung. Denkst du, du kriegst das hin?«

»Warum sollte ich nicht. Glaubst du, nur weil ich 48 bin, habe ich keine Ahnung mehr, was nachts zwischen Mann und Frau im Schlafzimmer passiert?«

»Genau das ist der Punkt. Sex findet doch nicht ausschließlich im Schlafzimmer statt.«

»Lance, das war eine Metapher. Musst du jedes Wort von mir auf die Goldwaage legen? Natürlich weiß ich das.«

»Alexa versteh mich nicht falsch. Ich will dir nicht zu nahe treten. Aber es werden einige Recherchen nötig sein. Wenn wir das groß aufziehen wollen, sollten wir auch in die speziellen Clubs gehen und versuchen, einige Interviews zu bekommen. Das ist es doch, was die Leser interessiert. Sex mal anders, außerhalb des Schlafzimmers.«

»Gute Schlagzeile, Lance.«

»Danke. Wie gesagt, hier müsstest du genau in dieser Richtung recherchieren. Ich weiß nicht, ob du dir das zutraust. Und dann denke ich auch an Marc.«

»Was soll diese Frage! Und was hat Marc damit zu tun? Ich mache doch nur meinen Job. Das heißt doch noch lange nicht, dass ich diese Erfahrungen am eigenen Leib machen muss, oder?« Alexa lacht auf, bevor sie weiterspricht. »Ich bin Journalistin und verstehe mich ausgezeichnet darauf, Informationen aus meinen Gesprächspartnern herauszulocken.«

»Tut mir leid, so war das nicht gemeint. Ich wollte dich nicht herabsetzen, das weißt du. Und ja, du bist eine fabelhafte Journalistin. Ich wollte dich nur nicht in eine unangenehme Lage bringen, das war alles.«

»Du wolltest Heather den Job anbieten!« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Alexa starrt ihren Chef erwartungsvoll an. Im Raum ist es plötzlich so ruhig geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Wieder ist es da, dieses Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden, den Herausforderungen, die das Leben stellt, nicht mehr zu genügen. Kurzum: zu alt zu sein.

Lance zuckt nur mit den Schultern, bevor er antwortet.

»Der Gedanke lag schon nahe. Sie ist ehrgeizig und heiß auf einen großen Auftrag. Ich spüre doch, wie gerne Heather sich beweisen würde, indem sie selbst eine Story schreibt und nicht immer in deinem Schatten steht. Aber ich möchte die Entscheidung natürlich nicht ohne deine Meinung dazu fällen.«

»Lance?« Der ängstliche Unterton ist deutlich aus Alexas Stimme herauszuhören.

»Ja?«

»Nimm mir die Kolumne nicht weg. Ich werde wieder bessere Beiträge schreiben. Versprochen.«

»Alexa, davon kann doch überhaupt keine Rede sein. Deine Beiträge waren nie schlecht. Es lag nicht an dir, dass die Auflagenzahl gefallen ist. Es liegt an der Konkurrenz.«

»Danke.«

»Wofür?«

»Für deine Ehrlichkeit und Offenheit.«

»Hey, wir sind Freunde, oder hat sich da in letzter Zeit irgendetwas geändert, das ich nicht mitbekommen habe?«

»Nein und im Übrigen freue ich mich schon auf die Recherche. Was hältst du davon, wenn ich die Serie mit Heather zusammen angehe? Sozusagen als gleichberechtigtes Team?«

Jetzt muss Lance lachen.

»Das finde ich ausgezeichnet. Sie kann noch viel von dir lernen.«

»Weißt du ...«, Alexa unterbricht sich kurz in Gedanken, bevor sie weiterspricht. »... Heather ist in den letzten Monaten eine wirklich gute Freundin geworden, nicht nur von mir, sondern auch von Marc. Ich habe fast das Gefühl, sie sieht in uns so etwas wie ihre Mentoren, die sie unter die Fittiche nehmen und denen sie sich anvertrauen kann. Auch aus diesem Grund möchte ich natürlich, dass Heather ihre Chance bekommt.«

»Gut, ich lasse dir die Unterlagen gleich rüberbringen. Du und Heather, ihr macht das schon.«

»Worauf du dich verlassen kannst. Die Auflagenzahl wird wieder steigen; das verspreche ich dir.« Sie steht mit einem Lächeln auf dem Gesicht auf und verlässt das Büro. In der Tür dreht sie sich noch einmal um und funkelt Lance vermessen an.

»Lance?«

Der Redakteur schaut auf.

»Hast du etwa gedacht, ich würde ablehnen?«

Lance zuckt die Schultern. »Vielleicht«, antwortet er zurückhaltend.

»Bring mir die Unterlagen, um den Rest kümmere ich mich schon.«

»Genauso kenne ich dich.«

Zwei Meetings, drei Tassen Kaffee und etliche Telefongespräche später eilt Alexa über die stark befahrene Straße zum Reisebüro, in dem ihre Freundin Patricia zweimal die Woche arbeitet.

Alexa betritt den Laden und sieht Patricia hinter ihrem Schreibtisch sitzen. Sie telefoniert, wie so oft und hämmert ungeduldig auf ihre Tastatur ein. Dabei signalisiert sie Alexa, schon mal Platz zu nehmen.

»Guten Tag Mrs. Freeman«, wird Alexa von einer weiteren Mitarbeiterin begrüßt, die gerade den Raum betritt.

»Guten Tag, Amanda.«

»Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen?«

»Ein Wasser wäre schön. Ich hatte heute Morgen schon zu viel Kaffee«, gesteht Alexa und lächelt die Mitarbeiterin freundlich an.

»Sehr gerne.« Damit verschwindet die Brünette wieder im Hinterzimmer, um kurz darauf mit einem Glas Wasser zurückzukommen.

Mittlerweile hat auch Patricia ihr Gespräch beendet und legt den Hörer auf.

»Puh, was manche Leute für Vorstellungen haben, was ein Urlaub kosten soll«, sagt sie lächelnd und schüttelt ihren perfekt frisierten Kopf.

»Hast du etwas Schönes für uns gefunden?«, fragt Alexa an ihrer Freundin gewandt.

»Oh ja, ich habe mich gleich nach unserem Telefongespräch heute Morgen dahinter geklemmt und dir hier alles ausgedruckt. Am besten schaust du die Unterlagen mit Marc durch. Es ist auch eine dreiwöchige Reise quer durch Europa dabei oder das hier ...« Sie blättert die Ausdrucke durch und schiebt Alexa das Angebot über den Tisch. »Hier, sieh dir das mal an, ... haben wir ganz neu reinbekommen. Eine Kreuzfahrt auf einem Luxusdampfer an der Küste von Südamerika bis nach Feuerland«, schwärmt sie. »Ich hätte aber auch noch etwas ganz Spezielles. Was hältst du von einem Urlaub in einem Eishotel oben in Alaska?«

»Du machst Witze«, sagt Alexa und verschluckt sich fast an ihrem Wasser. »Meinst du, ich könnte Marc für drei Wochen aus der Kanzlei loseisen? Und Kälte hasst er, das weißt du doch. Warum sind wir wohl nach Florida gezogen?«

»Dann vielleicht das hier.« Wieder zieht sie einen Ausdruck aus dem Stapel. »Wie wäre es mit einem Landhaus in der Toskana?«

Jetzt scheint Patricia Alexas Interesse geweckt zu haben. Sie überfliegt den Text.

»Das könnte mir schon gefallen. Marc und ich mal ganz allein und weit weg von seinen Klienten.«

Wieder klingelt Patricias Telefon. Sie zuckt bedauernd mit den Achseln und nimmt das Gespräch an. Alexa signalisiert ihrer Freundin, dass sie wieder losmuss. Sie winkt Patricia zu und verlässt das Reisebüro. In einem kleinen Deli kauft sie sich ein leckeres Baguette, bevor sie sich wieder hinter ihrem Schreibtisch verkriecht, um einen Artikel fertig zu schreiben.

Kapitel 2

Mit dem Kribbeln der Vorfreude im Bauch steigt Alexa in ihren Wagen und fährt nach Hause. Sie muss jetzt noch schmunzeln, als sie an Heathers Reaktion zurückdenkt. Ganz große Augen hat ihre Assistentin bekommen und sich mit einer überschwänglichen Umarmung bei Alexa bedankt. Alexa weiß, dass dies die Chance ist, auf die Heather wartet. Nun kann sie zeigen, was in ihr steckt.

Alexa parkt den Wagen in der Garage. Marc ist noch nicht zu Hause. Typisch. Dabei hatten sie sich mit William und Christabel im Golf- und Countryclub verabredet. Sie holt ihr Handy aus der Tasche, während sie das Auto verlässt, und ruft Marc an.

»Alexa, tut mir leid. Ich schaffe es nicht pünktlich. Fahr doch schon vor und sag William und Christabel, dass ich später nachkomme.«

Wie oft hat sie diesen Satz schon gehört? Aber gerade heute Abend wollte sie mit Marc über den neuen Auftrag reden. Außerdem hätte sie mit ihm gerne über die Reise gesprochen. »Verdammt, Marc, wird sich das denn nie ändern? Ich dachte, wir könnten auf dem Weg zum Goldclub noch einige Dinge besprechen.« Alexas Ton ist mehr als vorwurfsvoll.

»Schatz, versteh das doch. Ich kann hier nicht alles stehen und liegen lassen, nur weil wir Golfspielen gehen.«

»Darum geht es doch gar nicht. Aber ist okay. Wann wirst du da sein?« Resignation macht sich in Alexas Worten breit.

»Ich verspreche dir, ich komme so schnell wie möglich. Vielleicht nehmt ihr drei noch einen Drink an der Bar, bis ich bei euch bin.«

»Natürlich, die beiden verstehen das.«

»Ich hoffe, du verstehst es auch. Ich beeile mich. Ciao.«

Dann ist das Gespräch beendet. Alexa atmet einmal tief durch, dann geht sie ins Haus, um eine Dusche zu nehmen, bevor sie sich auf den Weg in den Club macht.

»Alexa, hier sind wir«, wird sie von weitem von ihrer Freundin begrüßt. Alexa betritt die Terrasse und winkt Christabel und William zu. Die beiden stehen mit einigen anderen Clubmitgliedern an einem der runden Tische und unterhalten sich.

»Wo ist Marc?«, fragt William, als sie bei der kleinen Gruppe ankommt und deutet ein paar Wangenküsse an. Dann wendet sie sich der wieder perfekt gestylten Christabel zu und begrüßt die Freundin genauso freundschaftlich wie William, bevor sie den anderen zunickt.

»Er hat es nicht pünktlich geschafft, aber versprochen, so schnell wie möglich nachzukommen.«

William schaut überrascht auf seine teure Armbanduhr und hebt die Augenbrauen. Als Kieferorthopäde kann er es sich leisten, seine Praxis zweimal die Woche bereits nachmittags zu schließen oder die Nachmittage frei zu nehmen. Wofür hat er denn seine Mitarbeiter?

»Ich sag ja immer, Marc hätte damals auf mich hören und ebenfalls Medizin studieren sollen, anstatt sich mit langweiligen Paragraphen und Wortklaubereien zu beschäftigen.«

»Es ist schon gut William«, unterbricht ihn seine Frau und runzelt die Stirn.

»Es kann eben nicht jeder sein Geld mit Nichtstun verdienen«, kontert Alexa und knufft ihm dabei freundschaftlich in den Arm.

»Ach, du glaubst, ich arbeite nicht genauso hart wie Marc?«

»Na ja, in der Regel schaust du den Kindern und Jugendlichen in den Mund und ziehst deren Eltern das Geld aus der Tasche.«

»Ach glaubst du? Und wie denkst du, kommt die Zahnspange in den Mund meiner Patienten?«

»Ach kommt schon, dafür hast du doch dein Personal«, stichelt Alexa weiter.

»Ja das habe ich. Aber das war nicht immer so.«

»Können wir jetzt das Thema wechseln?«, fragt Christabel leicht genervt.

»Natürlich, tut mir leid, ich wollte euch nicht die Laune verderben«, entschuldigt sich Alexa. Sie versteht selbst nicht, was in sie gefahren ist, William so aufzustacheln. Schließlich kann er nichts dafür, dass sie frustriert ist.

»Hattest du einen anstrengenden Tag?« Christabel versucht, die Situation zu entschärfen.

»Nicht mehr als sonst.«

»Du siehst müde und abgespannt aus. Du solltest dringend einen Termin bei deiner Kosmetikerin machen. Oder wir beide gönnen uns wieder mal einen Tag im Day Spa, was hältst du davon?«

»Klingt wirklich gut, aber mir fehlt die Zeit. Du hast Recht, ich bin in letzter Zeit tatsächlich etwas gestresst.«

»Ich bin auch fix und fertig. Heute hat sich eine neue Putzfrau vorgestellt und dann haben die Handwerker angefangen, das halbe Haus auf den Kopf zu stellen.« Dabei rollt sie die Augen und schüttelt den Kopf, als würde gleich die Welt untergehen. William wirkt gelangweilt.

Alexa muss sich ein Grinsen verkneifen. Christabel ist eine der Frauen, die ihr Studium abgebrochen haben, um direkt in den Hafen der Ehe einzulaufen. Sie hat nie einen richtigen Beruf ausgeübt.

Typisch Christabel, denkt Alexa. Manchmal versteht sie ihre Freundin überhaupt nicht. Sie ist nun mal die Frau eines erfolgreichen Mannes.

»Ein kleines Opfer, dafür habt ihr aber doch ein Traumhaus mit allem erdenklichen Luxus.«

»Du redest schon wie William.«

»Wie geht es denn den Kindern? Fühlt sich Edward wohl im Internat?«, wechselt Alexa das Thema.

»Oh ja, er ist Kapitän der Baseballmannschaft und seine Noten sind viel besser geworden.«

»Das ist doch schön. Dann hast du jetzt nur noch die Katzen und William zu versorgen.«

»Du vergisst, dass wir die Handwerker im Haus haben.«

»Ach ja, wie läuft die Renovierung denn?« Alexa heuchelt Interesse, dabei ist ihr klar, dass Christabel selbst keinen Finger rührt. Bei Christabel geht die Welt schon unter, wenn sich ihre Putzfrau krankmeldet und sie selbst mal Hand anlegen muss. Was für ihre künstlichen Fingernägel praktisch das Aus bedeutet.

»Sie haben heute erst angefangen. Aber ich sage dir, ich würde am liebsten in ein Hotel ziehen, bis alles fertig ist.«

»Warum tust du es nicht?«

»Würde ich ja, aber William ist dagegen. Er meint, wenn wir zu Hause sind, können wir die Arbeiten besser überwachen. Mit „wir“ meint er mich. Als ob ich nicht Besseres zu tun hätte, als ständig hinter den Handwerkern zu stehen.« Dabei wendet sie sich zu William und wirft ihm einen hämischen Blick zu.

Alexa muss lachen.

»Sag mal, wie läuft es denn mit deiner Assistentin? Heather heißt sie, oder?« Christabel steht die Neugier ins Gesicht geschrieben.

Alexa bestellt ein Mineralwasser und wendet sich dann wieder ihrer Freundin zu.

»Sehr gut. Sie ist wirklich engagiert. In den letzten Wochen haben wir auch privat viel Zeit zusammen verbracht.«

»Ach richtig, sie ist ja aus dem Norden hierher gezogen«, erinnert sich Christabel.

»Ja, sie kennt hier noch nicht viele Leute und wir haben sie unter unsere Fittiche genommen.«

»Ist sie nicht erst Anfang zwanzig?«

»25«, stellt Alexa klar.

»Ich könnte mir vorstellen, dass sie ganz andere Interessen hat als wir, oder?«

Wieder so ein unbewusster Seitenhieb von Christabel, der Alexa hart trifft. Wie sollte die Freundin auch wissen, was seit einiger Zeit in Alexa vorgeht? Sie hat es bisher vermieden, mit ihr darüber zu sprechen.

»Heather scheint sich mit uns zusammen sehr wohl zu fühlen. Freundschaft hat doch nichts mit dem Alter zu tun. Ich frage mich nur, warum wir Paul noch nie kennengelernt haben.«

»Paul? Wer ist das? Heathers Freund?«

»Hm, sie erwähnt ihn öfter, aber gesehen haben wir ihn noch nie.«

»Vielleicht hat sie ihn nur erfunden«, mutmaßt Christabel. »Oder er ist hässlich oder noch besser: Er ist peinlich.« Dabei zieht sie eine Grimasse.

»Das glaube ich nicht.«

»Na, wer weiß. Wenn du verliebt bist, stellst du doch deine bessere Hälfte in deinem Freundeskreis vor, oder nicht?«

Alexa denkt kurz über Christabels Worte nach.

»Ich habe keine Ahnung und solange sie das Thema nicht anschneidet, werde ich es auch nicht tun.«

»Hauptsache, sie macht sich nicht an Marc ran.«

Alexas Gesichtsausdruck wird starr.

»Hat man alles schon gehabt. Über die Ehefrau an den Mann«, redet Christabel unbeirrt weiter.

»Was du dir wieder zusammenspinnst.« Alexa kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Manchmal geht Christabels Fantasie mit ihr durch.

»Tut mir leid. Natürlich würde Marc niemals mit einer anderen etwas anfangen. Du solltest dir nicht so viel Stress aufladen. Wir werden schließlich alle nicht jünger.«

Das sitzt. Entgeistert schaut Alexa die Freundin an.

»Was willst du damit sagen?«

»Na ja, es wird langsam Zeit, die schönen Dinge des Lebens zu genießen.« Geschickt windet sich Christabel aus ihrem Fauxpas, mit Geldausgeben kennt sie sich aus.

»Wenn du so anfängst, dann weiß ich schon, was kommt.«

Christabel grinst Alexa schelmisch an.

»Hey, das ist nicht fair. Weißt du, wie viele Stunden ich gestern im Internet verbracht habe, um für uns die perfekte Reise herauszusuchen?«

»Aber wir haben doch noch nichts Konkretes besprochen.«

Christabel winkt ab. »Wenn du diese Kreuzfahrt siehst, wirst du ausflippen. Ich habe die Unterlagen alle ausgedruckt.« Sofort lässt sie ihre Tasche von der Schulter gleiten und greift hinein.

»Da muss ich meiner Frau ausnahmsweise einmal recht geben«, mischt William sich wieder ins Gespräch.

»Wann soll das Ganze denn stattfinden?«

»Na ja, es ist schon kurzfristig. Aber wenn ihr beide euch zwei Wochen freischaufeln könntet, dann könnten wir schon in sechs Wochen in See stechen.«

»So bald schon? Da kann ich nicht.«

»Du hast es nicht mal versucht.« Christabel wirkt enttäuscht und legt die Unterlagen auf den Tisch. »Weißt du was, du nimmst die Unterlagen mit und besprichst alles in Ruhe mit Marc und deinem Chef.«

»Christabel, ich würde schon gerne und Urlaub haben Marc und ich dringend nötig. Aber wir fangen gerade eine neue Reportage an. Das ist ein größeres Projekt und braucht Zeit für Recherchen und dann ist ja auch noch unsere Silberhochzeit.«

»Ach, die Recherchen kann doch Heather erledigen. Wofür hat Lance sie denn eingestellt?«

»Nein, dieser Auftrag interessiert mich persönlich. Außerdem ist es ein Gemeinschaftsprojekt von Heather und mir.« Wie stellt sich Christabel das eigentlich vor? Alexa hat einen Job und Verantwortung. Gerade hat sie Lance zugesagt und jetzt soll sie das Feld räumen und Heather den Vorrang lassen? Auf keinen Fall!

Alexa greift zu den ausgedruckten Zetteln und schaut mit einem wehleidigen Auge darauf. Eine Reise durch Südamerika mit Start in Rio de Janeiro bis nach Feuerland. Es ist die Reise, die Patricia für sie bereits heute Mittag herausgesucht hat. Sie würden in den besten Hotels absteigen und den Karneval in Rio live miterleben. Nicht, dass sie nicht gerne mit Christabel und William zusammen ist. Doch diese Reise würde sie lieber nur mit Marc unternehmen. Mit ihm an ihrer Seite diesen faszinierenden Trip zu erleben, wäre eine wunderbare Erfahrung, die sie wieder zusammenschweißen könnte. Aber daraus wird nichts werden. Weder der Zeitpunkt noch ein Kreuzfahrtschiff könnten Marc überzeugen, mit ihr an Bord zu gehen.

»Muss ja mächtig interessant sein,« wirft William gelangweilt ein und hält weiter nach Marc Ausschau.

»Ist es auch.«

Jetzt wird William hellhörig und wendet seine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch der beiden Frauen zu.

»Ach ja, erzähl doch mal oder ist das noch topsecret? Wer hat denn wen betrogen, oder geht es um eine wirkliche Skandalgeschichte?« Er greift zu seinem Glas, führt es zu seinen Lippen und grinst süffisant.

»Nichts von alledem. Für Skandalgeschichten bin ich nicht zuständig. Ich schreibe im Bereich Lifestyle, falls du es vergessen hast. Aber wenn es dich wirklich interessiert: Es geht um Paare, deren sexuelles Verhalten und ihre Vorlieben. Ihre ganz persönlichen Eigenarten, wenn du so willst«, setzt sie hinzu, immer noch mit der Reiseroute beschäftigt. Alexa fühlt sich von William angegriffen. Er wertet ihre Arbeit bei der Zeitung ab. Nur weil sie sich gerade einen Scherz erlaubt hat, meint er, er müsse es ihr mit gleicher Münze heimzahlen. Sie ist schließlich nicht eine von den Klatschreporterinnen, die alles für eine skandalöse Story tun würden. Ihre Artikel sind weder schmierig noch anrüchig. Ganz im Gegenteil, sie sind aktuell und haben Stil.

»Okay«, sagt er ernüchtert und stellt sein leeres Glas ab. »Und ich dachte schon, es geht um etwas Spannendes.«

Jetzt hebt Alexa den Kopf und lässt die Blätter sinken. An Williams Reaktion kann sie erkennen, dass es nicht nur um gekränkte Eitelkeit geht. William hat scheinbar mit dem Thema Sex im Allgemeinen nicht mehr viel zu tun. Christabel räuspert sich verlegen.

»Vielleicht ist es für dich nicht besonders interessant. Aber es gibt Menschen, die lesen sicher gerne darüber.«

William zuckt nur mit den Achseln. »Sicher gibt es die. Besonders die Verklemmten, die holen sich bei deinem Artikel noch einen runter«, sagt er schmunzelnd und zieht damit Alexas Arbeit weiter in den Schmutz.

Alexa atmet angestrengt aus. »Das wohl eher nicht. Wir sollten über etwas anderes sprechen.« Sie versteht überhaupt nicht, was in William gefahren ist. Er, der sonst immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, geht heute bei jedem Thema hoch. Alexa wird schnell klar, dass es keinen Zweck hat, mit William dieses Gespräch weiterzuführen. Er ist es scheinbar, der verklemmt ist. Auch für Christabel scheint das Gespräch in unangenehmen Bahnen zu verlaufen. Hilfesuchend schaut sie sich nach einer Ablenkung auf der Terrasse um, bevor sie sich wieder Alexa zuwendet.

»Was ist? Warum schaust du mich so merkwürdig an? Hab ich irgendetwas Falsches gesagt?« Alexa kann es kaum glauben, dass ihre Freunde so prüde sind. Christabel zieht Alexa ein Stück von William weg. »Da drüben habe ich Monica gesehen. Du entschuldigst uns kurz, Schatz«, sagt sie zu ihrem Mann, greift Alexa am Arm und drängt sie zu der imaginären Person auf die andere Seite der Terrasse.

»Was soll das denn?« Alexa bleibt stehen. »So kenne ich William überhaupt nicht.«

»Du darfst seine Worte nicht ernst nehmen. Er ist in letzter Zeit etwas launisch.«

»Launisch nennst du das?« Alexa kann es kaum fassen.

»Tut mir leid, aber William und ich, wir hatten schon ewig keinen ... na ja, du weißt schon.« Die Worte kommen Christabel schwer über die Lippen. Sie kann ihrer Freundin dabei kaum ins Gesicht sehen. Verlegen dreht sie sich leicht zur Seite, so als würde sie nach jemandem Ausschau halten.

»Sex?« Bei diesem Wort fliegt Christabels Blick regelrecht zu Alexa zurück, die jetzt wieder die volle Aufmerksamkeit ihrer Freundin genießt.

»Nicht so laut, ja.«

»Ich versteh nicht, warum man in seiner Gegenwart nicht darüber sprechen darf. Wir sind schließlich erwachsene Leute, die die Teenagerphase, in der Worte wie Sex eine Panikattacke auslösen, schon lange hinter uns gelassen haben. Außerdem hat er mich gefragt. Was ist denn bloß los mit ihm? Ich hätte nie gedacht, dass er so verklemmt ist, was dieses Thema angeht.«

Christabel wirkt bedrückt.

»Er ist auch nicht verklemmt. William gibt mir die Schuld daran, dass es bei uns im Bett nicht mehr harmoniert. Ach Alexa, wenn du wüsstest. Ich war froh, dass der Abend so gut begonnen hat und jetzt ...« Bedrückt verzieht sie das Gesicht. Solche Worte aus Christabels Mund zu hören, sind für Alexa Neuland.

»Was soll das heißen?«

Christabel legt die Arme um ihren Körper, als würde sie frieren und weicht Alexas Blick aus.

»Hey, was ist denn los?«

»Ich weiß auch nicht. Aber in letzter Zeit kommt William oft spät nach Hause. Er hat sich irgendwie verändert.« Wieder öffnet sich Christabel ihrer Freundin ein Stück mehr und gibt Dinge aus ihrem Eheleben preis, die in der Vergangenheit tabu waren.

»Das ist mir heute auch schon aufgefallen. Er war ja regelrecht gereizt. Egal welches Thema ich angeschlagen habe.«

»Da siehst du, was ich meine. Er redet nicht nur mit dir so herablassend und arrogant. Selbst mich behandelt er in letzter Zeit wie ein lästiges Insekt. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.«

»Hast du ihn mal darauf angesprochen?«

Christabel schüttelt den Kopf.

Alexa spürt, wie unangenehm ihrer Freundin das Thema ist. Es ist überhaupt ein Wunder, dass Christabel mit Alexa über ihre Probleme spricht. Es muss sie sehr belasten.

»Das solltest du aber tun.«

»Ich habe es ja versucht, aber er weicht mir aus. Kannst du dir vorstellen, dass es zwischen uns schon seit Wochen keine Zärtlichkeiten mehr gibt?« Leicht beschämt schaut sie auf den Boden und wischt mit der Schuhspitze ein trocknes Blatt zur Seite.

»Vielleicht ist er einfach zu sehr mit seiner Praxis beschäftigt oder es ist das Alter. Manche Männer haben in der zweiten Lebensphase Probleme mit der Erektion.« Alexa versucht, ihrer Freundin Mut zu machen.

»Nein, nein, das ist es nicht. Ich habe in seiner Praxis angerufen und da sagte man mir, er wäre bereits gegangen und auf dem Weg nach Hause. Aber da war er nicht. Kannst du mir sagen, wo er dann war?« Christabels trauriger Blick verleitet Alexa, die Hand auf ihren Rücken zu legen, um leicht darüberzustreichen, als wollte sie sagen: Das wird schon.

»Du glaubst also, er hat ein Verhältnis?«

Christabel zuckt die Schultern.

»Was sagt er denn dazu?«

Wieder ein Schulterzucken.

»Ich weiß es nicht und ich traue mich auch nicht, ihn darauf anzusprechen.«

»Christabel? Kann es sein, dass du vor der Wahrheit Angst hast?«

»Vielleicht. Er spricht nicht mehr mit mir wie früher. Er kommt mir irgendwie fremd vor.« Christabel scheint für eine Weile in Gedanken weit weg zu sein, bevor Alexa die unangenehme Pause unterbricht und weiterspricht.

»Warum hast du ihn nicht unter irgendeinem Vorwand angerufen?«

»Natürlich habe ich das versucht. Aber sein Handy war aus.«

»Und? Was hat er gesagt, wo er war?«

»Unterwegs, nichts Konkretes.« Christabel winkt ab. »Du glaubst doch nicht, dass ich ihn ausfrage. Das würde ja aussehen, als würde ich ihm misstrauen.«

»Tust du das denn nicht?«

»Vielleicht, aber nur, weil er mir so fremd ist und mich nicht mehr an sich ran lässt.«

»Über zuviel Zärtlichkeiten kann ich mich auch nicht beklagen. Aber das liegt daran, dass Marc beruflich sehr eingebunden ist«, gesteht Alexa.

»Ihr habt auch Probleme?«

»Probleme würde ich es nicht nennen. Ich habe das Gefühl, dass jeder nur noch mit seiner Welt beschäftigt ist.«

»Wenn es nur das wäre. Ich glaube, William betrügt mich.«

»Weil er nicht in der Praxis ist, wenn du anrufst?«

Die Freundin zuckt die Achseln. »Sicher bin ich mir nicht. Aber wie würdest du sein seltsames Verhalten sonst erklären?«

»Ich finde, du solltest auf jeden Fall mit ihm reden, bevor du falsche Schlüsse ziehst.«

»Wenn er nur nicht so verschlossen wäre. Irgendwie verändert.«

»Inwiefern?«

»Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.«

Alexa schaut ihre Freundin aufmerksam an.

»Es ist nur so eine Ahnung, aber er ist mit den Gedanken oft woanders. Er erzählt mir auch nicht mehr alles. Früher haben wir über unsere Probleme gesprochen. Doch jetzt hüllt er sich in Schweigen. Ich habe das Gefühl, er entgleitet mir immer mehr. Als würden wir nur noch nebeneinander herleben.«

»Christabel?«

Die Freundin schaut auf.

»Sei mir bitte nicht böse, wenn ich das sage, aber hast du schon mal darüber nachgedacht, einen Job anzunehmen?«

Völlig entgeistert öffnet Christabel den Mund und will protestieren, als sie von Alexa unterbrochen wird.

»Versteh mich bitte nicht falsch. Aber ich glaube, es würde dir die Bestätigung geben, die du jetzt brauchst. Außerdem würde es deinem Leben eine neue Richtung geben. Du bist doch nur auf William fixiert.«

»Wie stellst du dir das denn vor?«, fragt Christabel, überzeugt, dass sie diesen utopischen Gedanken ihrer Freundin niemals umsetzen kann. »Ich habe doch die letzten vierundzwanzig Jahre damit zugebracht, mich ausschließlich um die Kinder, das Haus und um William zu kümmern.«

»Genau das meinte ich. Es wird Zeit, mal an dich zu denken.«

»Ich habe doch überhaupt keine Berufserfahrung und dazu noch ein abgebrochenes Studium.«

»Du hast doch jahrelang die Buchhaltung in Williams Praxis geführt.«

»Das macht seit Neustem jemand anderes.«

»Na dann steht dir doch nichts mehr im Weg. Zufällig weiß ich, dass der Herausgeber der Woman Today jemanden sucht.«

»Ich weiß nicht.«

»Du könntest es dir zumindest mal anschauen.« Alexa greift in ihre Handtasche, holt ein Visitenkärtchen heraus und reicht es ihrer Freundin.

Christabels Blick ist in die Ferne gerichtet. Plötzlich fängt sie an, leise zu kichern. »Weißt du, dass es das erste Mal ist, dass wir beide über so ein Thema sprechen? Ich meine, wir führen gerade ein tiefgehendes Gespräch und nicht einen dieser belanglosen, oberflächlichen Smalltalks. Ich habe dir praktisch mein Herz ausgeschüttet. Dir meine geheimsten Gefühle offenbart.«

Alexa zieht leicht die Augenbrauen hoch und drückt Christabel an sich.

»Ich weiß und ich finde es gut. Und so schlimm ist es nun auch nicht, wie du tust. Du hast mir lediglich erklärt, dass du Bedenken hast, was Williams Treue dir gegenüber betrifft.«

»Na ja, normalerweise spreche ich nicht so offen über meine Probleme und Gefühle. Aber ich weiß, dass ich dir vertrauen kann.«

»Was denkst du denn von mir? Wir sind Freundinnen, natürlich kannst du mir vertrauen. Oder hast du das irgendwann einmal anders empfunden?«

»Natürlich nicht. Es hat gut getan, sich mal die Sorgen von der Seele reden zu können.«

»Das können wir gerne wiederholen. Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst, ich bin da.«

»Das merke ich mir. Also gut, ich ruf da mal an, versprochen. Ich bin gespannt, was William dazu sagen wird, wenn ich plötzlich einen Job haben würde.«

»Hast du eine Ahnung, warum es bei euch soweit kommen konnte?« Alexa kommt noch einmal auf das eigentliche Thema zurück. Aber im Grunde geht es ihr nicht um die Beziehung ihrer Freundin, sondern ihr eigenes Glück.

»Na ja, erst waren da die Kinder und dann die neue Praxis. Irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren. Ich will ihm nicht die Schuld geben. Es stimmt schon, dass ich andere Dinge in den Vordergrund gestellt habe. Sex ist mir nicht so wichtig. Das war es mir nie.«

Aus den Augen verloren! Ist es bei Marc und ihr nicht genau das Gleiche? Das letzte Mal Sex ist schon verdammt lange her.

»Weißt du, vielleicht will ich gerade aus diesem Grund diese Story machen.«

»Was hat das mit euch zu tun?«

»Kannst du dir das nicht denken? Ich will Marc wieder auf Kurs bringen, ganz einfach.«

»Und du glaubst, das klappt? Wie denn? Willst du ihn in einen Stripclub schleifen, damit ihn eine heiße Tussi an einer Poledancestange anmacht?« Jetzt lacht Christabel sarkastisch auf.

»Quatsch. Ich will selbst die Akteurin sein. Verstehst du?«

»Werde konkreter.« Jetzt hat Alexa ihre Freundin vollkommen aus der Reserve gelockt. Christabel nimmt die Maske ab, die sie jahrelang getragen hat.

»Also, diese Reihe befasst sich mit allen möglichen Sexpraktiken. Die Vorlieben, an welchen Orten man Sex hat und welche Sextoys die besten sind. Ich werde natürlich auch mal Swingerclubs und andere Etablissements besuchen und mit den Inhabern und Gästen sprechen.«

Einen Moment herrscht Schweigen. Dann schaut sich Christabel nach beiden Seiten um, um sicher zu gehen, nicht belauscht zu werden, bevor sie direkt auf den Punkt kommt.

»Du willst doch nicht ernsthaft in einem Swingerclub Sex haben?«

»Warum denn nicht?«

»Alexa! Das kannst du doch nicht machen. Mit wem denn?«

»So wie du das sagst, klingt es abwertend. Aber das ist es nicht. Es ist vollkommen normal.«

»Okay, für manche Leute mag das normal sein. Aber wir? Ich könnte mir nie vorstellen, es mit einem anderen Partner zu treiben.«

»Siehst du, genau deshalb schreibe ich diese Story. Darum geht es doch nicht. Wer sagt denn, dass du den Partner tauschen musst? Das wäre doch die Gelegenheit, William wieder näherzukommen. Mal was auszuprobieren, die Grenzen überschreiten. Hast du früher nie mal etwas Verbotenes getan?«

Die Freundin zuckt nur die Achseln.

»Sag bloß, du hast es nie im Freien getan oder auf der Toi­lette im Restaurant.« Alexa muss leise kichern, als sie sich an das eine Mal erinnert, als sie mit einem Typen tatsächlich einen Quickie in der Damentoilette eines Hotels hatte. Das war kurz, bevor sie Marc kennengelernt hatte.

»Du etwa?« Christabel wirkt schockiert.

Alexa nickt und kann nur schwer ihr Lachen unterdrücken.

»Ich glaube, ich habe einiges versäumt«, sagt Christabel und wirkt frustriert, wie sie so dasteht und Alexa anstarrt. »Und trotzdem, allein der Gedanke.« Sie schüttelt sich leicht.

»Was nicht ist, kann ja noch werden, oder?«

»Du bist verrückt. Ich könnte mich nicht vor anderen Leuten ausziehen und mich dann von meinem Mann vögeln lassen, wenn andere wie bei einer Fleischbeschau um mich herumstehen und mich mit ihren gierigen Blicken auffressen.« Angeekelt schüttelt sie sich ein noch einmal.

»Bürgerliche Zwangsvorstellungen, nichts weiter. Ich könnte es mir vorstellen.«

»Alexa! Ich bin schockiert. Weißt du, was du da redest?«

»Ganz genau.«

Christabel wirft Alexa einen argwöhnischen Blick zu und gibt ein leises Schnaufen von sich. »Ich weiß nicht, ob ich das könnte ... nein, nein, das könnte ich nicht«, sagt sie jetzt vollkommen überzeugt. Und doch scheint es, als hätte sie für einen kleinen Moment die Möglichkeit tatsächlich für sich in Betracht gezogen und darüber nachgedacht.

Alexa zieht leicht die Lippen nach oben. Christabel ist wie viele ihrer Freundinnen. Es kommt ihr nur auf die Meinung der Gesellschaft an. Bloß nicht unangenehm auffallen oder irgendetwas tun, was andere kritisieren könnten. Arme Christabel! Sie scheint gefangen in ihrer selbst gestalteten perfekten Welt. Immer schön in der Reihe tanzen.

Aber für Alexa kommt das nicht mehr in Frage. Dabei weiß sie genau, dass auch tief in Christabel eine Leidenschaft und Sehnsucht glüht, die nur darauf wartet, angefacht zu werden. Erst vor wenigen Minuten hat sie den ersten Schritt getan und sich Alexa anvertraut.

»Ich werde auf jeden Fall nicht mit ansehen, wie meine Ehe immer langweiliger wird und am Ende noch zugrunde geht. Ich will wieder Sex mit meinem Mann. Verdammt guten und versauten Sex. Und du solltest auch mal darüber nachdenken, was in eurer Beziehung falsch gelaufen ist und deinen William wieder einfangen.«

Jetzt fängt Christabel plötzlich an zu lachen.

»Was ist los? Warum lachst du?«

»Ich stelle mir gerade vor, wie William reagieren würde, wenn ich ihm vorschlage, es mit mir in einen Swingerclub zu treiben.«

»Warum versuchst du es nicht mal?«

Plötzlich verstummt Christabel und wird ernst.

»Du meinst das wirklich ernst, oder?«

»Klar.«

»Hey Schatz.«

Marc steht hinter Alexa und küsst sie in den Nacken. Alexa zuckt zusammen. Die Gelegenheit ist vorbei, das Gespräch noch weiterzuführen, und Alexa weiß, dass sie so schnell nicht wiederkommen wird.

»Mein Gott, hast du mich erschreckt.«

»So ein schlechtes Gewissen?«

»Natürlich nicht.«

»Hallo Christabel. Über was habt ihr gesprochen?«

»Nichts Wichtiges«, antwortet Alexa an Christabels Stelle und zwinkert ihrer Freundin zu.

»Das sah mir aber ganz anders aus.«

»Frauengespräche eben«, sagt Alexa grinsend zu ihrem Mann und stupst ihn leicht an.

»Wollen wir anfangen?«, fragt Marc und winkt William zu.

»Warum hast du Marc nichts gesagt?«, flüstert Christabel hinter vorgehaltener Hand Alexa zu, während sie den Rasen betreten.

»Ich finde, hier ist nicht der richtige Ort dafür. Aber sobald wir zu Hause sind, werde ich es tun.«

Alexa hakt sich bei Marc unter, der heute unverschämt gute Laune zu haben scheint, was ihr wiederum ein gewinnendes Lächeln ins Gesicht zaubert.

Kapitel 3

Du warst so ruhig heute Abend«, stellt Marc fest, als er aus dem Badezimmer kommt. Seine Haut glänzt feucht von der Dusche und seine dunklen Haare, die die ersten grauen Strähnen zeigen, sind nach hinten gekämmt. Leicht weht der herbe Duft seines Duschgels zu Alexa herüber. Sie sitzt im Bett, mit den großen Kissen im Rücken und schaut über ihre Lesebrille von ihrem Artikel auf.

»Toni wird dieses Wochenende nicht nach Hause kommen und von Mitch will ich gar nicht erst sprechen.«

»Und das beunruhigt dich.«

»Nein, ich bin ganz froh, wenn wir beide mal wieder ein Wochenende für uns haben.«

»Hm, ich bin am Samstag mit Richter Kinsley verabredet.«

Alexa wirkt enttäuscht. »Schade, ich dachte, wir könnten mal wieder mit dem Boot rausfahren.«

»Darüber wollte ich ohnehin mit dir reden.«

Fragend zieht Alexa die Augenbrauen hoch und legt den Artikel jetzt zur Seite.

»Ich habe mir überlegt, das Boot zu verkaufen.« Marc kann sich ein Gähnen nicht verkneifen. »Der Zeitpunkt ist nicht gerade perfekt, aber wenn ich das Thema nun schon mal angeschnitten habe, können wir es genauso gut jetzt besprechen.«

»Warum? Das Boot war immer ein Rückzugsort für dich.«

»Schau Alexa, wir haben kaum Zeit dafür. Wann waren wir das letzte Mal damit auf dem Wasser?«

Marc hat Recht, was Alexa wieder an ihr Telefonat heute Morgen erinnert.

»Und du denkst nicht darüber nach, etwas an dieser Situation zu ändern?«

»Doch, genau aus diesem Grund denke ich, wir sollten es verkaufen.«

»Das meinte ich nicht. Merkst du nicht, dass wir beide kaum noch Zeit für einander haben? Und jetzt willst du auch noch das Boot verkaufen.«

»Du bist also dagegen?«

»Ich weiß nicht. So eine Entscheidung kann man doch nicht übers Knie brechen.«

»Das hatte ich ja auch nicht vor. Wenn ich geahnt hätte, dass du so ein Drama daraus machst, hätte ich das Thema heute überhaupt nicht angeschnitten.«

»Ich mache doch kein Drama daraus. Aber du musst mich auch verstehen. Du kommst plötzlich damit durch die Tür, das Boot zu verkaufen, einfach so.«

»Mein Gott Alexa, es war auch nur eine Idee. Von mir aus vergessen wir es. Bausch die Sache doch jetzt nicht so auf. Was ist überhaupt los mit dir. Heute Morgen erst diese Vorhaltungen und jetzt kreidest du mir die Sache mit dem Boot an.«

»Ich kreide dir gar nichts an. Ich wollte nur mal wieder mit dir über einige Dinge reden. Das ist alles.«

»Ja, aber jetzt ist es halb zwölf und ich bin einfach nur müde. Müssen wir diese Diskussion um diese Uhrzeit führen?«

»Wieso nicht. Das ist scheinbar die einzige Möglichkeit, mit dir zu reden.«

Marc zieht sich die Boxershorts über und holt sich ein T-Shirt aus dem Schrank. Dann schlägt er die Bettdecke zurück und kriecht zu Alexa ins Bett.

»Hey, ich weiß, dass unser Privatleben in der letzten Zeit zu kurz kam, aber dieser Fall ist für mich die Aufstiegschance. Dieser Scheidungsprozess ist eine ganz große Sache. Schließlich habe ich nicht jeden Tag so eine prominente Persönlichkeit in einem Fall zu vertreten. Die Presse wird das Verfahren ebenfalls verfolgen. Du weißt doch genau, wie schnell schlechte Nachrichten von den Journalisten aufgesaugt werden. Ich will und muss für meinen Klienten das Bestmögliche rausholen.«

Alexa verzieht nur enttäuscht das Gesicht.

»Schau Alexa, wir könnten uns das große Haus unten am Hafen kaufen, das dir so gut gefallen hat. Du weißt schon, das mit den kleinen Türmchen. Ich habe nicht vergessen, wie du jedes Mal verträumt ansiehst, wenn wir daran vorbeifahren.«

»Ach Marc, das habe ich doch nur so gesagt. Jeder würde gerne darin wohnen, aber deshalb kauft man es doch noch nicht gleich.«

»Wenn man es sich leisten kann, warum denn nicht?«

»Ist der Preis dafür nicht zu hoch?«

»Ehrlich gesagt, habe ich mich noch nicht nach dem Kaufpreis erkundigt.«

»Das meinte ich nicht. Ich rede von uns.«

»Wie meinst du das? Ich sagte doch schon, wenn ich die Forderungen meines Klienten bei Gericht durchbekomme, dann brauchst du dir über Geld keine Gedanken mehr zu machen. Dann ist es nur noch eine Formsache, dass Mc Intyre mich als gleichberechtigten Partner in die Kanzlei aufnimmt.«

Alexa seufzt. »Und wir zählen nicht? Ich habe nicht von Geld gesprochen, sondern von uns und unserer Ehe. Hörst du mir eigentlich zu?«

»Hey Schatz, unser Gespräch von heute Morgen habe ich nicht vergessen, falls du das meinst. Ich werde wieder mehr Zeit mit dir verbringen. Aber du bist heute so aufgebracht. Ist irgendetwas vorgefallen?«

»Nein, ich mache mir nur Sorgen, dass es bei uns zur Gewohnheit wird.«

Bei diesen Worten rückt Marc näher zu seiner Frau und nimmt sie in den Arm.

»Du weißt, wie sehr ich dich liebe.«

»Weiß ich das?«

»Warum sagst du das?«

»Weil wir schon seit Wochen keinen Sex mehr hatten, darum.«