Mauerzwillinge - Uwe Wittenfeld - E-Book

Mauerzwillinge E-Book

Uwe Wittenfeld

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Beschreibung

Die beiden Schaufelräder erzeugten nur ein leichtes Plätschern, so dass an Bord des 126 Jahre alten Raddampfers nur die Gespräche der Touristen zu hören waren, die sich an diesem sonnigen Tag fast alle auf dem Oberdeck drängten. Der Dampfer glitt aus dem Schatten des Blauen Wunders, einer Brücke, die seit 117 Jahren die Dresdner Stadtteile Loschwitz und Blasewitz verbindet, als die Idylle schlagartig mit einem dumpfen Schlag zerstört wurde. Eine Frau lag tot in einer Blutlache auf dem Dach des Oberdecksalons. Bei einer Fallhöhe von weniger als fünf Metern sicherlich ein ungewöhnlicher Ort für einen Suizid. Zur Beerdigung kommt ihr ehemaliger Lebenspartner mit seinem Freund aus dem Ruhrgebiet nach Dresden. Zusammen mit der Zwillingsschwester der Toten, versuchen sie die Hintergründe des Unglücks aufzuklären. Dabei stoßen sie auf ein Geflecht von Lügen und Intrigen, die weit in die Zeit zurückreichen, als eine fast unüberwindbare Mauer Deutschland in zwei Teile teilte. "Endlich mal wieder ein Roman, der mit der geteilten und der gemeinsamen deutschen Geschichte so umgeht, dass sich Ost und West auf Augenhöhe begegnen." (Dresdner Bücherjunge) Überarbeitete Neuauflage mit 16 Fotos.

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Wichtige Personen

Hugo Koslowsky

flieht aus München und kehrt zurück ins Ruhrgebiet.

Karl Krause

ist eingeborener Ruhri und möchte es bleiben.

Trixi Schmidt

kommt auf sehr makabre Weise an einem wunderschönen Platz ums Leben.

Jenny Schmidt

steckt in einem Drama, dessen Drehbuch sie nicht kennt.

Olga Paschke

gehört zur aussterbenden Art der wirklich guten Freundin.

Margot Schmidt

verschließt die Augen vor der Realität.

Siegfried (Siggi) Neuklober

mag nicht an seine Vergangenheit erinnert werden.

Willi Borghöfer

überwindet die Mauer und ist sich unsicher, ob er jetzt auf der richtigen Seite steht.

Susanne Borghöfer

scheitert an einer relativ neuen Mauer und stirbt zwischen alten Mauern.

Erwin Bosetzky

ist Anwalt und hat sich trotzdem Skrupel bewahrt.

Paul Smith

arbeitet für eine Firma aus Langley, Virginia.

Peter Pakowsky

entspricht nicht den Vorurteilen über seinen Berufsstand.

Inhaltsverzeichnis

Prolog, Mai 2010

Trixi

Ungarn, 12. Juni 1989

Bochum, 09.11.1989

Blühende Landschaften, 27.05.2010

Dresden, Fr. 28.05.2010

Familie

Dresden, Fr. 28.05.2010

Dresden, Sa. 29.05.2010

Endstation Fischland

Ahrenshoop, Juli 1975

Potsdam 1975

Potsdam 1976

Schloss Hoheneck, 1976

Tief im Westen

Dresden. So. 30.05.2010

Wernigerrode, So. 30.05.2010

Brocken, Mo. 31.05.2010

Mülheim an der Ruhr, Di 01.06.2010

Bochum, Mi 02.06.2010

Herkunft

Potsdam, Fr. 04.06.2010

Caputh, Sa. 05.06.2010

Potsdam, Sa. 05.06.2010

Der goldene Westen

Hamburg 1975

Essen 1975

Essen 1976

Mehr als Freundschaft

Bochum, Fr. 11.06.2010

Mülheim an der Ruhr, Fr. 11.06.2010

Leipzig, Fr. 18.06.2010

Dresden, Sa. 19.06.2010

Leipzig, So. 20.06.2010

Auf die falsche Seite der Mauer

Berlin, Hauptstadt der DDR 1986

Berlin (West) 1987

Dresden, Dezember 1989

Dresden, März 1989

Under Cover

Mülheim an der Ruhr, Mi. 23.06.2010

Dolce Vita, Do. 24.06.2010

Bochum, Fr. 25.06.2010

Dolce Vita, Fr. 25.06.2010

Dresden, Mo. 28.06.2010

Dresden, Fr. 02.07.2010

Leipzig, So. 04.07.2010

Zeugen

Bochum, So. 04.07.2010

Essen, Mo. 05.07.2010

Essen, Di. 06.07.2010

Bochum, Mi. 07.07.2010

Dresden, Fr. 09.07.2010

Moritzburg, Sa. 10.07.2010

Dresden, Mo. 12.07.2010

Ruhrgebiet, So. 18.07.2010

Alte und neue Freunde

Dresden, Juni 1993

Dresden, Juli 1993

Dresden, August 1993

Ab in den Süden – August 2010

Ankunft

Schnitzeljagd

Geständnis

Montserrat

Zahltag – März 1994

Zürich

Leipzig/Dresden

Ungelöste Fragen – August 2010

Montserrat

Barcelona

Nadelstiche Oktober 2010-Januar 2011

Sonntag, 03. Oktober 2010

Mittwoch, 06.Oktober 2010

Donnerstag, 07.Oktober 2010

Dienstag, 09. Oktober 2010

Sonntag, 09. Januar 2011

Dienstag, 11. Januar 2011

Pfingsten 2011

1. Prolog, Mai 2010

Die beiden Schaufelräder erzeugten nur ein leichtes Plätschern, so dass an Bord des 126 Jahre alten Raddampfers nur die Gespräche der Touristen zu hören waren, die sich an diesem sonnigen Tag fast alle auf dem Oberdeck drängten. Der Dampfer glitt aus dem Schatten des Blauen Wunders, einer Brücke, die seit 117 Jahre die Dresdner Stadtteile Loschwitz und Blasewitz verbindet, als die Idylle schlagartig mit einem dumpfen Schlag zerstört wurde. Eine Frau lag tot in einer Blutlache auf dem Dach des Vorderdecksalons. Bei einer Fallhöhe von weniger als fünf Metern ein ungewöhnlicher Ort für einen Suizid.

Unter ohrenbetäubendem Lärm, den Baseballschläger über ihrem Kopf schwingend, raste sie mit ihren 120 Kilo Lebendgewicht auf mich zu. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und meinte schon zu spüren, wie das Hartholz im nächsten Augenblick meinen Schädel bersten lässt. Ein Ruck ging durch meinen Körper, der Kopf prallte gegen hartes Holz.

Gibt es im Jenseits Kopfschmerzen? Vorsichtig öffnete ich die Augen. Durch den Nebel sah ich die Umrisse meines Bettes aus der Perspektive eines Dackels, einen Pfosten direkt neben dem Kopf. Die größte Lärmquelle war innerhalb meines eigenen Kopfes. Der Rest entstammte dem Telefon.

Die zwei Bier, die ich mir zum Abschluss eines neuen Auftrages genehmigen wollte, hatten Gesellschaft von einigen hochgeistigen Getränken bekommen. Meine Auftraggeberin war mir zwar nicht sympathisch und besonders schlank war sie auch nicht, aber ich hoffte inständig, dass dieser Traum nur ein Produkt des übermäßigen Alkoholkonsums war. Was würde Siegmund dazu sagen? Egal, der ist schon lange tot.

Als ich mich schweißüberströmt mit vorsichtigen Bewegungen - nur nicht den Kopf erschüttern - aufgesetzt hatte, verstummte das Telefon. Nur das Brummen aus dem Inneren des Kopfes war deutlich zu vernehmen.

Kaffee? Aspirin? Eine kalte Dusche? Eine Kombinationstherapie wäre das Richtige. Aber womit anfangen? Schließlich fing wieder das Telefon an zu nerven. Es zu ignorieren gelang mir kaum 30 Sekunden. «Kann man nicht mal am Sonntag ausschlafen», murmelte ich vor mich hin, griff vorsichtig zum Hörer und hielt ihn in die Nähe des rechten Ohres. «Jaaaa. Wer stört?»

«Die Trixi ist tot!», brüllte jemand aus dem Hörer, dessen Stimme mir bekannt vorkam. Trixi? Who the fuck is Trixi? Ich versuchte, meine grauen Zellen zur Arbeit zu überreden. Aber das würde eine Zeit dauern.

«Hallo! Haaaaallo! Sag mal pennst du noch?», brüllte die Stimme aus dem Hörer. Sie gehörte meinem Freund Karl.

«Der Herr ist wohl wieder mal abgestürzt? Haben dir böse Menschen Drogen eingeflößt?»

Hauptsache, Karl fand das witzig, mein Sinn für Humor und lockere Sprüche lag noch im Koma.

«Geh erst mal duschen und nimm etwas Koffein, am besten intravenös. Mit dir ist ja überhaupt nichts anzufangen. Ich muss dich aber heute noch sehen. Ich komme gleich vorbei», sagte Karl und legte auf. Wann ist gleich?

Lange schaute ich den Hörer an, als ob man ihm ansehen könne, warum Karl am heiligen Sonntag einen solchen Stress veranstaltete. Trotz meines benebelten Zustandes war klar, dass es etwas Wichtiges sein musste. Karl ist nicht der Typ, der am Sonntagmorgen um 13 Uhr seine Mitmenschen nervte. Da half nichts, als zu versuchen wieder halbwegs fit zu werden. Von Mülheim nach Bochum brauchte man am Sonntag mindestens eine halbe Stunde, das musste reichen.

Als ich vor Jahren das Ruhrgebiet verließ, um Karriere zu machen, sagte Karl nur: «Ich geh hier nich wech!» Er war nicht nur eingeborener, sondern überzeugter ‹Ruhri›.

Als mein Traum von der Karriere an der Isar dann endgültig geplatzt war, zog ich wieder nach Bochum. Keiner meiner Münchener Bekannten konnte verstehen, wie man die ‹Weltstadt mit Herz› gegen ein heruntergekommenes Kaff im Kohlenpott tauschen konnte.

Frisch geduscht, das Koffein von zwei Tassen starkem schwarzen Kaffee und das Nikotin eines auf Lunge gerauchten Zigarillos im Körper, stand ich in der Küche und griff zur Packung Aspirin. Ich kam nicht dazu, sie zu öffnen, da meine altersschwache Türklingel einem Belastungstest unterzogen wurde. Sie bestand knapp und meine Kopfschmerzen waren sofort wieder wach.

Die Person, die vor mir stand, erinnerte äußerlich nur wage an meinen stets gut gestylten Freund, den akademischen Rat Karl Krause. Er sah aus, als wenn er die letzten Tage unter einer Ruhrbrücke geschlafen und sich dabei überwiegend an flüssige Nahrung gehalten hätte.

Als ich den Mund öffnen wollte, um einen passenden Spruch zu Karls Aussehen abzulassen, stürzte er schon an mir vorbei zum Kühlschrank, holte sich ein Bier und ließ sich auf das Sofa fallen.

«Die Trixi ist tot», sagte er und stürzte das Bier in einem Zug hinunter. Das hatte ich schon am Telefon gehört, war aber so mit Wachwerden und dem Kampf gegen die Kopfschmerzen beschäftigt, dass ich noch nicht darüber nachgedacht hatte, wer diese Trixi war. So viele wichtige Frauen hat es ja in Karls Leben nicht gegeben, seit dem ich ihn kenne. So wie mein Kopf sich anfühlte, konnte ein Bier auch nicht mehr schaden.

Ich setzte mich Karl gegenüber, trank einen Schluck und forderte ihn auf: «Erzähl!»

Karl schaute mich mit einem verwirrten Blick an. «Sie ist vom Blauen Wunder gefallen oder vielleicht auch gefallen worden», fing er an. «Direkt auf das Sonnendeck eines Raddampfers.» Ich schaute ihn jetzt ähnlich intelligent an wie eine Münsterländer Kuh beim Wiederkäuen. «Ja, ist schon klar. Durch ein blaues Wunder aufs Sonnendeck. Das leuchtet ein.» Der Mann musste erst mal ausschlafen. «Karl, hast du was geraucht?»

«Hugo, ich bin nicht durchgedreht. Das Blaue Wunder ist eine Brücke über die Elbe in Dresden und Raddampfer gibt es da auch für die Touris.» Meine geografischen Kenntnisse, speziell bezogen auf Sachsen, waren relativ beschränkt. Allerdings führte das Stichwort Sachsen dazu, dass sich in meinem Hinterkopf das Bild einer jungen Dame konkretisierte. Ich beschloss, Karl nicht sofort in die Klinik einliefern zu lassen, sondern ihm eine Chance zu geben, mir das Ganze zu erklären. Ein Teil meiner grauen Zellen hatte die Arbeit wieder aufgenommen.

2. Trixi

Ungarn, 12. Juni 1989

Die beiden jungen Frauen aus Sachsen hatten schon zwei Wochen in Balatonfüred am Plattensee verbracht. Unter ihren Landsleuten herrschte eine gespannte Atmosphäre. Bei einem Ausflug nach Budapest hatten sie rund um die Botschaft der Bundesrepublik gesehen, wie Menschen auf Gehwegen und in Vorgärten kampierten. Westdeutsche Diplomaten, verkleidet als Mitarbeiter eines ungarischen Hilfsdienstes, stellten bundesdeutsche Pässe für die Wartenden aus. Es fehlte allerdings der Einreisestempel nach Ungarn.

Es kursierte das Gerücht, dass sich am 19. August in der Nähe von Sopron an der Grenze zu Österreich viele DDR-Bürger zu einem Picknick versammeln wollten. Flugblätter mit einem Lageplan waren im Umlauf. Die beiden hatten gehofft, ihren Ungarnurlaub zur Flucht in den Westen nutzen zu können. Sie waren aber nicht bereit, dafür unkalkulierbare Risiken einzugehen. Ein Picknick hörte sich nicht besonders gefährlich an. Sie packten den alten geliehenen Trabi und fuhren die 160 km nach Sopron.

Am Ende dieses Tages blieben Gepäck und Fahrzeuge von 600 DDR-Bürgern in Ungarn, ihre Besitzer stürmten durch ein absichtlich offengelassenes Grenztor nach Österreich. Das Tor wurde einige Stunden später wieder geschlossen.

Es war das geschehen, was man in der Normannenstaße in Ostberlin nach dem Beitritt Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention befürchtet hatte: Ungarn schickte DDR-Bürger, die in den Westen flüchten wollten, nicht mehr in die DDR zurück und hatte damit unumkehrbar den Niedergang des Eisernen Vorhangs eingeleitet.

Bochum, 09.11.1989

Nebenan brach ein ganzer Staat zusammen, seine Einwohner flohen in den ‹goldenen Westen› und ich saß hier mit meinem Kommilitonen Karl und bereitete mich auf eine öde Prüfung in ‹Theoretischer Elektrotechnik› vor. Ich hatte die Prüfung schon zweimal vergeigt, denn das Zeug interessierte mich nicht im Geringsten. Es war der letzte Versuch, das Studium noch zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

Wir wohnten beide in einem Studentenwohnheim der Kategorie Wohnklo-mit-Küchendusche. Nachdem der Baustil im olympischen Dorf in München 1972 getestet wurde, durften auch Studenten in anderen Städten sich über diese wunderbaren praktischen Betonwürfel freuen.

Dieses spezielle Wohnheim hatte aber eine nicht vom Architekten vorgesehene, von den Einwohnern aber umso mehr geschätzte Erweiterung erhalten. Der Keller beherbergte nicht nur Waschmaschinen und Trockner, sondern eine gemütliche Kneipe, in der das Bier reichhaltig und preiswert floss.

Mein Gehirn war nicht mehr bereit, auch nur eine einzige Formel zu verarbeiten. «Mir reicht es Karl. Komm lass uns runter gehen.» Karl stimmte sofort zu. Er konnte das Lernen etwas lockerer sehen als ich. Er hatte keine zwei erfolglosen Versuche am Hals.

Das menschliche Inventar der Kneipe war zum großen Teil bekannt: Die zwei Dauerstudenten hinter der Theke, die Kartenspieler an ‹ihrem Stammtisch› und die Philosophen an den Stehtischen. Die Theke war bisher leer, sogar unsere geliebte Thekeneckbank. Wir ließen uns dort nieder und gaben das erste Weizenbier in Auftrag. Gesprächig waren wir beide an diesem Abend nicht. Wir beschäftigten uns hauptsächlich damit, unsere Mitzecher zu beobachten und das Bier zu genießen. Zwei Weizen weiter war die Kneipe gerammelt voll und die beiden Dauerstudenten hinter der Theke leisteten Schwerstarbeit.

«Schulldchnsä, darf ich noch mit auf die Bank?» Wir drehten uns synchron zur Seite. Sächsische Aussprache kennt man zwar aus dem Fernsehen, aber freilaufende Sachsen sind 1989 in Bochum so gut wie unbekannt. Dieses war sogar ein weibliches Exemplar. Ziemlich klein zwar, aber ansonsten fabelhaft gelungen. Große braune Augen schauten mich an. Das schöne Gesicht mit der Stubsnase wurde von langen braunen lockigen Haaren umrahmt. Ich konnte nicht anders, ich musste meinen Blick weiter nach unten gleiten lassen, und es gefiel mir außerordentlich gut, was es da zu sehen gab. Man konnte sie ja nicht vor der Theke stehen lassen. «Ja, natürlich», antworten Karl und ich quasi synchron.

«Danke Jungs. Ich bin die Trixi», stellte sie sich vor. «Ihr könnt den Mund jetzt wieder zumachen.»

Dabei sah ich zum ersten Mal ihr wunderbares Lächeln. «Tschuldigung», stammelte ich und merkte, wie mir die Röte zu Kopfe stieg. «Ich bin der Hugo und das ist mein Freund Karl.»

Im Leben eines Ingenieurstudenten waren Frauen völlig seltene und exotische Wesen. Als dann so ein Exemplar wie Trixi auftauchte, fühlte ich mich in die Pubertät zurückgesetzt, und benahm mich dementsprechend. Trotz alledem schafften wir es nicht, sie zu vertreiben. Im Gegenteil, sie schien sich sogar mit uns zu amüsieren.

Allerdings amüsierte sie sich mit Karl doch etwas besser. So beschloss ich ein Weizenbier später, die beiden alleine zu lassen. «Ich muss ja morgen fit sein, damit ich mich auf die Prüfung vorbereiten kann», log ich. Karl grinste mich unverhohlen an. Spiel und Satz gingen an Karl Krause, Hugo Koslowsky verließ geschlagen das Spielfeld.

Blühende Landschaften, 27.05.2010

«If you`re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair», säuselte Scott McKenzie aus dem Radio. Zur Linken glitzerte der Pazifik in der Sonne, Seelöwen lagen auf Steinen im Wasser und sonnten sich. Ein ausscherender LKW beendete meinen Traum schlagartig. Ich befand mich nicht auf dem Pacific Coast Highway auf dem Weg von LA nach San Francisco, sondern auf der A4 zwischen Bad Hersfeld und Erfurt. Nicht Kalifornien, sondern Thüringen hieß der Staat und hier war es sogar ein Freistaat, was auch immer da so frei sein mag.

Die nächste Ausfahrt hieß Herleshausen. Hier begann vor mehr als 20 Jahren eine andere Welt, grau und gut bewacht. Jetzt wies nur noch ein Schild auf den ehemaligen Todesstreifen hin. Als ich kurz nach der Wende im Frühjahr 1990 nach Sachsen fuhr, war das ganze Leben im Umbruch und die Stoßdämpfer meines altersschwachen Passats spürten deutlich, dass auch im Straßenbau noch ein erheblicher Nachholbedarf bestand. Mein Roadster wäre sicher nicht DDR-tauglich gewesen.

Nach meinem Abschied aus München, hatte ich mich von vielen Dingen getrennt um finanziell über die Runden zu kommen. Den MX5, die Nikon und die Ansammlung von Rechnern hatte ich behalten.

Wenigstens das Wetter war wie in Kalifornien und ich fuhr mit offenem Verdeck auf einer perfekt ausgebauten Autobahn nach Osten, den Thüringer Wald zur Rechten. Noch etwa drei Stunden bis Dresden.

Karl wollte heute Abend mit der Bahn aus Berlin anreisen. Grund war ein Kongress, den er nicht absagen konnte. Er hatte mich nicht überzeugt, die Bahn oder das Flugzeug zu nehmen. Es wäre eine Schande gewesen, den MX5 bei diesem Traumwetter zu Hause zu lassen. Außerdem wollten wir das Wochenende in Dresden bleiben und uns die Stadt und das Elbsandsteingebirge anschauen.

Karl hatte großzügigerweise die Hotelkosten übernommen und als mein Navi mich vor dem Eingang ablieferte, ahnte ich, dass er mehr als großzügig war. Das Hotel lag direkt am Neumarkt, einen Steinwurf von der Frauenkirche entfernt. Ich musste zugeben, ich war tief beeindruckt von dem architektonischen Ensemble, das mich umgab. 1990 stand ich hier auf einem trostlosen Platz. In einem riesigen Stahlregal wurden nummerierte Steine aufbewahrt. Nur mit viel Phantasie konnte man sich vorstellen, dass die kümmerlichen Mauerreste auf der Mitte des Platzes zusammen mit den Steinen aus dem Stahlregal die Reste einer prachtvollen Barockkirche mit der größten Steinkuppel nördlich der Alpen gewesen waren. Ich hatte damals dafür plädiert, die Reste als Mahnmal stehenzulassen, wie bei der Gedächtniskirche in Berlin oder dem Dom in Hiroshima. Ein Wiederaufbau stand außerhalb meiner Vorstellungskraft. Gut, dass mich Niemand gefragt hatte, denn das Ergebnis war eindrucksvoll.

Karls Zug war pünktlich. Abends um acht saßen wir auf den Brühlschen Terrassen. Die Stadt war unglaublich voll mit Menschen vieler Nationalitäten. Heute war der Abschluss der Dresdner Musikfestspiele. In der Semperoper, der Frauenkirche und auch auf der Terrasse, auf der wir jetzt saßen sowie an anderen prominenten Orten, spielten in den letzten Tagen Orchester von Weltrang. Nur mit Glück hatten wir einen Tisch erwischt.

Rein äußerlich sah Karl wieder vorzeigbar aus. Wer ihn gut kannte, fand aber genug Indizien, die darauf hinwiesen, dass es ihm schlecht ging. Im Moment schien er sich etwas zu entspannen. Als wir lange Zeit schweigend vor unserem Weizenbier gesessen und den Blick über die Elbe und die vorbeipilgernden Touristenscharen hatten schweifen lassen, begann Karl zu reden. «Ich möchte morgen dahin, wo es passiert ist. Zum Loschwitzer Friedhof ist es nicht weit und die Beerdigung ist erst nachmittags um zwei.»

Ich war mir nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Mich hatte zudem gewundert, dass die Beerdigung erst drei Wochen nach Trixis Tod stattfand. Wenn die Sachsen nicht völlig andere Vorschriften über den Umgang mit Toten hatten, gab es für mich als Vielkrimileser nur einen einleuchtenden Grund: Die Ursache ihres Todes war alles andere als eindeutig.

Direkt unterhalb der Brühlschen Terrassen war der Anlegeplatz der Sächsischen Dampfschifffahrt.

«War das ein Raddampfer von der Sorte, wie die da unten?» Das hätte ich nicht fragen sollen.

Karls Miene versteinert sich. «Es war die PD Pillnitz, das ist das zweite Schiff von rechts.»

Als ich mir Trixis wunderschönen Körper in einer Blutlache auf dem Sonnendeck des Schiffs vorstellte, fröstelt es mich.

Auf dem Weg zum Hotelzimmer legten wir eine Pause in der Hotelbar ein. Wir hatten beide einen anstrengenden Tag hinter uns, aber keiner von uns strebte in sein Bett. Und Karl brauchte jemanden, der ihm zuhörte. Als endlich unser Freund Johnny Walker gekommen war, fing Karl an.

«Du weißt ja, Hugo, ich bin normalerweise nicht besonders sentimental. Aber Trixi war meine einzige große Liebe. Ich wusste es vom ersten Augenblick an.» Er hatte Tränen in den Augen. «Als ich gesehen habe, wie du sie angeschaut hast, habe ich - auch wenn du mein Freund warst - alles getan, dass du nicht an sie rankommst.»

«Ich habe mich doch gleich am ersten Abend dezent zurückgezogen.»

«Dezent? Du hast innerlich gekocht vor Wut. Und ich war mir nicht sicher, ob du dich endgültig geschlagen gibst.»

«Ja, du hast Recht. Aber ich wusste, dass ich keine Chance bei Trixi hatte. Ich habe noch oft an sie gedacht. Erst als ich nach München gegangen war, ist es seltener geworden. Und du hattest dich ja auch sehr bemüht, dass ich sie nie sehe. Immer wenn wir uns getroffen haben, hat sie andere Verpflichtungen gehabt.» Karls Gesicht zeigte ein angedeutetes Lächeln.

Johnny Walker ging, Glenfiddich kam. Karl nahm einen Schluck, bevor er weitererzählte. «Weißt du eigentlich, dass wir nie ihre Familie oder frühere Freunde von ihr besucht haben? Es ist mir erst in den letzten Tagen aufgefallen, dass ich ihr Leben erst seit dem Moment kenne, als sie aus der DDR geflüchtet war. Sie hat nie etwas davon erzählt und wenn ich gefragt habe, blockte sie rigoros ab. Wir haben auch nie im Osten Urlaub gemacht. Kannst du mir das erklären Hugo?»

Es war schwer vorstellbar, dass zwei Menschen jahrelang zusammenlebten und die ersten 20 Jahre des einen ein Geheimnis waren. «Ich habe das nicht gewusst und kann auch keine sinnvolle Erklärung liefern.»

«Dann nenn mir bitte eine unsinnige. Hauptsache ist, dass ich überhaupt eine habe. Dabei ist das nicht einmal das größte Geheimnis. Weißt du, dass sie abgehauen ist, während ich einen Tag auf Dienstreise war und nur einen Zettel zurückgelassen hat. Da stand drauf: ‹Entschuldige Karl. Ich kann es nicht erklären. In Liebe Trixi›.»

«Meinst du, da war ein anderer Kerl im Spiel?»

Erbost schaute er mich an. «Bist du bescheuert. Auf keinen Fall!» Ich war mir zwar nicht so sicher wie Karl. Aber in dem Falle hätte sie nicht mit ‹In Liebe Trixi› unterschrieben. Dieses schöne sanfte Wesen hatte so viele Geheimnisse, dass die für ein halbes Mädchenpensionat gereicht hätten. Von allen auf der morgigen Beerdigung anwesenden Personen werde nicht nur ich, sondern auch Karl nur eine kennen. Und das war die im Sarg.

Trotz unserer schottischen Begleitung in der Bar, war der Weg zu den Zimmern relativ problemlos zu finden. «Bitte, denk morgen an deine Nikon, wenn wir zum Friedhof fahren! Du hast sie doch hoffentlich dabei?» Meine Nikon war mein ständiger Begleiter, wenn ich unterwegs war. Die Frage blieb, warum brauchte ich auf einer Beerdigung meine Nikon?

«Gute Nacht Karl.»

«Gute Nacht John-Boy.» Er lächelte. «Schlaf gut Hugo!»

Dresden, Fr. 28.05.2010

Wir begannen den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück im Schatten der Frauenkirche. Es war wie im Italienurlaub, abgesehen davon, dass hier mehr Italiener unterwegs waren als vor dem Dom in Florenz.

Reisebusse spuckten immer mehr schwätzende und fotografierende Touristenströme aus. Wir brachen auf und holten den Roadster aus der Hotelgarage. Die Elektromotoren surrten, als das Dach in sein Sommerquartier einzog und wir begaben uns auf den Weg nach Loschwitz. Nachdem ich nirgendwo das Blaue Wunder auf dem Stadtplan gefunden hatte, erklärte Karl mir, dass die Brücke offiziell Loschwitzer Brücke heißt. «Das Navi brauchst du nicht. Ich sag dir, wie du fahren musst.»

«Du kennst dich hier aus?»

«Ich habe mal eine Woche eine Weiterbildung hier an der Uni gemacht. Da lernt man die Stadt etwas kennen.» Er hatte nicht zu viel versprochen.

Mit einem offenen MX5 fiel man hier bei weitem mehr auf als in Bochum oder gar in München. In München fiel man nur deshalb auf, weil man es wagte, am Stammsitz der Firma, die die ‹Freude am Fahren› erfunden hatte, Freude an japanischer Ingenieurskunst zu empfinden.

Karl lotste mich aus dem historischen Viertel über den Pirnaischen Platz, wo das architektonische Vermächtnis der DDR in Form von riesigen Plattenbauten zu sehen war. Bunt gestrichen sah das Ganze aber nicht mehr so trostlos aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Er wies mich auf das Hygiene-Museum zur Rechten und dann auf die Gläserne Manufaktur hin, in der VW seine Luxuskarossen montierte.

VW hatte die Stadt Dresden überzeugt, ihre Montagehalle in den Volkspark zu bauen. Dafür wird das Material nicht mit dem LKW, sondern mit einer speziellen Straßenbahn, die vom Logistikzentrum mitten durch die Innenstadt zur Gläsernen Manufaktur fährt, transportiert. Die Plattenbauten wurden allmählich weniger und immer mehr noble Villen aus Gründerzeit und Jugendstil säumten die Straße. Schließlich überquerten wir den Schillerplatz und das Blaue Wunder und waren in Loschwitz. Karl hatte seine Prüfung zum Stadtführer oder, wie man im Osten sagt, zum ‹Stadtbilderklärer› mit Auszeichnung bestanden.

Wir suchten eine Parklücke und schlenderten zur Elbe. Auf einer Bank mit Blick auf das Blaue Wunder und das Elbtal ließen wir uns nieder. Die UNESCO hatte das Elbtal bis zur Altstadt als Weltkulturerbe eingestuft. Dresden hatte großzügig darauf verzichtet, weil eine neue Elbbrücke wichtiger war.

Trotz alledem war es auch mit Brücke ein schönes Plätzchen. In dieser Idylle war Trixi, Karls reale und meine geheime Liebe, aus dem Leben geschieden.

Wir betrachteten die imposante Stahlkonstruktion aus dem Jahre 1893 einige Minuten lang. Karl brach das Schweigen: «Stell dir vor, du wolltest dich umbringen. Würdest du dich von dieser Brücke stürzen?»

Ich schüttelte den Kopf. «Wenn man auf einen Pfeiler klettert und sich auf die Straße stürzt, könnte es klappen. Die paar Meter vom Fußweg zum Wasser reichen nicht. Man kann höchstens anschließend ertrinken.»

«Sie ist aber nicht ertrunken, sondern auf dem Sonnendeck eines Raddampfers gelandet. Da ist der Höhenunterschied noch geringer. Würdest du drei Meter in die Tiefe springen, um dich umzubringen? Die Dampfer klappen sogar ihren Schornstein um, um unter der Brücke durchzupassen.»

Mal davon abgesehen, dass ich nicht vorhatte, mich umzubringen, erschien mir diese Möglichkeit als völlig absurd. «Vielleicht hat sie das Schiff nicht gesehen?»

«Einen Raddampfer in der Größe, der zudem noch dauernd tutet, muss man bemerken», entkräftete Karl diesen Einwand. «Und von einem Pfeiler kann man nicht auf ein Schiff springen. Die Pfeiler sind zu weit von der Fahrrinne entfernt.»

«Also schließen wir einen Selbstmord aus. Bleiben noch Unfall oder Mord.»

Karl schaute mich entsetzt an. «Mord? Wer macht denn so was und warum? Trixi konnte niemanden ein Haar krümmen.»

«Lass uns nicht gleich das Schlimmste annehmen», versuchte ich, ihn zu beruhigen. «Wie könnte denn ein Unfall abgelaufen sein?»

Karl brachte es auf den Punkt: «Nur bei völliger geistiger Umnachtung oder wenn man vollgedröhnt ist, hat man die Chance, über das Brückengeländer zu fallen.»

Trixi und vollgedröhnt? Das konnte ich mir nur schwer vorstellen. Im Krimi würde jetzt die Szene, wo der Gerichtsmediziner zu Rate gezogen wird, kommen. Aber wir waren nicht das Team von der Mordkommission. Ich schoss einige Fotos von der Brücke und wir begaben uns auf den Weg zum Friedhof.

3. Familie

Dresden, Fr. 28.05.2010

Der Friedhof lag an der Pillnitzer Landstraße, nur zwei Kilometer von der Loschwitzer Brücke entfernt. Karl bat mich, unauffällig mit dem Teleobjektiv alle Gäste abzulichten, die in die Trauerhalle strömten. Ich wusste nicht warum, aber ich tat ihm den Gefallen. Vielleicht wollte er jetzt selbst ein Familienalbum zusammenstellen, das Trixi ihm nie gezeigt hatte.

Viele Gäste waren es nicht. Zuerst kamen ein paar ältere Herrschaften und dann zielte ich auf eine junge Frau. Was ich im Sucher sah, ließ mich fast die Kamera zu Boden fallen.

«Was hast du denn?», fragte Karl. «Hast du ein Gespenst gesehen?»

Wortlos nahm er mir die Kamera aus meinen zitternden Händen, zielte mit dem Tele auf die Trauergäste und betätigte den Autofokus.

«Mein Gott!», sagte er und ich griff vorsichtshalber nach der Kamera, bevor sie zu Boden fallen konnte. «Das kann doch nicht sein, oder?»

Wir setzten uns in die letzte Reihe der Kapelle und ließen die Zeremonie über uns ergehen. Als der Pastor fertig war, wurde der Sarg auf einem Wagen aus der Kapelle gefahren und die Trauergemeinde folgte ihm. Wir blieben in der letzten Reihe bis zum Schluss sitzen und alle schauten uns neugierig an.

Nicht alle, der Grund für den Fast-Unfall meiner Nikon schaute uns voller Hass an. Trixi hatte eine Zwillingsschwester, von deren Existenz wir bisher nichts gewusst hatten. Sie schien uns nicht sonderlich zu mögen.

Am Sarg defilierte die Trauergemeinde an einem Mann und einer Frau um die 60, wahrscheinlich ihre Eltern, und ihrer Zwillingsschwester vorbei. Nachdem wir uns von Trixi verabschiedet hatten und das obligatorische Schüppchen Erde auf dem Sarg verstreut war, wünschten wir den Eltern unser herzliches Beileid.

Die Mutter lud uns zum anschließenden Kaffee und Kuchen in den Luisenhof ein. Daraufhin wurde das Gesicht der Zwillingsschwester noch wütender. «Wer von euch Arschgesichtern ist eigentlich der Typ, der es mit meiner Schwester getrieben hat?»

«Ich», sagte Karl zaghaft. Dann gab es einen lauten Knall und seine linke Wange war deutlich besser durchblutet als die andere. Eine Sekunde später folgte der zweite Knall. Die Symmetrie in Karls Gesicht war wieder hergestellt. Die Zwillingsschwester massierte ihre Finger.

Ihre Mutter entschuldigte sich bei uns. «Es hat sie alles so mitgenommen. Bitte kommen Sie, ich möchte gern wissen, wie es meiner Tochter im Westen gegangen ist. Nehmen Sie es Jenny nicht übel, sie haben sehr aneinander gehangen. Bis gleich im Luisenhof.»

Mein rotwangiger Freund stand mit schmerzverzerrtem Gesicht am offenen Grab und starrte auf den Sarg. Ich zog ihn behutsam in Richtung Auto.

Als wir angeschnallt waren, wagte ich es, ihn anzusprechen. «Fahren wir hin?»

Er überlegte einen Moment. «Ja, wir müssen. Sonst finden wir nie raus, was eigentlich los war. Ich muss das wissen, sonst werde ich verrückt.»

Ich dachte wieder an seinen Zustand, als er neulich in Bochum vor meiner Tür stand.

«Gib Gas Hugo!»

«Es gibt da noch ein Problem. Wo ist denn der Luisenhof?» Fast vorwurfsvoll kam die Antwort: «An der Bergstation der Seilbahn. Das ist der beste Aussichtspunkt von ganz Dresden. Lass das Auto an der Brücke stehen, dann fahren wir mit der Bahn.»«Jawohl, Herr Oberstadtbilderklärer. Immer zu Diensten».

Loschwitz und der daran anschließende Stadtteil ‹Weißer Hirsch›, in dem sich der Luisenhof befand, waren keine armen Stadtteile. Die Seilbahn war eine Standseilbahn, die zwischen Villengrundstücken den Hang erklomm.

Einige hundert Meter entfernt gab es eine weitere Bahn, die aussah wie die Wuppertaler Schwebebahn. «Beide Bahnen wurden auch nach dem gleichen System von Eugen Lange konstruiert. Technisch gesehen ist sie auch eine Standseilbahn, aber mit zwei hängenden Fahrzeugen», dozierte Karl.

Die Trauergemeinde befand sich auf der Terrasse des Restaurants. Von hier hatte man einen herrlichen Ausblick über Weinhänge, die Elbe, das Blaue Wunder bis hin zur Altstadt mit der Frauenkirche als Zentrum.

Die Mutter bugsierte uns an ihren Tisch, an dem schon ihr Mann und Jenny saßen. Karl bemühte sich, zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit nicht zu dicht neben Jenny zu sitzen. Ich saß ihr direkt gegenüber, quasi in Trittreichweite.

Nachdem Kaffee und Schnittchen vertilgt waren, begann die Fragestunde. Ich hatte schon befürchtet, dass es zu größeren Alkoholvernichtungsaktionen komme, wie ich es in meiner norddeutschen Jugend manchmal bei Beerdigungen erlebt hatte. Die Befürchtungen waren jedoch grundlos.

Mutter Schmidt eröffnete die Fragerunde. «Woher haben Sie eigentlich vom Tod unserer Trixi erfahren? Das stand doch bei Ihnen bestimmt nicht in der Zeitung.» Eine berechtigte Frage, die ich bisher Karl nicht gestellt hatte.

«Ein Freund von mir hier an der Technischen Hochschule hat es in der Sächsischen Allgemeinen Zeitung gesehen. Er kannte Trixi aus Mülheim und hat mir sofort den Artikel geschickt.»

«Wenn Sie einen Freund in Dresden haben, hätten Sie uns ja mal besuchen können.»

«Ich wusste nicht, dass Trixis Eltern in Dresden leben. Ich wusste nicht einmal, ob ihre Eltern überhaupt noch leben und ich wusste nicht, dass sie eine Zwillingsschwester hat. Ich dachte vorhin wirklich, sie lebt noch, als ich Jenny sah. Trixi hat mir erzählt, wie sie über Ungarn geflüchtet ist, was davor war, war ihr Geheimnis.» Man sah Frau Schmidt an, dass sie an Karls Worten zweifelte.

«Du willst dich nur reinwaschen du Arsch. Erst findest du die kleine Ossibraut niedlich und später hast du ihr einen Tritt gegeben.» Jenny redete sich in Rage.

Ihre Mutter versuchte zu schlichten, aber ohne Erfolg.

«Ich weiß nicht, was du ihr angetan hast, aber ich kenne meine Schwester. Wenn die nach vielen Jahren plötzlich mit verweinten Augen und nur einer kleinen Tasche vor der Tür steht, dann war das bestimmt keine Lappalie.»

Karl stiegen die Tränen in die Augen. «Sie ist einfach gegangen. Als ich nach Hause kam, lag da nur ein Zettel, dass sie mir das nicht erklären kann und mir alles Gute wünscht. Sie hat mit ‹In Liebe Trixi› unterschrieben. Hört sich das nach Krach an?» Jetzt purzelten Karls Tränen auf seinen Kuchenteller.

Sogar Jenny hielt jetzt ihren Mund. Sie wandte sich an mich. «Und was ist mit dir? Was hast du mit meiner Schwester zu tun?»

«Ich habe Trixi zusammen mit Karl kennengelernt. Wir waren befreundet. Ich bin dann aber nach dem Studium nach München gegangen und habe die beiden nur noch selten gesehen.» Anscheinend glaubte Jenny mir.

Die Eltern erzählten einige Geschichten, die meistens mit ‹Wisst ihr noch, als damals ...› anfingen. Etwa nach der dritten Geschichte neigte sich Jenny zu mir herüber und flüsterte: «Kommst du mal mit nach draußen?» Als sie mein zweifelndes Gesicht sah, versuchte sie ein Lächeln und fügte hinzu: «Keine Angst. Du wirst keine körperlichen Schäden davontragen.» Ich folgte ihr über die Terrasse und durch das Restaurant auf die Bergstraße.

Sie musterte mich und sagte dann: «Um das erst mal klarzustellen, ich traue dir nicht weiter, als ich dich sehen kann. Aber ich muss wissen, was mit meiner Schwester los war. Ich will wissen, ob etwas in den Jahren, als sie im Westen war, passiert ist. Und dafür brauche ich Hilfe. Den Ex-Lover meiner Schwester möchte ich möglichst nicht sehen, da bleibst nur noch du übrig.»

Sie stand direkt vor mir und schaute mich an. Sie hatte ‹ihn› auch. Es schien erblich zu sein. Genau wie bei Trixi setzte dieser Blick mein Gehirn für einige Sekunden in einen Chaoszustand.

Als ich der Meinung war, ich könnte wieder inhaltlich und grammatikalisch richtige Sätze formulieren, antwortete ich ihr endlich: «Glaub mir, genau das wollen wir auch. Karl ist schon fast durchgedreht. Die beiden haben sich wirklich immer wunderbar verstanden und es ist nicht vorstellbar, dass Karl ihr etwas getan hat.»

«Sicher?»

«Sicher!»

«Ok, versuchen wir es. Wir sollten uns heute Abend treffen und in Ruhe sprechen. Mit uns meine ich dich und mich und sonst niemanden. Um 20 Uhr im ‹Café Am Schloss›.» Ohne einen Kommentar von mir abzuwarten, ging sie zurück auf die Terrasse.

Karl war sichtlich erleichtert, nicht mehr allein mit den Trauergästen zu sein. Als ich neben ihm saß, flüsterte er mir zu: «Ich muss hier raus, ich platze gleich.» Wir ertrugen noch einige Minuten Smalltalk und verabschiedeten uns dann.

«Länger hätte ich auch nicht durchgehalten», seufzte Karl, als wir mit der Seilbahn wieder hinunter zur Elbe unterwegs waren. «Was wollte Jenny von dir?»

«Sie will sich heute Abend mit mir treffen.»

«Nur mit dir? Habt ihr eine romantische Elbfahrt geplant. Da störe ich natürlich, das ist klar.»

«Karl, bitte! Sie möchte auch herausbekommen, was mit Trixi los war. Genau wie wir. Sie möchte aber erst mal auf deine Gegenwart verzichten.»

«Was habe ich ihr getan?»

«Ihr nichts. Aber du hast jahrelang mit ihrer Zwillingsschwester im selben Bett geschlafen. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn du sie nicht siehst, weil sie Trixi so ähnlich ist.»

«Danke für die Analyse, Dr. Freud. Darf ich, wenn ich groß bin, vielleicht selbst entscheiden, was für mich gut ist? Im Moment wäre ein Bier extrem gut für mich.»

Hinter dem Scheibenwischer des Wagens steckte ein Zettel. Ich dachte an ein Strafmandat oder Werbung. Es handelte sich um ein normales Stück Kopierpapier, auf das jemand mit der Hand eine Notiz geschrieben hatte:

Fahren Sie zurück in den Westen und mischen Sie sich nicht in Dinge ein, die Sie nichts angehen und die Sie nicht verstehen.

Das ist nur ein gut gemeinter Rat.

Das ‹Café am Schloss› lag nur fünf Minuten vom Hotel entfernt. Ich setzte mich an einen der Tische vor der Tür, mit direktem Blick auf das Schloss. Zur Linken lag das von einer Luxushotelkette wiederaufgebaute Taschenbergpalais. Ich genoss die Sonne und beobachtete die Touristenscharen. Die meisten waren in Gruppen unterwegs. Sie hatten Kopfhörer aufgesetzt und folgten einem Führer, der einen Regenschirm hochhielt und in ein Mikrofon sprach. Man hörte neben Deutsch vor allem Italienisch, aber auch Spanisch, Englisch und Tschechisch. Die Italiener schienen Dresden besonders ins Herz geschlossen zu haben.

Von der etwa 300 Meter entfernt gelegenen Frauenkirche war nur der obere Bereich zu sehen, da ein Bauzaun den Rest verdeckte. Die Stadtplaner gingen bei der Bebauung immer viertelweise vor, so dass einige Viertel schon komplett fertiggestellt waren und andere quasi noch aus einer Baugrube bestanden. Eine absolute ästhetische Herausforderung stellte der aus DDR-Zeiten stammende Kulturpalast mit seiner Klotzarchitektur und vergoldeten Scheiben dar. Das Ding sah aus, wie der kleine Bruder des abgerissenen Palasts der Republik in Berlin.

Jenny kam eine viertel Stunde zu spät, setzte sich mir gegenüber und bestellte einen doppelten Wodka und ein Wasser. Dann schaute sie mich an und sagte: «Das muss jetzt sein.»

Ich legte ihr den Zettel, den ich hinter meinem Scheibenwischer gefunden hatte, auf den Tisch.

«Das war bestimmt wieder so ein Neidhammel, der keine Wessis mag. Ich würde mir da keine großen Gedanken machen.»

Das klang für mich nicht besonders überzeugend. «Ein Wessihasser hätte mir den Lack zerkratzt oder die Reifen zerstochen.» Sie schien aber nicht bereit zu sein, über dieses Thema nachzudenken. Von der Trauergemeinde konnte es niemand gewesen sein. Karl und ich waren als erste gegangen und keiner konnte vorher wissen, wo unser Auto stand.

«Hallo! Jemand zu Hause?» Sie winkte mir zu und riss mich aus meinen Gedanken.

«Entschuldigung. So häufig bekomme ich solche Briefe nicht. Also, zum Thema. Ich habe mir heute Mittag mit Karl die Stelle auf der Brücke angeschaut. Man stürzt sich nicht von der Brücke auf einen Ausflugsdampfer, dessen Deck drei Meter unter der Brücke ist, wenn man sich umbringen will. Jedenfalls nicht, wenn man noch halbwegs klar im Kopf ist.»

«Das habt ihr richtig erkannt, Selbstmord scheidet für mich auch aus. Das hätte Trixi niemals getan. Ich kenne meine Schwester.»

«Also bleiben noch die Möglichkeiten Unfall oder Mord. Was sagt denn die Polizei?»

«Sie haben in ihrem Blut Barbiturate und einen Alkoholgehalt von 1,2 Promille festgestellt.»

«Hätte das gereicht, um bewusstlos zu werden?»

«Sie sagen, die Reaktionsfähigkeit wäre stark eingeschränkt gewesen, aber es war noch kein totaler Kontrollverlust.»

«Hilft uns das weiter?», dachte ich laut. «Ob es ein Unfall war oder jemand nachgeholfen hat, ist damit immer noch nicht klar.»

«Die Schlafmittel führen aber nicht dazu, dass man euphorisch wird und zum Beispiel über ein Brückengeländer klettert. Ich weigere mich zu glauben, dass meine Schwester sich die Birne vollgedröhnt hat und dann über das Geländer geklettert und noch rein zufällig auf das Sonnendeck eines Schiffes aufgeschlagen ist. Mein Gott, das sind mir zu viele Zufälle. Das sieht für mich nach einer Inszenierung aus.»

«Was glaubt die Polizei?»

«Da sie keinerlei Anzeichen von Fremdeinwirkungen gefunden haben, gehen sie natürlich von einem Unfall oder Selbstmord aus. Die Sprunghöhe ist so gering, dass es schwierig ist, sich umzubringen.»

«Meinst du, wir haben eine Chance, die Wahrheit rauszufinden?»

«Ich weiß es nicht, Hugo. Aber ich bin es meiner Schwester schuldig, es mindestens zu versuchen. Wir waren Zwillinge. Mit ihr ist auch ein Teil von mir gestorben.»

Wir schwiegen eine Weile. «Lass uns einen Spaziergang machen.» Sie rief die Kellnerin: «Zwei doppelte Wodka und die Rechnung bitte!»

Sie zahlte, wir leerten die Gläser und verließen das Café. Vorbei an der Schlosskirche und der Semperoper, überquerten wir auf der Augustusbrücke die Elbe und bogen auf den Fußweg entlang des Neustädter Ufers ab. Auf der gegenüberliegenden Flussseite erstreckte sich das imposante Panorama, wie es schon Bernardo Bellotto, genannt ‹Canaletto›, 1753 in seinem Bild ‹Dresden vom rechten Elbufer› malte. Damals fuhren allerdings keine Straßenbahnen über die Augustusbrücke und die Raddampfer, die unterhalb der Brühlschen Terrassen lagen, waren noch nicht erfunden.

«Wir machen morgen eine Schifffahrt», sagte Jenny und ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. «Die gleiche Strecke, die der Dampfer genommen hat, auf den Trixi gefallen ist. Heute funktioniert mein Kopf sowieso nicht mehr richtig.»

Über die Carolabrücke wechselten wir wieder die Elbseite und standen fünf Minuten später vor der Frauenkirche.

«Wie kommst du eigentlich nach Hause?», fragte ich sie. «Wohnst du in der Nähe?»

«Ich wohne in Leipzig. Für ein paar Tage habe ich mich hier bei meinen Eltern einquartiert.»

«Stand Trixi mit ihrer Tasche damals bei dir in Leipzig vor der Tür?»

«Ja. Wir hatten immer ein besonders gutes Verhältnis zueinander, wie das bei Zwillingen häufig ist. Sie ist ein paar Tage geblieben und war dann plötzlich weg. Wie bei Karl, hat sie sich bei mir auch nur mit einem Zettel verabschiedet.»

«Hat sie gesagt, warum sie zu dir gekommen ist?»

«Nein. Ich dachte, dass sie Ärger mit ihrem Typen gehabt hat und mal etwas Abstand brauchte. Gesagt hat sie aber nichts. Das ist eigentlich gar nicht ihre Art. Wir konnten uns monatelang nicht sehen und trotzdem war es dann so, als wenn wir immer zusammen gewesen wären. Es tut mir leid, dass ich deinem Freund Karl eine geknallt habe. Vielleicht ist er wirklich nicht schuld.»

«Mach dir keine Gedanken deshalb. Er wird seine roten Wangen unbeschadet überstehen.» Ich versuchte ein Lächeln.

«Hugo?»

«Ja.»

«Darf ich dich um einen großen Gefallen bitten?»

«Soll ich dich begleiten? Fahren darf ich nicht mehr nach dem Wodka. Oder soll ich dir ein Taxi spendieren.» Warum lasse ich sie nicht einfach ausreden?

«Nein. Darum geht es nicht. Ich will nicht dahin. Sonst bekomme ich einen Koller heute Nacht, das halte ich nicht aus.»

Ich schaute etwas ratlos.

«Darf ich bitte bei dir bleiben. Ich kann diese Nacht nicht allein sein. Bitte!»

Wer könnte da nein sagen, wenn er von diesen braunen Augen angeschaut wird. Ich mimte den edlen Ritter und willigte ein. Ich warnte sie, dass in meinem Hotelzimmer nur ein Doppelbett steht.

«Die Ritze ist die Grenze und wehe du nimmst eine illegale Grenzüberschreitung vor», grinste sie mich an. Ich grinste ebenfalls und dachte an die Wangen von Karl. Ich gelobte dem edlen Fräulein, ihm nichts Böses anzutun.

Nach einer Stunde konnte ich immer noch nicht schlafen. Auch Jenny wälzte sich unruhig hin und her. Ab und zu vernahm ich leises Schluchzen. Dann hörte ich ein leises «Bist du noch wach?»

«Ja. Ich kann nicht schlafen», flüsterte ich zurück.

«Dann nehme ich jetzt eine Grenzverletzung vor.»

Ich hörte, wie ihre Bettdecke weggeschoben wurde. Ein warmer Körper schob sich herüber zu mir. Ohne Kommentar nahm ich sie in den Arm und drückte sie fest an mich. Sie roch gut, auch wenn sie verschwitzt war und eine Wodkafahne hatte. Das anfängliche Zittern ihres Körpers nahm allmählich ab. Niemand von uns sagte ein Wort. Eng aneinander gekuschelt schliefen wir schließlich ein.

Dresden, Sa. 29.05.2010

Mühsam streckte ich mich und versuchte meine Armbanduhr zu entziffern. Acht Uhr. Auch Jenny war wach geworden. Sie sah aus wie ein Engel, der noch die Flügel richten musste. Ich hatte das Gefühl, als habe sie mich schon eine Zeit lang beobachtet.

«Du oder ich?», fragte sie.

Ich schaute etwas desorientiert, und ich schaute nicht nur so.

«Also, was ist? Du oder ich?» Als ich immer noch nicht antwortete, ergänzte sie: «Duschen!»

Sie schien kurz nach dem Aufwachen auch noch nicht in der Lage zu sein, ganze Sätze zu formulieren. Ich versuchte meinen ersten.

«Guten Morgen, mein schöner Engel. Ich!»

Sie drehte sich um, zog sich die Bettdecke über den Kopf und ich schleppte mich zum Badezimmer.

Als ich frisch geduscht und relativ munter zurückkehrte, blinzelte Jenny verschlafen unter der Bettdecke hervor. «Fertig?»

«Fertig! Das Bad ist gerichtet gnädige Frau.»

Sie versuchte ein Lächeln.

Fünf Minuten später klopfte es. Kaum dass ich die Tür geöffnet hatte, stürmte Karl an mir vorbei und ließ sich in einen Sessel fallen.

«Guten Morgen, Karl.»

«Ja, schuldigung. Morgen. Bisher ist er noch nicht gut. In meinem Kopf dröhnte es, als wenn sich ein Bienenschwarm eingenistet hätte. Ich brauche jetzt dringend Kaffee, schwarz, heiß und stark.»

«Was ist denn los mit dir?»

«Mein bester Freund lässt mich hier mutterseelenallein im tiefsten Sachsen alleine, weil er sich ohne mich vergnügen will und Frank, mein einziger Freund in Dresden, ist auf einer Familienfeier. Was soll ich da schon machen? Aber die Italiener, mit denen ich in der Kneipe war, sind sicherlich heute noch mieser drauf. Also, was ist mit Frühstück?»

In diesem Moment hörte man die Spülung aus dem Badezimmer. Mich hatte schon gewundert, dass er die Dusche nicht gehört hatte. Wahrscheinlich durch den Bienenschwarm in seinem Kopf.

Er schaute mich an. «Hugo! Sag, dass das nicht wahr ist!»

Ich sagte lieber nichts. Alles was ich sagen würde, würde gegen mich verwandt werden. Dann ging die Badezimmertür auf und Jenny kam in den Raum, bekleidet mit - nichts. Sie sah Karl, blieb stehen und wurde rot. «Es ist nicht so wie du denkst.»

«Nicht? Was soll ich schon denken. Wahrscheinlich hat die arme Jenny zuhause keine Dusche und denkt sich, da rufe ich mal den Hugo an. Niemals würde ich denken, dass mein bester Freund Hugo hier mit der Schwester meiner Ex die Nacht durchgevögelt hat.»

Ich schaute Karl an, dann Jenny und ihren nassen wohlgeformten Körper. Aber mir fiel nicht ein, wie ich die Situation retten konnte. Vielleicht wäre Pragmatismus jetzt das Richtige.

«Ich würde vorschlagen, dass Jenny sich jetzt etwas anzieht, dass ihr zwei dann euer Kriegsbeil begrabt und wir dann zu dritt frühstücken gehen.» Es kam kein Widerspruch, das Kriegsbeil war aber nur notdürftig verscharrt.