Medien Frauen Macht - Nadja Sarwat - E-Book

Medien Frauen Macht E-Book

Nadja Sarwat

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Beschreibung

Wer in den Medien präsent ist, bestimmt, wie wir die Welt sehen. Immer öfter sind Frauen die Machtfaktoren im Newsroom. Nadja Sarwat führte Interviews mit Medienfrauen aus Österreich und Deutschland (u.a. Susanne Beyer, Conny Bischofberger, Sabine Derflinger, Laura Karasek, Arabella Kiesbauer, Corinna Milborn, Armgard Seegers, Nana Siebert). Die Autorin zeigt die Entwicklung von Frauenkarrieren in den Medien und analysiert die neuen Frauenbilder: Powerfrauen, die in den Medien Präsenz zeigen, von wonderwoman bis zur working mom, von der #metoo-Bewegung zu Politiken für gerechte Bezahlung.

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NADJASARWAT

MEDIEN

FRAUEN

MACHT

ERFOLGREICHEFRAUEN IN DERMEDIENWELT

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Kölblgasse 8–10, A-1030 WienAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Korrektorat: Dore Wilken, FreiburgUmschlaggestaltung: Michael Haderer, WienSatz: Bettina Waringer, WienEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-205-20986-7

Inhalt

ZUM GELEIT

#MeToo – ein Jahrhundert-Medienereignis als Zäsur

1SUPERHELDINNEN 5.0 Wer rettet die Medienwelt?

1.1Menschen, Mächte und Maschinen – Medien im digitalen Wandel

1.2Lügen Männer mehr und sind Frauen womöglich bessere Medienmenschen?

1.3Beruf JournalistIn, das unbeliebte Wesen – ein altes Phänomen und der neue Wettbewerb um die Wahrheit

1.4Zu diesem Buch und einer Kardinalfrage: Macht Erfolg Frauen glücklich?

2DIE MACHT DER MEDIEN – WER REGIERT DIE WELT?

2.1Die Intimität der Öffentlichkeit – Show, Skandal, Shitstorm

2.2Das globale Entertainment-Regime und die Frauen

3FEMINISTISCHE MEDIENFORSCHUNG

3.1Drei Paradigmen: Gleichheit – Differenz – Dekonstruktion

3.2Hegemoniale Männlichkeit und die Spielfelder der Macht

Solidarität ist sexy – über die Konspiration der Komplizinnen Laura Karasek – Autorin, Anwältin, Medien-Multitalent

4DIE NEUEN STARKEN MEDIENFRAUEN

4.1Er ist wieder da – Gender-Diskurs als Causa prima

4.2Ein Hashtag geht um die Welt

4.3Sheryl Sandberg – Superstar des Silicon Valley

„Lean In“ – eine Karriere-Bibel in elf Geboten

4.4Machiavelli im Matriarchat

4.5„Bitch Doktrin“ – die feministische Gegen-Dystopie

4.6„Global Media Watch“ – die Hälfte der Welt?

Die Kunst der SelbstoptimierungNana Siebert – ein Shooting-Star in der „Standard“-Chefredaktion

4.7Pro Quote – „Hosen runter, Röcke hoch!“

Wider die publizistische Heimatlosigkeit der weiblichen Intelligenz Susanne Beyer – die Frau im „Spiegel“ des Weltgeschehens

5HERSTORY – BERUFSGESCHICHTE/N GESTERN UND HEUTE

5.1Pionierinnen – Frauen, die schreiben, sind gefährlich

5.1.1 Rasende Reporterinnen auf Weltreise und im Krieg

5.1.2 Weibliche Investigativ-Ikonen 98 Große Töchter braucht das Land! Feministisches Rollenmodell Armgard Seegers – wie man Mut und Selbstvertrauen vorlebt

5.2„Manspreading“ und „She-Bagging“ im Newsroom

5.3Böse Weibsbilder auf Bildschirmen und im Boulevard

Gender Mainstreaming auf dem Boulevard Top-Medienmanager Hans Mahr – unser Mann bei RTL

5.4„It’s a man’s world“ – der Feind in meiner Branche

5.5Seilschaften, Segregation, sexuelle Belästigung

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt Eva Schreiber-Urthaler – die Art-Direktorin als sanfte Rebellin

5.6. Tu felix Austria – große Töchter, kleine Chancen?

5.6.1 Gläserne Decke, Lohnschere, Frauenfalle Teilzeit

5.6.2 Der ORF und der Gleichstellungsplan

Wenn es nicht klappt mit der Männerkarenz – ORF-Kultur im Wandel Simon Hadler – der Mann für die Quote

6FRAUEN IN DER POPULÄRKULTUR – „MEHR SUPERHELDINNEN, BITTE!“

6.1Weibsbilder und „Mansplaining“

6.2Stars und Stereotype – Filmwelt im Reality-Check

6.3„Fuck U Quote“ – der Aufstand der Filmfrauen

6.4„Celluloid Ceiling“ – der Hollywood-Report

6.5Zurück in die Zukunft – Pionierinnen in Hollywood

„Aufstehen, Krone richten, weitergehen“ – Rebellin, Regiepionierin, Kämpferin Sabine Derflinger – die erste am Austro-„Tatort“

6.6Göttinnen der Postmoderne

6.6.1 Julia Roberts – Gagen-Queen der Jahrtausendwende

6.6.2 Emma Watson – feministische Anti-Prinzessin

7DIVERSITÄT IN DEN MEDIEN – MEHR ALS EINE GENDERFRAGEVielfalt als Zukunftsressource

„Reden ist leben“ – über Kinder, Karriere und ihren Kampf gegen den Rassismus TV-Star Arabella Kiesbauer – eine Botschafterin der Liebe und der Toleranz

8VERGLEICHSHORIZONT NAHOST – DIE „RIOT GIRLS“ DES ORIENTS

8.1Fashion und Film in Saudi Arabien – mit dem Fahrrad in die Freiheit?

8.2Die Töchter des Nils – vom Papyrus zum Pamphlet

8.3Macht und Mythos einer Diva – Oum Kulthum

8.4Shirin Neshat – Mittlerin zwischen Orient und Okzident

9MÜTTER.MACHT.MEDIEN – DAS PRIVATE IST POLITISCH

9.1Die Mutter als Machtfaktor und Forschungssubjekt

9.2Die neuen Narrative – Mütter als (Anti-)Heldinnen

9.3Es war einmal – Mütter, Märchen und Film

„Mütter sind die Besten“ – sei ein Star und nimm die Kinder mit Conny Bischofberger – die Königin der „Krone“ als Markenbotschafterin

9.4Der Mythos der bösen Mutter

9.5„Motherhood Penalty“, „Fatherhood Bonus“ und „Maternal Wall“

9.6Eskalation des „Urkonflikts“ – Kind und/oder Karriere

9.7Medienmütter – am Rande des Nervenzusammenbruchs?

Die österreichische Journalistin des Jahres 2017 Corinna Milborn

NACHWORT

KURZBIOGRAFIEN

DANK

LITERATUR UND QUELLEN

Literatur

Online-Quellen

Zum Geleit

#MeToo – ein Jahrhundert-Medienereignis als Zäsur

Es war der „Scoop“1 ihres Lebens: Die Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kantor deckten im Oktober 2017 in der „New York Times“ den Missbrauchsskandal um Harvey Weinstein auf, der Journalist und Anwalt Ronan Farrow legte im „New Yorker“ mit weiteren Enthüllungen nach. Ein ebenso gut gehütetes wie offenes Branchengeheimnis gelangte ins Scheinwerferlicht: Über Dekaden soll der Filmmogul massenhaft und massiv Frauen sexuell bedrängt haben, wie teilweise schon 20 Jahre zurückliegende juristische Vergleiche mit Opfern zeigten. Damit wurde einer der mächtigsten Männer Hollywoods zu Fall gebracht, der bis dahin unangreifbar schien. Und sein Fall war – im doppelten Wortsinn – tief: Weinstein wurde Persona non grata, seine einst mächtige Firma ging in Konkurs, seine Frau reichte die Scheidung ein. Mehr als hundert Frauen werfen ihm vor, sie sexuell belästigt oder genötigt zu haben, darunter Superstars wie Angelina Jolie. Auch Vergewaltigungsanschuldigungen wurden laut. Weinstein habe es über Jahrzehnte geschafft, eine Schweigespirale der Scham in Gang zu halten, durch Einschüchterung, Macht und Geld. Seine Umtriebe seien in der Branche allgemein bekannt gewesen, genützt hat es den Opfern nichts. Er selbst rechtfertigte sein Verhalten als Kavaliersdelikt eines in der Kultur der Swinging Sixties Sozialisierten. Erzwungene Sexhandlungen stritt er ab.

Die AufdeckerInnen haben das lautstarke Schweigen der Branche nachdrücklich und endgültig gebrochen. Ein weltweiter Aufschrei war die Folge. Über die Sozialen Medien formierte sich der Widerstand der Frauen gegen sexualisierte Gewalt und Diskriminierung unter den Hashtags #MeToo und #TimesUp. Aus den Untiefen des Herzens Hollywoods hatte sich eine Bewegung ausgebreitet, die weit über die Grenzen der Branche und des Landes ihre Wirkmächtigkeit entfaltete. Megan Twohey und Jodi Kantor wurden, ebenso wie Farrow, für ihre investigative Glanzleistung mit dem Pulitzer-Preis geehrt, dem wichtigsten Journalistenpreis der Welt. Dessen Juryvorsitzender musste übrigens zurücktreten: Ihm wurde in mehreren Fällen sexuelle Belästigung vorgeworfen. Hollywood hat sich längst die Rechte an der Weinstein-Story gesichert und profitiert so mittels Umwegrentabilität in jedem Fall von der Causa.

Eine direkte Folge investigativer Publizistik ist eine deutliche Erhöhung des Tempos und der Intensität, mit der sich gesellschaftliche Sensibilisierung für und Sanktionierung von verschiedenen Formen der Diskriminierung von Frauen etabliert. Mit dem nun hergestellten Konsens für die Ächtung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen ist auch eine der wichtigsten Forderungen der Frauenbewegung im Mainstream von Medien und Gesellschaft angekommen.

Genau hier, entlang der Schnittstellen zwischen Medien, Macht und Populärkultur möchte ich ansetzen, und der Frage nachgehen, welche Rolle Frauen heute im modernen Mediengefüge einnehmen. Ist ein Wandel abzusehen? Ist die Zukunft weiblich?

Wer in den Medien präsent ist, bestimmt, wie wir die Welt sehen. Immer öfter amtieren Frauen als neue Macht im „Newsroom“, d.h. in der Nachrichtenwelt 4. 0. Und es ist relevant für demokratische Gesellschaften, ob und wie Frauen in den Medien zu Wort kommen, zu Reichweite, Sichtbarkeit und Stimme gelangen – vor und hinter den Kulissen. Unsere Pionierinnen, die Stars, die Superheldinnen in den Medien machen vor, was möglich ist. Wir sind die Hälfte der Welt, und viele von uns sind ausgezogen, um sie zu erobern. Doch wie nachhaltig ist der Paradigmenwechsel?

Wie ein ganzes Land einen plötzlichen Emanzipationsschub erlebt, zeigte sich am 3. Juni 2019 bei der Angelobung der ersten Österreichischen Kanzlerin. Ein frauenpolitischer Paukenschlag von historischer Relevanz und mit weitreichenden Folgen. Im Interims-Kabinett von Brigitte Bierlein herrscht erstmals Geschlechter-Parität unter den MinisterInnen. Und niemand, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen, könne in Zukunft sagen, das sei nicht möglich.

Ich habe spannende Fakten aus der Welt der Medienfrauen zusammengetragen, zahlreiche Interviews geben Einblicke in und Ausblicke auf die Praxis. Dies ist ein faktenbasiertes populärwissenschaftliches Sachbuch. Es ist nach journalistischen Gesichtspunkten konzipiert, beruht aber auf akribisch recherchierten Quellen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ich möchte damit zentrale Phänomene der Medienwelt im Kontext der Macht und Ermächtigung von Frauen beleuchten und in teils neue Perspektiven und Zusammenhänge einbetten. Seine Inhalte möchte ich, neben interessierten FachkollegInnen, einem breiteren Publikum zur Verfügung stellen und damit zum weiteren Diskurs anregen. Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Den Kern des Buches bilden die Porträts starker Frauen aus der Medienpraxis. Für mich waren diese Gespräche sehr spannend und inspirierend, und ich hoffe, es möge den Leser-Innen genauso ergehen.

1Superheldinnen 5.0

Wer rettet die Medienwelt?

„Sapere aude.“2(Horaz)„With great power comes great responsibility.“3(aus „Spiderman“)

1.1Menschen, Mächte und Maschinen – Medien im digitalen Wandel

Auf dem Daten-Highway ist bekanntlich die Hölle los. Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Robotik – Maschine-gewordene Utopien zählen zu den Megatrends unserer hochtechnologisierten Gesellschaft. Die Gegenwart hat die Science Fiction vielfach eingeholt, die kühnsten Zukunftsträume scheinen zum Greifen nah. Die Relikte „vorsintflutlicher“ Mobilität wie Führerschein oder Fahrprüfung wird schon bald kein Mensch mehr brauchen oder kennen. Ja mehr noch, sie könnten in absehbarer Zeit sogar verboten werden, sobald uns nämlich die smarten Gefährte an Fahrsicherheit überboten haben werden. Schon heute sind wir dank E-Mobilität und integrierter autonomer Fahrzeugtechnik in der Lage, freihändig durch den Verkehr zu navigieren. Bald schon wird die Selbstfahrtechnik nach dem Ende des Probebetriebs für die Massen freigeschaltet. Wir werden dann von Tesla & Co. bequem durch die Straßen chauffiert, während wir entspannt unseren Kaffee trinken und die Nachrichten abrufen, natürlich via E-Paper. Im österreichischen Verkehrsministerium träumt man sogar schon laut von fliegenden Autopiloten. Flugtaxis sollen in nicht allzu ferner Zeit elegant über unser urbanes Verkehrschaos hinweg gleiten.

In der Pflege spielt die Robotertechnik ihre humanoiden Kollegen für höhere Fürsorgedienste frei. In Japan werden wahre Wunderwerke der Robotik vollbracht. Im Vergleich zu den Robotern nimmt sich manch menschliche Kreatur wie ein hölzerner Terminator aus. Dass Nippon als Epizentrum der neuen Technik amtiert, folgt einer paradoxen Logik. Hier verbinden sich uralte spirituelle Traditionen mit modernstem Hightech. Im japanischen Shinto-Glauben gelten auch leblose Dinge als beseelt und sind daher besonders pfleglich zu behandeln.

Die Zukunftsarchitekten des Fachs sagen der Berufswelt, wie wir sie kennen, eine völlig neue Zukunft vorher. Ganze Berufsstände seien vom Aussterben bedroht. Weit vorn im Ranking der Professionen mit geringen Zukunftschancen befinden sich neben Taxilenkenden auch AutorInnen und JournalistInnen. Längst schreiben intelligente Computer für die „Los Angeles Times“ oder „Forbes“. Im deutschsprachigen Raum wird der schreibende Algorithmus angeblich erst spärlich eingesetzt. Die von der Firma „Narrative Science“ entwickelte und von der CIA finanzierte Technik, die schreiben kann, ist nur auf Englisch verfügbar. Für das Ziel der Unternehmer, für eines ihrer Werke einmal den Pulitzer-Preis zu bekommen, reicht das aus. Studien zeigen, dass LeserInnen nicht zwischen von Menschen und „Schreibmaschinen“ generierten Berichten unterscheiden können. Datenintensive Themen – Stichwort „Big Data“, – vom Wetter bis zu Wahlen – lassen sich so ohne großen Personalaufwand billig in Berichten aufbereiten.

Selbst die menschlichen LohnschreiberInnen sogenannter „Troll-Fabriken“, der Zentralorgane der manipulativen Meinungsmache im Internet, werden schon von billigeren und effizienteren Robotern ersetzt. „Social Bots“ genannte Algorithmen „liken“ und teilen Beiträge auf Facebook, Twitter & Co. Die Social-Media-Kanäle werden so zu neuen Einfallstoren für entfesselte PR und Propaganda. Die Computer-Kampf-Poster machen Stimmung im Internet – zugunsten ihrer Auftraggeber aus Wirtschaft und Politik. Im Zweifelsfall kann das wahlentscheidend werden. Die Social Bots interagieren mit uns, als wären sie menschliche Wesen und reale NutzerInnen im Internet. Als „Fakes“, also als nichtmenschliche Akteure, sind sie kaum identifizierbar. 10.000 falsche Twitter-„Follower“ lassen sich billig einkaufen und für eine Handvoll Dollar zu künstlichen Intelligenzbestien aufrüsten. Im Jahr 2016 sollen Bots schon 52 Prozent des Internet-Traffics ausgemacht haben. (Russ-Mohl, 2017) Das Heer der künftig so arbeitslos Gewordenen soll in Zukunft auch maschinell verwaltet werden. Bei der österreichischen Arbeitsvermittlung AMS berechnet ab 2019 ein Computer die Chancen der Arbeitssuchenden.

George Orwell und Aldous Huxley haben mit ihren gespenstischen Dystopien Hochsaison. Neusprech, Diktatur und Doppeldenk, wie in 1984 prophezeit, der Terror des totalen Entertainments einer (un)schönen neuen Medienwelt, wie sie Huxley vorhersah – sind wir nicht schon mittendrin statt nur dabei? Für die Medien und die Medienwissenschaft stellen sich viele Fragen, die es zu überdenken gilt. Die Medienlandschaft ist in einem revolutionären Wandel begriffen. Auch darin, wie sie ihre zentrale Funktion, Informationen für den demokratischen Diskurs zur Verfügung zu stellen, wahrnimmt. Die alten Medien stehen vor neuen Herausforderungen. Im Wettbewerb um die Wahrheit werden nur jene erfolgreich sein, die sich proaktiv um Authentizität und Qualität bemühen. Dabei wird auch die Kultur der Vielfalt in den Medien eine Rolle spielen – auch und gerade bei jenen, die sie produzieren. Geschlechtergerechtigkeit und andere Formen gelebter Diversitätskultur werden mitentscheidend dafür sein, wie sich die Medienzukunft gestaltet – und damit die Zukunft unserer demokratischen Gesellschaften.

1.2Lügen Männer mehr und sind Frauen womöglich bessere Medienmenschen?

„Fake news, fake news, fake news.“Donald Trump

Für das Jahr 2017 kürte das österreichische Nachrichtenmagazin „Profil“ „die Frau“ zum Menschen des Jahres in seinem Rückschauheft. Für 2018 fiel die Wahl auf den „Roboter“. Was sagt das über die Verfasstheit unserer Gesellschaft aus, auch und vor allem über die Medien? Man könnte sich fragen: Wird die Zukunft der Menschheit zurzeit bei jenen am wenigsten verortet, die die Vergangenheit bisher beinah allein bestimmten: unseren Männern? Die Branche selbst ist im Umbruch begriffen, der digitale Wandel und der „disruptive“4 Wettbewerb mit den Internetgiganten Google, Facebook & Co. macht den Traditionshäusern zu schaffen, für viele geht es ums wirtschaftliche Überleben. Wie weiblich ist angesichts solcher Aussichten die Medienzukunft?

Angesichts tendenziell immer autoritärer agierender Populisten wird mancherorts eine Renaissance des Machismo heraufbeschworen. Das schon als Postdemokratie diagnostizierte Phänomen der Abkehr von den Idealen der Aufklärung geht mit einem weiteren Megatrend unserer Gesellschaft einher: dem sogenannten Postfaktizismus. Demnach spielt heute nicht mehr der Wahrheitsgehalt einer Nachricht die entscheidende Rolle, sondern nur deren Emotionsgehalt. In Deutschland und in Österreich wurde der Begriff „Alternative Fakten“ zum Unwort des Jahres 2017 gewählt. Geprägt hat den Begriff eine Beraterin von US-Präsident Donald Trump, die damit Falschangaben des Präsidentensprechers verteidigte und einen Proteststurm hervorrief: Der Ausdruck sei nichts als eine euphemistische Umschreibung des altbekannten Begriffs Lüge. Wahr geworden sei lediglich der Orwell’sche Alptraum totalitärer Sprachpolitik.

Dazu gehört das in vielen Formen auftretende Phänomen der „Fake News“. Übermotivierte verorten das Phänomen wenn schon nicht bei Adam und Eva, so doch bei den alten Ägyptern, jedenfalls, wenn man der nicht ganz ernst zu nehmenden Argumentation des Autors Peter Köhler folgt, der die ersten Fake News bei den in Hieroglyphen gemeißelten Schilderungen der Ergebnisse einer Schlacht verortet, die der Pharao Ramses II. übertrieben positiv schildern habe lassen. Wahr ist: Seine aufgrund des Gleichstands in der Schlacht herbeigeführte Einigung mit den Hethitern führte zum ersten Friedensvertrag der Menschheitsgeschichte. Desinformation durch Fake News lauert, so die heute gängigere Meinung, vor allem auf unseriösen Seiten im Internet. Viele Menschen setzen ihre Hoffnungen daher auf die etablierten Qualitätsmedien, die sich als besonders in die Pflicht genommen sehen sollten, verlässliche Informationen zu liefern. Doch selbst Qualitätsmedien sind vor Fehlleistungen nicht gefeit. So sorgte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Dezember 2018 für ein mediales Erdbeben. Ausgerechnet das deutsche Leitmedium par excellence hatte mit dem Fall Claas Relotius einen Fälschungsskandal ersten Ranges produziert. Auslandsreportagen eines jungen Redakteurs hatten sich als Fake News entpuppt. Wie war das möglich? Der Spiritus Rektor deutschsprachiger Medienqualitätsforschung, Stephan Russ-Mohl, warnt seit Jahrzehnten vor den Folgen nicht aufgearbeiteter und nicht sanktionierter Fehlleistungen, mangelnder Qualität und Transparenz, den Journalismus überlagernde PR, Deprofessionalisierung und einem fahrlässigen Umgang mit der Wahrheit. In seinem jüngsten Werk „Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde“ benannte er, lange bevor der Spiegel-Skandal implodierte, explizit den Bereich Auslandsberichterstattung als fehleranfällig. Um transkulturelle Kompetenz ist es aufgrund mangelnder Diversität in den Heimatredaktionen ebenfalls nicht zum Besten bestellt. Nicht zuletzt gelten Korrespondenten medienintern als diejenigen, auf die zuerst verzichtet werden kann. Die Kombination aus Dilettantismus und mangelnder Kontrolle ist mitunter explosiv. Ein ähnlicher Fall ist auch aus dem Entertainment-Bereich überliefert. Tom Kummer stolperte über zum Teil frei erfundene Star-Interviews und verkaufte die Ergebnisse seiner überbordenden Fantasie als „Borderline-Journalismus“. Fakt ist: Sämtliche prominente deutsche Fälschungsskandale sind spätestens seit den vermeintlichen Hitler-Tagebüchern 1983 im „Stern“ von Männern dominiert.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine könnte auf das Konto von Alice Schwarzer gehen, als Initiatorin des spektakulären „Stern“-Covers von 1971. Das Magazin titelte mit den Bekenntnissen vieler, auch prominenter Frauen: „Wir haben abgetrieben“. Heute liegt der Verdacht nahe, dass „Wir haben nicht abgetrieben“ zwar weniger aufregend, aber ehrlicher gewesen wäre. Denn 30 Jahre später wurde die Aktion in der „Berliner Zeitung“ von einer ehemaligen Unterzeichnerin zumindest teilweise als Bluff enttarnt. (BZ, 2001) Ihr Foto sei zwar echt, ihre Lebens- und Berufsbiografie aber bewusst gefälscht gewesen, gab sie zu Protokoll. Und sie hätte, wie „die meisten“ Teilnehmerinnen der Aktion, nie einen Abbruch vorgenommen. Auch Alice Schwarzer selbst soll das für sich und „einige wenige Teilnehmerinnen“ bestätigt haben.

Könnten also mehr Frauen in den Redaktionen weniger Fälschungs-Anfälligkeit bedeuten? Nicht dass ich es als Indiz für diese – zugegeben etwas provokante – Frage heranziehen möchte, aber Männer lügen offenbar häufiger als Frauen. Es wurden 565 Studien mit insgesamt 44.050 ProbandInnen zum Thema mittels Metastudie ausgewertet. Die Erkenntnis der Studie „Die Wahrheit über Lügen“: Die Tendenz zu Unehrlichkeit hängt von Alter und Geschlecht ab. Insgesamt logen bei den untersuchten Experimenten 42 Prozent aller Männer, aber nur 38 Prozent der Frauen. Außerdem lügen Jüngere häufiger als Ältere. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand lügt, ist bei Teenagern bis 19 am höchsten, bei 20-Jährigen liegt sie bei etwa 47, bei 60-Jährigen nur noch bei 36 Prozent (SWR Wissen, 2018), was übrigens als ein Argument für mehr Alters-Diversität in Medien gelten könnte.

Und wo bleibt bei all dem die Publika, jene Öffentlichkeit, die ja immerhin für den „Spaß“ auf die eine oder andere Weise bezahlt? Die, so möchte man meinen, wünscht sich weniger Borderline und mehr Journalismus. Tatsache ist: Unsere Medien werden mehrheitlich von einer weißen männlichen Elite dominiert. Kann ein Aufbrechen dieser Strukturen, und damit mehr Heterogenität in den Medien, zu einem Wertewandel und einer maßgeblichen Qualitätssteigerung führen? Könnte etwa eine sozial und kulturell diverse Redaktion als Korrektiv fungieren? Der Fall Relotius legt das für das Auslandsressort jedenfalls nahe. Den Fälschungsskandal hatte ein in Spanien gebürtiger Spiegel-Redakteur intern aufgedeckt. Juan Moreno ist der Sohn andalusischer Gastarbeitender, die in den 1970er Jahren nach Deutschland kamen und als Fabrikarbeitende tätig waren. Erst seine Leistung bei dem Outing des fälschenden Kollegen machte ihn bekannt. Dass Vielfalt zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen kann, ist für viele internationale Unternehmens-Politiken längst Konsens. Maßnahmen zu mehr Gleichberechtigung laufen dort unter dem Titel Gender Mainstreaming und Diversity Management. Wie es um die Medienunternehmen bezüglich Geschlechtergerechtigkeit, aber auch im Kontext kultureller und anderer Diversitäten bestellt ist, wird auch in diesem Buch beleuchtet.

1.3Beruf JournalistIn, das unbeliebte Wesen – ein altes Phänomen und der neue Wettbewerb um die Wahrheit

Feuerwehrmann müsste man sein! Feuerwehrleute sind Österreichs Berufsgruppe mit den höchsten Vertrauenswerten, dicht gefolgt von ApothekerInnen. Leider gehört meine Profession nicht zu den hochangesehen Berufen, die sich der Rettung von Menschenleben verschrieben haben. Ich bin als Journalistin eher am anderen Ende der Skala angesiedelt. Man erwartet von den Medien offenbar geradezu, belogen zu werden. Folgerichtig sind JournalistInnen im Vertrauens-Ranking ganz weit unten, kurz vor weiteren „Schmuddelkindern“. Nur PolitikerInnen, PR- und Werbeleuten oder ImmobilienmaklerInnen wird noch weniger Vertrauen geschenkt als Medienleuten.

Einen neuen Höhepunkt der Unbeliebtheit erreichte die Branche mit Beginn der Präsidentschaft Donald Trumps, dessen Verhältnis zur Traditionspresse sich mit dem Begriff Hassbeziehung nur unzureichend beschreiben lässt. Der Vorwurf der Produktion sogenannter Fake News wird durchaus gegenseitig bemüht. Gerade in Zeiten großer Unübersichtlichkeit, einer starken Tendenz zur Deprofessionalisierung sowie eines enormen Vertrauensverlustes beim Publikum, das durch Fake News und eine Überfülle schwer einzuordnender Informationen in Sozialen Medien verunsichert ist, wird der Wettbewerb um Wahrhaftigkeit zum entscheidenden Faktor im Überlebenskampf der alten Medien.

Das Image des Journalismus und der JournalistInnen ist auf dem Tiefpunkt angelangt. In Europa war es traditionell deutlich schlechter als in den USA. Und es gibt auch heute noch Länder, in denen Journalismus durchaus als Prestigeberuf gilt. Doch nicht nur der digitale Medienwandel ist für die Misere zur Rechenschaft zu ziehen. Wie fragil journalistische Ethik und Moral sein können, zeigen Beispiele frühen journalistischen Fehlverhaltens. So ist ausgerechnet vom Journalismusgiganten, dem „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch eine weniger erfreuliche Geschichte überliefert. Der habe, so heißt es, am Start seiner Karriere seinem Prager Blatt eine zum Teil erfundene Reportage über einen Brand präsentiert. Was einen Chefredakteur einem Kollegen gegenüber zu der Aussage verleitet habe: „Komisch, dass sich die anderen immer die interessantesten Lügen ausdenken, und Sie immer nur die langweiligste Wahrheit wissen.“ (Kilz 1996 u.a., zitiert nach Kunczik/Zipfl, 2005: 221) Das Phänomen ist also nicht neu. Schon 1863 sagte der sozialistische Politiker Ferdinand Lasalle in einer Rede vor einem Arbeiterverein Bezeichnendes:

Ihr, Proletarier, verkauft euch doch nur zu einem Geschäft, das ihr kennt und versteht, jene aber, die geistigen Proletarier, müssen täglich lange Spalten füllen über tausend Dinge, über Politik, Recht, Ökonomie, Wissenschaft, über alle Fächer der Gesetzgebung, über diplomatische und geschichtliche Verhältnisse aller Völker. Ob man das Hinreichende, ob man das Geringste davon verstehe oder nicht – die Sache muß behandelt, die Zeitung gefüllt sein, das Geschäft bringt es so mit sich! Dazu der Mangel an Zeit, die Dinge näher zu studieren, in Quellen und Büchern nachzuforschen, ja selbst nur sich einigermaßen zu sammeln und nachzudenken. Der Artikel muß fertig sein, das Geschäft bringt es so mit sich! Alle Unwissenheit, alle Unbekanntschaft mit den Dingen, alles, alles muß möglichst versteckt werden unter der abgefeimten routinierten Phrase. Daher kommt es, daß, wer heute mit einer halben Bildung in die Zeitungsschreiberkarriere eintritt, in zwei oder drei Jahren auch das wenige noch verlernt hat, was er wußte, sich geistig und sittlich zugrunde gerichtet hat und zu einem blasierten, ernstlosen, an nichts Großes mehr glaubenden, noch erstrebenden und nur auf die Macht der Clique schwörenden Menschen geworden ist! Aus all diesen Ursachen ist es gekommen, daß sich alle tüchtigen Elemente, die sich früher an der Presse beteiligt haben, allmählich von derselben bis auf sehr vereinzelte Ausnahmen zurückgezogen haben und die Presse zu einem Sammelplatz aller Mittelmäßigkeiten, aller ruinierten Existenzen, aller Arbeitsscheuen und Nichtswisser geworden ist, die zu keiner reellen Arbeit tüchtig, in der Presse immer noch eine mühelosere und auskömmlichere Existenz finden als irgend sonst. (zitiert nach Kunczik/Zipfl, 2005: 150)

1.4Zu diesem Buch und einer Kardinalfrage: Macht Erfolg Frauen glücklich?

Immer öfter werden wir in den Medien mit neuen starken Frauenbildern konfrontiert. Die „Alpha Girls“ haben Laufen gelernt, sind zur „Wonder Woman“ gereift oder geben als „Working Mom“ neue Standards der Identifikation oder der sozialen Erwünschtheit vor. Auf der anderen Seite steht die Lebensrealität vieler Frauen, die im Job an gläserne Decken stoßen, mitunter aus Panzerglas. Im Arbeitsalltag halten sich Ungleichbehandlungen der Geschlechter, Pay Gap, minimale Frauenquote in Führungsjobs sowie ein erhöhtes Armutsrisiko für viele Frauen hartnäckig. Stereotype in Darstellung und Repräsentation von Frauen äußern sich in Diskrepanzen und Paradoxa und spiegeln die wahren Verhältnisse in der Realität oft nicht angemessen wider.

Nicht nur aus medienwissenschaftlicher Sicht stellt sich die Frage: Wie und unter welchen strukturellen Bedingungen arbeiten Frauen, die in den Massenmedien Inhalte vermitteln und prägen, heute? Diese Funktion gesellschaftlicher Kommunikation erfüllen auf der einen Seite Journalistinnen und Medienmanagerinnen, die intern und aktiv im Mediensystem agieren. Als Vergleichshorizont lohnt andererseits ein Blick auf weibliche Stars, die als Objekte medialer Berichterstattung Inhalte aus einer externen Position heraus wesentlich mitbestimmen und damit das Bild der Frau in der Gesellschaft – in der Funktion von, will man Branchen-Neusprech bemühen, „Influencerinnen“. Ebenso spannend sind die Produkte der Filmindustrie wie auch die Situation weiblicher Kreativer in dieser Branche. Die Bilder, die uns Hollywood über Film, Internet-Streaming oder TV frei Haus liefert, bestimmen wesentlich mit, wie unsere Gesellschaft sich konstituiert. Frauen in den Medien respektive Medienfrauen: Diese beiden sozialen Felder, den zentralen „Habitus“, ihre Orientierungen und Kommunikationsmuster habe ich am Beispiel einzelner Vertreterinnen der Branche analysiert und auf Zusammenhänge und Synergien im Medienkontext überprüft.

Ein Schwerpunkt wird bei der Situation der Journalistinnen im deutschsprachigen Raum, vorwiegend aus Österreich, aber auch aus Deutschland, gesetzt. Deren Vertreterinnen sind in Zeiten einer galoppierenden Medienkrise in Redaktionen von einem Backlash im Sinne steigender Benachteiligung bedroht. Indizien finden sich etwa bei symbolträchtigen Jobrochaden. Im Jahr 2017 räumten zwei Chefredakteurinnen von Tageszeitungen, die jeweils als Pionierinnen amtierten, ihre Sessel. Die Chefredakteurinnen vom „Standard“ in Österreich und der deutschen „Bild“ wurden jeweils von jungen Männern abgelöst. In Österreich ist derzeit (2019) nur eine Frau Chefin eines relevanten Leitmediums und das erst seit Kurzem. Mit Martina Salomon wurde 2018 erstmals eine Frau Chefredakteurin des Traditionshauses „Kurier“.

Einen weiteren zentralen Punkt der Analyse bildet der Themenkomplex „Mutterschaft in den Medien“. Während von den Titelbildern der High-End-Magazine erfolgreiche „Working Moms“, also werktätige Mütter aus Hollywood lächeln, sieht die Realität anders aus. Die soziologischen Theorien zur sogenannten „Motherhood Penalty“, auf Deutsch nur unzureichend mit „Mutterschafts-Bestrafung“ übersetzt, zeigen, dass Mütter die am stärksten systematisch diskriminierte Gruppe unter arbeitenden Frauen sind.

Alleinerziehende haben von allen gesellschaftlichen Gruppen das höchste Armutsrisiko. Mit diesem Buch wird auch und gerade über die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere für Medienfrauen reflektiert.

Mutterschaftsforschung stellt eine kommunikationswissenschaftliche Forschungslücke dar und kommt auch in feministischen Forschungskontexten kaum vor. Sie wird im deutschen Sprachraum besonders vernachlässigt und verdrängt. Möglicherweise ist das dem missbräuchlichen Mutterkult der Nazizeit geschuldet. Das erklärt jedoch nicht das Phänomen, das im Kontext des akademischen Feminismus weltweit zu beobachten ist. Die kanadische Universitätsprofessorin Andrea O’Reilly, eine der wenigen Mütterforscherinnen weltweit, postulierte dringenden Nachholbedarf: „Mutterschaft ist die unerledigte Aufgabe des Feminismus.“

Zu Medien im Kontext von Gender und Diversität tut sich ein breites Feld für Fragen auf: Wie weit sind Medienfrauen von einer Gleichstellung im Berufsleben entfernt? Wer sind die Feinde der Emanzipation in den Medien? Wie gelingen Frauenkarrieren in den Medien starken Widerständen zum Trotz? Dieses Buch stützt sich auf Ergebnisse meiner Magistra-Arbeit an der Universität Wien. Forschungsfragen waren: Wie arbeiten Medienfrauen heute in der Praxis? Welche Strategien führen zum Erfolg, wo liegen Diskriminierungsfallen und wie lassen sich Kinder und Karriere vereinbaren? Welche Praktiken können von den Strategien von medialen Vorzeigefrauen und Filmprotagonistinnen als Paradigmen für die Mediengesellschaft abgeleitet und für die alltägliche Berufspraxis von Frauen übernommen werden?

Diesen Fragen im Sinne eines auf Empowerment und Selbstermächtigung von Frauen in den Medien gerichteten Fokus bin ich am Beispiel von Frauen in der Praxis nachgegangen. Hinterfragt wird auch das Bild der Frau in den Medien: Wie werden Frauen in den Medien repräsentiert? Welche Diskrepanzen zeigen sich zwischen Mythos und Realität? Wie kann Authentizität hergestellt werden? Ebenso wird die Rolle von Prominenz und Exzellenz für die Frauen analysiert und deren Beitrag auf die Berufszufriedenheit sowie die Sinnstiftung für ein „gelungenes Leben“ im Sinne einer Ars vivendi. Oder – einfacher gefragt: Macht Erfolg Frauen glücklich?

Selbstverständlich war die Recherche auch durch mein persönliches Berufsleben als Journalistin motiviert. Dass frauenpolitisch relevante Themen, über die ich vor Jahren berichtet habe, heute erneut an Brisanz gewinnen, scheint mir ein alarmierender Befund – besonders, was eskalierende Gewaltphänomene gegen Frauen betrifft. Am anderen Ende meines beruflichen Erfahrungshorizonts liegen spannende Begegnungen mit heimischen und internationalen Stars aus Kunst und Kultur. In vielen Hunderten Gesprächen habe ich den Geheimnissen ihres Erfolgs nachgespürt. Ausgewählte Artikel, die daraus entstanden sind, werden in diesem Buch zitiert.

Das Kernstück dieses Buches bilden jedoch die Interviews mit Medienstars und PraktikerInnen, die ich als „Best Practice“-Beispiele präsentiere. Mein Ziel ist es, positive Praxis von Medienfrauen anhand von Fallbeispielen darzustellen und auf ihre Mechanismen hin umfassend zu analysieren. Die Kurzbiografien meiner Gesprächspartnerinnen finden sich im hinteren Teil dieses Buches. Es sind dies: Laura Karasek und ihre Mutter, Dr. Armgard Seegers, Susanne Beyer, die erste Frau, die es zur stellvertretenden Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ brachte, Starmoderatorin und Integrationsbotschafterin Arabella Kiesbauer, Nana Siebert und ihre Zwillingsschwester Eva Schreiber-Urthaler, die österreichischen Star-Journalistinnen Conny Bischofberger und Corinna Milborn sowie die preisgekrönte Regisseurin Sabine Derflinger. Um auch die männliche Perspektive zu berücksichtigen, habe ich zwei Kollegen zum Interview gebeten: den prominenten Medienmanager Hans Mahr sowie Simon Hadler von ORF Online.

2Die Macht der Medien – wer regiert die Welt?

„Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen.Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus.Darum steht der Ruhm über der Macht.Darum verblasst der Reichtum neben der Prominenz.“(Georg Franck)

„Und heute spricht schon der Film die einzige gemeinsame Weltsprache“, postulierte der Filmtheorie-Papst Österreich-Ungarns, Bela Balazs, bereits 1924 die gewaltige Wirkmacht des neuen Mediums erahnend. In seinem Werk „Der sichtbare Mensch und die Kultur des Films“ betonte er den Einfluss, den der Film auf die Gesellschaft habe. Jahrzehnte vor Marshall McLuhan habe Balazs die Entwicklung einer neuen, visuellen Kultur vorausgesehen, konstatierte viel später der Filmtheoretiker James Monaco. (Monaco, 1980)

„Get ist first, but get it right“,5 heißt wiederum jene Maxime, die seit hundert Jahren für das Nachrichtengeschäft gilt. Sie steht aktuell auf dem Prüfstand. Was ist Fakt, was ist Fiktion? Zu den sogenannten Nachrichtenwertfaktoren zählen jene Eigenschaften, die zentral für eine Nachricht sein müssen, damit sie in die Medien gelangen. Ein Faktor, der immer wichtiger wird, ist Personalisierung. Expertise und/oder Prominenz von bekannten Persönlichkeiten ist von großem „News-Value“. Doch längst ist der Begriff dehnbar, spätestens seit im Reality-TV oder in den Sozialen Medien jeder zu seinen Warhol’schen 15 Minuten Ruhm gelangen kann. Besondere Leistungen sind hierfür nicht mehr notwendig. Was zählt, ist allein die Präsenz in den Medien, je öfter, desto besser. Denn unser Gedächtnis spiele uns mitunter Streiche, wie Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman in seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ erklärt: Der Mensch strebe stets nach kognitiver Leichtigkeit. Was wenig kognitive Anstrengung erfordere, werde besser erinnert und auch eher geglaubt. Der Psychologe Larry Jacoby, der als erster die Ge-dächtnis-Illusion im Labor nachwies, nannte seine Studie „Über Nacht berühmt werden“. Den Probanden genügte es, einen für das Experiment wahllos erfundenen Namen bereits gehört zu haben, um diesen später irrigerweise als einem Prominenten zugehörig einzuordnen.

2.1Die Intimität der Öffentlichkeit – Show, Skandal, Shitstorm

Luhmann schuf das signifikante konstruktivistische „Apodiktum“6 der Kommunikationswissenschaft: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Luhmann 1996). Und wies damit auf das Paradigma einer neuen (Un-)Kultur einer zweifelhaften Sekundärerfahrung hin.

Das bedeutet nach Neil Postman, dass Medien die gesamte Erlebniswelt des Menschen diktieren: Wissen, Erfahrung, sogar Fremd- und Selbstreflexion. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte seien wir daran gewöhnt, nicht die Welt selbst, sondern nur Bilder von der Welt ernst zu nehmen (Postman, 1988: 2).

Jürgen Habermas hat in seinem Werk „Strukturwandel in der Öffentlichkeit“ die Umkehrung des Verhältnisses von öffentlich zu privat festgehalten:

Öffentlichkeit wird zur Sphäre der Veröffentlichung privater Lebensgeschichten, sei es, dass die zufälligen Schicksale des sogenannten kleinen Mannes oder die planmäßig aufgebauter Stars Publizität erlangen, sei es, dass die öffentlich relevanten Entwicklungen und Unterscheidungen ins private Kostüm gekleidet und durch Personalisierung bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden. (Habermas, 2013 (1962))

In „Das Verschwinden der Kindheit“ wandte sich Postman 1982 gegen das „Medium der totalen Enthüllung“ auch des Trivialsten oder Intimsten als Erzeuger von Pseudoereignissen (Postman, 1989). Spätestens seit seinem Bestseller von 1985 „Wir amüsieren uns zu Tode“ wissen wir jedoch: Wir leben im „Zeitalter des Showbusiness“ (Postman, 1988) – ein Lamento zu einer Unkultur des „totalen Entertainments“, dessen Bilder uns in ein geistig-kulturelles Mittelalter zurück teleportieren. Problematisch sei nicht die Unterhaltung an sich, sondern, dass alles zur Unterhaltung wird, von der Kochshow bis zum Kriegsschauplatz.

Dies alles deutet darauf hin, dass unsere Kultur begonnen hat, ihre Angelegenheiten, vor allem ihre wichtigen Angelegenheiten, auf eine neue Art und Weise zu regeln. Das Wesen ihres Diskurses verändert sich, wenn es mit jedem Tag schwieriger wird zu erkennen, wo das Schaugeschäft aufhört und etwas anderes anfängt. Unsere Priester und Präsidenten, unsere Chirurgen und Anwälte, unsere Pädagogen und Nachrichtensprecher brauchen sich nicht sonderlich zu mühen, um den Anforderungen ihrer Fachgebiete zu genügen, sie müssen vor allem den Anforderungen gewachsen sein, die an eine gute Show gestellt werden. Hätte Irving Berlin im Titel seines berühmten Songs nur ein Wörtchen verändert, so wäre er zwar knapper, aber ebenso prophetisch gewesen wie Aldous Huxley. Er hätte nur zu schreiben brauchen: There’s No Business BUT Show Business. (Postman, 1988: 122)

Doch können wir unseren Augen noch trauen, wenn sie nur noch in eine Bilderwelt blicken, die nach der Logik des „totalen Entertainments“ (Postman) und seiner Profiteure, der „Kulturindustrie“ funktioniert, in der Medien eine unheilige Allianz eingehen, und Rezipienten nur noch als Konsumenten funktionieren sollen? Horkheimer/Adorno haben diese schon 1944 in ihrem Jahrhundertwerk „Die Dialektik der Aufklärung“ als gigantischen „Massenbetrug“ entlarvt, als giftiges Opium fürs werktätige Volk, ja als Zerstörer der menschlichen Seele. (Adorno/Horkheimer, 2013) Die Vertreter der kritischen Theorie der Frankfurter Schule hatten wenig Freundliches über multimediales Medienpotential zu sagen: „Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine machen ein System aus. Jede Sparte ist einstimmig in sich und alle zusammen.“ Mit Folgen für das Meinungsklima in der Gesellschaft: „Ihr Sieg ist doppelt: was sie als Wahrheit draußen auslöscht, kann sie drinnen als Lüge beliebig reproduzieren.“ Ergebnis sei eine weltumspannende Supermacht des Grauens, eine globale „ökonomische Riesenmaschine“ mit nur einem einzigen Ziel und Zweck – der Profitmaximierung: „Die ganze Welt wird durch das Filter der Kulturindustrie geleitet.“

„Die neue elektrische Interdependenz verwandelt die Welt in ein globales Dorf.“ So lautet McLuhans Postulat einer Dystopie von 1968. Die Dorfgemeinschaft hat sich als Intrigantenstadel auf einem virtuellen Marktplatz der Eitelkeiten entpuppt.

Postman beklagte die Schamlosigkeit und das Fehlen jeglicher Distanz in der Showgesellschaft, Habermas die Umkehrung von Öffentlichkeit zu Privatheit, McLuhan die Gefahr eines primitiven Alarmismus im globalen Dorf. Der Philosoph Byung-Chul Han schlägt eine Brücke zu diesen Diagnosen, die direkt in die Skandal- und Empörungsgesellschaft der Shitstorm-Society führe. Und über allem schwebt der Geist von McLuhans berühmtem Postulat von 1964: „Das Medium ist die Botschaft.“ In einer Kultur der Respektlosigkeit und Indiskretion gedeihen Phänomene wie der Shitstorm. „Gerade da, wo der Respekt schwindet, entsteht der lärmende Shitstorm.“ Der sei wiederum vor allem ein genuines Phänomen digitaler Kommunikation mit allen bekannten Konsequenzen. (Vgl. Byung-Chul Han, 2013)

Wir erleben fundamentale Transformationsprozesse, die in die „informierte Verwirrtheit“ des 21. Jahrhunderts münden, konstatiert Manuel Castells in seiner Trilogie über die „Netzwerkgesellschaft“: das globale Finanzsystem im Geschwindigkeitsrausch, die Arbeitszeit bis zum Anschlag flexibilisiert, Lebenszyklen verschwimmen, der Tod werde negiert. Allerdings gilt das stets in Abhängigkeit davon, wo wir uns gerade auf dem Globus befinden: in den reichen westlichen Ländern oder einem Schwellenland des ökonomischen Südens. Die Taktung des Alltags übernehmen Medieninszenierungen der neuen „Instant-Kriege“. (Castells 2003) Zu viel Information, zu wenig Zeit: Für Medienkonsum bleiben uns nur noch Mikromomente. Die Bilder der universellen Showkultur hätten uns veranlasst, in Luftschlösser, die wir uns seit jeher gebaut haben, einzuziehen, um dauerhaft darin zu wohnen, meint Postman. Man muss nicht erst auf eine US-Karriere verweisen, die vom Reality-Trash-TV an die Staatsspitze im Weißen Haus führte, um Postman & Co. als Propheten massenmedialen Unheils auszumachen.

2.2Das globale Entertainment-Regime und die Frauen

Verflechtungen von Politik und Entertainment lassen sich nicht nur entlang Donald Trumps Weg ins Weiße Haus ausmachen, sondern vielleicht noch besser am Beispiel der Obamas, des Ex-US-First-Couple. Schon seine Wahl zum Präsidenten hatte Barack Obamas Facebook-Strategie befeuert. Nun hat das Paar eine eigene Produktionsfirma namens „Higher Ground“ gegründet, in Kooperation mit Netflix. Über den Streamingdienst will man Dokumentationen und Filme zu den Themen Gesundheitspolitik, Migration oder Wahlrecht senden. Michelle Obama sagt dazu: „Barack und ich haben immer an die Macht des Geschichtenerzählens geglaubt. Um uns zu inspirieren und unser Denken über die Welt zu verändern.“ (ORF on: 22.5.2018)

Geschichten, die die Welt bewegen, werden immer öfter über die neuen Streaminganbieter frei Haus in unsere Wohnzimmer geliefert. Michelle Obama wurde schon zuvor als Anwärterin auf eine Präsidentschaftskandidatur gehandelt. Inwieweit Netflix daran Anteil haben sollte, wird die Zukunft zeigen. Fakt ist: Netflix ist mit weltweit 120 Millionen Abonnenten im ersten Quartal 2018 der größte Streamingdienst der Welt. Welche Narrative im „neuen virtuellen Hyperraum“ der Castell’schen Netzwerkgesellschaft massenmedial vermittelt und perpetuiert werden, bestimmt das Meinungsklima in der Gesellschaft maßgeblich mit. Narrative und Erzählungen beeinflussen auch, wie sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft manifestiert.

Um Frauen Relevanz, Sichtbarkeit und Authentizität in Partizipation und Abbildung in den Medien zu verschaffen, müssen Narrative zumindest soweit dem Massengeschmack entsprechen, dass sie für die Medien als Produzenten einen gewissen Profit generieren. Dieses Potential muss zuvor aber von den – derzeit noch mehrheitlich männlichen – Executives in den Managementetagen der großen Häuser überhaupt erst wahrgenommen und akzeptiert werden. In Zeiten eines Verdrängungswettbewerbs mit neuen agileren Akteuren, der klassisches Medienmanagement in Frage stellt und gleichzeitig wenig Spielraum für Experimente lässt, wird das zur Herausforderung. Die Nachfrage ist, wie alte und neue Studien zeigen, da. Bis in alle Ewigkeit lässt sich am Publikum, das zu mehr als der Hälfte aus Rezipientinnen besteht, nicht vorbei produzieren. Auch die Macht der stärksten Bilder gelangt irgendwann an eine Grenze, wenn die Kluft zwischen Fakt und Fiktion zum unüberwindbaren Abgrund wird.

Hat sich die feministische Medienwissenschaft bisher zu wenig mit der politischen Ökonomie weltweit agierender Medienkonzerne und ihrem Einfluss auf die Frauen in den Medien auseinandergesetzt? Die österreichische Medienforscherin Johanna Dorer meint: Ja. Sie weist darauf hin, dass in einer globalisierten, digitalisierten Welt crossmediale Inhalte immer relevanter werden. Crossmedialität zeigt sich jedoch auch in der Inhaberschaft der Medien durch Großkonzerne. Die führte, wie sie meint, zu den entsprechenden Synergien: Magazine, TV-Sender, Zeitungen und Filmgeschäft in einem einzigen global agierenden Großkonzern konzentrieren den Einfluss auf die Inhalte an einer einzigen Stelle.

Wie Dorer zu Recht konstatiert, beeinflusst dies auch das Frauenbild in den Medien des jeweiligen Konzerns ebenso wie die Anzahl und die Funktionen der dort werktätigen Frauen. Es drohe die Gefahr zahlreicher demokratiepolitisch bedenklicher Vorgänge: Von der Kontrollmöglichkeit über die Arbeitsplätze bis hin zur Durchsetzung entsprechender Interessen der Konzerne auf jedem einzelnen ihrer Kanäle. Kostensparende Synergien ließen sich auch in intransparenten Vorgängen in Werbung, PR und Merchandising nutzen. Neoliberale Entwicklungen hätten insbesondere seit der Krise 2008 die Konzentrationstendenzen im Mediensektor begünstigt. Die Medienkonglomerate haben direkte Auswirkungen auf die Medien. (Vgl. Dorer, 2017)

Insgesamt wurden Stellen im Journalismus reduziert, die Medieninhalte wurden weniger divers und Frauen in Führungspositionen wurden ebenfalls weniger. Eine Studie von 2014 von Carolyn Byerly weist in den zehn größten Konzernen nur 17 Prozent Vorstandsmitglieder aus, einzig der Disney-Konzern konnte auf 40 Prozent verweisen. Auf Platz zwei im Ranking der größten Medienkonzerne, bei der US-News Corporation, sind nur sechs Prozent Frauen im Vorstand, bei Time Warner 18 Prozent und beim deutschen, international agierenden Konzern Bertelsmann 24 Prozent. (Vgl. Byerly, 2014 nach Dorer)

3Feministische Medienforschung

„Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“Simone de Beauvoir

In Ungarn sollen sie aus dem akademischen Bereich entfernt werden. An der Universität Wien sind die „Gender Studies“ erst seit 2006 als eigenes Studienfach etabliert. Am Publizistik-Institut hat die feministische Medienforschung als Teilgebiet der Kommunikationswissenschaft eine vergleichsweise lange Tradition. Sie wird aber seit 2018 deutlich neu und neutraler positioniert. Worum geht es?

Nach ihrer Eigendefinition will die Gender-Medienforschung die Geschlechterverhältnisse in Kommunikationsprozessen aufzeigen und kritisch analysieren. Sie zeigt, wie die tradierte Ordnung mitkonstruiert und aufrechterhalten wird – innerhalb der Medien und außen, in der Gesellschaft. Diese Kritik ist kein Selbstzweck, sondern soll dazu dienen, konkrete Impulse zur nachhaltigen Veränderung in Medien, Gesellschaft und Wissenschaft zu liefern.

Im deutschsprachigen Raum startete man mit der Frauen-Medienforschung in den 1970er Jahren und war dabei sehr stark mit der Frauenbewegung verbunden. Die frühe Frauenforschung belegte das verzerrte Bild der Frau in Medien und Werbung, zeigte Stereotype auf, und offenbarte, dass Frauen in den Medien in der Minderheit waren. In den 1980ern wiesen relevante Studien die Marginalisierung von Frauen im männlich dominierten Journalismus nach.

Später richtete sich der Fokus stark auf die Sichtbarmachung besonderer Leistungen von Frauen: Die Entdeckung historischer Pionierinnen begann, die heute wieder ein Revival erfährt, denn weibliche Vorbilder vor den Vorhang zu holen, trägt nachweislich zum Empowerment jüngerer Generationen bei.