Meeting Bill Murray - Gavin Edwards - E-Book

Meeting Bill Murray E-Book

Gavin Edwards

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Beschreibung

"Wenn du es zulässt, wird das Leben großartig!" Bill Murray

Stellen Sie sich vor, Ihnen hält auf der Straße plötzlich jemand die Augen zu und fragt "Wer bin ich?" - und dieser jemand ist Bill Murray. Oder Sie feiern eine Party, und plötzlich steht Bill Murray in Ihrer Küche und spült das schmutzige Geschirr. Es könnte auch passieren, dass mitten in der Nacht ein Golfcaddy mit vier betrunkenen Schweden an Ihnen vorbeifährt und Bill Murray am Steuer sitzt. Um den Schauspieler kursieren Hunderte solcher Geschichten, denn der folgt mit Hingabe seiner Philosophie: wach durchs Leben zu gehen, damit jeder banale Alltagsmoment zu etwas Besonderem werden kann. Gavin Edwards erzählt die besten Bill-Murray-Stories und macht Lust, selbst auch mal etwas völlig Unerwartetes zu tun.

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Seitenzahl: 388

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über den Autor

Illustration Bill und Drachen

Titel

Impressum

Widmung

Bill van Gogh

Vorbemerkung des Autors

Einleitung

Das Tao nach Bill Murray: die Zehn Prinzipien

Bill Murrays Filme

Dank

Quellen

Über dieses Buch

Stellen Sie sich vor, Ihnen hält auf der Straße plötzlich jemand die Augen zu und fragt »Wer bin ich?« – und dieser jemand ist Bill Murray. Oder Sie feiern eine Party, und plötzlich steht Bill Murray in Ihrer Küche und spült das schmutzige Geschirr. Es könnte auch passieren, dass mitten in der Nacht ein Golfcaddy mit vier betrunkenen Schweden an Ihnen vorbeifährt und Bill Murray am Steuer sitzt. Um den Schauspieler kursieren Hunderte solcher Geschichten, denn er lebt seine Philosophie: Er glaubt daran, dass jeder banale Alltagsmoment zu etwas Besonderem werden kann, wenn wir uns nur trauen, etwas Unvorhergesehenes zu tun. Gavin Edwards erzählt die besten Bill Murray Storys, und macht Lust aufs Ausbrechen.

Über den Autor

Gavin Edwards ist Redakteur beim Rolling Stone und schrieb mehrere Bestseller. Zur Recherche für ein Interview mit dem Schauspieler begann er Bill-Murray-Storys zu sammeln, per Definition im Urban Dictionary »eine befremdliche (und doch plausible) Geschichte, in der jemand Bill Murray dabei beobachtet, wie er etwas völlig Absonderliches tut, und einem, bevor er geht, zuflüstert ›Das glaubt dir keiner‹«. Von diesen Anekdoten war er so begeistert, dass er beschloss, ihnen ein Buch zu widmen.

GAVIN EDWARDS

Meeting Bill Murray

Wahre Geschichten, die dir keiner glaubt

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Bernhard Schmid

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The Tao of Bill Murray. Real-Life Stories of Joy, Enlightenment, and Party Crashing«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2016 by Gavin Edwards

Illustrationen im Innenteil Copyright © 2016 by R. Sikoryak

This translation is published by arrangement with Random House, a division of Penguin Random House LLC.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2017 by Eichborn in der Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Tobias Schumacher-Hernández, Berlin

Umschlaggestaltung: Stefanie Bemmann unter Verwendung eines Motivs von © Stefanie Bemmann, Darmstadt

eBook-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-7325-3977-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für Rob Sheffield, das Licht, das nie erlischt

Vorbemerkung des Autors

Bill Murray ist schon überall aufgetaucht, von der Seitenlinie des Endspiels um die NFC-Meisterschaft – in einem altmodischen Footballhelm aus Leder – bis hin zu Yeronisos, dem winzigen Kalkinselchen vor der Westküste Zyperns, wo er 2006 als Freiwilliger New Yorker Archäologen bei Ausgrabungsarbeiten half.

Da im Zusammenhang mit Bill Murray alles möglich scheint, zieht der Mann die übliche Schar von Flunkerern an. Seit Jahren schon gehört das Erfinden von Mythen um den Mann zu einer der Lieblingsbeschäftigungen im Internet. (Falls Sie sich je gefragt haben sollten: Bill kandidiert weder für das Präsidentenamt, noch hat er das vertraglich verbriefte Recht, dem Hedgefondsmanager Martin Shkreli die Mastertapes des Wu-Tang-Clan-Albums Once Upon a Time in Shaolin zu stehlen.) Aber mit das Schöne an Bill Murray ist, dass sich genügend atemberaubende wahre Anekdoten für ein ganzes Buch finden lassen. Wie zum Beispiel das vorliegende.

Während der Arbeit an Das Tao nach Bill Murray führte ich Dutzende von Interviews mit Bills Freunden, Mitarbeitern, Kollegen und Bekannten und ging darüber hinaus ungezählte veröffentlichte Berichte durch. Falls Sie Näheres über die Quellen für die Anekdoten in diesem Buch wissen wollen, schauen Sie einfach in den sinnigerweise mit »Quellen« betitelten Abschnitt hinten im Buch.

Andere Autoren haben ihre Begegnung mit Bill mit dem Erscheinen eines Engels verglichen. Und auch wenn der Mann vom Temperament her eher zum Profanen als zum Sakralen tendiert, war ich geradezu selig, als er mir vor Beginn meiner Arbeit ein paar Fragen zu seiner Lebensphilosophie beantwortete. Die Schlüsse daraus sind meine eigenen, so wie auch alle Fehler in diesem Buch allein auf mein Konto gehen; sollten Sie aus seinem außergewöhnlichen Leben Lehren und Nutzen ziehen, gebührt das Lob dafür allein ihm.

Einleitung

Sie stehen in New York am Straßenrand und warten auf Grün. Ganz in Gedanken, achten Sie nicht auf Ihre Umgebung. Plötzlich legen sich Ihnen von hinten zwei Hände vor die Augen, und eine Männerstimme fragt: »Wer bin ich?«

Sie kennen das Spiel aus der Grundschule, aber lang, lang ist’s her. Sie hätten also allen Grund, es mit der Angst zu bekommen, wäre da nicht die irgendwie vertraute Stimme. Sie können sie nicht so recht unterbringen, sind sich aber ziemlich sicher, sie gehört einem Freund.

Sie fahren herum und sehen sich zu Ihrer maßlosen Überraschung Bill Murray gegenüber, dem internationalen Filmstar. Er ist größer als erwartet und sein Hemd zerknautscht. Sie fummeln stotternd nach Worten; die Unwahrscheinlichkeit der Situation will Ihnen schlicht nicht in den Kopf. Bill grinst, beugt sich vor und meint leise: »Das glaubt Ihnen keiner.«

So um 2010 begann die eine oder andere Variante dieser Anekdote die Runde zu machen. Mal siedelte man sie in New York an, mal im texanischen Austin oder in Charleston, South Carolina. Und Murray musste einem auch nicht unbedingt die Augen zuhalten – er konnte einem stattdessen auch eine Fritte vom Teller stibitzen oder eine Handvoll Popcorn im Kino. Die Pointe freilich war stets dieselbe und unterstrich, dass man seine Freude haben sollte an dieser flüchtigen Begegnung, diesem Einbruch des Surrealen in einen ansonsten ganz gewöhnlichen Tag: »Das glaubt Ihnen keiner.«

Jahrelang war nicht klar, ob Bill Murray dergleichen nun tatsächlich machte, im Rahmen eines ganz persönlichen Feldzugs für eine bessere, merkwürdigere Welt vielleicht, oder ob es sich nur um eine Großstadtlegende handelte, die groß genug für eine eigene Postleitzahl geworden war. In einem Interview danach gefragt, wich Murray geschickt einer Auflösung des Rätsels aus.

»So was hab ich von ’ner Menge Leute gehört«, sagte er, »wirklich ’ner ganzen Menge. Ich weiß jetzt nicht, was ich sagen soll. Wahrscheinlich gibt’s darauf was echt Passendes. Irgendwas, was absolut und haargenau passt.« Murray ließ sich seinen rhetorischen Drahtseilakt auf der Zunge zergehen, dann lächelte er plötzlich. »Aber’s hört sich bei Gott verrückt an, finden Sie nicht? So ungewöhnlich und unwahrscheinlich, echt verrückt.«

In den Siebziger- und Achtzigerjahren war Bill der Star immens erfolgreicher Komödien wie Ghostbusters, Caddyshack (Wahnsinn ohne Handicap) und Und täglich grüßt das Murmeltier. Und kaum schien sein Stern als Sprüche klopfender Comedystar am Verblassen, gelang ihm mit trockenem, weltverdrossenem Spiel der Neuanfang in viel gelobten Filmen wie Rushmore und Lost in Translation. In den letzten Jahren jedoch scheinen sich Ruf und Ruhm fast völlig losgelöst zu haben von seinen Leistungen als Schauspieler: Landläufiger Auffassung nach ist Bill Murray heute der Mann, der ungeladen bei Ihrem Junggesellenabschied auftaucht, um einen Toast auszubringen, der Ihnen bei einer Autopanne hilft oder auf der Party wildfremder Leute aufkreuzt, um dort das Geschirr zu spülen. Sie spazieren womöglich am Tag Ihrer Verlobung mit Ihrer Braut durch die Stadt, um Fotos machen zu lassen, da steht er auch schon vor Ihnen, das Hemd über den Kopf gezogen, und reibt sich den Bauch. Und falls Ihnen das tatsächlich passieren sollte, dann können Sie Gift darauf nehmen, dass Ihnen das keiner glaubt.

Dabei sollte man Ihnen glauben; es ist nämlich alles tatsächlich passiert. Wenn Sie Belege haben wollen, es gibt Schnappschüsse von Murray beim Karaoke mit wildfremden Leuten oder wie er irgendwo beim Kickball einsteigt. Ich habe mit einer ganzen Reihe von Leuten gesprochen, deren unverhoffte Begegnung mit Murray mit dem berühmt-berüchtigten Motto endete: »Das glaubt Ihnen keiner.« Als ein Freund von mir, der Golfer Dan McLaughlin, Murray mal beim alljährlichen Golfturnier in Pebble Beach über den Weg lief, fragte er ihn frei von der Leber weg, ob er derlei denn tatsächlich sage. »Aber ja doch«, bestätigte Murray ihm, »ständig.«

So spaßig es ist, in einer Welt zu leben, in der Bill Murray einem Fremden womöglich die Augen zuhält oder seinen Mitmenschen womöglich sonst einen Streich spielt, noch spaßiger ist eine Welt, in der er so was tatsächlich macht. Die Navajos haben ihren Kojoten. Die Ashanti in Ghana haben Anansi. Die alten Norweger hatten Loki. Sie alle sind mythische Gestalten, die den Menschen beibrachten, wie ein flinker Verstand sie anzuregen und ihr Leben zu bereichern vermag. Kaum weniger hoch im Kurs stand bei den alten Griechen Hermes, Reynard der Fuchs bei den Franzosen oder Bugs Bunny bei uns. Und auch die USA des 21. Jahrhunderts haben in Mr. William Murray ihren modernen Trickster-Gott. Dass er in unserer Gesellschaft diese Position innehat, bedeutet nicht nur, dass er dem Universum gern kosmische Streiche spielt, es sagt uns auch, dass unsere Kultur jemanden braucht, der den unserem amerikanischen Wesen eigenen Geist der Anarchie mit Leben erfüllt. Wenn Prominente heute den Platz von Halbgöttern eingenommen haben, die ihre Mythen auf den Seiten der Boulevardpresse ausleben, dann ist Bill Murray unser Philosophen-Clown.

Vor einigen Jahren interviewte ich die Schauspielerin Melissa McCarthy in einem italienischen Restaurant in L.A. Sie erzählte mir von ihrer ersten Begegnung mit Bill Murray – 2014 im Make-up-Trailer beim Dreh von St. Vincent: »Er war echt witzig und lenkte mich derart ab, ich konnte noch nicht mal nervös sein. Mir ist noch nie jemand untergekommen, der derart eins mit sich ist. Er versucht nicht sich der Situation anzupassen – er ist total aus einem Guss. Hätte ich davon nur zehn Prozent mehr in meinem Leben, ich wäre ein besserer, coolerer Mensch.«

»Ich habe irgendwie das Gefühl«, gestand ich ihr, »Bill Murray bringt uns bei, wie man lebt.«

»Genau so seh ich das auch«, sagte sie und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Man wird einfach nicht schlau aus ihm. Das ist mit das Magische an dem Mann.«

Eines Tages nach Drehschluss am Set von St. Vincent hatten McCarthy und ihr Gatte Ben Falcone zwei Möglichkeiten für den Abend – sie konnten ihre Hausarbeit erledigen oder sich einfach in den Garten setzen, »ins Leere gucken und quatschen«. Sie orientierten sich bei ihrer Entscheidung fürs »Quatschen im Garten« ganz bewusst an Murrays Vorbild – und hatten einen Mordsspaß. In inniger Erinnerung an den Abend sagte McCarthy: »Eine total willkürliche und unvernünftige Entscheidung. Danke, Bill Murray.« Es hörte sich an wie »Lobet den Herrn!«.

Wenn Sie jedoch wirklich von Bill Murray etwas über das Leben lernen wollen, hilft es wohl, erst mal mehr über ihn selbst zu erfahren.

William James Murray erblickte am 21. September 1950 in Evanston, Illinois, einem Vorort von Chicago, das Licht der Welt; aufgewachsen ist er im benachbarten Wilmette. Er war das fünfte der neun Kinder von Edward und Lucille Murray. Das Geld war knapp; je drei Kinder hatten sich ein Zimmer zu teilen. »In einer großen Familie«, sagte Murray Jahre später, »lernt man, miteinander auszukommen, anders geht das nicht.« Vor Billy, wie er als Kind gerufen wurde, kamen Edward, Brian, Nancy und Peggy; nach ihm kamen Laura, Andrew, John und Joel. Als mittleres von neun Kindern hat man seine liebe Mühe, wenn es um die Aufmerksamkeit der Eltern geht. Seinen Vater zum Lachen zu bringen, da kam Billy früh dahinter, war da eine sichere Bank. In einer seiner lebendigsten Kindheitserinnerungen steht er auf einem Stuhl am Küchentisch und gibt für seinen Vater James Cagney. Als er dabei vom Stuhl fällt, knallt er mit dem Kopf schmerzhaft gegen ein Tischbein. Aber als er durch die Tränen seinen Vater lachen sieht, scheint das den Schmerz wert.

»Noch nicht mal ein betrunkenes Publikum ließe sich mit dem an unserem Esstisch vergleichen«, erinnerte sich Bill. »Wenn man da einen zum Lachen gebracht hat – boah! Als hätte man ein National-Merit-Stipendium gekriegt.« Drei von Bills Brüdern gingen ebenfalls ins Showbusiness; Brian, der unter dem Namen Brian Doyle-Murray firmiert, hatte den größten Erfolg. Nancy, seine älteste Schwester, ging ins Kloster – sie nannten sie das »weiße Schaf« der Familie –, endete aber trotzdem als Entertainerin: Sie tingelt mit einer One-Woman-Show um eine Heilige aus dem 14. Jahrhundert durch die Weltgeschichte: St. Catherine of Siena: A Woman for Our Times.

Bill war immer davon ausgegangen, sein Humor sei hauptsächlich von seinem Vater geprägt. Der war Verkäufer bei einer Bauholzfirma und ein strenger, trockener, aber durchaus witziger Mann, den seine Kinder mit dem Schauspieler und Comedian Bob Newhart verglichen. Erst viel später, so erzählt Bill, hätten seine Geschwister ihn darauf gebracht, dass er mit seinen Possen in Wirklichkeit eher nach der Mutter geraten war. »Die ist wirklich total abgedreht«, räumt er ein. »Ich hab’s nur nie gemerkt.«

Es dauerte nicht lange, und Murray fand ein größeres Publikum. An seiner Grundschule, St. Joseph’s, spielte er den Schankwirt in einem Weihnachtsspiel; an der Loyola Academy, der größten Jesuitenschule der Vereinigten Staaten, stand er dann in Die Caine war ihr Schicksal auf der Bühne und sprach schließlich für eine Produktion von The Music Man vor – hauptsächlich, wie er sich erinnert, weil’s in dem Musical Mädchen gab. Er bekam eine Rolle als Tänzer und stellte fest, dass das nicht die einzigen Vorzüge eines Lebens im Showbusiness waren: »Bühnenvolk muss am nächsten Tag nicht zur Schule. Wenn also die Proben mal früher zu Ende sind, gurkt man mit den Kollegen bis halb zwölf in Dads Cadillac durch die Gegend und trinkt dabei Gin aus 7-Up-Flaschen.« Die Sechzigerjahre seien für einen Teenager so aufregend wie problematisch gewesen, sagte Murray. »Ich wuchs zu meinem Pech in einer Zeit auf, in der die Welt kopfstand, und hatte irgendwie die undankbare Aufgabe, meinen Eltern gegenüber für die neue Gesellschaft zu stehen – mit begrenztem Erfolg. Ich war der Sprecher einer ganzen Kultur, von Tim Leary bis hin zu Jefferson Airplane.«

Murray war schon damals ein großer Sportfan. »Es war das Erste, worin sich als Kind enorme Begeisterung und Energie stecken ließ.« Geweckt wurde diese Leidenschaft durch seinen fünf Jahre älteren Bruder Brian, der ihn zum ersten Mal ins Stadion der Chicago Cubs mitnahm. Auf dem Weg zu ihren Sitzen hielt Brian seinem kleinen Bruder die Augen zu – und als sie dann dort waren, nahm er die Hände weg und ließ Bill die geballte Wucht des freundlichen Ambientes von Wrigley Field spüren: vom saftigen Grün des Rasens bis hin zu den efeubewachsenen Mauern. Der Anblick war schöner als alles, was Billy bis dahin gesehen hatte. Und so plötzlich, wie er ihn traf, sollte er die Weltsicht des Kleinen für immer verändern.

Wie seine älteren Brüder jobbte Bill als Caddie im Indian Hill Club im benachbarten Winnetka, ein Job, der den Grundstein für seine lebenslange Leidenschaft fürs Golfen legte. Das Schlimmste an dem Job war der Dienst als Balljunge. Da es damals noch keine Driving Ranges gab, musste Bill draußen auf dem Grün herumstehen, während ein Golfer einen Eimer voll weißer Bälle in seine Richtung schlug. Bill hatte die Bälle einzusammeln, aber wenn er nicht aufpasste, bekam er auch schon mal einen an den Kopf. Er lernte so einiges über Erwachsene, indem er das Verhalten der Golfer ihm gegenüber studierte, und das reichte auf einem breiten Spektrum von besorgt bis grob. Er fasste die grundlegende Lektion seines ersten Jobs folgendermaßen zusammen: »Antreten, mithalten, Klappe halten.«

Ende 1967 starb Bills Vater an Diabetes; er war nur 46 geworden, und Bill war gerade mal 17. Nach der Beerdigung drängten sich die neun Kinder und ihre Mutter Lucille vom Kummer schier überwältigt in eine Limousine. Schwer angeschlagen und total erschöpft, begannen sie hysterisch zu lachen und machten sich über die Leute lustig, die aus der Kirche kamen. »Der Chauffeur wusste nicht, was er davon halten sollte«, sagte Bill. »Wir führten uns auf wie die Left-Field-Tribüne in Wrigley Field.« Nach Edwards Tod wurde das Geld noch knapper; Lucille fand Arbeit in der Poststelle einer Firma für Sanitätsartikel und medizinisches Bedarfsmaterial. Bill selbst nahm einen Job in einer Pizzeria an, um der Familie auszuhelfen.

Murray war nicht dumm, er hatte nur nicht das geringste Interesse an der Schule; er riss lieber auf dem Sportplatz die Klappe auf. Als jedoch einige seiner Freunde nach der Highschool ans Regis College in Denver gingen, schloss Bill sich an und schrieb sich für ein vorklinisches Studium ein. »Ich gehörte ja eigentlich nicht ans College«, meinte Bill dazu. »Ich hatte keine Ahnung vom Lernen, aber das Leben dort war genau das Richtige für mich. Man konnte rumlaufen, wie man wollte. Ich ging in Pyjama, Sportsakko und Puschen in die Vorlesungen.« Eigenen Angaben zufolge war er »einer der Ersten, die wirklich hip rumliefen« – vor allem die Kombination Cowboyhut und langer Militärmantel hatte es ihm angetan.

Wenn er nicht gerade Unterricht hatte oder abfeierte, bereiste er den Kontinent und vertickte kiloweise astreines jamaikanisches Gras. Das lohnte sich nicht nur finanziell, es gab ihm auch Gelegenheit, an seinem Witz zu feilen: Immer wenn er nach Denver zurückkam, tischte er seinen Freunden Anekdoten über all die Typen auf, die ihm unterwegs untergekommen waren, oder wie man ihn mal hoppgenommen hatte – man hatte ihm schon die Fingerabdrücke abgenommen, ihn dann aber wieder laufen lassen, weil den Kleinstadtbullen das Beweismaterial abhandengekommen war.

Weniger Glück hatte er an seinem zwanzigsten Geburtstag am Flughafen von Chicago. Als man ihn nicht an Bord ließ, weil er sich nicht ausweisen konnte, sagte er rotzfrech: »Das ist echt blöd, grade mit den zwei Bomben im Koffer.« Selbst 1970, lange vor den heutigen Sicherheitsmaßnahmen, horchten die Beamten bei so etwas auf. Bill ging los, um seinen Koffer in einem Schließfach zu deponieren, hatte aber kein Kleingeld dabei, was dazu führte, dass er sein Gepäck noch mithatte, als man ihn festnahm. Als man seinen Koffer durchsuchte, fand man zwar keine Bomben, aber dafür fünf Platten gepresstes Marihuana, gut vier Kilo im Wert von etwa 20000 Dollar. »Es war dumm von mir«, meinte er dazu, »aber ich denk mal, ich wollte geschnappt werden.«

Stolz ist Murray darauf, bei der Festnahme kühlen Kopf bewahrt zu haben: Er verschluckte den Barscheck eines seiner Abnehmer und bewahrte den Mann so vor der Verhaftung. Der Zwischenfall schaffte es in die Chicago Tribune; Bill wurde verurteilt, kam aber mit Bewährung davon, womit er damals schon von Glück reden konnte; heute wäre das unvorstellbar. Kurz darauf schmiss er das College; aber seine Kommilitonen im Vorklinikum waren sowieso nicht sein Fall.

Bill zog wieder nach Hause und überlegte, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Einige Jahre lang lief er bis nach Mitternacht durch die Stadt, schlief in den Tag hinein und driftete durch eine Reihe von Gelegenheitsjobs: Landschaftsgestaltung, Vermessungsarbeiten, Betonblöcke ausfahren. »Nicht einer von den Jobs hat mich wirklich interessiert«, sagte er. »Außerdem war ich dabei irgendwie ziemlich einsam, weil mir letztlich nach der Anerkennung meiner Mutter war, aber die wollte was anderes, und das brachte ich einfach nicht.«

Er begann mit der legendären Chicagoer Comedy-Truppe Second City abzuhängen; sein Bruder Brian war damals bereits dabei. Schließlich nahm Bill all seinen Mut zusammen und sprach dort vor. Nach einigen Fehlstarts in den Improvisationsworkshops schaffte er es schließlich auf die große Bühne. Er trat der Truppe in derselben Woche bei wie John Candy und stand mit John Belushi, Harold Ramis und Gilda Radner auf der Bühne. Sein Mentor war der allseits verehrte Schauspielcoach Del Close, der ihm die Angst davor nahm, beim Publikum durchzufallen: »Du musst einfach rausgehen und improvisieren, auf keinen Fall darfst du Angst vor dem Abstinken haben. Das Risiko abzustinken musst du eingehen. Und du kannst gar nicht oft genug abstinken.« Laut Murray lief seine ganze Ausbildung als Schauspieler am Second City auf eine ganz einfache Lektion hinaus: »Wenn du deine Kollegen gut aussehen lässt, siehst du selbst gut aus.« Der Lebenslauf, den Murray für das Second City schrieb, war ein früher Entwurf des rotzfrechen Sprücheklopfers, den er später beim Film gab: »Bill Murray, fünftes von neun Kindern, lässt derzeit für seinen Ersatzmann in seiner Familie vorsprechen. Bill hat jede Menge Probleme, vor allem mit seinem Arbeitgeber am Second City. Zu seinen Interessen gehören Naturkost, Ökologie und menschliche Beziehungen, nur dass er keine Zeit dafür hat. Von Grund auf ein falscher Fuffziger, spekuliert er darauf, dass seine Theater-, Film- und Fernseherfahrung ihm vielleicht ein Centerfold in Playgirl einbringt.«

Bills Karriere am Second City begann damit, dass er für Brian in geskripteten Sketchen einsprang und sich durch lausige Improvisationen quälte. Nicht lange jedoch und er entpuppte sich als einer der Stars mit einem breiten Spektrum von Typen, darunter erste Versionen von Carl Spackler (dem Platzwart aus Caddyshack) und Nick the Lounge Singer (den er später bei Saturday Night Live gab). Bill schien auf der Bühne gern gefährlich zu leben, an manchen Abenden buchstäblich mehr als an anderen: Einmal hechtete er ins Publikum, um auf einen Zwischenrufer loszugehen. Außerdem gewöhnte er sich an, nie mehr als eine Viertelstunde vor Vorstellungsbeginn im Theater zu sein – manchmal hatte die Show bereits angefangen. Man ließ eigens für ihn den Hintereingang offen, und er verpasste seinen Einsatz nicht ein einziges Mal.

»Bill hat was von einem charmanten Arschloch, und genau so ist er letztlich auch durchs Leben gekommen«, erinnerte sich Betty Thomas, die später als Regisseurin Erfolg haben sollte; damals war sie Murrays Kollegin am Second City. »Jedenfalls kam er mir so vor, ein charmanter Typ, ständig auf Anmache, ein bisschen ein Arschloch eben. Aber ein Arschloch im altmodischen Sinn. Ein Arsch, der nichts dagegen hat, sich zum Narren zu machen – der alles tun würde, um einen rumzukriegen. Und das muss man dann auch irgendwie wieder bewundern, auch wenn man so einem am liebsten eine reinhauen würde.«

Als John Belushi 1974 nach New York umsiedelte und Produzent der National Lampoon Radio Hour wurde, forderte er das Second-City-Ensemble zum Mitkommen auf. Bill und Belushi waren nicht eigentlich befreundet gewesen, aber als er auf Belushis Rat hin nach New York umzog, nahm der ihn für seine Radioshow und die Bühnenfassung der National Lampoon Show unter Vertrag. Als die Show auf Tour ging, teilten die zwei sich ein Zimmer, hingen zusammen ab, tranken Bier. Bill nahm zu der Zeit jede Rolle an, die sich nur auftreiben ließ, egal wie unmöglich sie war. So sprach er etwa Johnny Storm, alias The Human Torch, in der nach alten Stan-Lee-Scripts produzierten Radioshow The Fantastic Four. 1975 dann sprach er bei Dick Ebersol, Lorne Michaels und einem Autorenteam vor, das mit dem Casting für eine neue Late-Night-Comedyshow bei NBC begonnen hatte: Saturday Night Live. Man brauchte noch einen Mann im Ensemble und hatte sich zwischen den beiden letzten Kandidaten zu entscheiden: Murray und Dan Aykroyd, der ebenfalls im Second City angefangen hatte. Bill zog den Kürzeren. Michaels tendierte zu Murray, aber Ebersols Ansicht nach hatte Aykroyd die größere Bandbreite.

So landete Bill stattdessen bei der anderen Show gleichen Namens – wegen der sich Michaels’ Sendung im ersten Jahr einfach nur Saturday Night nennen musste. Die Sendung bei ABC hieß Saturday Night Live with Howard Cosell und hatte den hemdsärmeligen Sportmoderator Cosell als Conferencier eines altmodischen Varietés. »Wir hatten chinesische Akrobaten und Elefanten und alle möglichen abgefahrenen Acts«, erzählte Bill. Die Sendung war ein ungeheurer Reinfall und wurde nach achtzehn Episoden gekippt. Bill zog nach Kalifornien, um dort mit dem bahnbrechenden Videokollektiv TVTV zu arbeiten, kehrte aber im Januar 1977 nach New York zurück. Er füllte dort die Lücke, die Chevy Chase bei Saturday Night Live – der besseren der beiden Shows – hinterlassen hatte; Chase war mitten in der zweiten Staffel ausgestiegen, trotz des Erfolgs der Show.

Bill zögerte zunächst, bei Saturday Night Live einzusteigen; er war nach wie vor mit Belushi und Aykroyd befreundet und hatte mit eigenen Augen gesehen, wie der plötzliche Starruhm auf ihre Egos wirkte, von ihren destruktiven Tendenzen ganz zu schweigen. Bill kam zu folgendem Schluss: »Man muss sich sagen, okay, sei nicht so streng mit den Jungs, gib ihnen anderthalb Jahre, bis sie sich wieder beruhigt haben. Aber nicht mehr als zwei Jahre, dann ist Schluss. Nach zwei Jahren haben die ein Problem.« Nichtsdestoweniger stieg er schließlich bei der heißesten Show im amerikanischen Fernsehen ein.

Als neuestes Mitglied der »Not Ready for Prime Time Players«, wie man die SNL-Truppe damals nannte, bekam Bill, wie er bald feststellen musste, kaum Gelegenheit, sich zu profilieren. Die Autoren ließen sich Sketche für die etablierten Leute einfallen und übersahen den Neuen, sodass Bill seine Samstagabende als Staffage – als zweiter Polizist oder zweiter FBI-Mann – verbrachte und dabei als »grantiger Typ mit Pockennarben« Eindruck zu machen versuchte. In seiner sechsten Show am 19. März 1977 appellierte Bill an das Publikum. Er wirkte ziemlich jung und herzlich überfordert in seinem roten Pullover, als er direkt in die Kamera sprach: »Ich glaube nicht, dass ich es in der Show schaffe«, sagte er. »Ich bin ein witziger Typ, aber eben nicht in der Show.« Der Sketch war zwar geskriptet, wurzelte aber in der Wahrheit: Bill zählte sogar alle seine Geschwister namentlich auf. (»Es kann euch natürlich egal sein, ob die meine Gage brauchen oder nicht.«) Außerdem erwähnte er, dass sein Vater gestorben sei, als Bill gerade mal siebzehn Jahre alt war. »Die Leute haben immer gesagt: ›Ach was, du wirst nie so komisch wie dein Dad.‹ Und jetzt kann er noch nicht mal mehr sehen, dass ich nicht so komisch bin wie er.«

Nach diesem Sketch rückte Saturday Night Live Bill öfter ins Rampenlicht: als den öligen Entertainer Nick the Lounge Singer (der berühmt dafür war, dass er das Star-Wars-Thema mit Text sang: »Star Wars! Nothing but Star Wars!«); als Richard Dawson, den Moderator von Family Feud (»Hallo, alle miteinander, ich hoffe, Ihre Begeisterung ist nicht so falsch wie die meine!«); als Showbiz-Korrespondent von »Weekend Update« (sein Slogan: »Tut mir leid, aber so seh ich das eben. Und jetzt verschwinden Sie, nein, im Ernst.«). Ein gemeinsamer Zug seiner Figuren war ihre Falschheit; Murrays Arbeit bei Saturday Night Live war eine anhaltende Vivisektion der Falschheit, vor allem im Showbusiness. Privat ging er damals mit seiner Kollegin aus dem Ensemble Gilda Radner; ihre gegenseitige Zuneigung kam in den »Nerd«-Sketchen der beiden durch, in denen sie zwei halbwüchsige Geeks spielten, deren Anziehungskraft füreinander in dummen Beleidigungen zum Ausdruck kam.

Nach ihrem Erfolg mit The Blues Brothers stiegen Aykroyd und Belushi vor der fünften Saison bei Saturday Night Live aus, womit Bill nicht nur der Star, sondern auch das größte Ego der Show war. Laut Tina Fey, die Jahrzehnte später selbst ein SNL-Star und Chef des Autorenteams der Show werden sollte, entwickelte Michaels während dieser ersten Staffeln eine Philosophie im Umgang mit seinen Stars. »Er meinte mir gegenüber mal, wenn man einen Star hat, hat man ein Problem, und wenn er nicht mehr da ist, rückt der nächste nach und ersetzt ihn als Problem. Chevy oder John Belushi waren schwierig, und als die gingen, rückte Bill Murray nach und schrie die anderen an.« Fey zufolge kam Michaels zu dem Schluss: »Manche Künstler spinnen eben, dagegen kann man nichts tun. Wenn sie wirklich Talent haben, lässt man sie eben machen.«

Als zum Ende der fünften Staffel ihre Verträge ausliefen, verließ das noch verbliebene Ensemble geschlossen – zusammen mit Michaels – die Show. Ausgebrannt vom mörderischen Tempo einer wöchentlichen Live-TV-Show, konnten sie es kaum erwarten, Aykroyd und Belushi nach Hollywood zu folgen. Man kann Second City und Saturday Night Live als Murrays Lehrjahre sehen. Danach schien einfach alles irgendwie nicht mehr so schwer. Bill selbst meinte dazu: »Beim Film heißt es: ›Okay, runter mit dem Sakko, rein ins andere Hemd. Beeilung, wir haben nur drei Minuten.‹ Und ich muss lachen. Drei Minuten? In drei Minuten steh ich nicht bloß ohne Hemd da, ich hab Perücke auf, Hut, Schmerbauch um, einen überdimensionalen Regenmantel, Galoschen, Kopf gewaschen, geduscht, komm eingeseift wieder raus und habe eine Fremdsprache drauf.«

1981 heiratete Bill seine Freundin Margaret »Mickey« Kelly. Wenn auch widerstrebend (sie hatte eigentlich nur zum Mexikaner gewollt) fuhr sie mit ihm durch die Wüste von Los Angeles nach Las Vegas, und am Super-Bowl-Sonntag um halb fünf Uhr morgens ließen die beiden sich trauen. Sie waren schon als Teenager in Wilmette miteinander gegangen und hatten über ein Jahrzehnt lang hin und wieder was miteinander gehabt. Kelly war Talent Coordinator sowohl für die Tonight Show als auch die Dick Cavett Show. 1982 bekamen die beiden ihren ersten Sohn, Homer Banks Murray (benannt nach Homer’s, einer Eisdiele in Wilmette, und Chicago-Cubs-Legende Ernie Banks).

Als Murray SNL verließ, hatte er bereits die Hauptrollen in einigen Filmen gespielt, darunter der Überraschungshit Babyspeck und Fleischklößchen. Ivan Reitman hatte Regie geführt und Harold Ramis war für die zündenden Dialoge verantwortlich gewesen. Mit dem einen oder anderen der beiden oder beiden gemeinsam hatte Murray Anfang der Achtzigerjahre eine Reihe von Hits – Caddyshack, Ich glaub’, mich knutscht ein Elch!, Ghostbusters –, die heute allesamt Comedy-Klassiker sind. In diesen Streifen entwickelte Murray sein Alter Ego für die Leinwand: den Sprüche klopfenden Slacker, der das Mädchen abkriegt. Und auch jenseits der Leinwand entwickelte er seine Rolle als der Schauspieler, der erst mal zu spät zum Dreh kommt, dann das Skript aus dem Fenster wirft und schließlich die beste Szene im ganzen Film einfach improvisiert.

Reitman erinnerte sich: »Er machte durchaus, was im Skript stand – er war da überhaupt nicht arrogant. Aber selbst wenn sie ihm gefiel, brachte er die Pointe nur ungern mehr als ein-, zweimal, es sei denn, er wusste, sie war so gut, dass sie drinzubleiben hatte, und selbst dann drehte er noch ewig dran, um sie zu verbessern.« Wenn er Bill sagte, er bräuchte einen ungebrochenen Take, in dem der Schauspieler an seinen Text glaubt, dann bekam er den auch – und im Gegenzug dafür gab Reitman ihm einen »freien« Take, in dem er machen konnte, was er wollte. »Und die waren oft spektakulär.«

Diese Periode fand ihren Höhepunkt mit Ghostbusters, einer Action-Komödie um ein Team von Geisterjägern, die sich Dan Aykroyd ausgedacht hatte. (Bills Part war ursprünglich für John Belushi gedacht, der jedoch 1982 verstarb.) Schon vor Drehbeginn wurde der Film hoch gehandelt, gleich mehrere Studios rissen sich um den Vertrieb. Bill sagte zu Recht voraus, er würde »größer als Tootsie und kleiner als Star Wars«. Seine Gage für Ghostbusters betrug drei Millionen Dollar plus points (eine prozentuale Gewinnbeteiligung, die sich als ausgesprochen lukrativ erweisen sollte). Darüber hinaus versuchte Murray in dieser Zeit bei Columbia eine Adaption von William Somerset Maughams Auf Messers Schneide auf die Beine zu stellen; er wollte sich an einer Rolle versuchen, die ihm mehr abverlangte als Sarkasmus und flotte Sprüche. Als Aykroyd davon erfuhr, meinte er: »Sag denen, wenn sie deinen Film machen, dann kriegen sie die GBs.« Noch immer beeindruckt von Aykroyds Großzügigkeit, scherzte Murray Jahre später: »Eine Dreiviertelstunde später waren wir gecatert.«

Mit einer durchaus soliden Leistung in Auf Messers Schneide stellte Murray zwar seine Eignung zum dramatischen Schauspieler unter Beweis, aber der Film selbst hatte seine Mängel, und die Kritiken waren durchwachsen. Ghostbusters dagegen brachte 1984 genügend Leute in die Kinos, um dem Film die zweithöchsten Einspielergebnisse des Jahres (nach Beverly Hills Cop) zu bescheren; der Titelsong von Ray Parker Jr. wurde im Radio rauf- und runtergespielt, und zu Halloween schnallten Legionen von Kids sich »Protonenpacks« um. Ghostbusters war »ein derartiges Phänomen«, meinte Murray, »dass ich mir so ’n bisschen radioaktiv vorkam«.

Als Star des Films hätte Murray nach Ghostbusters jeden Film machen können, den er nur hätte haben wollen. Er entschloss sich jedoch, erst mal nach Frankreich zu gehen. »Ich wusste, Ghostbusters würde in den Staaten das größte Ding aller Zeiten und dass ich kaputtgehen würde, wenn ich zu Hause blieb bei einem solchen Level an Ruhm«, erinnerte er sich. »Im Ausland könnte ich mir bewahren, was mir was wert ist an mir.« Also zog er mit seiner Familie nach Paris; während ihrer Zeit dort bekamen er und Kelly einen zweiten Sohn: Luke François Murray.

In Paris schrieb Bill sich an der Sorbonne ein, um Französisch und Philosophie zu studieren. Einer der Philosophen, deren Werke er dort kennenlernen sollte, war Georges Gurdjieff, ein griechisch-russisch-armenischer Guru, der vor seinem Tod 1949 in Frankreich das Institut für die harmonische Entwicklung des Menschen gegründet hatte. Einem zentralen Leitsatz in Gurdjieffs Lehre zufolge gehen die meisten Menschen zwar scheinbar wach durchs Leben, leben aber in Wirklichkeit innerlich in schlafgleichem Unverstand. Bill nahm sich das zu Herzen und begann die Leute um sich herum aufzuwecken.

Harold Ramis erinnerte sich: »Gurdjieffs Verhalten seinen Schülern gegenüber war absolut irrational, fast als wollte er Anschauungsunterricht geben. In der Richtung gibt es auch eine großartige Geschichte, die Jim Belushi über den Impro-Coach Del Close erzählt: Einmal, Jim war noch ein junger Schauspieler, ging er auf Del zu und meinte: ›Del, ich wollte dir nur sagen, dass ich dir vertraue, wirklich total.‹ Worauf Del ihm das Knie in die Eier rammt, so richtig satt, und dann fragt er ihn: ›Vertraust du mir jetzt auch noch?‹ Das ist genau die Art von Lektion, die Bill den Leuten ständig erteilte. Wenn er dich für zu eingebildet hielt oder sonst wie zu daneben für seinen Geschmack, dann war es an ihm, dir den Kopf zurechtzurücken.« Natürlich war Gurdjieff lange vor Murrays Zeit, aber der Guru wurde als Lehrer für ihn nicht weniger wichtig als zuvor Del Close.

Meist jedoch ging Murray ins Kino. An der Cinémathèque Française in Paris gab es eine Retrospektive zur Geschichte des Films, und er sah sich dort Tag für Tag Schwarz-Weiß-Klassiker an – so zum Beispiel A Romance of Happy Valley (ein Stummfilm von D.W. Griffith aus dem Jahr 1919, der als verloren galt, bevor man in der Sowjetunion eine Kopie entdeckte). »Kein Ton, russische Untertitel«, erinnerte sich Bill. »Ich wusste nicht, was die sagten, war aber trotzdem total geschafft. Wie kann man Ein toller Käfer machen, nachdem man so was gesehen hat?«

Bill gefiel es in Paris. Jeden Mittag schaute er bei einem Chocolatier vorbei: »Ich hatte ständig ein halbes Pfund Schokolade in der Tasche, und jemandem was davon anzubieten, war eine prima Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen.« Nach einem halben Jahr ging er dann aber doch in die Staaten zurück. Der Köder: Ivan Reitman arbeitete an einem Film über den abstrakten Expressionisten Mark Rothko und die erbitterte Schlacht um sein Erbe nach seinem Freitod 1970. Murray war von Rothkos Genie fasziniert, aber im Lauf der Arbeit am Skript verwandelte sich der Film in die seichte romantische Komödie Staatsanwälte küßt man nicht. »Geht’s noch?«, meinte Bill und zog sich verärgert aus dem Projekt zurück.

Nunmehr Mitte dreißig, zog Murray mit seiner Familie ins Hudson Valley, direkt vor den Toren New Yorks. Er spielte Galy Gay in Bertolt Brechts Mann ist Mann im Rahmen des damaligen Hyde Park Festival Theaters, fungierte als Schiedsrichter bei Little-League-Spielen und verbrachte viel Zeit mit der Familie. Alles in allem arbeitete er, wenn er Lust dazu hatte, und blieb Los Angeles fern, soweit es sich irgendwie einrichten ließ. Er hat das einmal folgendermaßen erklärt: »Kaum hat man in L.A. in einem Hotel eingecheckt, hat man auch schon eine Nachricht unter der Tür. Am zweiten Tag sind es elf, am dritten dreißig, vierzig, fünfzig, sechzig, siebzig. Und mir wurde klar, dass die nur frisches Blut wollen. Die. Wollen. Nur. Frisches. Blut. Da gibt’s nur eines: nichts wie weg!«

Anfang 1986 versuchte sich Murray daran, die Hollywood-Maschinerie zu umgehen. Könnten Schauspieler, so überlegte er, durch Improvisation eine Story aufbauen, die schließlich als Film funktioniert? Er stellte eine Repertoirebühne auf die Beine, zu der außer ihm selbst sein Bruder Brian gehörte, Dana Delany, Jami Gertz, Bud Cort und O-Lan Jones. Er ließ sie auf seine Kosten nach Chicago fliegen, um bei Del Close das Improvisieren zu lernen – und schleppte sie bei Minusgraden zu einem Spiel der Chicago Bears. Kurz darauf arbeiteten sie einige Wochen in New York; sie improvisierten Geschichten, die in einem kleinen amerikanischen Weiler spielten. Brian spielte in der Regel den Bürgermeister oder den Chef der Feuerwehr, Delany seine Frau; Bill übernahm die Rolle eines Tramps. Schließlich flog Bill seine Truppe nach Los Angeles, wo er den Regisseur Sidney Pollack und den Drehbuchautor Steve Kloves zur Mitarbeit zu gewinnen versuchte. Kloves schrieb auf der Basis ihrer Improvisationen dreißig Seiten Drehbuch, erregte dann aber Murrays Unwillen, als er sich ganz seinem Regiedebüt – Die fabelhaften Baker Boys – widmete. Murray machte dem Experiment in aller Stille ein Ende, indem er seine Truppe zum Essen ausführte und – zu ihrer großen Überraschung – jedem einen Scheck über 15000 Dollar gab.

Auch wenn es Bill nicht gelungen war, Orson Welles’ Mercury Theatre für die Achtzigerjahre wiederzubeleben, verfügte er nach wie vor über genügend Schlagkraft in Hollywood – nicht zuletzt dank seines einflussreichen Agenten Michael Ovitz bei der Creative Artists Agency (CAA). Während des nächsten Jahrzehnts machte er das obligate Sequel zu Ghostbusters und eine Reihe von Konzeptkomödien – grandios: Und täglich grüßt das Murmeltier, grottenschlecht: Die Geister, die ich rief und irgendwo dazwischen: Was ist mit Bob? Er lehnte reihenweise Filme ab und war überrascht, wie viele davon schließlich mit anderen Schauspielern zustande kamen. Außerdem führte er zusammen mit dem Autor Howard Franklin Regie bei Ein verrückt genialer Coup, kam aber zu dem Schluss, dass ihm das zu anstrengend war. »Was ist denn das für eine Welt?«, wollte Murray wissen, als er feststellen musste, dass man als Regisseur spät abends noch im Schneideraum herumsaß. »Ich sollte in einem netten Restaurant sitzen, bei einem Kalbskotelett.«

Aber selbst Bills Zugkraft an der Kinokasse konnte nicht verhindern, dass die Welt um ihn herum sich änderte. So starb 1988 seine Mutter Lucille, worauf der erwachsene Mann sich wie eine Waise vorkam. Michael Ovitz, sein Beschützer in Hollywood, stieg bei CAA aus, um die Leitung von Disney zu übernehmen. Und schließlich ging auch noch Murrays Ehe in die Brüche; er und Kelly trennten sich 1994 und reichten zwei Jahre später die Scheidung ein. »Die Scheidung war ziemlich schmerzhaft für mich«, sagte er. »Ich habe seither Mitgefühl mit Leuten, die ich noch nicht mal mag, nur weil sie so was durchmachen.« 1997 heiratete er seine Kostümbildnerin Jennifer Butler, mit der er über Jahre hinweg eine Affäre gehabt hatte.

Auch in der Filmwelt verlor Bill seinen Halt – er gab sich sogar dazu her, an der Seite eines Elefanten zu spielen. Im Gros seiner frühen Filme gab Bill den Klugscheißer, der sich über Autorität lustig macht, sei es die Verwaltung eines Ferienlagers, seien es die Offiziere der US Army. Aus seinem Grinsen für die Kamera sprach seine Verachtung sowohl für die Verantwortlichen in Ronald Reagans Amerika als auch für die Leute hinter der Kamera. Und diese Haltung reizte er bis zum Zerreißpunkt aus, nur dass bei alledem letztendlich nie so recht klar wurde, woran er denn eigentlich wirklich glaubte: Die Geister, die ich rief legte allzu simpel »Weihnachten« nahe; Und täglich grüßt das Murmeltier beantwortete die Frage am besten mit »Erleuchtung«, aber eine derart kosmische Antwort schien den Horizont der meisten seiner Filme bei Weitem zu übersteigen. Und um die Grenzen seiner Karriere zu wissen, hieß noch lange nicht, dass Bill eine Lösung gehabt hätte.

»Die Leute sagen ständig: ›Du kannst doch machen, was du willst‹«, klagte Bill. »Tja, was will ich denn eigentlich?«

Bill Murray konnte sich kaum retten vor Ruhm, litt jedoch unter einem eklatanten Mangel an Sinn. Eine Leidenschaft freilich war ihm geblieben, und das war seine Liebe zum Sport. Während der Basketballsaison 1994/95 war er sogar der Star einer Reihe von Werbespots, in denen er seine Absicht bekannt gab, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen, um in der NBA zu spielen. In einer gestellten Pressekonferenz erklärte er, im Showbusiness alles erreicht zu haben, was nur zu erreichen sei. Die Frage, ob er denn schon einen Oscar hätte, verneinte er, fügte jedoch hinzu: »Aber ich habe einen Autoren-Emmy.« (Was stimmte; er hatte ihn während seiner Zeit bei Saturday Night Live bekommen.) In anderen Spots demonstrierte Bill den »No-look no-catch«-Pass und legte sich auf einem öffentlichen Basketballcourt lang, um »Sauerstoff zu tanken«. Er nahm keine Gage für die Spots, er verlangte nur totale kreative Hoheit. Der beste Spot war der, in dem er zu einem ominösen Mantra aus dem Off einen Basketball einen Gehsteig langdribbelt: »Ich glaube an den Ball, und der Ball ist für mich da« – nur dass er den Basketballcourt nicht finden kann.

Natürlich konnte Murray nicht wirklich seine Karriere hinschmeißen, um bei den Chicago Bulls einzusteigen, aber nach mehreren Flops hintereinander dachte er: »Vielleicht sollte ich mir eine Kalaschnikow umhängen und ernsthaft über einen Kassenknüller nachdenken.« Nicht dass ihm was einfallen wollte, aber zu seinem Glück hatte ein anderer einen Plan: Der Regisseur Wes Anderson war mit Bill Murrays Filmen aufgewachsen und hatte mit Rushmore ein Drehbuch mit einer Rolle für Bill geschrieben, die zeigte, dass ein junger Sprücheklopfer durchaus zum weltverdrossenen Herrn mittleren Alters heranreifen kann. Bill spielte den verliebten Geschäftsmann Herman Blume so trocken wie ehrlich. Der Film gab 1998 den Startschuss zu einem neuen Abschnitt in Murrays Karriere (mit mehr Gewicht auf dramatischen Rollen) sowie zu einer langjährigen Zusammenarbeit mit Anderson. Außerdem öffnete er ihm die Tür zu anderen coolen Independentkünstlern: Sofia Coppola (Lost in Translation), Jim Jarmusch (Broken Flowers), Aaron Schneider (Am Ende des Weges).

In diesem Abschnitt seiner Karriere stellte sich eine gewisse Unzufriedenheit hinsichtlich seiner künstlerischen Vertretung ein: »Wissen Sie, wenn Sie einen Agenten haben, klingelt ständig das Telefon, weil da einer rumsitzt, der nichts Besseres zu tun hat, als So-und-so an die Strippe zu kriegen, und der wählt dann Ihre Nummer und lässt es fünfundsiebzigmal klingeln.« Eine Zeit lang vereinbarte er mit seinen Agenten, dass er sie anrief, nicht sie ihn, und sechs Monate später kam er zu dem Schluss, dass diese sparsame Kommunikation genau das Richtige war; und so gab er Agenten ein für alle Mal auf.

Bei den Golden Globes 2004 wurde Murray für seine Leistung in Lost in Translation als bester Schauspieler in der Sparte Filmmusical oder Komödie ausgezeichnet. Bei seiner Dankesrede gab er bekannt, dass er die Regeln geändert hätte: »Sie können aufatmen – ich habe vor ein paar Monaten meine Agenten gefeuert. Mein Trainer, mein Fitnesstrainer, hat sich umgebracht.« (Das Publikum lachte, aber auch das stimmte tatsächlich.) »Und so gern ich mich bei den Leuten von Universal und Focus bedanken würde, ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte, weil so gut wie jeder dort den Film gemacht haben will.« Dass ein Filmstar von seinem Kaliber weder Agent noch Manager noch PR-Agent hatte, so etwas hatte es noch nie gegeben. Er dachte sich was ganz Neues aus für Filmemacher, mit denen er noch nicht gearbeitet hatte: Wer ihm ein Projekt antragen wollte, sollte eine 1-800-Nummer anrufen, eine Nachricht hinterlassen und hoffen, dass er sie abhörte; wenn man Glück hatte, rief dann sein Anwalt zurück. Aber selbst für den Fall, dass man ihn auftrieb und er sich bereit erklärte, unterschrieb er deshalb noch lange keinen Vertrag.

Laut Murray besteht der Unterschied zwischen einem künstlerischen und einem kommerziellen Hollywoodfilm darin, dass er sich bei einem künstlerischen Film zur Pünktlichkeit verpflichtet fühle. »Wenn ich irgendwelchen Schrott vom Fließband mache, komm ich zu spät, um Hunderte von Leuten aufzuhalten, stundenlang, tagelang, wochenlang«, bemerkte er, wenn auch nicht ganz im Ernst. »So verschafft man sich Respekt.« Aber selbst bei künstlerischen Projekten legte er sich nur ungern fest.

Sofia Coppola, zum Beispiel, war wegen Lost in Translation acht Monate hinter Bill her gewesen, bis sie ihn endlich über seinen Freund Mitch Glazer zu fassen bekam: Bill sagte vom Fleck weg zu. »Die waren in Tokio schon eine ganze Woche am Drehen«, erinnerte sich Glazer. »Sofia rief mich an, ich dachte erst, um mir zu sagen, dass alles lief wie am Schnürchen. Aber sie meinte: ›Äh, du hast nicht zufällig von Bill gehört?‹ Worauf ich sage: ›Ist er denn nicht da?‹ Und sie darauf: ›Tja, eben nicht. Er sollte morgen kommen, und wir haben noch nichts gehört. Es ist alles abgedreht, was ohne ihn zu machen war.‹« Aber um das klarzustellen, Bill ist aufgekreuzt und hat den Auftritt seines Lebens abgeliefert. Und er hat sogar beim Transport des Equipments mitangefasst.

Murrays Unzugänglichkeit führte dazu, dass er die Hauptrollen in vielen großen Filmen verpasst hat, darunter auch einige, die er sicher gern gemacht hätte, hätten die Filmemacher ihn nur aufspüren können: Little Miss Sunshine und Der Tintenfisch und der Wal, um nur zwei zu nennen, waren eigens für ihn geschrieben.

Aber ihm ist das egal. »Ich will wirklich nur arbeiten, wenn ich Lust habe. Das Leben ist schwer genug, und ich hab nur das eine. Ich meine, ich mach meine Arbeit gern, und ich weiß, dass sie meine Bestimmung ist, aber ich kann schließlich nichts einbringen, wenn ich mein Leben nicht lebe.«

In diesem Leben hatte Bill vier Kinder – alles Jungs – mit Jennifer Butler, was unterm Strich sechs Söhne macht. Caleb James Murray kam 1993 zur Welt (als Bill noch mit Mickey Kelly verheiratet war); Jackson William Murray 1995; Cooper Jones Murray 1997; Lincoln Darius Murray 2001. Die Familie zog nach Charleston, South Carolina, was zwar Jennifer Butlers Idee war, aber auch Bill lernte die Stadt schätzen. Er wurde dort Stammkunde einiger Restaurants und des Krawattenherstellers, bei dem er seine Fliegen fertigen ließ; sogar in das dortige Minor-League-Baseballteam – die Charleston RiverDogs – kaufte er sich ein. Unter Charlestons Einwohnern kursierten bald allerhand Anekdoten über Begegnungen mit ihm in der Stadt; außerdem ging das Gerücht, er »klaue einem was in die Tasche«, wobei er Fremden etwas Geld in die Tasche schob.

2008 dann ging seine Ehe mit Butler auf dramatische Weise in die Brüche. Sie reichte die Scheidung ein. Als Gründe nannte sie »Ehebruch, Marihuana- und Alkoholabhängigkeit, körperliche Misshandlung, Sexsucht und böswilliges Verlassen«. In ihrem Antrag hieß es, der »Beklagte verlässt immer wieder Staat und Land, ohne der Klägerin Bescheid zu sagen«; »der Beklagte reist nach Übersee, wo er sich auf öffentliche und private Streitigkeiten und sexuelle Affären einlässt«; 2007 habe der »Beklagte sie ins Gesicht geschlagen und ihr gesagt, sie könne ›von Glück reden, dass er sie nicht umbringe‹«. Unsere Meinung über Bill Murray als Mensch hängt nun vermutlich davon ab, für wie zutreffend man diese Vorwürfe hält.

Die Scheidung endete damit, dass Butler zwei Häuser und sieben Millionen Dollar bekam (was in etwa den Bestimmungen des Ehevertrages der beiden entsprach). Außerdem erhielt sie das Sorgerecht für ihre vier Söhne; Bill sprach man nur ein Besuchsrecht zu. »Es war das Schlimmste, was mir im Leben passiert ist«, sagte er nach der Scheidung. »Wenn man jemanden wirklich liebt und dann passiert so was – mir ist nie auch nur was annähernd Schlimmes passiert. Man kann praktisch keinem mehr trauen, wenn man der Person, der man mehr als irgendjemandem vertraut hat, so ganz und gar nicht mehr trauen kann.«

Schwer angeschlagen, stürzte Murray sich in die Arbeit. »Ich möchte mich mit positiven Leuten austauschen in der Hoffnung, dass mich das auch positiver macht und wieder in Schwung bringt«, sagte er. Wenn er arbeitete, so stellte er fest, ist er die beste Version seiner selbst. »Die Maschine funktioniert besser. Ich habe den richtigen Willen. Ich schaffe mehr weg. Die einzelnen Teile meines Lebens werden besser versorgt. Wenn man sich so richtig reinkniet in seine Arbeit, tritt alles Unwichtige in den Hintergrund.«