Mein Blockhaus am Fluss - Karsten Nitsch - E-Book

Mein Blockhaus am Fluss E-Book

Karsten Nitsch

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Beschreibung

An einem Abend im April beschließt Karsten Nitsch, seinen Traum wahr zu machen und ein Blockhaus zu bauen – in der wunderschönen Natur der Lausitz, an der Spree, im "Hinterland der Zivilisation". In diesem Buch berichtet er davon, wie dieses Projekt mit allen damit verbundenen Bereicherungen und Einschränkungen sein Leben verändert hat. Der Weg, den der Autor gewählt habe, ist kein rückwärtsgewandter Verzicht auf jeglichen Komfort, sondern vielmehr der Wunsch, ein nachhaltiges Leben zu führen, ohne auf jegliche Annehmlichkeiten zu verzichten. Das Buch enthält neben dem stimmungsvollen Erfahrungsbericht einen praktischen Teil, in dem auf die einzelnen Schritte zum Bau eines Blockhauses eingegangen wird. Hierbei werden alle wichtigen Phasen besprochen – angefangen vom Fundament über den kompletten Ausbau bis hin zu einer Dachbegrünung. Auch auf die Materialbeschaffung und das Thema Wiederverwertung wird eingegangen. Ein Buch für alle, die den Traum eines nachhaltigen Lebenskonzepts haben und vielleicht mit dem Gedanken spielen, eine Blockhütte zu bauen, sei es als Gartenhäuschen, Sauna oder sogar als Tiny-Haus oder Heim für den ständigen Wohnsitz.

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Seitenzahl: 269

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Karsten Nitsch

MEIN BLOCKHAUS AM FLUSS

Karsten Nitsch

MEIN BLOCKHAUS AM FLUSS

Vom Bauen und Leben in der Natur

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe, 1. Auflage 2022

© 2022 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Ariane Novel

Korrektorat: Anke Schenker

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildungen: Sascha Hoecker

Satz: Zerosoft, Timisoara

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-583-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-101-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-102-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Inhalt

Fest entschlossen

Gimme Shelter

Ein Plan nimmt Gestalt an

Holzhäuser überall

Über Mondholz, Waldwesen und Wildschweine

Ein Sägewerk in Einzelteilen

Praxisteil: Ein wachsendes Haus

Ein Feriensommer an der Spree

Was Krabat, fleißige Handwerker und alte Traditionen gemeinsam haben

Was entstehen kann, wenn man ohne Plan baut

Eine Tür, ein Fenster, ein Schornstein – und eine Geistertaube

Warum Spätzle mich selbst zum »Kochen« brachten

Besuch von Gästen aller Art

Blockhauskurse in der Lausitz und darüber hinaus

Ein Unheil kommt selten allein

Wie ich von einem Biber eins aufs Dach bekam

Putin, der auf dem Schornstein saß

Von Hexen, Schamanen, Hippies und Comanchen

Das schwebende Blockhaus

Über das Glück und wie man es findet

Danksagung

Fest entschlossen

Wenn ich aus dem Fenster meines Arbeitszimmers auf die moosbedeckten Blockhütten blicke, wandern meine Gedanken in die Zeit, als alles begann. Vor 16 Jahren fasste ich den Entschluss, ein Blockhaus zu bauen. Genau genommen eher eine Blockhütte, denn das Projekt sollte schließlich überschaubar sein.

Ein ganz besonderer Ort

Drei Jahre zuvor hatte ich das Grundstück gekauft, es sollte als Basis für meine Naturcamps dienen, die ich mehrmals im Jahr für Kinder und Jugendliche durchführen wollte. Später kamen weitere Veranstaltungen hinzu wie Seminare und Kurse verschiedener Anbieter, aber immer mit Verbindung zur Natur. Alle meine Gäste waren sich bisher einig, dass mein Platz in der Lausitz ein ganz besonderer Ort sei, was vor allem auch der Spree zu verdanken ist. Ein intakter Fluss ist ein wertvolles Ökosystem, das wie ein Magnet auf andere Lebewesen wirkt. Auch ich fühlte mich sofort in seinen Bann gezogen und schätze ihn bis heute sehr. Erst die Spree macht den Ort zu dem, was er ist, und sie war auch der Hauptgrund dafür, den Platz zu erwerben.

Natürlich begegne ich »meinem« Fluss auch mit Respekt, und es ist mir bewusst, dass ich mich an einem Ort befinde, den ich mit anderen Lebewesen teile. Die mit der Zeit entstandenen Strukturen, die vor allem aus selbst angelegten Pflanzungen bestehen, schützen vor neugierigen Blicken und bieten Lebensraum für vierbeinige und geflügelte Mitbewohner. Das Camp liegt verborgen wie ein Dornröschenschloss und vermittelt das Gefühl, als würde man in eine andere Welt tauchen, wenn man das Gelände betritt. Dieser Eindruck entsteht vor allem dadurch, weil man zuvor an den gepflegten und dadurch irgendwie steril wirkenden Sportanlagen unseres Dorfes entlangläuft, um das Camp zu erreichen. Ein Schritt aus der Ordnung der Zivilisation in ein Stück Wildnis mit eigenen Gesetzen.

Abseits starrer Regelwerke

Das Spreecamp, wie ich es genannt hatte, wird gern besucht, und einige Besucher bezeichnen es als magischen Ort. Einige machen auch kein Geheimnis daraus, dass sie mich um diesen Platz beneiden. Das hat aber meiner Meinung nach auch damit zu tun, weil man der Zivilisation und den damit verbundenen Auflagen und Regeln ein wenig aus dem Weg gehen kann. Abseits der Straße, quasi im »Hinterland«, ticken die Uhren anders. Hier gilt nicht das Regelwerk der Dorfbevölkerung. Dieses Regelwerk ist ein ungeschriebenes Gesetz, dem Gewohnheiten zugrunde liegen. Ein Phänomen, das sicherlich für die meisten Dörfer gilt – »das haben wir schon immer so gemacht«, ist dann nicht selten die Begründung. Die Rede ist nicht etwa von der Satzung der Gemeinde, vielmehr geht es dabei um »Selbstverständlichkeiten«, die sich über einen längeren Zeitraum eingebürgert haben und nicht selten einem gewissen Ordnungswahn unterliegen. Das Rasenmähen oder im Garten das Laub harken sind typische Beispiele, die von anderen Dorfbewohnern natürlich einer regelmäßigen Kontrolle unterzogen werden. Nun möchte ich mich nicht generell gegen diese Tätigkeiten aussprechen, aber es ist eine traurige Tatsache, dass hierbei nicht selten ein gewisser Übereifer zu beobachten ist. Wer auf dem Land lebt, wird wissen, was ich meine. Und auch in der Stadt sind solche Verhaltensmuster in der Nachbarschaft nicht völlig unüblich. Leider hat dieser Drang zur »Ordnung« für andere Lebewesen fatale Folgen, denn durch die gründlichen und stets gut gemeinten Maßnahmen verschwinden viele Lebensräume und die damit verbundenen Arten. Während auf der einen Seite der Hecke die blühenden Wiesen mit der Zeit zu langweiligen Rasen umfunktioniert wurden, hat sich im Spreecamp ein artenreiches Paradies entwickelt. Auch ich wusste das zu schätzen und verlagerte nach und nach meinen Wohnort ins Camp, auch dann, wenn es keine Veranstaltung gab.

Alles begann, als ich während eines Pflanzenseminars mit den Teilnehmern mal wieder ins Gespräch über die Vorzüge des Spreecamps kam. Einer der Gäste fragte mich plötzlich, während er auf meinen Bauwagen zeigte, warum ich mir nicht eine Blockhütte errichtete. Ich grinste und zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, wie das geht«, erwiderte ich nur und dachte im selben Moment: »Wie cool.« Am nächsten Tag griff ich das Gespräch wieder auf und erkundigte mich bei diesem Teilnehmer, ob er denn Erfahrung mit dem Blockhüttenbau habe. Zumindest habe er schon in Kanada an einer Hütte mitgebaut, und das sei überhaupt kein Hexenwerk, versicherte er mir. Von nun an wurde ich den Gedanken nicht mehr los und erbat mir weitere Informationen darüber, was zu tun sei, um ein solches Projekt anzugehen. Ich war »infiziert« und meine Gedanken kreisten nur noch um dieses Thema. Ich wollte alles erfahren und am liebsten hätte ich sofort losgelegt. Aber es sollte noch einige Zeit vergehen und das war gut so, denn im Vorfeld musste vieles bedacht und erledigt werden. Währenddessen wurde ich aber nicht müde, überall in meinem Umfeld von meinem Vorhaben zu berichten. »Ich werde ein Blockhaus bauen«, erzählte ich mit Begeisterung in meinem Freundeskreis. Wann immer ich aber diese Ankündigung laut ausgesprochen hatte, machten sich innerlich sofort Zweifel breit. Nun war es aber gesagt, und ich wollte mir keine Blöße geben. Indem ich meine Pläne ankündigte, machte ich die Sache unumkehrbar. Die Idee sollte sich manifestieren, sich in meinem Kopf festsetzen und alle Zweifel, und davon gab es anfangs nicht wenige, zermahlen wie Getreide zwischen zwei Mühlsteinen. Mich hatte das Fieber gepackt und ich wusste, ich würde dieses Vorhaben realisieren, allen Widrigkeiten zum Trotz.

Natürlich gab es vieles, was dagegensprach: Mein finanzielles Polster war zu dem Zeitpunkt nicht optimal, außerdem fehlte es neben der fachlichen Kenntnis auch an diversen Werkzeugen und Maschinen. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für mein Vorhaben, aber immerhin konnte ich auf der Habenseite meinen Platz an der Spree und zumindest Erfahrungen im Umgang mit einer Motorsäge verbuchen. Das wichtigste aber war mein Ehrgeiz und der unbändige Wille, mein Ziel zu erreichen. Wenn ich mir eine Sache in den Kopf gesetzt habe, versuche ich sie auch umzusetzen, ich gehöre jedenfalls nicht zu den Menschen, die schnell die Flinte ins Korn werfen. Optimismus gepaart mit einer gehörigen Portion Ausdauer hatten mich letztendlich immer ans Ziel gebracht, außerdem bin ich davon überzeugt, dass es gut ist, Ideen zeitnah umzusetzen, wenn die Voraussetzungen es zulassen. Ja, sie überhaupt umzusetzen, denn »es gibt nichts Gutes, außer man tut es«. Man müsste mal … Irgendwann werde ich … Wir sollten vielleicht … Das sind meistens nicht vielversprechende Ankündigungen, die mir öfter zu Ohren kommen, aber nicht meiner Philosophie entsprechen.

Ich hatte einen Traum, und dieser Traum sollte wahr werden. Immer wieder hatte ich nun dieses Bild im Kopf, eine Blockhütte am Fluss, mein Haus am Fluss, mitten im Paradies.

Gimme Shelter

Es ist kühler geworden, und während ich die Bäume, die den Fluss säumen, betrachte, erscheinen sie mir mehr und mehr wie Gestalten, die klagend ihre Gliedmaßen in den Himmel recken. Nebel hat sich wie ein Schleier über die Aue gelegt, der Herbstgesang des Rotkehlchens klingt gedämpft, als befinde sich seine Naturbühne hinter einem herabgelassenen Vorhang. Jetzt im Oktober bereiten sich alle Lebewesen langsam auf den Winter vor, täglich kann ich beobachten wie Eichhörnchen, Igel oder Eichelhäher ihre Vorbereitungen treffen, und auch ich fülle meinen Holzvorrat auf. Was für ein wunderbarer Ort, ein Privileg, hier leben zu dürfen. Aber die Vollkommenheit eines Wohnortes kann erst durch eine angemessene Behausung entstehen. »Gimme Shelter …«, sangen schon die Rolling Stones und ich hatte dabei immer eine Hütte vor Augen. Das mag kurios erscheinen, dennoch ist dieses Bild nicht völlig abwegig, denn diese Sehnsucht nach einer Zuflucht, die Geborgenheit vermittelt, ist ein Grundbedürfnis, für das es keine Standards gibt.

Wo Eichhörnchen sich geschützt fühlen

In diesem Buch soll es natürlich um eine Zuflucht gehen, die baulich errichtet werden muss, eine Behausung, die uns als Unterkunft dient. Dabei sind wir Menschen bekanntlich nicht die einzigen Lebewesen, die solche Bauten errichten, im Tierreich finden wir zahlreiche Beispiele dafür. Die meisten Tiere errichten sie, um ihre Nachkommen aufzuziehen, wobei Nester und angelegte Höhlen zu den bekanntesten Bauwerken gehören. Die meisten Nester aber werden nach der Brut und Aufzucht der Jungen verlassen, eine weitere Nutzung findet nicht statt. Sogar für eine unmittelbar danach einsetzende Zweitbrut wird ein neues Nest errichtet. Das mag in unseren Augen verschwenderisch erscheinen, dient aber zum einen der Hygiene und hat außerdem mit dem Sicherheitsbedürfnis zu tun, denn ständiges Ab- und Anfliegen bei der Fütterung der Jungtiere kann schon verräterisch sein. In einer der Erlen am Fluss hat ein Eichhörnchen hoch oben einen Kobel, also sein Nest, angelegt. Dieser dient dem possierlichen Säugetier in der kalten Jahreszeit vor allem als Schlafnest, Winterschlaf aber wird von den Hörnchen nicht gehalten. Hier verbringt es seine Ruhephasen, und die schützende Behausung verlässt es an stürmischen, nasskalten Tagen meist nicht. An sich besteht das kleine Bauwerk aus Zweigen, die in einer Astgabel dicht am Stamm zu einer Kugel mit zwei Ausgängen geformt werden, die etwa einen Durchmesser von 30 bis 40 Zentimetern aufweist und deren Inneres mit Moos, Blättern oder Bast ausgepolstert ist.

Die Art der Nutzung einer Behausung spielt für uns Menschen ebenso eine entscheidende Rolle, wie die zeitliche Nutzung von wesentlicher Bedeutung ist. Solang es sich um eine überschaubare Zeit handelt, sind die meisten Menschen gern bereit, sogar drastische Einschnitte in ihre Lebensqualität hinzunehmen. Vor allem, wenn wir nicht zwanghaft in eine solche Wohnsituation geraten sind, empfinden wir es sogar als »cool«, vorausgesetzt der Platz befindet sich an einer interessanten Location. Wie sonst lassen sich überfüllte Campingplätze erklären, die in den Sommermonaten von der Stadtbevölkerung überflutet werden. Auch auf Festivals kann man in großer Zahl die flüchtigen bunten Bauten aus den Sonderangeboten der Discounter vorfinden. Diese werden dann nicht selten von ihren Bewohner nach dem Event achtlos zurückgelassen, ähnlich wie es die Amsel nach der erfolgten Nutzung des Nestes tut. Einzig die Materialbeschaffenheit macht einen deutlichen Unterschied: Während das alte Amselnest schnell in den Kreislauf der Natur zurückgeführt wird, bereitet uns der bunte Plastikmüll noch längere Zeit Bauchschmerzen.

Die meisten von uns werden, wenn sie an ihre Kindheit zurückdenken, ebenfalls auf eine bauliche Erfahrung verweisen können. Selbst wenn sie nicht physisch in Gestalt eines Zeltes aus Decken in einer Zimmerecke oder im Freien mit Brettern, Ästen und sonstigen Materialien zu einer wackeligen Bude aufgestellt wurde, dann zumindest in der kindlichen Fantasie. Meine eigenen Erfahrungen umfassten alle der genannten Möglichkeiten und das kreative Errichten einer Hütte hat mich schon immer fasziniert. Ebenso faszinierte mich von jeher eine andere Lebensweise, eine, die nicht den üblichen, in unserer Zeit geltenden Gesetzmäßigkeiten entspricht. Ich rede nicht vom völligen Verzicht auf alle Annehmlichkeiten der Zivilisation, aber ich wollte schon selbst herausfinden, was für mich essenziell ist.

Leben im Hamsterrad

Vorerst aber war auch ich gefangen im Hamsterrad und führte ein normales Leben, das mich zunehmend unzufrieden machte. Damals arbeitete ich als Forstarbeiter die meiste Zeit im Holzeinschlag. Diese Tätigkeit war zum einen körperlich sehr anstrengend, zum anderen aber für mich auch nicht befriedigend, da der Arbeitsablauf sich tagtäglich wiederholte und kaum Abwechslung bot. Dazu kam noch, dass meine Arbeit im Wald den Lebensraum anderer Bewohner zerstörte, denn Bäume wurden ohne Rücksicht das ganze Jahr über gefällt. Die Abhängigkeit von einer Arbeit, die mir nicht die Möglichkeit bot, Prozesse zu verändern, machte mich unglücklich und das wiederum hatte auch Auswirkungen auf mein privates Leben. Es mag sein, dass für viele Menschen ein festes Arbeitsverhältnis eine Sicherheit bietet, die sie benötigen, um ein unbeschwertes Leben zu führen; bei mir war das Gegenteil der Fall. Das Leben ging an mir vorbei, ich hatte keinen Plan und flüchtete mich vor den Fernseher oder sogar in die Dorfkneipe.

Das alles belastete natürlich auch mein familiäres Leben, und selbst nach meiner Kündigung, die durch die Wende und den Zusammenschluss von Ost- und Westdeutschland bedingt war, änderte sich nichts daran. Im Gegenteil, das Geld wurde knapp und wieder begab ich mich auf der Suche nach Sicherheit in neue Arbeitsverhältnisse und somit in erneute Abhängigkeit. Anfang der neunziger Jahre, in der Zeit des Umbruchs, änderte sich auch für mich vieles, Vertrautes verschwand, aber es ergaben sich plötzlich auch neue Möglichkeiten, vor allem für junge Menschen. Für die einen brach sicherlich eine Welt zusammen, anderen wurde endlich die Möglichkeit geboten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Damals hatte ich noch keine große Lebenserfahrung und war dadurch anfangs sehr verunsichert, aber das änderte sich mit der Zeit. Meine Arbeitswelt verschob sich nun mehr und mehr in Richtung meiner persönlichen Interessen, auch wenn ich vorerst noch an einen Arbeitgeber gebunden war. Hinzu kam mit der Reisefreiheit eine weitere Möglichkeit, meine persönliche Entwicklung voranzutreiben. Natürlich erfolgte nicht alles in einem Zug, sondern es brauchte mehrere Erlebnisse oder Begegnungen mit anderen Menschen, die sehr inspirierend auf mich einwirkten.

All das bewog mich, meine damalige Lebensweise infrage zu stellen, und ich begann nach und nach meine kindlichen Fantasien real werden zu lassen. Mit der Trennung von meiner Frau erfolgte schließlich ein weiterer rigoroser Schritt in meinem Leben. Ich hatte erkannt, dass ich dieses Leben nicht mehr wollte, und für einen völligen Neuanfang war dieser Entschluss aus meiner Sicht alternativlos. Ich war zu jenem Zeitpunkt 31 Jahre alt und hatte endlich erkannt, welche Möglichkeiten einer kreativen Entfaltung mir das Leben nun bot.

Hier am Ufer der Spree sollte das »Spreecamp« entstehen.

Eine erste große Reise führte mich nach Italien an die Straße von Messina zu einem internationalen Vogelschutzcamp und mein berufliches Leben wurde von nun an bestimmt durch eine Tätigkeit, die mir Freude bereitete und mit meiner Leidenschaft, der Natur, eng verbunden war. Ich war inzwischen im Bereich Umweltbildung tätig und mein Schwerpunkt lag in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Ich leitete Freizeitgruppen, gestaltete Programme für den Schulunterricht und richtete Ferienfreizeiten mit naturnahen Themen aus. Im Sommer war das eine intensive Zeit, die eine längere Abwesenheit von meinem Dorf zur Folge hatte, denn die Feriencamps fanden aus logistischen Gründen in Orten statt, die geeignete Voraussetzungen für ein Zeltcamp boten. Zwar waren es ebenfalls malerische Orte, die auch in der Lausitz lagen, aber ich vermisste die Spree sehr und mein Dorf, in dem ich seit einiger Zeit schon ein geeignetes Grundstück ins Auge gefasst hatte. Meine Begeisterung kannte keine Grenzen, als es mir endlich gelang, das unmittelbar angrenzende Grundstück von meinen Nachbarn zu erwerben. Hier am Ufer der Spree sollte das »Spreecamp« entstehen, der Ort an dem ich, ohne verreisen zu müssen, meine Ferienveranstaltungen durchführen konnte. Noch konnte ich nicht ahnen, wie das mein Leben verändern sollte.

Der einzige Luxus dieses Domizils bestand aus einem alten Kofferradio und einem Laptop.

Die Idee war zunächst, das Camp vor allem in den Sommermonaten zu nutzen. Dann konnten Zelte aufgestellt werden, auch eine Badestelle an der Spree war schnell eingerichtet. Bald aber stellte sich heraus, dass es selbst für mich eine Herausforderung war, den ganzen Sommer lang unter einem Tarp zu kampieren – einer Art Gewebeplane, die ich über meinem Schlafplatz aufgebaut hatte. In einem Zelt fühle ich mich immer sehr eingeengt. Es fehlen Fenster, die Verbindung zur Welt da draußen. Die Lösung ergab sich bald, denn ich konnte von unserem Fußballverein im Dorf einen alten Bauwagen übernehmen. Dieser wurde zur neuen Basis im Camp. Um die elektrische Versorgung zu gewährleisten, wurde schnell eine provisorische Verlängerung vom Wohnhaus gelegt. Der Zweiachser-Bauwagen beherbergte alle Dinge, die nicht im Freien gelagert werden konnten, und war von nun an Büro und Schlafstätte für mich. Das sollte den ganzen Sommer über so bleiben, denn schließlich musste ich als Campleiter immer in der Nähe der Kinder sein. Der einzige Luxus dieses Domizils bestand aus einem alten Kofferradio und einem Laptop, der für die Erledigung der Büroarbeiten nützlich war. Der Frontseite des Bauwagens verpasste ich gemeinsam mit den Kindern einen bunten Anstrich und von nun an fühlte ich mich ein wenig wie Peter Lustig aus der Sendung Löwenzahn.

Schon im ersten Sommer entstanden einfache Bauten, auch wenn das nicht so geplant war. Ursprünglich wollte ich nur ein Kompostklo bauen, aber schon bald kam eine überdachte Kochstelle hinzu. Ersteres ist natürlich unentbehrlich, aber auch die Kochstelle war uns bei Regen inzwischen sehr willkommen; trotzdem kochten wir weiterhin viel am offenen Feuer. Gegessen wurde einfach unter freiem Himmel und bei schlechtem Wetter spannten wir zunächst noch eine Plane auf. So verging der erste Sommer im Spreecamp und bis in den Herbst hinein wurde daran gearbeitet, das Gelände zu optimieren, das anfangs lediglich aus einer Wiesenfläche bestand, die von allen Seiten einsehbar war. Dieser Zustand sollte sich auf jeden Fall ändern, denn das Camp befand sich außerdem in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fußballplatz des Sportvereins. Also begannen wir Hecken als Sicht- und Lärmschutz anzulegen, und das natürlich nur mit einheimischen Gewächsen. Hier in der Lausitz, wo der Boden nicht viel hergibt, da es sich meistens um Sand handelt, ist eine solche Bepflanzung eine langwierige Angelegenheit, da nicht alle Pflanzen hier wachsen und gedeihen können.

Noch heute bin ich froh über diese Entscheidung und jetzt, fast zwanzig Jahre später, sind es die Hecken, Bäume und Sträucher, die den Charakter des Camps wesentlich prägen. Außerdem haben diese Maßnahmen über die Jahre dafür gesorgt, dass die Artenvielfalt auf dem Gelände sich sehr zum Positiven entwickelte. So hat die Anzahl der Brutvögel beträchtlich zugenommen, neben Amsel, Buchfink und Star haben sich inzwischen auch der Wendehals, Fliegenschnepper und Gartenrotschwanz, um nur einige nicht alltägliche Arten zu nennen, im Camp eingestellt. Dieser positive Trend zeigt sich aber auch bei den Säugetieren, Reptilien und Amphibien und den Insekten, selbst bei den Pflanzen; Jahr für Jahr entdecke ich neue Arten.

Ich hatte das Gefühl, im Steinhaus nicht atmen zu können.

Während der Sommer sich dahinzog und in einen milden Herbst überging, bewohnte ich noch immer den Bauwagen, auch wenn die Kinder das Camp schon lange verlassen hatten. Was sollte ich auch im ehemaligen Forsthaus, in dem ich eigentlich wohnte, wenn es doch hier genug zu tun gab. Irgendwann aber war alles an geplanter Arbeit erledigt, und ich beschloss, den Bauwagen zu verlassen, bald würde es kälter werden, und so packte ich meine wenigen Sachen und zog wieder im Forsthaus ein. Schon die erste Nacht aber ließ mich nicht ruhig schlafen, und ich hatte das Gefühl, im Steinhaus nicht atmen zu können. Hinter den dicken Mauern fühlte ich mich abgeschnitten von der Natur, schließlich brauchte ich im Bauwagen nur eine Tür aufzustoßen und schon war ich mittendrin. Also beschloss ich schon am nächsten Tag, wieder mein buntes Sommerquartier zu beziehen, und sofort ging es mir gut mit meiner Entscheidung. Die dünnen Wände schafften keine Distanz zur Außenwelt, eine Distanz war für mich im Steinhaus allgegenwärtig.

Und so wurde meine vorübergehende Sommerunterkunft meine Behausung für die nächsten Monate. Hier befand sich mein Bett auf Höhe des Fensters, und wenn ich die Augen aufschlug, blickte ich direkt auf die Flussaue. Nachts, wenn der Regen auf das Blechdach trommelte, klang das für mich wie Musik, und ich machte es mir unter meiner großen Decke bequem, die ich aus mehreren Schaffellen zusammengenäht hatte. Den Bauwagen hatte ich inzwischen nach meinen Bedürfnissen optimiert, zu einem Drittel bestand er aus einem großen Bett, unter dem es reichlich Stauraum gab. Ein alter Küchenschrank, ein Tisch und zwei Stühle komplettierten die Einrichtung. Für Wärme sorgte ein alter Ofen, den mir ein Freund geschenkt hatte. Es handelte sich um einen gusseisernen Grundkörper, ohne die Möglichkeit, Wärme zu speichern. Also stapelte ich gebrannte Tonziegel um die gusseiserne Wandung, die die Wärme etwas länger hielten. Das war zwar nicht der effektivste Wärmespeicher, aber auf jeden Fall eine bessere Lösung, um die Energie nicht sinnlos zu verschwenden. Einen Wasseranschluss gab es natürlich nicht, und so holte ich das benötigte Trinkwasser mit einem Kanister aus meinem 200 Meter entfernten Forsthaus. Ich genoss es, morgens aus meinem Bauwagen zu treten und Regen, Sonne oder Schnee direkt auf der Haut zu spüren. Meistens begann der Tag für mich mit einem Bad in der Spree, nur bei Hochwasser verzichtete ich aus Sicherheitsgründen darauf. Wenn es ausreichend Schnee gab, war ein Bad dagegen ein besonderer Hochgenuss.

»Alles, was man braucht.«

»Alles, was man braucht«, ging es mir durch den Kopf, wenn ich mich im Bauwagen umsah. Ich hatte mich befreit von unnötigem Ballast. Es mag wie ein Widerspruch klingen: Das Forsthaus war einerseits zur groß für mich geworden, andererseits fühlte ich mich eingeengt durch die über die Jahre angesammelten Dinge, die teilweise schon lange keine Beachtung mehr fanden. Die steinernen Wände, beherbergten aber nicht nur Vergessenes, sondern auch Sachen, von deren Unverzichtbarkeit ich vor nicht allzu langer Zeit noch überzeugt war. Dazu gehörten Gerätschaften, die gern in der Werbung angepriesen werden und uns angeblich das Leben vereinfachen, oder auch Dinge, ohne die angeblich eine sinnvolle Freizeitgestaltung unmöglich ist. Wäschetrockner, Spülmaschine, Mikrowelle und Fernseher stehen stellvertretend für Errungenschaften der Zivilisation, denen ich bis heute keine Träne nachweine. Dinge, mit denen man sich allmählich freiwillig in eine Sklaverei begibt, denn schließlich muss man dafür arbeiten, damit man sie sich leisten kann, und wenn man meint, endlich alles zu besitzen, werden schon wieder neue Begehrlichkeiten geweckt.

Diesem Teufelskreis war ich vorerst entkommen und staunte nicht schlecht, wie wenig ich all das vermisste, nachdem ich endlich den Mut hatte loszulassen. Noch machte ich mir keine Gedanken darüber, wie lange dieses Leben im Bauwagen andauern würde, warum auch, ich hatte ja jederzeit die Option, wieder in das Forsthaus zu ziehen. Ich hatte aber niemals auch nur für einen Moment dieses Bedürfnis, und so wurde der Zweiachser für zwei Jahre mein Zuhause. Als irgendwann nach dem ersten Winter ein Artikel über mich in einer Regionalzeitung erschien, wurde auch über mein Leben in der alternativen Unterkunft berichtet. Meinen Eltern war das damals peinlich, auf dem Land hat schließlich noch Bedeutung, »was die Leute dazu sagen«, schließlich weicht ein solches Leben von den üblichen Normen ab. Dörfliches Gerede – sobald man etwas darauf gibt, begibt man sich in Zwänge, und dann ist das eigene Handeln nicht mehr selbstbestimmt. »Ist mir egal«, lautet auch heute noch meine pauschale Antwort auf derlei Bedenken.

Diese Zeit im Bauwagen war für mich eine sehr lehrreiche, und ich bin froh, diesen Schritt getan zu haben. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich jemals wieder in einem Haus wohnen würde. Inzwischen ist mir bewusst, dass es keine Rolle spielt, in welcher Behausung man lebt. Menschen leben in Hütten, Tipis, Bauwagen oder Schlössern, in Wohnwagen, Jurten oder Baumhäusern, in der zehnten Etage eines Hochhauses oder im liebevoll restaurierten Bauerngehöft. Entscheidend ist, dass man es aus freien Stücken tut und diese Unterkunft geeignet ist, die jeweiligen Bedürfnisse zu befriedigen, und die Möglichkeit bietet, sich selbst zu verwirklichen. Während ich darüber nachdenke, sehe ich, wie das Eichhörnchen zurückkehrt in seinen Kobel. Ich habe es heute schon an der Futterstelle für die Wildvögel gesehen, sicher hat es sich da satt gefressen und wird sich nun behaglich in seinem Nest zusammenrollen. Keine schlechte Wahl, im Spreecamp das Nest zu bauen.

Ein Plan nimmt Gestalt an

Das Camp war nach den ersten zwei Jahren nicht nur für Ferienfreizeiten bekannt, es gab nun auch erste Veranstaltungen für Erwachsene. Obwohl es kaum beworben wurde, fanden sich auch regelmäßig durchreisende Radler ein. Es hatte sich als Geheimtipp herumgesprochen, dabei war es keinesfalls komfortabel und konnte nicht ansatzweise dem Vergleich mit einem Campingplatz standhalten. Aber das sollte es auch nie werden. Nicht nur, dass ich mich vor einer Ansammlung spießiger nebeneinander errichteter, jedoch strikt voneinander abgegrenzter Zeltburgen fürchtete, ich hatte einfach keine Lust, zum Platzwart zu mutieren. Abgesehen davon, dass ein »netter« Platz mit einem gewissen Komfort Besucher anziehen würde, die ich einfach nicht zu meinen Gästen zählen wollte, barg eine komfortablere Ausstattung auch immer die Gefahr, dass nach mehr verlangt würde. »Warum gibt’s denn nur kaltes Wasser in den Duschen?«, hörte ich schon die ersten Gäste lamentieren. Oder: »Das Klo ist verstopft!« Was für eine Horrorvorstellung! Fest stand, dass dann auch alles mit einem höheren Aufwand betrieben werden müsste, ganz abgesehen von ständig anfallenden Reparaturen. Nein, niemals, nicht mit mir! Wie ich darauf komme? Ganz einfach, es gab immer wieder gut gemeinte Ratschläge von Gästen, was ich im Camp alles tun und verbessern könnte. Die meisten ignorierte ich einfach, und das war gut so.

Inzwischen war fast ein Jahr vergangen, seit ich von dem Seminarteilnehmer zum Blockhausbau angeregt wurde. Während ich an meinen Plänen für das Blockhaus arbeitete, wurde mir auch klar, dass einige Voraussetzungen für den Bau von großem Vorteil wären. Dazu zählte unter anderem ein Stromanschluss, der auch größere elektrische Geräte mit ausreichender Energie versorgen könnte. Ursprünglich war ich überzeugt davon, dass ich darauf verzichten könnte, aber damals stand ja auch kein Blockhaus auf dem Zettel. Also plante ich, vom Forsthaus aus ein Erdkabel zu verlegen, und dafür musste ich immerhin einen Graben von über 200 Meter Länge ausheben. Mit einer Firma und der nötigen Technik wäre das alles kein Problem gewesen, doch leider hielten sich meine finanziellen Möglichkeiten nach wie vor sehr in Grenzen, denn schließlich musste ich noch einiges an Material und Technik für den Bau der Blockhütte anschaffen. Aber immerhin war es möglich, einen Minibagger auszuleihen. Im Freundeskreis fand ich dann auch jemanden, der den Kleinen auch bedienen konnte, und weitere Freunde standen für ein langes Wochenende mit Schaufel und Spaten parat. Bei der Gelegenheit wollte ich auch gleich eine Wasserleitung und ein Telefonkabel verlegen und so wurde die ganze Aktion an einem Wochenende im Mai durchgeführt.

Freunde standen für ein langes Wochenende mit Schaufel und Spaten parat.

Immer wieder bin ich erstaunt, wie es Kommunen schaffen, über Jahre für Dauerbaustellen zu sorgen, wenn Medienträger verlegt werden sollen. Nie hat sich mir erschlossen, was da in den Köpfen der Planer vor sich geht. Es werden Abwasserleitungen verlegt und alles wird wieder versiegelt, um im nächsten Jahr die neue Stromleitung anzuschließen, und kaum ist das abgeschlossen, hat man endlich die Zusage für die neue Wasserleitung, aber leider hat keiner damit rechnen können, das es kurz darauf auch grünes Licht für schnelles Internet gibt und somit auch für das Glasfaserkabel, das jetzt nur noch unter die Erde muss. Vielleicht übertreibe ich auch ein wenig, aber ich bin davon überzeugt, dass wir mit etwas weniger Bürokratie viele Dinge schneller bewegen könnten.

Auch auf meiner Baustelle verlief nicht alles reibungslos. Abgesehen davon, dass der Graben immer wieder in bestimmten Bereichen einbrach, was eine große Herausforderung für alle Beteiligen darstellte, gab es am Abend eine böse Überraschung. Gerade als wir uns im Camp unter einem Dach vor einem Gewitter mit starken Böen erholten und uns frischen Spargel zum Abendessen gönnten, teilte uns ein Nachbar mit, dass die alte Linde an der Straße auf das Stallgebäude vom Forsthaus gestürzt war. Mir war der Appetit vergangen, aber nachdem ich den Schaden begutachtet hatte, war klar, da konnte erst am nächsten Tag mit Hilfe der Feuerwehr etwas getan werden. Wir ließen uns also die Laune nicht verderben und machten uns einen gemütlichen Abend, denn wer arbeitet, soll auch Spaß haben.

Entwurzelt durch den Gewittersturm lag der einst so stolze Riese hilflos auf dem Stallgebäude.

Am nächsten Morgen waren zwei Feuerwehrautos mit ihren Besatzungen vorgefahren, um den Baum vom Dach des Hauses zu entfernen. Erst am Tage wurde mir klar, dass es für den Baum keine Rettung gab. Entwurzelt durch den Gewittersturm lag der einst so stolze Riese hilflos auf dem Stallgebäude und aus dem Erdreich um den Wurzelteller ragten einzelne abgerissene Wurzeln, die bis zuletzt verzweifelt versucht hatten, den Baum zu halten. Der Schaden am Gebäude war erstaunlich gering ausgefallen, und so war es der Verlust des Baumes, der mich am meisten schmerzte. Der Großvater des Nachbarn hatte die Linde vor langer Zeit gepflanzt. Sie war inzwischen zu einem stattlichen Baum herangewachsen, der alljährlich zur Blütezeit im Juni mit seinem betörenden Duft viele Insekten anlockte. Leider hatte der Baum, der dicht an der Straße stand, mehrmals Verletzungen im Wurzelwerk hinnehmen müssen, da über die Jahre verschiedene Baumaßnahmen an der Straße durchgeführt wurden. Die Versieglung mit einer Asphaltdecke tat ein Übriges. Traurig betrachtete ich den Baumstumpf, dessen frische Wunde in der Mitte des inzwischen wieder zurückgeklappten Wurzeltellers unübersehbar leuchtete. In diesem Moment kam mir der Gedanke, den Baum wieder zu neuem Leben zu erwecken. Doch das musste noch warten, zuerst wollte ich die Erdarbeiten im Camp abschließen.

Mit vereinter Kraft wurden bis zum Tagesende die letzten Meter bewältigt und Kabel und Wasserleitung erfolgreich unter die Erde gebracht. Damit war eine wichtige Etappe abgeschlossen. Von nun an gab es Strom und Trinkwasser im Camp, eine enorme Bereicherung und gute Basis für die Bauarbeiten an der Hütte. Bevor ich aber weitere Pläne umsetzten konnte, musste ich mich um die Überreste der alten Linde kümmern, denn der Wurzelballen war ein Schandfleck an der Straße, der entsorgt werden musste. Einen Dorfbewohner, der im Besitz eines alten rumänischen Baggers war, konnte ich für meinen Plan gewinnen. Wir bargen vorsichtig den Baumstumpf mit den restlichen verbliebenen Wurzeln. Viel Hoffnung machte ich mir nicht, aber da die Linde ein sehr hartnäckiger Lebenskünstler unter den Bäumen ist, war es einen Versuch wert. Im Spreecamp hatte ich einen geeigneten Platz ausgewählt, an dem der Baum eine neue Chance erhielt. Linden bilden an Wurzelstöcken immer wieder Austriebe, die zu neuer Pracht heranwachsen können, und so konnte auch dieser Baum überleben.

Inzwischen hatte ich mich natürlich weiter mit meinem Blockhausprojekt beschäftigt und vor allem die Abende genutzt, um wichtige Vorbereitungen zu treffen. Da ich schon aus Kostengründen nach Möglichkeit alles selbst tun wollte, war mir schnell klar, dass ich auch das benötigte Holz aus dem Wald holen und aufarbeiten musste. Während dieser Teil für mich realisierbar schien, schließlich hatte ich früher selbst beim Forstbetrieb gearbeitet, zweifelte ich noch immer, ob ich die Baumstämme auch selbst aufarbeiten wollte. Dafür gab es die verschiedensten Möglichkeiten und diese wiederum waren abhängig von der Bauweise.

Naturstammhaus bauen oder eher ein Haus in schwedischer Art?

Nach einigen Recherchen musste ich eine wichtige Entscheidung fällen. Wollte ich ein Naturstammhaus bauen oder eher ein Haus in schwedischer Art, aus bearbeiteten Balken? Von vornherein bedacht werden musste, wie das Haus später aussehen sollte, welche Bauweise und Verarbeitung der benötigten Baumstämme man wählt und welche Menge und Beschaffenheit des Holzes man braucht. In der Naturstammbauweise werden Holzstämme verwendet, die im Großen und Ganzen, nachdem sie geschält sind, so belassen werden. Solche Gebäude wirken auf mich sehr wuchtig und auch die Innenräume werden dadurch stark geprägt, sodass ich mich persönlich sehr eingeengt fühle, vor allem wenn es sich um kleinere Hütten handelt. Dieser Baustil eignet sich daher eher für größere Gebäude, aber das ist natürlich auch Geschmackssache.

Ich hatte mich dagegen entschieden, denn persönlich mag ich die bearbeiteten Balken mehr, zumal in solchen Häusern die Wände im Inneren auch gerade Flächen bilden. Wer zuerst an industriemäßig angefertigte Gartenhäuschen, wie man sie im Baumarkt findet, denkt, könnte schnell der Meinung sein, dass eine solche Blockhütte eher langweilig aussieht. Aber das liegt daran, dass man bei solchen Häusern gehobelte Hölzer verwendet, die präzise auf den Millimeter genau vorher industriell aufgesägt werden. Das kam für mein Projekt nicht infrage, ich wollte mein Holz auf dem Stock, also als stehenden Baum im Wald kaufen und es selbst aufbereiten.