Mein Leben mit Hashimoto - Vanessa Blumhagen - E-Book

Mein Leben mit Hashimoto E-Book

Blumhagen Vanessa

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Beschreibung

Schlafstörungen, Depressionen, unkontrollierte Gewichtszunahme, plötzlich auftretende Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Haarausfall – erkennen Sie sich in diesen Beschwerden wieder? Dann sind Sie möglicherweise eine von 10 Millionen Deutschen, die an Hashimoto Thyreoiditis leiden, einer Autoimmunerkrankung, in deren Verlauf der Körper die eigene Schilddrüse angreift und letztlich zerstört. Vanessa Blumhagen durchlitt eine dreijährige Odyssee zu unterschiedlichsten Ärzten und erhielt eine Menge falscher Diagnosen, bis man endlich herausfand, was ihr fehlte. Sie suchte Hilfe bei amerikanischen Experten, recherchierte in Internet-Foren und probierte vieles aus, um ihre Beschwerden in den Griff zu bekommen. In ihrem ersten Buch Jeden Tag wurde ich dicker und müder hat sie alle Erfahrungen zusammengefasst, erzählt von ihrem Leidensweg, ihrer Hartnäckigkeit und davon, was ihr schließlich geholfen hat. Mit Die Hashimoto-Diät liefert sie einen umfassenden und detailliert recherchierten Ratgeber, in dem sie beschreibt, wie sie elf Kilo, die sie ungewollt zugenommen hatte, wieder loswurde und zu ihrem Wohlfühlgewicht zurückfand. Sie erläutert alle Bausteine, von Medikamenteneinnahme über spezielle Ernährung bis hin zur nachhaltigen Veränderung von Gewohnheiten, die wirksam gegen die überflüssigen Kilos sind, und Hashimoto Patienten zurück zu ihrem Wohlbefinden führen.

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Seitenzahl: 348

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.  

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

 

5. Auflage der Sonderausgabe 2018

 

© 2017 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

 

Die Originalausgabe von Jeden Tag wurde ich dicker und müder. Mein Leben mit Hashimoto ist 2014 in der 7. Auflage erschienen. © 2013 by mvg Verlag.

Redaktion: Dr. Diana Zilliges, MurnauSatz: Georg Stadler, München

Die Originalausgabe von Die Hashimoto Diät. Wie Sie trotz Ihrer Krankheit schlank und fit werden und sich in Ihrem Körper wohlfühlen  ist 2014 in der 5. Auflage erschienen. © 2014 by mvg Verlag.

Redaktion: Antje Steinhäuser, München

Satz: Grafikstudio Foerster, Belgern

Umschlaggestaltung: Laura Osswald

Umschlagabbildung: © Oliver Reetz

Satz: Grafikstudio Foerster, Belgern

 

ISBN Print 978-3-86882-869-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-121-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-122-7

 

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

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Inhalt
Vorwort
Kapitel 1 Ein Gehirntumor? Multiple Sklerose? Oder bilde ich mir alles nur ein …Meine Geschichte
Es geht bergab
Endlich ein Lichtblick!
Der absolute Tiefpunkt
Weiter ging’s mit der Suche ...
Die Psyche soll’s sein!
Ein ahnungsloser Endokrinologe
Das Jahr der Veränderungen
Das Feintuning
Der richtige Weg
Kapitel 2 Hab ich’s auch? Die Symptome
Anatomie
Hashimoto Thyreoiditis – die Definition
Ursachen
Symptome
Kapitel 3 Ultraschall & Bluttests – und was die Werte wirklich aussagen
TSH, T4 und T3
Antikörper
Ultraschall und weitere Messverfahren
Kapitel 4 Schilddrüsenhormone und ihre Dosierung – und warum sie nicht das Allheilmittel sind
Die Einnahme der Hormone
Schilddrüsenhormone allein reichen nicht
Kapitel 5 Meine Checkliste
Hormone, die heimlichen Herrscher
Die Details meiner Checkliste
Kapitel 6 Ernährung – Jod, Gluten & Milchprodukte
Achtung: Jod!
Kuhmilch
Gluten
Brokkoli & Co.
Soja
Kapitel 7 Abnehmen. Bye, bye Kilos! Hallo Stoffwechsel!
Bye, bye Kohlenhydrate
Gesund & aktiv
Detox
Schlaf & Stress
Progesteron & Östrogen
Sport
Wasser
Eiweißmangel
Medikamente
Nahrungsmittelallergien
Kleine Helfer beim Abnehmen
Kapitel 8 Entgiften! Den Körper »ausmisten«! Ihre Leber wird es Ihnen danken
Schüßler-Salze
DOL ALEX Kalzium & Magnesium
Zeolith
Phönix-Kur
Colon-Hydro-Therapie
Chlorophyll & Gerstengrassaft
Alpha-Liponsäure
Vitamine, Vitamine, Vitamine!
Schlusswort
Buch & Web
Büchertipps
Hashimoto und Hilfreiches im World Wide Web
Danksagung

Vorwort

Sie halten dieses Buch in Händen, weil es Ihnen nicht gut geht, Sie sich nicht wohlfühlen – und kein Arzt Ihnen weiterhelfen kann. Die Diagnose Hashimoto lässt die meisten Betroffenen in einem unglücklichen Zustand zurück. So erging es auch mir. Vier Jahre lang pendelte ich zwischen der gut gelaunten Fernsehwelt und meiner bedrückenden privaten Realität hin und her. Aber ich wollte mich damit nicht abfinden und habe mir Stück für Stück (aber nicht ohne Rückschläge) mein Wohlbefinden zurückerobert. Ich will es gar nicht beschönigen: Das war ein harter Kampf. Aber ich habe es bis hierher geschafft und bin auf einem guten Weg!

Und ich möchte, dass auch Sie Ihr Leben wieder zurückbekommen. Ja, ich weiß! Das hört sich vermessen an, übertrieben, vielleicht sogar unverschämt. Und ich kann mir Ihr ungläubiges, eventuell sogar empörtes Gesicht gerade sehr gut vorstellen. Aber was ich geschafft habe, bekommen Sie auch hin! Versprochen! Ich möchte, dass Sie Ihr Leben wieder genießen können, ohne Wenn und Aber. Ich wünsche mir, dass Sie wieder teilhaben an den Unternehmungen Ihrer Familie und Ihrer Freunde. Dass Sie morgens mit einem Lächeln erwachen und sich auf den Tag freuen, ohne ängstliche Vorahnung, dass irgendein körperliches oder seelisches Problem Ihnen einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Sie sollen wieder von ganz tief innen heraus strahlen! Schauen Sie mich an: Das geht, auch mit Hashimoto. Lassen Sie es uns angehen, jetzt, sofort ...

Ihre Vanessa Blumhagen

 

Am Ende wird alles gut.

Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.

 

Oscar Wilde

Kapitel 1Ein Gehirntumor? Multiple Sklerose? Oder bilde ich mir alles nur ein …Meine Geschichte

Die Ampel sprang auf Rot und ich hielt an der Linie an. Die Menschen schlenderten über den Zebrastreifen am Mühlenkamp im Hamburger Stadtteil Winterhude. Es war ein sonniger Herbsttag im Oktober 2008. Ich hatte das Verdeck meines Autos aufgemacht und spürte die angenehme Wärme. Den Wagen hatte ich erst vor ein paar Tagen einem Freund abgekauft. Ein grauer Porsche Boxster mit cognacfarbenen Ledersitzen, sieben Jahre alt, aber schon lange mein Traumwagen. Ich hatte über Wochen mit dem Vorbesitzer gefeilscht, bis er ihn mir für einen bezahlbaren Preis überließ. Jetzt saß ich in dem Schmuckstück – und hätte eigentlich überglücklich sein müssen. Doch irgendetwas stimmte nicht. Ich fühlte mich nicht gut, irgendwie ...

Mit diesem diffusen Gefühl begann eine Reise, eine Suche, die mein ganzes Leben verändern sollte. Heute kann ich wieder lachen und mache Pläne, aber in den letzten vier Jahren gab es Phasen, da waren meine Gedanken sehr dunkel und ich hatte alle Hoffnung auf Besserung verloren. Zum Glück habe ich mich immer wieder aufgerafft und weitergesucht, ich habe Freunden und der Familie viele Sorgen bereitet, Ärzte genervt – und auch mal einen Rausschmiss provoziert. Ohne all das wäre es mir heute nicht möglich, dieses Buch zu schreiben.

Neben den leichten Stimmungsschwankungen plagten mich damals auch Schmerzen im unteren Rücken, vor allem beim Sport. Meine Trainerin schickte mich zur einer Osteopathin, die sich redlich um mich bemühte, nach ein paar Sitzungen aber entnervt aufgab. Die Beschwerden wurden einfach nicht besser. Auf ihre Empfehlung hin ging ich zu einem Allgemeinmediziner. Dr. S. schaute sich meinen Rücken an, nahm Blut ab und hörte sich geduldig an, was ich ihm zu erzählen hatte. Er machte eine Schwermetallausleitung und fand in meinem Blut Anzeichen für diverse Lebensmittelunverträglichkeiten. Ich sollte Eier, Soja, Kuhmilchprodukte und Schafmilch, Cashewkerne und Kichererbsen meiden. Gut, dachte ich, wenn’s mir dann besser geht. Ich konnte noch nicht ahnen, wie wichtig dieser Arzt in den kommenden Monaten und Jahren noch für mich werden würde ...

Zu dieser Zeit fing auch mein Gewicht an, langsam zu steigen, ohne Erklärung und ersichtlichen Grund. Das störte mich, natürlich! Vor allem, weil damals mein Fernsehengagement richtig losging. Einmal pro Woche war ich jetzt live und in voller Größe (und Breite) bei RTL Punkt 6 und Punkt 9 zu sehen. Damals noch im Stehen. Problemzonen kaschieren war da schwer möglich. Auch wenn keiner etwas sagte, ich fühlte mich nicht wohl im Kreis der ganzen schmalen Grazien.

So zogen sich die Monate hin, und trotz strenger Ernährungsregeln wurde ich immer unzufriedener und mein Körpergefühl nicht besser. Im Herbst 2009 war die Schauspielerin Anna Loos tagelang in den Medien, weil sie mit einer homöopathischen Kur innerhalb kürzester Zeit 15 Kilo abgenommen hatte. Im Gespräch mit ihrer Managerin verriet die mir, worum es sich dabei handelte und dass auch sie selbst mit der Methode schon mächtig Gewicht verloren hatte. Das ist meine Chance, dachte ich. Zufälligerweise war bei mir um die Ecke ein Heilpraktiker, der diese »Sanguinum«-Kur anbot. Kurz entschlossen machte ich dort einen Termin, und ein paar Tage später begann ich damit: Dreimal pro Woche bekam ich nun eine Spritze mit homöopathischen Mittelchen in den Po. Dazu musste ich meine Ernährung umstellen. Ich durfte keine Kohlenhydrate mehr essen, nur fettarmes Fleisch und Fisch, dazu viel Gemüse und Salat. Kein Obst, keine Nudeln, kein Reis oder Brot. Es dauerte ein bisschen, bis sich Erfolge einstellten. Ganz langsam ging mein Gewicht aber dann ein paar Kilo runter. Ich fühlte mich toll! Viele sprachen mich darauf an, sagten mir, wie gut ich aussähe. Schlussendlich war ich bei 57 Kilo angekommen.

Wenn ich mir heute die Bilder anschaue, denke ich, das war ein bisschen zu viel des Guten. Aber damals war ich einfach nur beflügelt und zufrieden. Ich fühlte mich wach, fit und belastungsfähig. Alles ist wieder gut, dachte ich. Heute glaube ich, dass ich damals einen ordentlichen Entzündungsschub der Schilddrüse hatte, der rein zufällig mit der homöopathischen Abnehmkur einherging. Im Januar 2010 begann dann der heftige Absturz, von heute auf morgen.

Es geht bergab

Mit rasanter Geschwindigkeit verschlechterte sich mein Zustand. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Es war einfach furchtbar und ich total hilflos! Gerade noch ging es mir blendend – und von jetzt auf gleich fühlte ich mich elend. Mein Gewicht stieg langsam, aber stetig wieder an. Ich schlief schlecht, war ständig müde und hatte »Watte im Kopf«. Ich konnte einfach nicht mehr richtig nachdenken. Ich hatte oft Schwierigkeiten, die passenden Wörter zu finden, und war auf einmal nicht mehr so schlagfertig und spontan wie sonst. Allmählich wurde meine Monatsregel immer schwächer, bis sie ganz ausblieb. Meine normalerweise puppenartig-perfekte Haut verwandelte sich in eine unberechenbare Zone. Einerseits war sie trocken und empfindlich, dann wieder bekam ich Pickel wie ein pubertierender Teenager. Besonders unangenehm war mir das, wenn ich bei RTL in der Maske saß und geschminkt wurde. Oder beim Friseur: Selbst auf der Kopfhaut konnte man die Knubbel spüren. Ich betete beim Haarewaschen still, dass es für die netten jungen Damen und Herren nicht zu ekelig war. Sie haben sich aber nie etwas anmerken lassen.

Richtig gefährlich wurde es, als meine Füße und Hände begannen, von jetzt auf gleich einfach einzuschlafen. Es kam mehr als einmal vor, dass ich an der Ampel anfahren wollte, aber in den paar Sekunden, in denen ich stand, das Gefühl aus meinen Füßen gewichen war. Mit heftigem Auftreten und Trampeln auf der Bodenplatte ging es dann meist schnell wieder. Hinter mir hupte es wütend, was die Situation nicht unbedingt angenehmer machte. Ich war nach jeder dieser Episoden nass geschwitzt, mein Herz raste und ich war froh, wenn ich heil angekommen war und aussteigen konnte. Nachts wachte ich regelmäßig auf, weil ein Arm oder Bein sich plötzlich wie ein toter Klumpen anfühlte, weil er eingeschlafen war. Wie ein wild gewordenes Rumpelstilzchen hüpfte ich ums Bett, um wieder Leben in die Gliedmaßen zu bringen. Oder ich schlug wie besessen meine Arme gegeneinander, bis sich ein leichtes Kribbeln einstellte und ich langsam spürte, dass das taube Anhängsel wieder zu mir gehörte. Natürlich wachte mein Mann jedes Mal auf und schaute mich entsetzt an. Aber er gewöhnte sich schnell an das nächtliche Spektakel, raunte meist nur etwas von »armes Ding« und drehte sich seufzend zur anderen Seite, um sofort wieder einzuschlafen.

Gleichzeitig veränderte sich auch mein Schriftbild. Ich hatte nie eine typische Mädchenhandschrift, eher ausladend und platzgreifend, schwungvoll, aber gleichmäßig. Doch plötzlich krakelte ich unleserliche Zeichen und Symbole aufs Papier. Ich hatte kein richtiges Gefühl mehr für den Stift in meiner Hand. Das kannte ich eigentlich nur, wenn ich früher nach zwei, drei Wochen Urlaub zum ersten Mal wieder einen Kuli in die Hand nahm. Die ersten Worte wirkten ungewohnt ungelenk, aber dann hatte man seine Schrift wieder gefunden. Nur diesmal hatte ich lange keinen Urlaub mehr gemacht. Doch die Zeilen blieben fast unleserlich – bis heute hat sich das nicht ganz wieder zum Alten gewendet.

Als es im Frühjahr 2010 immer wärmer wurde, kam noch ein Symptom dazu, das ich eigentlich nur von meinen Großmüttern kannte: Plötzlich bekam ich dicke Waden, wenn ich lange saß oder stand. Wassereinlagerungen. Meine Finger schwollen so stark an, dass ich meine Ringe nicht mehr an- oder ausziehen konnte. Manchmal waren die Schwellungen so schlimm, dass meine Beine und Finger richtig wehtaten.

Nachvollziehbar, dass ich mit all diesen unerklärlichen Wehwehchen nicht gerade glücklich war. Ich fühlte mich matt und ausgelaugt. Bei jedem morgendlichen Schritt auf die Waage fing ich an zu weinen, manchmal brach ich tränenüberströmt im Bad zusammen. Ich trampelte auch schon mal wie eine Furie auf dem Messgerät herum, solange, bis es kaputt war. In den vergangenen vier Jahren musste nicht nur eine Waage dran glauben. Aber relativ schnell stand jedes Mal wieder ein neues Exemplar in meinem Bad.

Ich zog mich immer mehr zurück, traf kaum mehr Freunde und unternahm nichts mehr. Mittlerweile flog ich zweimal pro Woche nach Köln zu RTL. Ich machte viel Sport, in der Hoffnung, dadurch endlich abzunehmen. Und ich saß bei diversen Ärzten im Wartezimmer rum. Mehr tat sich nicht mehr in meinem Leben. Ich war 32. Und todunglücklich.

Endlich ein Lichtblick!

In dieser Zeit standen potenzielle Krankheiten im Raum wie Rheuma, Multiple Sklerose oder ein Gehirntumor. Doch keine Befürchtung meines Arztes bestätigte sich – zum Glück. Dann gab es plötzlich eine Diagnose: Borreliose! Das war gar nicht so weit hergeholt. Schließlich bin ich im Badischen aufgewachsen, in einem Dreitausend-Seelen-Dorf, das praktisch direkt am Rhein und damit mitten in den Auen liegt. Im Sommer wimmelt es da nur so von Stechmücken, und die können – so weiß man heute – auch auf den Menschen Borreliose übertragen. Ich war erleichtert, endlich ein Anhaltspunkt! Wochenlang bekam ich jetzt von montags bis freitags Infusionen: ein spezielles Antibiotikum, B-Vitamine, Magnesium und Spurenelemente. Mehr als eine Stunde dauerte die Prozedur jedes Mal. Seit diesen Tagen bin ich mit den Arzthelferinnen in der Praxis meines Haus­arztes per Du. Ich sah sie in der Zeit ja öfter als meine Freundinnen.

Als ich über Pfingsten, wie jedes Jahr, mit meinen Eltern und meinem Mann nach Sylt fuhr, bekam ich von meinem Arzt eine große Tüte mit allen Medikamenten für die Infusionen mit. Und so marschierte ich am ersten Tag unseres Aufenthaltes in die Nordseeklinik in Westerland, wo mich die hiesigen Schwestern mit großen Augen anstarrten. Eine Ärztin erbarmte sich dann meiner und kam meiner Bitte nach, mir die Flüssigkeiten intravenös einzuflößen. Während meine Familie frühstückte, lag ich auf der Bahre und starrte an die triste Krankenhausdecke. Toller Urlaub! Aber auch das ging vorbei ...

Als man an meinen Armen keinen Infusionszugang mehr legen konnte, weil alle Venen vernarbt waren, beschlossen mein Arzt und ich, dass es jetzt genug sei. Leider waren die Beschwerden keineswegs verschwunden.

Um die Borreliose-Theorie aber trotzdem zu überprüfen, wurde mir von einem Neurologen Nervenwasser an der Wirbelsäule in Höhe des Lendenwirbels entnommen, eine sogenannte Lumbalpunktion. Obwohl sich das sehr unschön anhört, war der Eingriff selbst eher unproblematisch und komplett schmerzlos. Die Vorstellung allein, was der nette Doktor da hinten an meinem Rücken so anstellte, ließ mich trotzdem erschaudern. Dabei ahnte ich noch nicht, was mich einen Tag später heimsuchen sollte: die schlimmsten Kopfschmerzen meines Lebens. Und die blieben fast eine Woche! Im Liegen ging es mir ganz gut, aber sobald ich aufstand, wurde mir schwindelig und übel. Es fühlte sich an, als ob sich mein Gehirn an der Schädeldecke festsaugen würde. Ich schaffte es gerade zur Toilette und zurück. Mehr war nicht drin.

Nach drei Tagen in der Waagerechten schleppte ich mich todesmutig in einen Flieger nach München. Seit Wochen waren Dreharbeiten bei Gundis Zámbó zu Hause geplant. Wegen der Vulkanaschewolke und des daraus resultierenden Flugverbots hatte ich den Termin zuvor schon einmal absagen müssen. Das konnte ich kein zweites Mal bringen. Aber es war die Hölle! Im Taxi vom Flughafen zu Gundis’ Villa in Grünwald flehte ich den Neurologen am Handy an, mir Linderung zu verschaffen. Er faxte ein Rezept für extra starke Schmerztropfen an eine Apotheke, die auf dem Weg lag. Ich nahm gleich die doppelte Dosis – und hatte für knapp eine Stunde Ruhe. Immerhin. Auf dem Rückweg zum Flughafen kurbelte ich den Beifahrersitz im Auto des Tonassis­tenten so runter, dass ich fast flach lag. Der dachte auch, die Blumhagen spinnt. Aber was soll’s: Nur so konnte ich die Stunde Fahrt einigermaßen beschwerdefrei überstehen.

Der absolute Tiefpunkt

Das Nervenwasser war top, keine Borreliose, keine Diagnose, nichts. Der Neurologe, der die Untersuchung durchgeführt hatte, beugte sich zu mir her, schaute mir etwas herablassend in die Augen und sagte fast ein bisschen mitleidsvoll: »Frau Blumhagen, Sie sind absolut gesund. Da ist nichts! Fahren Sie in Urlaub. Spannen Sie mal richtig aus und hören Sie auf, nach etwas zu suchen, was nicht da ist.« Ich spürte, wie sich Entsetzen in mir breitmachte. Wollte dieser Schnösel mir etwa erzählen, dass ich mir alles nur einbilde? Wollte er mir sagen, dass ich spinne? Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich war so wütend, ich hätte platzen können! Stattdessen schnappte ich meine Tasche, stand wortlos auf und verließ eilends die Praxis. Im Treppenhaus machte sich das Gefühlschaos in mir Luft. Tränen liefen mir übers Gesicht, ich prustete, hustete, schimpfte laut. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich mich wieder gefangen hatte. In mir war die totale Leere. Ich fühlte mich ausgebrannt. Damit stand ich wieder am Anfang meiner Suche. Ich hätte einfach zusammenbrechen können auf dieser Treppe, in dem schicken Ärztehaus mitten in der Hamburger Innenstadt. Wieder umsonst gehofft. Und wieder ein Schlag ins Gesicht.

In dieser Zeit stieß ich oft an meine Grenzen. Auch wenn ich mich immer wieder aufrappelte, mich wieder pushte und weitermachte, ich war unterschwellig immer traurig und tief in mir sehr verzweifelt. Bei Jobs und wenn ich Freunde traf, versuchte ich meine Stimmungstiefs zu überspielen. Aber die, die mir nahestanden, merkten, dass es mir nicht gut ging.

Ich kann mich noch gut an eine Situation auf dem Flughafen Düsseldorf erinnern, die mir noch heute einen Schauder über den Rücken jagt – und die mir unendlich leidtut. Ich saß auf einer Bank in der großen Halle, hinter mir die Check-in-Schalter, mein Blick ging zur Tür. Ich konnte die schwer bepackten Reisenden beobachten, wie sie den Flughafen betraten, sich suchend umschauten. Familien und Paare auf dem Weg in den Urlaub, voller Vorfreude. Gestresste Geschäftsleute mit Handy am Ohr. Ich hatte zwei Sendungen bei RTL hinter mir, war um halb vier Uhr mitten in der Nacht aufgestanden und hatte den ganzen Morgen versucht, ein Lächeln auf den Lippen zu tragen. Jetzt, nachdem ich mich von dem netten Fahrer, der mich immer von Köln nach Düsseldorf brachte, verabschiedet hatte, fiel ich förmlich in mich zusammen.

Ich telefonierte mit meiner Mutter, die wissen wollte, wie es mir geht. Nichts Neues, immer das Gleiche. Sie versuchte, mich aufzubauen, mich zu trösten. Aber die lieb gemeinten Worte kamen gar nicht bei mir an, sie drangen kaum durch den Vorhang der Verzweiflung durch. Ich höre mich heute noch sagen: »Mama, wenn das Flugzeug nach Hamburg gleich mit mir abstürzt – ich wäre nicht traurig.« Am anderen Ende der Leitung: Stille. Ich glaube, sie hat versucht, ihre entsetzten Tränen hinunterzuschlucken. Wir haben danach nie über diese Situation gesprochen. Aber es tut mir leid, dass ich meinen Eltern und allen anderen lieben Menschen damals so viele Sorgen gemacht habe. Sie waren alle toll und unglaublich hilfsbereit. Heute weiß ich das zu schätzen, und ich hoffe, sie verzeihen mir meine Undankbarkeit und die verzweifelte Kälte aus jener Zeit.

Weiter ging’s mit der Suche ...

Als Nächstes schickte mich mein Hausarzt zu einem Darmspezialisten. Die Verdauung lahmte, und dann hatte ich ja noch all die unerklärlichen und plötzlich aufgetretenen Lebensmittelunverträglichkeiten. Außerdem hatte ich bei einem Fructoseintoleranztest mächtig reagiert. Damit stand für mich fest: Ab jetzt gibt es nur noch Eiweiß zu essen. Und so nahm ich wochenlang praktisch nur noch Fleisch und Ziegenkäse zu mir. Eier und Kuhmilchprodukte vertrug ich ja nicht, laut Allergietest.

Dr. R., ein freundlicher Mann Anfang 60, nahm sich eine Stunde Zeit für mich. Er hörte aufmerksam zu und beeindruckte mich mit seinem Wissen und vor allem seinem Verständnis für meine Lage. Diese professionelle Zuneigung – muss ich zugeben – nutzte ich in der folgenden Zeit auch mächtig aus. Wenn seine Therapie nicht sofort anschlug, schickte ich ihm auch am Wochenende Mails und SMS, denn ich wusste, dass er antworten würde. Schließlich hatte er mir seine Kontaktdaten selbst ausgehändigt. Später habe ich mich vielmals bei ihm für diesen Terror entschuldigt. Aber er blieb immer gelassen und verständnisvoll. Meinen fehlbesiedelten Darm bekam er gut in den Griff, die Unverträglichkeiten waren nach einigen Wochen Antibiotikakur zunächst mal verschwunden. Ich fing wieder an, Gemüse zu essen. Aber nichtsdestotrotz ging es mir weiterhin schlecht.

Auf Anraten meines Zahnarztes landete ich in der Adventszeit 2010 bei einem Heilpraktiker und Orthomolekularmediziner in Lübeck. Die Fahrt von Hamburg in die 75 Kilometer entfernte Hansestadt war wunderschön. Es hatte geschneit, war früh dunkel. In den Fenstern sah man überall Schwippbögen, die eine heimelige Atmosphäre verströmten. Ich setzte mal wieder alle Hoffnung in einen Fachmann. Der musste mir helfen. Er sah tatsächlich aus wie der Weihnachtsmann, weißer Rauschebart, ein bisschen fülliger, so um die 60 Jahre alt, ein gemütlicher Typ. Er hörte sich meine Geschichte geduldig an. Dann schaute er sich die mitgebrachten Blutergebnisse und andere Untersuchungsberichte an, legte sie zur Seite und erklärte mir, dass ich erst mal die Antibabypille weglassen müsste, genau wie all die anderen Medikamente. Er verschrieb mir spezielle Mineralien- und Spurenelement-Tabletten. Außerdem spritzte er mir in verschiedene Punkte auf dem Rücken und am Bauch homöopathische Lösungen. Das tat unglaublich weh. Plötzlich rannen mir Tränen über die Wangen, nicht nur wegen des überraschenden Schmerzes. Meine ganze Anspannung, die Hoffnung, jetzt endlich den Stein der Weisen gefunden zu haben, und die Enttäuschung, weil auch dieser Arzt wieder keine konkrete Idee zu haben schien, entluden sich in diesem Moment. Ich schluchzte, konnte mich kaum beruhigen. In den folgenden Wochen fuhr ich noch zweimal nach Lübeck. Aber schlussendlich brachten mich auch diese Besuche nicht weiter.

Die Psyche soll’s sein!

Also ging ich wieder zu meinem Hausarzt. Ich sah ihm an, dass ihm langsam, aber sicher die Ideen ausgingen. Er hatte einen Kollegen zu sich gebeten, den ich gut kannte, meinen Zahnarzt. Und so saßen mir diese beiden Herren gegenüber, seltsam schweigsam. Ich spürte eine unbekannte Distanz zwischen ihnen und mir. Endlich ergriff der eine das Wort: »Wir haben uns lange beraten und müssten jetzt doch mal die psychische Seite ins Spiel bringen!« Ich spürte, wie das pure Entsetzen in mir aufstieg, meine Halsschlagader pochte wie verrückt, mir wurde heiß und ich fing an, innerlich zu beben ... »Die Psyche hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Körper. Vielleicht ist das der Schlüssel zu Ihren Beschwerden.« Sie hätten auch schon einen Kollegen ausfindig gemacht, der sich meiner annehmen sollte. Schweigen. Ich holte tief Luft, schaute die beiden an, stand auf und zischte: »Darauf hab ich gewartet. Das ist ja wohl das Letzte! Einen schönen Abend, die Herren!« Ich riss die Tür des Behandlungszimmers auf, ließ sie hinter mir ins Schloss fallen und verließ wortlos die Praxis. Draußen blieb ich in der kalten Winterluft stehen und spürte Tränen der Wut und der Verzweiflung über mein Gesicht laufen. Die zwei Ärzte, denen ich am meisten vertraute, in die ich immer wieder neue Hoffnung gesetzt hatte, waren mir in den Rücken gefallen. Sie hatten mich in die Psychoecke gestellt, mich als Simulantin bezeichnet, als ob ich einen an der Klatsche hätte! So sah ich das damals. Ich war aufgelöst und verzweifelt, weil ich wusste, dass meine Psyche vollkommen in Ordnung war, bevor das ganze Drama begonnen hatte. Natürlich hatte meine Seele in den letzten Jahren gelitten. Kein Wunder! Aber sie war nicht der Auslöser, das wusste ich zu hundert Prozent.

Heute habe ich Verständnis für die beiden Mediziner. Sie haben alles versucht, was ihnen einfiel. Kein Bluttest, keine Untersuchung hatte ein Ergebnis gebracht. Keine Therapie hatte bisher angeschlagen. Und: Sie hatten definitiv einen langen Atem bewiesen. Zwei Jahre lang hatten sie mir immer wieder zugehört, sich immer wieder Gedanken gemacht, mit anderen Kollegen gesprochen, Bücher gewälzt, im Internet recherchiert. Dass schlussendlich die Schilddrüse und mein fehlgeleitetes Immunsystem die Auslöser sein sollten, hatten die beiden einfach übersehen, was nicht unbedingt nur ihre Schuld war ...

Ein ahnungsloser Endokrinologe

Ein paar Tage nach diesem Vorfall sprach ich noch einmal mit meinem Hausarzt. Ich hatte ihm die »Psycho-Nummer« längst verziehen. Und er hatte verstanden, dass das nicht der Schlüssel zu meinen Problemen sein konnte. Dr. S. hatte noch eine andere Idee und schickte mich zu einem Endokrinologen, wohl gemerkt: einem Hormonspezialisten! Gleich am nächsten Morgen bekam ich einen Termin bei Herrn Dr. K. Als der ergraute, aber streng auf Jugendlichkeit bedachte Mann das Behandlungszimmer betrat, sprudelten meine Geschichte, die Symptome und Beschwerden nur so aus mir heraus: »Ich will unbedingt abnehmen! Ich möchte meine gute Laune und mein Wohlbefinden zurück! Ich hab meine Tage nicht mehr, obwohl ich erst 33 bin! Bitte helfen Sie mir, am besten ganz schnell!« Er schaute mich erschrocken an: »Wie können Sie mich nur so unter Druck setzen!« Ich war sprachlos. Er nahm mir Blut ab – mal wieder.

Mittlerweile hatte sich diese Routineprozedur zu einem immensen Problem entwickelt. Durch die vielen Infusionen ein halbes Jahr zuvor waren meine Venen total vernarbt. Das heißt, die Schwester konnte sie zwar ertasten, aber wenn sie mit der Nadel reinstach, passierte nichts. Das bedeutete jedes Mal ein fröhliches Rumgestochere in meinen Armen und an den Händen. Ich blieb immer ruhig, schaute an die Decke, atmete tief ein und aus. Irgendwann musste die Tortur ja vorbeigehen. Nur die Herrschaften, die das Blut von mir haben wollten, wurden mit jedem Fehlversuch nervöser, was nicht unbedingt schneller zu einem befriedigenden Ergebnis führte. Ein Arzt versuchte einmal, auf meinem Handrü­cken eine Minivene anzustechen, was zuerst auch funktionierte. Doch nach ein paar Sekunden spürte ich einen kleinen stechenden Schmerz an der Stelle, wie einen Stromschlag. Die Ader war explodiert. Fast schon freudig rief der Arzt seine Helferinnen herbei, die sich das Schauspiel unbedingt anschauen sollten. In kürzester Zeit lief der Handrücken blau-lila an. Tagelang konnte ich kaum etwas richtig greifen – aber immerhin hatte der Arzt seine Show gehabt.

Auch bei dem Endokrinologen entwickelte sich die Blutabnahme zum Drama. Drei Damen standen schwitzend um mich herum, bis sie nach einer Dreiviertelstunde endlich die paar Röhrchen voll hatten. Danach stellte mich ihr Chef auf eine futuris­tisch anmutende Waage, die erbarmungslos die exakte Zusammensetzung meines Körpers ausspuckte. Ich hatte zu viel Körperfett. Ach was! Große Überraschung, dachte ich still bei mir. Dass ich mit Anfang 30 praktisch in den Wechseljahren steckte, interessierte ihn nicht die Bohne.

Ein paar Tage später waren die Blutergebnisse da. Ich hatte einen Testosteronmangel und zu wenig DHEA (ein Nebennierenhormon). Dr. K. verschrieb ein Testosterongel und DHEA-Tabletten. Ich sollte abends keine Kohlenhydrate mehr essen und ein bisschen etwas für den Muskelaufbau tun. Das war’s. Natürlich passierte mit dieser Medikation nichts. Unzufrieden schleppte ich mich durch die Weihnachtstage und ins neue Jahr 2011.

Dass die nächsten Monate einerseits einen Wendepunkt in meinem Leben bedeuten würden, aber andererseits auch noch viel Schmerzhaftes für mich bereithielten, konnte ich damals noch nicht ahnen.

Das Jahr der Veränderungen

Mitte Januar erreichte ich einen weiteren Tiefpunkt auf meiner Reise zur letztendlichen Diagnose. Ich war am Abend mit meinem Mann und seiner Familie essen. Eine Ausnahme, denn eigentlich verließ ich mittlerweile kaum mehr das Haus.

Die Verwandtschaft traf sich beim Asiaten. Ich aß ein wenig Geflügel und Gemüse. Als ich am nächsten Morgen auf die Waage stieg, traf mich fast der Schlag: 71 Kilo! Bei 57 Kilo hatte ich genau ein Jahr zuvor begonnen zuzunehmen. Ich griff zum Telefonhörer und machte der Arzthelferin des Endokrinologen unmissverständlich klar, dass ich sofort zu ihnen in die Praxis kommen würde. Keine halbe Stunde später war ich da. Und erntete wieder böse Blicke. Aber das war mir egal. Jetzt musste definitiv etwas passieren! Dr. K. schaute sich stirnrunzelnd noch mal meine Werte an. Und bemerkte dann, dass die Schilddrüsenwerte nicht ganz optimal waren. Wohlgemerkt mehr als drei Wochen, nachdem er die Blutergebnisse bekommen hatte! Er verschrieb mir 20 Mikrogramm Thybon, das stoffwechselaktive Schilddrüsenhormon T3. Ich sollte eine Tablette am Tag nehmen. Das würde das Gewicht reduzieren. Mehr sagte er mir nicht zur Einnahme oder zu einer möglichen Erkrankung.

Ich verließ die Praxis zwischen Bangen und Hoffen und bestellte die Tabletten sofort in der Apotheke. Abends hatte ich die Pa­ckung – und warf mir vorm Schlafengehen direkt eine ein. Natürlich konnte ich nicht gut schlafen oder besser: überhaupt nicht. Mein Herz raste, ich schwitzte und rannte ständig auf die Toilette. Aber egal, plötzlich passierte etwas in meinem Körper. Das fühlte sich gut an. Auch wenn ich nicht wusste, warum. Am nächsten Morgen hatte ich tatsächlich ein Kilogramm weniger auf der Waage. Unglaublich! Das erste Medikament, das Wirkung zeigte. Ich taumelte fast vor Glück. Und gleichzeitig stellte ich mir die Frage, was da wohl gerade in meinem Körper passierte! In den folgenden Wochen spielte ich mit der Dosierung herum, steigerte sie langsam. Und tatsächlich fühlte ich mich ein bisschen wacher und frischer.

Einige Zeit später lag ich an einem Mittwochabend in Köln im Hotelbett und starrte an die Decke des Zimmers. Ich wollte jetzt endlich wissen, was ich hatte, welche Krankheit all diese seltsamen Symptome auslöste. Und warum hatten gerade diese Tabletten plötzlich solch eine positive Wirkung? Ich schloss meine Augen und bestellte beim Universum – ich hatte gerade das Buch The Secret gelesen – die Antwort auf meine Frage: Was für eine Krankheit habe ich? Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich die Information bekomme. Mit einem Lächeln schlief ich ein.

Freitagnachmittag telefonierte ich mit einem Freund. Er war einer der wenigen, mit dem ich in den letzten Monaten offen über meine Beschwerden gesprochen hatte. Er litt mit mir und erkundigte sich regelmäßig nach meinem Befinden. Auch bei diesem Gespräch fragte er mich, wie es mir geht. Ich streifte die aktuellen Symptome nur kurz und erzählte ihm, dass ich immer noch nicht wusste, was für eine Krankheit ich denn überhaupt hätte. Plötzlich sagte er: »Eine Freundin hat auch solche Beschwerden. Sie hat eine Autoimmunerkrankung. Aber frag mich jetzt nicht, wie sie heißt ...« Ein Anhaltspunkt! Ich beendete das Telefonat schnell und begann im Internet zu suchen. Ich gab bei Google ein: Autoimmunerkrankung, Gewichtszunahme, Müdigkeit, Haarausfall, Schlafstörungen, ausbleibende Regel, Frieren. Und schon der zweite Treffer sprach von:Hashimoto Thyreoiditis.

Zwei Stunden lang saugte ich jede Info, jeden Satz, jedes Wort über diese Krankheit auf. Ich war mir sicher: Das ist es! Ich hatte das Gefühl, die Autoren der Texte mussten mich kennen! Das war meine Geschichte! Das waren meine Probleme! Als mein Mann am Abend nach Hause kam, fiel ich ihm überglücklich in die Arme. »Schatz, ich weiß jetzt, was ich habe: Hashimoto heißt die Krankheit! Mein Immunsystem zerstört meine Schilddrüse. Endlich! Ich bin so froh!« Er war noch etwas skeptisch. Schließlich hatte ich in den letzten Jahren mehr als einmal verlauten lassen, ich wüsste jetzt endlich, was ich habe. Aber diesmal sollte ich recht behalten!

Am Montag rief ich sofort meinen Hausarzt an. Gleich am nächs­ten Tag saß ich wieder vor ihm. Aber diesmal nicht verzweifelt und um Hilfe flehend, sondern siegessicher und in mir ruhend. Ich erzählte ihm von Hashimoto Thyreoiditis. Und er nickte. Zusammen schauten wir uns die Blutergebnisse der letzten Jahre an – und die waren eindeutig! Mein TSH-Wert (TSH steht für das die Schilddrüse stimulierende Hormon, je höher der Wert, desto stärker die Schilddrüsenunterfunktion) lag über 4 (für das Labor damit aber immer noch im Referenzbereich!), fT3 und fT4, die Schilddrüsenhormone, waren viel zu niedrig. Das Erschütternde war, dass ich mit meinem neuen Wissen die Schilddrüsenwerte der ersten Untersuchung im Jahr 2009 eindeutig als auffällig entlarven konnte. Und auch in einem Blutbild, das eine Heilpraktikerin im Herbst 2008 gemacht hatte, sah ich nun die Fehlfunktion. Das hätte doch mal jemandem auffallen müssen! Da die als normal geltenden Bereiche, die die Labors vorgeben, die sogenannten Referenzbereiche, aber so weit gefasst sind – und dem Stand der heutigen Wissenschaft definitiv nicht mehr entsprechen –, übersehen viele Ärzte eindeutige Zeichen. Sie halten sich eben an die Vorgaben ...

Zur Sicherheit checkte mein Hausarzt die Antikörper im Blut ab und schickte mich zum Ultraschall, um die Schilddrüse zu scannen. Ich war unglaublich nervös, als ich die Praxis betrat. Ich machte es mir auf einer Liege neben dem Ultraschallgerät bequem. Der Arzt drückte meinen Kopf unsanft nach hinten und begann mit dem Scankopf über meine Kehle zu fahren. Das war eine relativ kurze Prozedur, die damit endete, dass der junge Mann mir ein Papiertuch in die Hand drückte, damit ich das Kontaktgel abwischen konnte, und mir sagte: »Ihre Schilddrüse ist top. Da ist nichts, keine Knoten, keine Auffälligkeiten, nichts. Auch die Größe ist normal!« Wie vor den Kopf gestoßen, taumelte ich auf die Straße. Das konnte doch nicht wahr sein! Nicht, dass ich mir unbedingt wünschte, dass meine Schilddrüse zerfurcht, zerstört, vernarbt oder beschädigt war. Aber wenn ich nun wirklich Hashimoto hatte, musste das doch eigentlich im Ultraschall zu sehen sein!

Meinen nächsten Termin hatte ich bei einer Frauenärztin. Bei ihr wollte ich endlich klären lassen, warum meine Regel schon so lange ausblieb. Ich erzählte ihr von den Ereignissen der letzten Zeit – und sie schickte mich direkt ein Zimmer weiter zu ihrer Kollegin, einer Internistin. Das war der erste Mensch, der sofort etwas mit dieser Krankheit anfangen konnte. Sie nahm mir Blut ab und machte einen Ultraschall meiner Schilddrüse. Und von wegen, alles in Ordnung! Die Schilddrüse liegt in Form eines Schmetterlings in Höhe der Kehle am Hals. Auf der linken Seite war bei mir kaum mehr etwas von dem Organ zu sehen. Die andere Hälfte war wie von einem kleinen Holzwurm zerfurcht. Das konnte sogar ich als Laie sehen! »Die Entzündung haben Sie seit mindestens vier bis fünf Jahren«, sagte die Ärztin. Das deckte sich mit den Blutergebnissen, die ich bis in den Herbst 2008 zurückverfolgt hatte. Ein Gefühl von Beruhigung und Dankbarkeit stellte sich ein. Endlich hatte ich die Bestätigung, die Gewissheit, dass ich mir das alles nicht einbildete, dass es einen Grund für den Wahnsinn der letzten Jahre gab.

In diesem leichten Glückstaumel nahm ich kaum wahr, was die Internistin dann zu mir sagte: »In diesem Zustand würde ich Ihnen nicht raten, schwanger zu werden. Das Risiko für eine Fehlgeburt liegt bei über 40 Prozent.« Ein Baby war zwar nicht geplant, jedenfalls nicht in naher Zukunft. Aber so überrascht ich war, rutschte mir nur ein unbeholfenes »Ach, dann kaufen wir uns halt einen Mops« raus. In der nächsten Sekunde fand ich mich unglaublich unsensibel und tollpatschig. Aber die Frau im weißen Mantel lächelte mich nur milde an. Sie hatte wohl schon schlimmere Reaktionen erlebt.

So nett der erste Kontakt mit der Dame war, so kompliziert stellte sich die weitere Zusammenarbeit dar. Sie wollte mich unbedingt in ihr Behandlungsschema pressen, ließ meine Einwände und eigenen Erfahrungen nicht gelten. Auf ihr Geheiß hin ging ich mit der Dosis der Schilddrüsenhormone runter. Und obwohl es mir damit nicht gut ging, bestand sie darauf, dass ich so weitermachen sollte. Außerdem behielt sie Blutergebnisse tagelang für sich, und ich sollte jedes Mal zu ihr kommen, wenn ich sie erfahren wollte. Das hatte ich bei anderen Ärzten schon wesentlich unkomplizierter erlebt. Und so trennte ich mich von der Internistin.

Das Feintuning

Den Sommer 2011 über spielte ich mit der Schilddrüsenhormondosierung ein wenig herum. Erstaunlicherweise spürte ich kaum Nebenwirkungen, obwohl ich doch recht hoch eingestellt war. Im Urlaub in New York und Florida probierte ich einige Nahrungsergänzungsmittel und angebliche Fatburner aus, denn mit meinem Gewicht war ich immer noch nicht zufrieden. Doch es passierte nichts, zumindest nichts Spür- oder Sichtbares.

Nach den Ferien suchte ich mir eine neue Personal Trainerin. Drei Jahre lang hatte ich zweimal pro Woche Power Plate gemacht. Jetzt wollte ich etwas anderes ausprobieren und den Schwung und die Euphorie ausnutzen, die die Diagnose mir beschert hatte. Filiz war (und ist immer noch) ein absoluter Glückstreffer! Von der ersten Stunde an hatten wir unglaublich viel Spaß zusammen. Natürlich erzählte ich ihr gleich zu Anfang von meiner Krankheit und den damit verbundenen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Sie gab mir die Nummer eines befreundeten Heilpraktikers. Ich ging hin. Wie bei jedem Arzttermin brachte ich meine ganzen Unterlagen mit: Blutergebnisse, Untersuchungsberichte, eine Aufstellung der Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die ich aktuell einnahm. Herr S. hörte sich meine Schilderungen an, las die Berichte und die Liste quer. Und setzte dann zu einem Vortrag an: »Sie bringen sich mit all den Mitteln und den hoch dosierten Schilddrüsenhormonen um! Ich glaube, bei Ihnen liegt ein ganz großes psychisches Problem zugrunde, ein Kontrollzwang. Das müssen wir als Erstes ergründen.« Das alles sagte er in einem hypnotischen Tonfall, beruhigend fast. Aber das half nicht, in mir tobte es schon wieder. Nicht noch mal die Nummer, dachte ich! Ich riss mich zusammen und ließ die dilettantische Blutentnahme der offensichtlich sehr unlustigen Arzthelferin über mich ergehen. Wirklich neue Ergebnisse kamen dabei nicht heraus. Ich minderte – mal wieder – die Hormondosis. Ein Stuhltest ergab, dass ich angeblich unter einer Fructoseintoleranz litt. Das kam mir auch irgendwie bekannt vor.

Bei der nächsten Blutentnahme einige Zeit später, stocherte die herbeigerufene Ärztin sogar in meiner Leiste herum, um auch nur ein paar Tröpfchen herauszubekommen. Ich wusste ja schon, dass das ein Problem war. Aber solch dramatische Züge hatte das Ganze bisher noch nie angenommen. Nach dieser Tortur unter lokaler Betäubung hatte ich genug von dieser Praxis. Als der Heilpraktiker mir am Telefon die angeblich »schon viel besser gewordenen Werte« durchgab, beendete er das Gespräch mit der Bitte, »die Behandlung hiermit zu beenden«. Ich willigte erleichtert ein. Das wäre eh nicht mehr lange gut gegangen. Ich bin eben kein geborener Diplomat. Man merkt mir sofort an, wenn mir etwas gegen den Strich geht. Und dieser Mann samt seiner gesamten Mannschaft tat das. Und wie!

Ich marschierte mit der angeblichen Fructoseintoleranz also wieder zu meinem Darmspezialisten Dr. R. Diesmal war ich wesentlich entspannter als beim letzten Mal. Und er genauso hilfsbereit. Wie schon bei unserem ersten Zusammentreffen ärgerten mich böse Bakterien, sogenannte Clostridien, die sich in meinem Darm explosionsartig vermehrt hatten. Diese fiesen Gesellen ernähren sich hauptsächlich von Eiweiß und Fett. Und das aß ich im Rahmen meiner Lowcarb-Diät ja reichlich. Nach einigem erfolglosen Rumprobieren landete ich wieder bei zwei Antibiotika, die halfen. Insgesamt nahm ich die Tabletten mit Unterbrechungen mehr als drei Monate ein, bevor ich das Gefühl hatte, dass es genug war. Als es dem Ende der Einnahmephase zuging, bekam ich ein probiotisches Pulver verschrieben, um die Darmflora wieder aufzubauen, die durch die aggressiven Antibiotika angegriffen worden war. Das fühlte sich auch sehr gut an. Trotzdem sollten mich die Clostridien und der irritierte Darm noch einige Zeit begleiten.

In der Zwischenzeit hatte ich mit der Heilpraktikerin neu Kontakt aufgenommen, zu der mich mein Zahnarzt zu Beginn meiner Hashimoto-Karriere geschickt hatte. Aus unerfindlichen Gründen hatte ich ständig Wasser in den Beinen, und Kirsten war eine Göttin der Lymphdrainage. Die Stunden auf ihrer Liege waren eine Wohltat. Leider ohne langfristigen Erfolg. Aber so lernten wir uns persönlich recht gut kennen – und blieben über die Zeit sporadisch in Kontakt.

Angerufen hatte ich bei ihr, weil ich eine Stoffwechselkur machen wollte. Dabei wird aufgrund des Blutbildes eine Liste der Nahrungsmittel erstellt, die dem Körper guttun. Basis des Ganzen ist eine Art Blutgruppendiät, aber es werden noch mehr Parameter zurate gezogen. Um sich meine Situation genauer anzuschauen, machte Kirsten ein großes Blutbild und stellte fest, dass meine Bauchspeicheldrüse nicht mehr richtig arbeitete. Das bedeutet, dass nicht genug Verdauungssäfte gebildet werden, um die Nahrung vollständig zu zersetzten. Das war wohl auch der Auslöser für meine wiederholten Fehlbesiedlungen im Darm. Wird das Essen im Dünndarm nicht richtig verdaut, entsteht mit der Zeit ein Ungleichgewicht der Bakterienkulturen. Irgendwann kippt das ganze System. Bauchschmerzen, Verstopfung und/oder Durchfall, Blähungen und Unverträglichkeiten sind die Folge.

Kirsten verschrieb mir homöopathische Ampullen, die ich mir mithilfe von kleinen Spritzen in eine Bauchfalte selbst injizierte. Das kostete beim ersten Mal ordentlich Überwindung. Aber wenn man sich erst mal einen Ruck gegeben hat und der erste Piks überstanden ist, geht das schon. Durch diese mutige Selbsttherapie blieb mir immerhin ein Krankenhausaufenthalt erspart. Denn die Werte waren dramatisch schlecht. Aber sie erholten sich innerhalb einiger Wochen.

Dafür entdeckte Kirsten nach und nach zig andere Baustellen, die dringender Behandlung bedurften. Meine Leber war überlas­tet. Das war nicht wirklich überraschend bei den vielen Medikamenten, die ich in den letzten Jahren eingenommen hatte. Außerdem habe ich eine angeborene Entgiftungsschwäche, was das Ganze nicht unbedingt vereinfachte.

Einen großen Schritt nach vorn konnte ich allerdings erst machen, als Kirsten einen Progesteronmangel und eine Östrogendominanz bei mir diagnostizierte. Sie verschrieb mir eine natur­identische Progesteroncreme, und nach einigen Wochen waren die Werte besser. Und ich fühlte mich auch ganz gut, aber immer noch nicht hundertprozentig wohl.

Dann entdeckte sie auch noch, dass meine Nebennieren geschwächt waren, sprich meine DHEA- und Cortisol-Werte erschreckend niedrig waren. Das bedeutete, dass mein Körper auf Stress nicht mehr ausreichend reagieren konnte, ich fühlte mich ausgebrannt, dauererschöpft. Das bekam ich langfristig erst wieder in den Griff, als ich mein Leben wirklich ernsthaft umstellte: Kaffee war verboten. Ich versuchte, jeden Abend um 22 Uhr im Bett zu liegen und den schlimmsten Stress zu vermeiden. Es dauerte einige Zeit, doch nach ein paar Wochen waren meine Werte stabiler, ich war nicht mehr so fertig und die Schlafqualität hatte sich extrem verbessert.

Um die Nebenniere noch detaillierter abzuchecken, schickte mich mein Hausarzt zur Kernspintomografie. Auf dem Bild konnte man eine kleine »Verklumpung« an der linken Nebenniere erkennen, ein Adenom, eine gutartige Geschwulst, harmlos, aber zu beobachten. Nun gut, dachte ich, hab ich eben einen Mitbewohner. Und solange der keine Scherereien macht, stört er mich auch nicht weiter.

Mit diesem Befund und den anderen Werten meldete ich mich in der Schön-Klinik in Hamburg an. Sie war mir von dem Radiologen empfohlen worden, der die Kernspintomografie durchgeführt hatte. Und es sollte der vorerst letzte Besuch bei und der letzte Versuch mit einer Schulmedizinerin sein.

Ich kam zu diesem Termin wie üblich mit meinem dicken Leitz-Ordner voller Unterlagen und Papiere, einigen Büchern und einer Aufstellung meiner aktuellen Medikamente unterm Arm zur Tür herein. Dieser Anblick muss die junge Nachwuchsärztin extrem erschrocken haben. Ich spürte ihre Abneigung und Antipathie. So ein selbstbewusster Auftritt einer Patientin war hier nicht erwünscht. Die Dame hörte sich kurz meine Ausführungen an und sagte mir dann knallhart ins Gesicht: »Es gibt keine Nebennierenschwäche! Entweder sie funktioniert, oder sie funktioniert nicht. Dazwischen gibt es nichts.«

Ich legte ihr das Buch Grundlos erschöpft