Mein loser Faden - Dennis Cooper - E-Book

Mein loser Faden E-Book

Dennis Cooper

0,0

Beschreibung

Gilman ist der Anführer einer rechtsextremen Gruppe, die Todeslisten ihrer Mitschüler führt. Als Pete von Gilman den Auftrag bekommt, für 500 Dollar Bill zu töten, weil er dessen Notizbuch haben will, sucht Pete bei Larry Hilfe. Larry wirkt gefühlskalt und ist gewaltbereit, er erledigt den Job scheinbar ohne Mitgefühl. Aber Larry wird von Schuldgefühlen gequält, er glaubt sich verantwortlich für den Tod eines Freundes. Und er fühlt sich in Sorge zu seinem kleinen Bruder hingezogen, den er aber dennoch schwer misshandelt. Als Larry beginnt, im Notizbuch des ermordeten Bill zu lesen, nehmen seine Verwirrung und Zerrissenheit noch zu. Die Schraube der Gewalt wird immer fester angezogen, bis es kommt, wie es kommen muss – es fallen Schüsse … Verwirrung und Zerrissenheit und das Umfeld, aus dem jene hervorgehen, stehen im Zentrum von "Mein loser Faden", das neben Gus van Sants "Elephant" die wohl schockierendste Reise in den Kopf eines amerikanischen Teenagers ist. Cooper gelingt es meisterhaft, sich diesem heiklen Sujet ohne jeglichen Voyeurismus anzunähern, er zeigt erbarmungslos auf, dass Gewalt nicht nur die Ränder unserer Gesellschaft betrifft, sondern dass sie aus ihrer Mitte entspringt und ihr eine lange Entwicklung emotionaler Verwahrlosung vorausgeht. "Mein loser Faden" ist eine Reportage über jugendliche Depression, moralische Leere und die Verwirrungen der Liebe, es ist klaustrophobisch und das Erschütterndste daran ist die Erkenntnis, wie nahe Gewalt an Liebe oder besser dem Wunsch danach liegt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 177

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gilman ist der Anführer einer rechtsextremen Gruppe, die Todeslisten ihrer Mitschüler führt. Als Pete von Gilman den Auftrag bekommt, für 500 Dollar Bill zu töten, weil er dessen Notizbuch haben will, sucht Pete bei Larry Hilfe. Larry wirkt gefühlskalt und ist gewaltbereit, er erledigt den Job scheinbar ohne Mitgefühl. Aber Larry wird von Schuldgefühlen gequält, er glaubt sich verantwortlich für den Tod eines Freundes. Und er fühlt sich in Sorge zu seinem kleinen Bruder hingezogen, den er aber dennoch schwer misshandelt. Als Larry beginnt, im Notizbuch des ermordeten Bill zu lesen, nehmen seine Verwirrung und Zerrissenheit noch zu. Die Schraube der Gewalt wird immer fester angezogen, bis es kommt, wie es kommen muss – es fallen Schüsse …

Verwirrung und Zerrissenheit und das Umfeld, aus dem jene hervorgehen, stehen im Zentrum von Mein loser Faden, das neben Gus van Sants Elephant die wohl schockierendste Reise in den Kopf eines amerikanischen Teenagers ist. Cooper gelingt es meisterhaft, sich diesem heiklen Sujet ohne jeglichen Voyeurismus anzunähern, er zeigt erbarmungslos auf, dass Gewalt nicht nur die Ränder unserer Gesellschaft betrifft, sondern dass sie aus ihrer Mitte entspringt und ihr eine lange Entwicklung emotionaler Verwahrlosung vorausgeht. Mein loser Faden ist eine Reportage über jugendliche Depression, moralische Leere und die Verwirrungen der Liebe, es ist klaustrophobisch und das Erschütterndste daran ist die Erkenntnis, wie nahe Gewalt an Liebe oder besser dem Wunsch danach liegt.

DENNIS COOPER ist Autor von elf Romanen sowie zahlreichen Lyrikbänden und Sachbüchern. Seine Bücher wurden in 19 Sprachen übersetzt. Sein Roman The Sluts (2005, erscheint 2019 bei Luftschacht) gewann den Prix Sade und den Lambda Literary Award für den besten Roman des Jahres. Seine jüngsten Romane sind The Marbled Swarm (2012) und zwei einzigartige, international gefeierte Arbeiten, die zur Gänze aus animierten GIFs bestehen: Zac’s Haunted House (2015) und Zac’s Freight Elevator (2016). Er arbeitete für den Spielfilm Like Cattle Towards Glow (2015) mit dem Künstler und Regisseur Zac Farley zusammen und schreibt seit 2004 für den französischen Theaterdirektor und Choreographen Gisele Vienne. Zudem ist Cooper Chefredakteur des amerikanischen Verlagimprints Little House on the Bowery und ein weithin veröffentlichter Kunstkritiker und Journalist, sowie mitwirkender Redakteur des Artforum International Magazine.

Dennis Cooper lebt in Paris und Los Angeles.

www.dennis-cooper.netdenniscooperblog.comwww.kiddiepunk.com

RAIMUND VARGA, *1970 in Wien, wo er auch als Unterrichtender, Lektor und Übersetzer lebt.

Dennis Cooper

Mein loser Faden

Roman

aus dem amerikanischen Englisch vonRaimund Varga

Titel der amerikanischen Originalausgabe: My Loose Thread

Copyright © 2001 Dennis Cooper

First published simultaneously in Great Britain and the United States of America in 2002 by Canongate Books Ltd, 14 High Street, Edinburgh EH1 1TE

Diese Übersetzung folgt der Ausgabe von 2003.

ISBN-13: 978-1-84195-412-7

ISBN-10: 1-8419-5412-8

All rights reserved.

Der Autor ist auf ewig dankbar: Joel Westendorf, Amy Gerstler, Ira Silverberg, Jamie Byng, Colin McLear, Sue De Beer, Rob Weisbach und Terrence Malick.

© Luftschacht Verlag – Wien

luftschacht.com

Alle Rechte an der deutschsprachigen Ausgabe vorbehalten

1. Auflage 2018

Umschlaggestaltung: Matthias Kronfuß – matthiaskronfuss.at

Satz: Luftschachtgesetzt aus der Metric und der Noe

Druck und Herstellung: Finidr s.r.o.

Papier: Munken Print Cream 100 g/m2, Geltex glatt 115 g/m2,Surbalin glatt 115 g/m2

ISBN: 978-3-903081-23-9

ISBN E-Book: 978-3-903081-66-6

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

1.

Wir parken auf den Hügeln mit Blick auf die Stadt. Es dämmert, oder auch nicht. Da unten können sie nicht mehr so sehen wie zuvor. Sie werden eine Zeit lang brauchen, um das festzustellen. Wenn es soweit ist, wird es von hier oben vermutlich großartig aussehen. Das ist sein Ding.

„Schön“, sagt er. Es ist gerade passiert.

„Vermutlich.“

Er hat ein Gesicht aus Norwegen oder so, das mir nie in die Augen schaut. Abgesehen davon ist er nur ein Freund meines Bruders.

„Ist dir langweilig?“, sagt er.

„Nein.“ Ich muss abwesend wirken, aber ich bin ganz bei mir.

„Sicher?“, sagt er.

Wenn ich nicht antworte, schreibt er in sein Notizbuch. So ist er. Dauernd kritzelt er da was hinein. Niemand kann lesen, was er geschrieben hat. Man kann es verschließen, nur für alle Fälle.

„Tun wir’s.“

Er schließt sein Notizbuch und verstaut es in seinem Rucksack. „Ich weiß nicht mehr, was ich getan habe, bevor ich dich und Jim kennengelernt habe“, sagt er. Jim ist mein Bruder.

„Nicht viel.“

Ein Zwölftklässler zahlt mir fünfhundert Dollar, damit ich ihn töte. Eigentlich hat Pete den Auftrag bekommen. Aber er hat mich gebeten zu helfen. Ich weiß den Namen des Zwölftklässlers noch nicht, oder was sein Problem ist. Ich kann den Jungen gerade gut genug leiden, um vorzutäuschen, dass wir Freunde sind. Mein Fall ist er nicht, aber vermutlich ein ungeheures Paradebeispiel eines solchen für irgendjemand anderen. Vor zwei Tagen trank Jude mir zuliebe genug, um ihn zu verführen. Ich habe vorgegeben, weggetreten zu sein und dann zugesehen. Es hat mich so wütend gemacht, dass ich schon da beschlossen habe, ihn zu töten. Also hat es vermutlich funktioniert. Sie und ich haben über nichts davon gesprochen, aber es hat mich verändert. Es sind Kleinigkeiten im Verhalten, die ich feststelle. So wie heute Nachmittag. Bevor ich abgehauen bin, habe ich zu ihr gesagt, sie würde mich nicht genug lieben. Daraufhin hat sie beinahe dasselbe zorniger zu mir gesagt. Nachdem ich weg war, wurde ich deswegen wütend. Vielleicht schieße ich mir ja in den Kopf, nachdem ich ihn getötet habe. Das ist anders.

Wir fahren zur Hütte von Judes Eltern. Sie liegt östlich der Stadt, in jenem Ferienort, wo einige ihrer Freunde snowboarden. Sie hat mir eine primitive Karte gezeichnet. Wir sind immer noch irgendwo in der Wüste, aber ich kann etwas Großes von gebirgiger Form sehen. Außerhalb des Autos ist es sehr schwarz, bis auf dieses Funkeln zur Linken. Für mich sieht es nach einer Stadt aus, aber ihm zufolge ist es zu vereinzelt. Sonst haben wir eine Weile nichts gesagt.

„Ich weiß“, sagt er.

„Was weißt du?“ Ich wüsste nicht, wie er das könnte.

„Ich sag’s dir später.“

Wir beschließen, etwas zu essen. Ich will mich hinsetzen, und da ist ein nicht überfülltes IHOP1. Es ist wie die Millionen anderen im ganzen Land. Er bestellt Pfannkuchen und zieht sein Notizbuch heraus. Ich bestelle ein Steak, weil es länger dauert, um es zuzubereiten. Dann gebe ich vor, pinkeln zu gehen und suche die Telefonzelle.

„Pete, ich bin’s.“ Er ist bereits mit Jude bei der Hütte, aber ich weiß, dass sie ihn nicht fickt. Sie mag große, introvertierte, dünne Typen wie mich.

„Ja“, sagt er. „Wart mal eine Sekunde. Sch.“

„Wir sind auf dem Weg.“

„Wo seid ihr?“, sagt er. „Halt’s Maul, Jude. Ich kann ihn nicht hören.“

Vor einem Jahr habe ich versehentlich meinen Freund Rand getötet. Er saß tief in der Scheiße wegen Drogen und musste mir sein Auto verkaufen. Aber er ist mir gegenüber deswegen ausgerastet, und ich habe ihm einen zu festen Faustschlag verpasst. Niemand gab mir die Schuld, also tat ich es auch nicht. Das ist nicht die ganze Wahrheit, aber als Pete mich gebeten hat, ihm bei der Sache zu helfen, war das für mich okay. Der Junge denkt, das mit Rand sei interessant. Er fragte mich eine Weile, ob ich gerne Leute schlage. Als ich schließlich Nein gesagt habe, hat er geweint. Er ist sehr tiefgründig, weshalb ich zugewartet habe. Das ist mein Ding, menschliche Tiefe. Aber als ich sah, wie er Jude gefickt hat, habe ich die Tiefen erkannt, in die ich würde hinabsteigen müssen.

„Wie war dein Essen?“, sage ich im Sitzen. Mein Steak ist gekommen.

„Gut.“ Er war zusammengesackt und aß oder schrieb kaum.

„Was ist mit dir los?“

„Ich sag’s dir später“, sagt er. Dann schaut er mir zu, wie ich esse, mit diesem ernsten Blick, den er oft macht. Ich schwöre, es ist Vertrauen. Genau so sieht es aus.

Wir sind vom Highway abgefahren, auf eine unbefestigte Straße. Wir sitzen Seite an Seite auf der Motorhaube. Es ist so warm. Wenn man sich die Sterne als weit entfernte, auf den Kopf gestellte Stadt bei Nacht vorstellt, kommen sie einem wichtiger vor. Diesen Trick habe ich von ihm gelernt, aber er kann ihn besser.

„Ich weiß“, sagt er, nach viel Stille.

„Was weißt du?“

„Was passiert“, sagt er.

Ich bin nicht sicher, ob er meint, in Hinblick auf das Getötetwerden, oder am Himmel, oder was. „Ja?“

„Diese Nacht mit Jude“, sagt er.

„Also hat sie es dir erzählt.“ Das scheint zweideutig genug.

„Ich hab’s in deinen Augen gesehen“, sagt er.

„Bullshit.“

„Und jetzt auch“, sagt er. Er rutscht von der Motorhaube, dann höre ich die Beifahrertür quietschen.

„Was gesehen?“

„Aber tust du mir zuerst einen Gefallen?“, sagt er. Dann händigt er mir sein unverschlossenes Notizbuch aus und eine Taschenlampe.

Sein Notizbuch ist an manchen Stellen so intensiv, dass ich fast geweint habe und anfing, Seiten zu überspringen. Worte waren mein Ding, bis Rand gestorben ist und ich festgestellt habe, dass sie zu simpel sind. Jetzt lese ich nur Bücher über den Tod. Vielleicht ist es so wie bei dem Jungen, der einen größeren Kick von einem Lichtmuster bekommt als von dem, was wirklich erleuchtet ist. Ich meine, ich denke gern, dass Bücher über den Tod heimlich vom Leben handeln. Vielleicht kann ich es nicht erklären.

„Hasst du mich jetzt?“, sagt er. Wir fahren wieder und ich denke.

„Du bist ein guter Schreiber.“

„Danke“, sagt er. „Wir besuchen also Jude?“ Ich sagte ihm einfach, dass es so wäre.

„Ich hab gedacht, das würde dir gefallen.“

Ich schätze, er muss eine Sekunde lang nachdenken. „Das ist fair“, sagt er.

Das ist hart. „Willst du bis morgen warten?“

„Ja“, sagt er.

„Weil …“ Ich kann es nicht beenden. Das Warum ist zu heftig. Zum Teil hat es mit dem zu tun, was ich in seinem Notizbuch gelesen habe.

Er wartet eine Sekunde, vermutlich für den Fall, dass ich es doch tue. „Ja, ich weiß“, sagt er. Ich denke, dass es vielleicht tatsächlich so ist. Deshalb ist es noch heftiger.

Soweit ich gelesen habe, war die Mutter des Jungen eine Hure, bis sie jemand umgebracht hat. Sie hat sich nie die Mühe gemacht, ihm einen Namen zu geben. Das wusste ich. Er war immer der Junge. Als er zehn war, hat sie angefangen, seinen Arsch als Nebenerwerb zu verkaufen. Das wusste ich nicht. Als sein Arsch mehr einbrachte als ihrer, wurde sie eifersüchtig und schlug ihn. Einige Männer drehten durch und prügelten die Scheiße aus ihm heraus. Irgendwann drehte dann er durch und fing an, sich zu verbrennen und mit einem Messer zu ritzen. Das wusste ich nicht. Dann wurde der Schaden, den er sich zufügte, so schlimm, dass die Männer nicht zahlen wollten, und sie setzte ihn bei seiner Großmutter ab. Dann wurde sie umgebracht. Seine Großmutter gab ihm den Namen Bill, aber das ist nicht legal.

„Jude. Sag Pete, ich werde mich verspäten.“

„Wo seid ihr?“, sagt sie. „Es ist Larry, Pete.“

„Ich weiß nicht.“

„Oh, Scheiße“, sagt sie. Das hat was zu bedeuten. Ich kenne sie.

„Was?“

An ihrem Ende ist Pause und Petes Stimme sagt im Hintergrund etwas, das ich nicht verstehen kann.

„Nein, was?“

„Ich werde mich einfach besser fühlen, wenn du hier bist“, sagt sie.

„Ich auch.“ Vielleicht werde ich Pete töten.

Er hat gerade geduscht. Ich sitze auf dem Bett. Als er Jude gefickt hat, hat sich keiner von den beiden ausgezogen, daher bin ich gewissermaßen geschockt.

„Fast fertig“, sagt er. Er durchsucht seinen Rucksack nach etwas Sauberem zum Anziehen.

„Ja.“ Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.

Seine Arme haben überall kreuz und quer Schnitte, Kratzer und kleine Kerben. Brustkorb, Rücken und Bauch sind gleichmäßig auf unterschiedliche Weise zur Gänze extrem vernarbt, und seine Beine sind leicht zickzackförmig, weil sie gebrochen und nicht richtig repariert wurden, wenn überhaupt. Am schlimmsten aber, sein Schwanz ist wirklich klein, als ob er nie erwachsen geworden wäre, und ich vermute, er wurde verbrannt oder irgendwie teilweise abgeschnitten.

„Wie geht’s ihr?“, sagt er.

„Gut. Ich weiß nicht.“

„Du weißt, dass ich nicht in sie verliebt bin“, sagt er.

„Ich weiß. Beeil dich.“

„Du weißt auch, dass ich nicht in Jim verliebt bin“, sagt er.

„Ich weiß, aber lass uns nicht darüber sprechen.“

Wir fahren zurück zu dem Fernfahrerlokal, das mir aufgefallen ist. Ich hatte bemerkt, dass die Mädchen, die dort rumhingen, Huren waren. Bei einigen trifft das zu, aber sie sind nicht mehr allzu jung. Sie sitzen um einen Picknicktisch herum und trinken mit den Fernfahrern Bier. Ich lasse ihn unsere Hure aussuchen und sie steigt ins Auto. Zuschauen kostet mich extra, aber darum geht’s. Als wir beim Motel ankommen, geht sie gleich ins Badezimmer. Er zieht sich aus und legt sich aufs Bett. Ich beginne zu strippen, ändere dann meine Meinung, als er auf meine Brust schaut. Ich bin zu dünn, und Jude sagt, meine Hüften stehen zu weit raus, wie die eines Mädchens. Deshalb ziehe ich mir das Shirt wieder an.

Die Hure ist viel stärker gebaut, als sie gewirkt hat, mit einem riesigen pockennarbigen Hintern. Sie sagt, „Oh mein Gott“, als sie seinen Körper sieht.

„Setz dich auf sein Gesicht.“ Es ist das Gemeinste, was ich mir vorstellen kann.

Sie setzt sich rittlings auf sein Gesicht und beginnt, ihn zu wichsen. Hin und wieder hebt sie ihren Hintern und lässt ihn Atem holen.

„Mach das nicht. Wenn er nicht atmen kann, ist das nicht dein Problem.“

„Was um alles in der Welt?“, sagt sie.

Seine Hand lässt ihre Hüfte aus und tastet die Bettwäsche ab, vielleicht nach mir. Aber ich bin nicht mal in der Nähe.

„Ich werde bezahlen, was du willst. Und niemand wird’s erfahren.“

Seine Hand streift umher, ich kann mich nicht entscheiden, ob ich dort drüben sitzen soll, damit er mich findet, oder hier stehen, und ob dort drüben sitzen zu wollen bedeutet, dass ich schwul bin.

„Er ist ein Kind“, sagt sie.

„Ist schon okay. Er will leiden.“

Ungefähr da gibt seine Hand mich auf und macht eine Faust. Sie schlägt das Bett.

„Krankes Arschloch“, sagt sie und setzt sich fest auf sein Gesicht, dann verschränkt sie nervös ihre Arme.

„Mit dem ganzen Gewicht.“

Der Junge ist unpässlich im Badezimmer. Da er über der Toilette kniet, ist es laut. Sie hat ihm das Leben gerettet, in letzter Sekunde. Ich hätte sie weitermachen lassen können. Es geht um sein Notizbuch. Ich wünschte, ich hätte es nie gelesen, oder hätte gewartet. Die Hure hat gerade etwas auf Spanisch geschrien und ist gegangen. Mir kommt vor, das mit ihr war nicht genug oder zu kurz. Als ich meine Hosen ausgezogen hatte, war es vorbei.

„Was denkst du?“, sagt seine Stimme.

„Weiß ich nicht.“

„Du bist nervös“, sagt seine Stimme.

„Vielleicht.“

„Ich bin auch nervös“, sagt seine Stimme.

„Ja, du verstehst nicht.“

Ich weiß nicht, was vorgeht, aber ich gehe ins Badezimmer. Er steht nicht auf oder dreht sich auch nur um. Das macht mich wütend, deshalb ziehe ich mein T-Shirt aus und ziehe es über sein Gesicht. Dann schlage ich ihn so fest in den Rücken, dass er nach vorne fällt und sich die Stirn anschlägt. Blut befleckt mein Shirt, deshalb nehme ich es weg und zwinge ihn, mich anzuschauen. Er schaut nicht, als ob er auch nur irgendwie versteht, was ich tue, was verwirrend ist. Ich habe gerade seine Kehle geschnappt, damit er kapiert, wie brutal ich bereit bin zu werden.

„Verstehst du?“

„Ja“, sagt er. Er will mich nicht anschauen.

„Mach das nicht.“

„Was?“, sagt er.

„Ich schwöre bei Gott.“

Ich mache den Faustschlag, der Rand getötet hat. Der versetzt seiner Nase einen Hieb und verpasst ihm einen protzigen Schnauzbart aus Blut. Er greift nach seiner Nase und sagt, ich soll ihn nicht noch einmal schlagen, aber ich tue es. Er versucht wegzukriechen, daher verpasst ihm der Hieb eine auf den Hinterkopf und scheint ihn bewusstlos zu schlagen. Aber er könnte nur so tun. Ich würde es ihm zutrauen.

„Pete. Herrgott nochmal.“ Ich habe Jude gerade gesagt, dass ich wirklich wütend bin und dass sie seinen blöden Arsch ans Telefon holen soll.

„Du klingst komisch“, sagt er.

„Warum will ihn der Typ tot sehen?“

„Ich dachte, du wolltest nichts wissen über die …“, sagt er.

„Sag’s mir einfach.“

„Lass das …“, sagt er.

„Sag’s mir einfach, verdammt noch mal.“

Der Zwölftklässler ist ein Bekannter von uns, Gilman Crowe. Es geht um das Notizbuch des Jungen, sagt Pete. Das war nicht der Grund, bis ich es Pete erzählt habe, und ich vermute, er hat es Gilman erzählt. Wie ich Pete kenne, denkt er, es geht um was Schwules. Ich glaube, es hat wahrscheinlich damit zu tun, dass Gilman der Anführer dieser Nazichic-Gruppe ist. Aber es ist mir nicht wichtig genug, und Pete will es nicht sagen. Er soll den Jungen einfach umbringen, Gilman das Notizbuch bringen und bezahlt werden.

„Okay, kein Problem.“

„Ich weiß, dass es krank ist“, sagt Pete. Er meint, dass er mich gerade gebeten hat, zu warten, damit er zuschauen kann, und dass ich ihm was schulde.

„Wie alles.“

„Wie auch immer“, sagt Pete. Da fällt mir ein.

„Wenn du Jude fickst, bring ich dich um.“

Der Junge wachte gerade auf, oder hörte auf, mir was vorzumachen. Ich kniete und fragte mich, ob ich das, was ich ihm antat, lassen und stattdessen vielleicht Pete töten sollte, aber ich konnte mich nicht entscheiden. Jedenfalls habe ich geweint, mit meinem Gesicht in seinen Haaren, als er wieder zu sich kam, deswegen bin ich hier herausgerannt und habe mich aufs Bett gesetzt. Ich kann ihn im Spiegel sehen.

„Ist schon okay“, sagt er. Seine Stimme ist kratzig und erstickt, vielleicht weil ich ihn gewürgt habe, er könnte aber auch traurig sein.

„Das sagst du immer wieder.“

„Ist schon okay“, sagt er und schaut mich an. Ich meine sein Spiegelbild.

„Ich mag dich.“

„Nein, ist es nicht.“

„Darum habe ich dich mein Notizbuch lesen lassen“, sagt er.

Aus irgendeinem Grund fällt mir plötzlich ein, was er zu wissen meint. Oder ich bringe mich dazu, das zu denken. Dann brauche ich ein oder zwei Sekunden, um sicherzugehen. Das ist wirklich schwierig. „Hat’s dir Jim erzählt?“

Der Junge dreht sich, ich meine, ganz herum, und schaut mich tatsächlich geradewegs an. Es ist heftig. „Ja“, sagt er.

„Was hat er gesagt?“ Dann fange ich wieder an zu weinen. Es ist das Ende.

Vermutlich meint er, ich möchte reden, aber ich kann mich nicht einmal bewegen. Jedenfalls kommt er aus dem Badezimmer und steht vor mir. Als ich nichts unternehme, legt er seine Arme um meinen Nacken.

„Oh Gott.“ Ich lege meine Arme um seine Hüften.

„Was?“, sagt er.

„Nichts.“ Es hätte so anders sein können.

Rand starb durch einen Schlag ins Gesicht. Danach schien er wohlauf zu sein, nur ein wenig benommen. Er blutete nicht einmal. Ich schätze, er ist im Schlaf gestorben. Dieser Teil, dass ich ihn ins Gesicht geschlagen habe, ist die Wahrheit. Aber es ging nicht um den Wagen oder die Drogen. Es geht darum, dass er Jim gegenüber total fürsorglich wurde. Ich wusste, dass er meinen Bruder mochte, aber ich habe gedacht, es hätte nichts zu bedeuten. Jedenfalls hat sich das als Schwachsinn herausgestellt. Ich konnte seinen Wagen behalten, als er starb. Als Jude und ich ihn einmal saubermachten, haben wir einige Nacktfotos von Jim gefunden, die er gemacht hatte. Sie sind in meinem Schlafzimmer versteckt. Sie weiß nicht, dass ich sie nicht weggeworfen oder es Jim erzählt habe, oder was das bedeutet. Als Rand gestorben ist, bin ich so geworden. Gäbe es keine Worte, wüsste ich nicht, wie ich zwischen mich und alle anderen Lügen stelle, allein dadurch, wie ich sie benutze. Ich habe früher viel geredet, aber jetzt nur mehr spärlich. Jude sagt, man kann mich in ihnen spüren, aber es kommt nicht viel dabei raus, selbst wenn man mich kennt. Ich schätze, sie ist die Einzige, die sich immer noch fragt, warum.

Die Hütte ist am Ende einer langen unmarkierten Staubstraße. Zuerst konnte ich sie nicht finden. Ich umarme Jude, aber sie stößt mich weg. Ich glaube, sie ist angepisst, dass der Junge bei mir ist. Ich schätze, Pete hat es ihr nicht gesagt. Der Junge scheint verwirrt, dass Pete hier ist, deshalb setzt er sich auf eine Couch und beginnt, in sein Notizbuch zu schreiben. Ich kann nicht sagen, was er denkt. Er schreibt eine Weile, dann schließt er das Buch und verstaut es in seinem Rucksack. Inzwischen sagt Pete sarkastische Dinge darüber, dass der Junge schwul ist, und hat ihm gerade befohlen zu strippen.

„Ich bitte dich, Pete.“

„Tut mir leid“, sagt der Junge. Er hat sich auf der Couch zu einer Kugel gekringelt und Pete lacht und versucht, ihn auszuziehen.

„Jude, sag doch was.“

„Bitte nicht“, sagt der Junge.

Pete schafft es, ihn bäuchlings zu entwirren und zieht ihm Unterhose und Jeans herunter. „Da hat jemand Spaß gehabt“, sagt er.

„Fick dich. Jude?“ Sie ist irgendwo in der Nähe und ich brauche es, dass sie mich auf der Stelle umarmt. Daher taste ich die Luft hinter mir ab.

„Du lieber Himmel“, sagt Pete. Er hat dem Jungen gerade das Shirt heruntergerissen und all die Narben gesehen.

„Was“, sagt sie. Das klang wütend.

„Sag Pete, er soll aufhören.“

„Warum?“, sagt sie. Daher vermute ich, sie haben gefickt.