Mein Weg nach Sibirien. - Ulf Siebach - E-Book

Mein Weg nach Sibirien. E-Book

Ulf Siebach

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Beschreibung

Ulf Siebach ist nach Sibirien ausgewandert; dort betreibt er mit seiner Frau eine kleine Gästefarm. In "Mein Weg nach Sibirien. Und zu mir selbst." nimmt Siebach die Leser mit dorthin. Er erzählt von Sommertagen bei plus 35 und von Winternächten bei minus 35 Grad; von spannenden Abenteuern und vom sibirischen Alltag; von Problemen und Pannen, vom Scheitern und Weitermachen. Ein Leben, das ihn glücklich und zufrieden macht. Aber er hat auch eine klare Botschaft an die Leser: Glück musst du dir erarbeiten und erleiden. Wie er diese Aufgabe jeden Tag aufs Neue schafft, das können die Leser in diesem Buch miterleben. Für den Sibirien-Aussteiger interessieren sich auch die Medien in Deutschland und berichten immer wieder über ihn. Siebach bekommt immer mehr Anfragen von Menschen, die ihn besuchen und bei ihm Urlaub machen möchten. Er baut einige Gästehütten, sein Grundstück wird zur Gästefarm. Auch wenn inzwischen aus dem Aussteiger-Leben auch mal Alltag wird: Es bleiben noch genug Probleme, Abenteuer und Erlebnisse, an denen Ulf Siebach die Leser teilhaben lässt: Hüttenleben bei Schneesturm und minus 40 Grad; festgefahren mit dem Schneemobil; Eisangeln auf dem Tiberkul-See; Freude und Stress mit Gästen; mit dem Auto durchs Hochwasser; Selbstversorgung in Sibirien; mit dem Zug an den Baikalsee und andere spannende Geschichten. Dazu beschreibt er sein auch mal ganz normales Leben in Sibirien, gibt Tipps für das (Über-)Leben in der Natur und er zeigt auf, wie mühevoll es ist, den so romantisch klingenden Traum von der Selbstversorgung auch umzusetzen. Stefan Korol ist Kommunikationstrainer und Autor; er war Journalistik-Professor und Fernsehjournalist. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat er Siebach immer wieder per Telefon interviewt. Im Sommer 2022 ist Stefan Korol zu Siebach nach Sibirien gereist, und gemeinsam haben die beiden den Buchtext fertiggestellt. Korol war es wichtig, Siebachs Leben, seine Abenteuer und Erlebnisse mit und in allen Details schreiben zu können; immer wiede hat er bei den Interviews eingehakt und nachgefragt: Wie war das genau? Warum so und nicht anders? Was hat das mit dir gemacht? Das Ergebnis: Das Buch nimmt die Leser mit nach Sibirien, in Siebachs Leben: In die Hütte der ersten Jahre, in die eisige Kälte im Winter, in die trocknen, heißen Tage im Sommer, in den Alltag im Dorf, in die Stille. Und damit auch zu sich selbst.

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Seitenzahl: 236

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1: Ein Traum wird Wirklichkeit

Reise nach Nowosibirsk.

Unsere erste Reise in die Taiga.

Grundstücks-Suche.

Das erste Mal auf „meinem“ Grundstück.

Zweite Reise.

Ich kaufe mein Stück Sibirien.

Unsere ersten drei Sibirien-Monate.

Kapitel 2: Wir lernen zu leben – in Sibirien

Drei Mal Sibirien: allein,

zu zweit,

zu dritt.

Unser erster Winter in Sibirien.

Wir kaufen unser Dorfhaus.

So ist unsere neue Umgebung.

Planen und bauen auf der Farm.

Kapitel 3: Von Beelitz nach Sibirien

Mein Leben vor Sibirien

Kapitel 4: Wir werden Gastgeber

Ein Gäste-Tag im Juli.

Schwierige Gäste.

Ideale Gäste.

Russische Gäste.

So begann die Gästefarm.

Tipps für den Sibirien-Urlaub.

Kapitel 5: Unser Leben in Sibirien

Wir verkaufen unser Haus in Deutschland.

Vita, Paulina und ich.

„Umzug“ ins Dorfhaus.

Drei Wintertage im Dorfhaus.

Besuch bei Altgläubigen.

Unser Gemüse.

Meine Autos.

Endlich: (M)ein Trecker.

Fahrt ins Hochwasser.

Ein Mai-Tag im Dorfhaus.

Garten und Pflanzen.

Hahn und Hühner.

Caruso hat ausgekräht.

Öko-Trend in Sibirien.

Mit dem Zug nach Ulan-Ude.

Feuer in Sibirien.

Kapitel 6: Mein Winter- und Hüttenleben

Mein Winterleben in der Hütte.

Die Winter in Sibirien.

Die drei Männer-Werkstatt.

Im Winter nach Abakan.

Festgefahren – mit dem Schneemobil.

Vita und Paulinas Schlitten-Abenteuer.

Eisangeln.

Kapitel 7: Bauen – ist mein Ding

Baumaterial in Russland.

Corona – Zeit fürs Bauen.

Ich – der Allround-Handwerker.

Zusammen arbeiten mit Russen.

Wir bauen unser Dorfhaus aus.

Wohnung in Abakan.

Zukunft: Mehr Selbstversorgung.

Kapitel 8: Auswandern nach Russland?

Mein „persönliches Russland“.

Geld und Kosten.

Arbeit und Löhne.

Wohnen.

Geschäftsleben.

Steuern.

Medizinische Versorgung.

Handynetz.

Auswandern nach Sibirien.

Papierkram.

Die häufigsten Fragen.

Meine ganz persönlichen Auswander-Tipps

Schluss: Leben jetzt – und Ausblick

Vorwort

Herzlich willkommen in Sibirien!

Ich bin Ulf Siebach – der Sibirienwolf. Seit fast zehn Jahren lebe ich in Sibirien, zusammen mit meiner Frau Vita und unserer jetzt siebenjährigen Tochter Paulina. Wir wohnen ungefähr 200 Kilometer östlich von Abakan, der nächsten größeren Stadt. 2014 habe ich mir ein Grundstück mit einer Hütte darauf mitten in der Taiga gekauft und betreibe hier eine kleine Gästefarm. Das nächste Dorf ist sieben Kilometer entfernt: Cheremshanka; dort haben wir noch ein Haus, in dem vor allem Vita und Paulina leben. Mein Zuhause ist die Farm – im Sommer ebenso wie im Winter.

Im Frühjahr 2020 hat mich Stefan Korol per Mail gefragt, ob wir nicht zusammen ein Buch schreiben wollen – über mich und mein Sibirien-Leben. Da ich selber schon oft daran gedacht hatte, mein Leben einfach mal aufzuschreiben, habe ich spontan zugesagt. In den folgenden zwei Jahren haben wir immer wieder miteinander telefoniert. Stefan hat diese Telefonate jeweils thematisch vorbereitet, mich dann zu allen wichtigen Stationen und Erlebnissen in meinem Leben interviewt, diese Gespräche aufgenommen und daraus eine erste Buch-Version geschrieben. Im August 2022 ist er dann zu mir nach Sibirien gekommen, und wir haben gemeinsam diese erste Version besprochen und bearbeitet. Schließlich hat es dann bis zum Sommer 2023 doch noch einige Telefon-Interviews gebraucht, um den endgültigen Text und das vorliegende Buch fertigzustellen.

Was sich so einfach anhört, war ein ständiges Auf und Ab zwischen Zuversicht und Aufgeben: Während des Corona-Sommers 2020 hatten wir ebenso Zweifel, ob wir dieses Buch-Projekt zu Ende bringen können, wie Anfang 2022, zu Beginn des Ukrainekrieges.

Wir freuen uns deswegen sehr, dass wir es trotz dieser Hürden geschafft haben. Und, wie so oft im Leben: Die viele Arbeit, die wir in dieses, unser Herzens-Projekt gesteckt haben, hat sich gelohnt – und wir sind sicher, dass ihr, unsere Leserinnen und Leser, das auch so seht.

Viel Spaß!

Juli 2023

Ulf Siebach und Stefan Korol

Kapitel 1: Ein Traum wird Wirklichkeit

Reise nach Nowosibirsk. Unsere erste Reise in die Taiga. Grundstücks-Suche. Das erste Mal auf „meinem“ Grundstück. Zweite Reise. Ich kaufe mein Stück Sibirien. Unsere ersten drei Sibirien-Monate. Drei Mal Sibirien: allein, zu zweit, zu dritt. Unser erster Winter in Sibirien. Rückblick aus heutiger Sicht.

Reise nach Nowosibirsk

Von Sibirien träume ich seit meiner Kindheit. Aber in den ersten knapp fast 50 Jahren meines Lebens war ich übers Träumen nicht hinausgekommen. Jetzt, im Sommer 2013, will ich endlich wissen, sehen, hören und fühlen, was dran ist an diesen Träumen: Vita und ich fliegen für zehn Tage nach Nowosibirsk. Die drittgrößte Stadt Russlands liegt rund 5.000 Kilometer von Deutschland entfernt, und in meiner Vorstellung, mitten in meinen Sibirien-Träumen: Die Taiga, einsame Landschaften, unendliche Wälder, glitzernde Seen und Flüsse, klare Luft, heiße Sommer und eisige, weiße Winter. Wir fliegen von Berlin erst nach Moskau und von dort weiter nach Nowosibirsk.

In den ersten Tagen bummeln wir durch die Stadt, genießen die warmen Sommertage und langen, milden Abende. Vita ist Ukrainerin, sie lotst uns dank ihrer russischen Sprachkenntnisse durch die 1,5 Millionen-Metropole. Schließlich, und endlich, wollen wir den von mir lang-ersehnten Ausflug in die umliegende Taiga machen. Im Tourismusbüro fragt Vita, wo in der Umgebung wir am ehesten Chancen haben könnten, meine Taiga-Träume zu sehen – und welche Buslinie dorthin fährt.

Am nächsten Morgen steigen wir erwartungsvoll in den Bus und sind nach einer Stunde Fahrt in dem Ort, der uns als „typisch Sibirien“ empfohlen wurde. Wir steigen aus, der Bus fährt weiter. Ruhe. Sonne, blauer Himmel, weiße Wolken. Wir schauen uns um: Eine asphaltierte Straße, von der hier, an der Haltestelle, zwei unbefestigte Straßen links und rechts abzweigen. Aufgereiht daran, kleine, offensichtlich alte Häuser, mal aus Holz, mal verputzt, mal nur Steinwände. Uns gegenüber an der Kreuzung, ein Lebensmittelladen. Ich schätze, es sind ein paar hundert Menschen, die in dem Dorf hier leben. Wir bleiben ein paar Minuten einfach stehen, nehmen alles in uns auf, orientieren uns. Ab und zu ein Auto, gegenüber gehen einige Menschen in den kleinen Laden oder kommen heraus. Ansonsten: Ruhe.

Bei Sonnenschein, blauem Himmel und gefühlt 25 Grad, entscheiden wir uns für eine Richtung, gehen auf der asphaltierten „Haupt“-Straße, lassen dann die wenigen Häuser hinter uns und sind nach einer halben Stunde meinen Traum recht nahegekommen: Weites Land, eine sanfte Anhöhe, rundherum Taiga-Gras, weiter weg ein Birkenwald. Es fehlen noch Fluss oder See, und die Asphalt-Straße muss ich mir wegdenken. Aber wir sind ja auch nur mal eben aus der Großstadt herausgefahren. Meine Eindrücke lassen mich spüren: Das ist meine Landschaft.

In den nächsten Tagen wird, vor allem, weil wir jetzt wieder inmitten der vollen und lauten Stadt sind, aus dem „mal Taiga geschnuppert“ eine Taiga-Sucht. Für mich steht fest: Ich will mehr davon. Nein – ich will das alles.

Zurück in Deutschland, in unserem Zuhause in Brandenburg, verbringe ich die nächsten Wochen fast Tag und Nacht vor dem Computer. Ich lese im Internet alles, was ich über Sibirien finden kann: die Regionen, das Wetter, das Leben, die Reisebestimmungen; Beschreibungen über das Land und Leben, geschrieben von Einheimischen, aber auch von Ausländern, die nach Sibirien ausgewandert sind. Und ich schaue nach Grundstücken und Häusern in der Taiga – und ob und wie es als Ausländer möglich ist, dort zu kaufen und zu leben. Je mehr ich lese, desto mehr zieht mich Sibirien in seinen Bann.

Als eine gute Quelle für das Leben in Sibirien und einen Urlaub dorthin, habe ich das Deutsche Haus gefunden, ein Gästehaus, das von einer Kölnerin geführt wird. Es liegt in der Nähe der Stadt Abakan, in einem kleinen Ort namens Petropavlovka. Ich rufe an im Deutschen Haus, spreche lange mit der Besitzerin – und bin so begeistert von ihren Erzählungen und von ihrem Sibirien-Leben, dass ich am Ende des Gesprächs für den kommenden März ein Zimmer buche – für Vita und mich, für zwei Wochen.

Ab jetzt gibt es für mich nur noch ein Thema: Sibirien. Und je länger ich mich damit beschäftige, desto deutlich wird mein Bauchgefühl: Ich will in Sibirien nach einem Grundstück suchen, das ich kaufen kann. Um dort zu leben. Für Vita kommt dieser Plan, dieses Vorhaben nicht ganz überraschend, aber doch plötzlich. Sie wusste natürlich schon immer von meiner Idee, irgendwo als Einsiedler zu leben, in der Natur, als Selbstversorger, und möglichst weit weg von allen Städten und Menschen. Aber sie weiß eben auch, dass meine Ideen manchmal Strohfeuer sind, die zwar schnell und hell brennen, aber nicht lange dauern. Also lässt sie mich erst mal reden, träumen, machen – und wartet ab, wie lange diese Sibirien-Idee „brennt“.

Unsere erste Reise in die Taiga

März 2014: Endlich ist es so weit. Wir reisen nach Sibirien. Wie geplant, für zwei Wochen, Unterkunft im Deutschen Haus in Petropavlovka. Obwohl ich dieser Reise nun schon lange entgegenfiebere, ungeduldig bin und so schnell wie möglich in meinem Traum-Land ankommen möchte, fliegen wir nur von Berlin bis Moskau – und nehmen dort die Transsibirische Eisenbahn nach Sibirien. 4000 Kilometer sind es von Moskau bis nach Abakan, der nächstgrößeren Stadt in der Nähe von Petropavlovka, unserem Ziel. Wir freuen uns auf diese Fahrt durch halb Russland, außerdem haben wir uns für den Zug entschieden, weil wir dann auf der Bahnreise erst Vitas Geburtstag feiern können und ein paar Tage später, meinen – in Sibirien.

Beim Abflug in Berlin scheint schon die erste Frühlingssonne, aber wir wissen, dass es in Abakan noch Winter sein wird, wenn wir dort ankommen. Nach zwei Stunden Flugzeit landen wir in Moskau; wir nehmen den Shuttle-Zug vom Airport zum Bahnhof. Gespannt warten wir auf die Einfahrt des Zuges, sind beeindruckt von den langen Güterzügen, die durch den Bahnhof fahren: bis zu 400 Meter lang, beladen vor allem mit Russlands Bodenschätzen: Kohle, Holz und, so vermuten wir wegen der Tankwagen, Öl. Dann kommt unser Zug. Wir haben ein Vierer-Abteil gebucht, das wir schnell finden und belegen eines der beiden Doppelstock-Betten: Vita unten, ich oben, und wir richten uns in dem Abteil häuslich ein. Pünktlich auf die Minute fährt der Zug los. Unser Sibirien Abenteuer beginnt.

Vier Tage und drei Nächte fahren wir durch die Weite Russlands. Wir lassen die Landschaft an unserem Fenster vorbeiziehen, wir schlafen, trinken genüsslich Tee, lesen, sind total entschleunigt und tiefenentspannt. Im Speisewagen feiern wir Vitas Geburtstag: Wir wählen das beste Gericht, das wir auf der Speisekarte finden können, bestellen eine Flasche Sekt – und dazu gibt es die Glückwünsche des Zug-Personals, das den Anlass dieses opulenten Mahls natürlich schnell mitbekommen hat. Der herzliche Kontakt zwischen ihnen und uns bleibt bis zum Ende unserer Fahrt bestehen.

Wie erwartet, herrscht in Abakan noch Winter. Die Straßen sind frei, aber überall türmen sich die geräumten Schneemassen. Mit dem Bus fahren wir von Abakan nach Kuragino, knapp 100 Kilometer. Eine angenehme Fahrt: es ist ein komfortabler Reisebus, die Straße ist asphaltiert. Dass es draußen minus 20 Grad sind, merken wir erst, als wir in Kuragino aus dem komfortablen Fernreisebus aus- und in den doch recht rustikalen Regionalbus nach Petropavlovka einsteigen. Vita sagt dem Fahrer, wo wir aussteigen wollen. Er nickt, wir hoffen, dass er auch zugehört hat und nachher auch an der richtigen Stelle hält. Unsere Gastgeberin, die Besitzerin des Deutschen Hauses, hatte uns gesagt, dass die Haltstelle, um zum Deutschen Haus zu kommen, außerhalb von Petropavlovka liegt. Von dort müssten wir uns links halten, dann ungefähr drei Kilometer laufen. Und dann würden wir zum Deutschen Haus kommen.

Nach eineinhalb Stunden hält der Bus – und der Fahrer sein Versprechen: „Hier müsst ihr raus“. Wir nehmen unser Gepäck und steigen aus. Der Bus fährt los, verschwindet auf der Straße in der Taiga. Es ist vier Uhr am Nachmittag. Wir stehen mitten in der sibirischen Taiga, über der schon ein fahles Dämmerlicht liegt. Wir sind übermüdet, schleppen jeder einen 20 Kilo-Rucksack und überlegen gerade, ob „links halten“ meint, aus der Fahrtrichtung des Busses – oder von der entgegengesetzten Seite. Und das alles bei minus 20 Grad. Mindestens. Wir entscheiden uns für die Richtung „links aus der Fahrtrichtung des Buses“. Die Chancen, dass es richtig ist, liegen ja immerhin bei 50 Prozent. An die anderen 50 Prozent, die uns auf einem schmalen Weg tief in die Taiga führen würden, denken wir lieber nicht.

Sibirien meint es gut mit uns. Nach einer Stunde stehen wir vor dem Deutschen Haus.

Auch am nächsten Tag bleibt Sibirien uns gewogen: Ein strahlend blauer Himmel, die Sonne steht zwar noch tief, aber wir spüren schon die Wärme durch unsere Winterklamotten; gefühlt sind es in der Sonne schon null Grad. Wir bummeln durch Petropavlovka, und ich denke mir, wie es wohl wäre, hier zu leben. Natürlich nicht direkt im Dorf, das entspricht nicht meinen Aussteiger-Plänen. Aber ab und zu von meiner imaginären Hütte aus der Taiga hierher zu kommen, ein bisschen Leben zu haben, einzukaufen, einen Kaffee zu trinken – das passt. Ich fühle mich hier richtig, hier gehöre ich hin.

Grundstücks-Suche

Am Abend kommen wir im Deutschen Haus mit Juri ins Gespräch. Er ist Verwalter im Deutschen Haus, macht dies und das, ist ein netter Kerl. Als ich ihm von meinen Kauf-Plänen für Grundstück und Haus erzähle, verspricht er, sich in den nächsten Tagen einmal umzuhören, ob etwas in der Gegend hier angeboten wird. Als ich abends im Bett liege, habe ich Herzklopfen bei dem Gedanken, dass ein langer Traum hier womöglich in Erfüllung geht.

Drei Tage später meldet sich Juri: Es gibt da ein Grundstück in der Nähe, ungefähr 10.000 Quadratmeter groß, mit einer kleinen Hütte, ziemlich einfach, dazu ein paar Schuppen, die aber schon recht baufällig sind.

Momentan ist das Grundstück vermietet, ein Ehepaar wohnt dort in einem von ihnen selbst gebauten Blockhaus. Ich sauge jedes Wort einzeln auf, merke, dass mein Puls auf 180 geht. Juri verspricht, den Grundstücks-Eigentümer anzurufen und zu fragen, ob wir uns das Grundstück, natürlich nach Absprache mit den Mietern, angucken können. Der Eigentümer ist einverstanden, und Juri macht mit den Mietern einen Besichtigungstermin aus.

Zwei Tage später ist es soweit. Juri, Vita und ich machen uns auf den Weg. Mit dem Bus fahren wir von Petropavlovka ins nächste Dorf: Cheremshanka. Von dort bis zum Grundstück sind es noch rund sieben Kilometer – zu Fuß. Und im Sommer. Jetzt aber, im März, liegt der Schnee in der Taiga noch immer meterhoch; wir können deswegen nicht diesen kürzesten Weg gehen, sondern wir nehmen zunächst eine vom Schnee geräumte Holzfällerstraße, die ungefähr in der gleichen Richtung wie der übliche Weg verläuft. Nach ungefähr sechs Kilometern müssen wir dann rechtwinklig abbiegen. Von da, sagt Juri, sind es dann noch ungefähr zwei Kilometer – durch den Tiefschnee. Hin und zurück sind und werden es also knapp 20 Kilometer. Aber dafür geht ja vielleicht auch ein Traum in Erfüllung…

Das Laufen auf der geräumten Wald-Straße ist herrlich. Es ist kalt, minus 10 Grad, aber der Himmel ist strahlend blau, und wir spüren die Wärme der Sonne im Gesicht. Schließlich sind wir am Abzweig. Juri vorweg, stapft durch den Tiefschnee, versinkt bei jedem Schritt bis zum Bauch im Schnee. Vita und ich hinterher, treten in Juris Schneelöcher. Der Schnee war offenbar schon einmal angetaut, er hat oben eine dicke Eiskruste, in die wir beim Laufen immer wieder einbrechen; entsprechend anstrengend ist jeder Meter.

Nach knapp einer Stunde geht es eine kleine Anhöhe hinauf, vielleicht 50 Meter hoch. Oben angekommen, bleiben wir stehen. Wir können rundherum in die Taiga gucken, über eine weiße, unberührte Landschaft, scheinbar endlos. Geradeaus, einen Kilometer entfernt, ein kleiner Wald. Dahinter ein paar Hügel, so wie der, auf dem wir jetzt stehen. Und ganz am Ende, die Gipfel des Sajan-Gebirges. Alles nur schemenhaft, wie unter einem dünnen, leicht transparenten Tuch, unter dem sich die Konturen abheben, alles weiß und weich. Und: nur sehen. Nichts hören. Kein Wind. Keine Tiere. Und schon gar keine Autos, Menschen, Flugzeuge oder was sonst immer an Geräuschen zu hören ist. Es ist einfach still. Absolut still.

Ungefähr 200 Meter entfernt, stehen eine Blockhaus-Hütte, ein kleineres Haus mit schiefen Wänden und ein paar Holzschuppen. Aus dem Schornstein des Blockhauses steigt Rauch auf. Weiß, kerzengerade nach oben, in den sattblauen sibirischen Winterhimmel. Das Grundstück. Ich denke, es ist nur die Kälte, die mir die Augen feucht werden lässt – aber sicher bin ich mir nicht. Ich kann es kaum fassen. Angekommen. Ich bin angekommen. Dies ist mein Platz, hier liegt meine Zukunft. Hier ist mein Leben. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, nach einer unendlich langen und anstrengenden Reise nach Hause zu kommen.

Eine Minute später schüttele ich diesen Anflug von Esoterik, Kitsch und Romantik ab. „Okay“, sage ich zu Vita, „sieht doch gut aus. Lass uns hingehen.“ Wir stapfen runter. In unsere Zukunft.

Das erste Mal auf „meinem“ Grundstück

Mit jedem Meter, den wir dem Grundstück näherkommen, erkenne ich mehr Einzelheiten. Das Blockhaus ist nicht besonders groß, aber in gutem Zustand. Daneben ein kleines Haus, aber nicht aus Stämmen gebaut, sondern offensichtlich mit Lehmwänden – die aber über die Jahre durch den starken Ostwind inzwischen ziemlich schief nach Westen geneigt sind. Um die Hütte herum stehen einige verschieden große Holzschuppen: eine Seite jeweils offen, drei Seiten mit Holzwänden, die jetzt zur Hälfte im Schnee stehen, die Dächer aus Holz und abgestützt durch zusätzliche Holzpfosten. Vor der Haustür der Blockhütte ist ein Weg vom Schnee frei geschaufelt, vielleicht 20 Meter. Darauf steuern wir jetzt zu, ich nun vorweg, dann Vita und Juri. Vom anstrengenden Weg durch den hüfthohen Schnee keuchen wir alle, bei mir kommen vor Aufregung noch ein paar Herzschläge extra dazu.

Kurz bevor ich die Haustür erreiche, geht sie auf; ein Mann, vielleicht Mitte 60 öffnet sie, lächelt uns an und bittet uns herein. Igor. Wir treten ein, sofort spüren wir die mollige Wärme in der Hütte. Igor und seine Frau Tatjana begrüßen uns herzlich und versorgen uns natürlich, russische Gastfreundschaft, zunächst einmal mit Tee. Wir machen uns alle miteinander bekannt, reden übers Wetter, den Winter, über Sibirien, und dann bringt Tatjana frische, noch warme und lecker duftende Blintschikis: gefüllte Teigtaschen; entweder süß gefüllt mit Marmelade oder herzhaft, mit Käse oder Schinken. Igor legt noch ein paar Birkenscheite in den Ofen. Ich fühle mich „meinem“ Sibirien-Leben schon ziemlich nahe…

20 Jahre ist Igor mit Zelten und Packpferden durch die Taiga gezogen, hat Pferde gezüchtet und damit gehandelt und von allen möglichen anderen Arbeiten gelebt. Dann hat er Tatjana kennengelernt, sie haben geheiratet, das Grundstück hier gemietet und dann, in Sibirien durchaus üblich, darauf ihre eigene Blockhütte gebaut. Bei einem Umzug wird die dann auf dem jetzigen Grundstück ab- und auf dem neuen Grundstück wiederaufgebaut.

Igor erzählt mir weiter von seinem Leben, von früher, von heute, und auch Tatjana und Vita plaudern angeregt, scheinen sich gut zu verstehen. Ich aber merke – dass ich erst mal gar nichts sage. Alles, was ich fragen wollte, alle Daten und Infos zum „Kaufobjekt“, Grundstück, Schuppen, Fluss, Wiese, alle Fragen zu den Vor- und Nachteilen, sind wie weggeblasen. Das interessiert mich plötzlich gar nicht. Denn ich merke, fühle, weiß, dass ich mich ohnehin schon entschieden habe: Hier will ich wohnen. Weil ich hier angekommen bin.

Später reden Igor und ich dann doch noch „übers Geschäft“: Wenn ich das Grundstück kaufe, würden die beiden gern hier wohnen bleiben – auf dann meinem Grund, aber eben in dem eigenen Blockhaus. Da ich noch gar nicht weiß, wie das überhaupt mit mir und Sibirien werden soll und ob es was wird mit dem Grundstücks-Kauf, habe ich dagegen erst einmal keine Einwände. Selbst wenn es klappt mit dem Kauf, werde ich ja nicht sofort dauerhaft hier wohnen, und dann ist es nur gut, wenn das Grundstück von Igor und Tatjana dauerhaft bewohnt ist. Und sollte ich tatsächlich hier einmal wohnen, werde ich froh sein, einen Sibirien-Experten wie Igor als Nachbarn zu haben, vom dem ich alles lernen kann über das Leben in der Taiga.

Trotz dieser Gedanken bin ich noch nicht wirklich bei der Sache. Während alle im Raum miteinander reden, versinke ich in meinen Träumen: Mein Leben abseits der Zivilisation, in der Natur, rundum Ruhe, als Selbstversorger mit Tieren und Pflanzen. Ziegen vielleicht? Oder besser Rentiere? Was ist mit Hühnern? Auf alle Fälle Kartoffeln, Wurzeln, Erbsen, Bohnen; für den Nachtisch Johannisbeeren, Stachelbeeren. Erdbeeren? Vielleicht im Gewächshaus. Klar, ich brauche ein Gewächshaus. Für Erdbeeren. Und im Gewächshaus geht ja auch Salat…

Schließlich holt mich ein Gedanke ins Hier und Jetzt zurück, der meinen Puls noch einmal auf Trab bringt: Ich muss noch die eine, alles entscheidende Frage stellen: „Igor, gibt es hier Handy-Empfang?“ Denn das, da waren Vita und ich uns schon von den ersten Sibirien-Ideen an einig, ist unabdingbare Voraussetzung für ein mögliches Aussteigerleben. Igors Antwort ist für mich eine Erlösung: „Ja, der Empfang ist sogar sehr gut, weil der nächste Funkmast auf einem der umliegenden Hügel steht.“

Nach ungefähr einer Stunde verabschieden wir uns von Igor und Tatjana. Ich fühle mich benommen, kann gar nicht glauben, was hier gerade passiert ist und noch immer passiert. Bevor wir uns auf den Rückweg machen, schaue ich noch einmal über das Grundstück. Außer den Gebäuden ist nichts zu sehen unter der gut einen Meter hohen Schneedecke. Da hinten, Richtung Osten, da muss der Fluss sein. Wahrscheinlich tiefgefroren.

Am nächsten Tag ruft Juri den Besitzer an. Der signalisiert, dass er sich einen Verkauf des Grundstücks durchaus vorstellen könne, es käme eben auf den Preis an. Das ist zunächst eine gute Nachricht, allerdings nicht für mich, denn, auch wenn ich es noch nicht selber erlebt habe, gilt: Sobald ein Russe merkt, dass ein Kaufinteressent Ausländer ist, verdoppelt er den Preis; egal, ob es ein Auto ist, Baumaterial, eine Dienstleistung oder eben ein Grundstück. Für Deutsche gilt das besonders, denn die gelten eben als besonders „reich“. Ja, ich will mein Traum-Grundstück haben – aber mein Budget ist doch sehr beschränkt.

Der Besitzer wohnt nur ein paar Kilometer entfernt vom Deutschen Haus, und Juri vereinbart mit ihm ein gemeinsames Treffen bei ihm. Je näher der Termin rückt, desto nervöser werde ich; den Abend davor bin ich aufgeregt, wie ein Sechsjähriger vor Heiligabend. Immer wieder kreisen meine Gedanken um die für mich wichtigsten Fragen: Was, wenn das klappt? Wieviel Geld wird der Besitzer haben wollen? Wieviel Geld könnte ich maximal zusammenkriegen? Was kann ich tun, was muss ich sagen, um den Besitzer für mich zu gewinnen?

Wie zu erwarten, nennt der Besitzer zu Beginn des Gesprächs einen astronomisch hohen Preis. Normalerweise hätte ich mich davon abschrecken lassen – aber Juri hat kurz vorher noch erfahren, dass der Besitzer schon versucht hat, Igor dazu zu bewegen, das Grundstück zu kaufen. Der aber hatte kein Interesse. So lasse ich mich also auf das Pokerspiel ein, bedanke mich für sein erstes Angebot – und nenne im Gegenzug einen absurd niedrigen Preis. Nach harten Verhandlungen, die aber, wie in Russland üblich, sehr freundlich, bei mehreren Tassen Tee und kleinen Leckereien geführt werden, einigen wir uns auf einen Kaufpreis, mit dem wir beide leben können. Ich habe es geschafft.

Wir besprechen den weiteren Ablauf. Es gibt natürlich eine Menge Papierkram, der erledigt werden muss, und das wird dauern. Ungeduldig, wie ich nun einmal bin und in dieser Sache besonders, ist das nervig. Auf der anderen Seite: Ich habe ja noch gar keine Ahnung, wie meine Zukunft hier in Sibirien aussehen und wann sie beginnen kann; da werde ich mir noch viele Gedanken machen und Entscheidungen treffen müssen.

Am Abend muss ich gleich wieder „verhandeln“ – mit Vita. Sie hat Bedenken, ob das mit dem Grundstückskauf eine gute Sache ist; befürchtet, dass ich es mit dem Kauf überstürze. Ihr wäre es lieber, wir würden uns nicht jetzt Hals über Kopf entscheiden, sondern uns Zeit nehmen und alles noch ein bisschen „sacken“ lassen. Vom Kopf her kann ich ihre Bedenken verstehen; immerhin wird ein eigenes Grundstück in Sibirien ja unser Leben total verändern. Auf der anderen Seite fühle ich deutlich und intensiv: Dieses Grundstück ist für mich richtig und ich will es unbedingt kaufen. Ich versuche, Vita diese Entschlossenheit sanft, aber auch eindeutig zu sagen. An genau diesem Ort zu wohnen, das kommt ganz tief aus meinem Bauch heraus. Ich muss da nichts überlegen; ich habe überhaupt keine Zweifel. Das ist der Platz auf der Erde, den ich jahrelang gesucht habe. Mein Platz. Das scheine ich so fest und „richtig“ rüberzubringen, dass Vita mich lange anguckt und dann sagt: „Okay Ulf, dann mach´ es“. Und ab dann ist sie, wenn auch manchmal noch zweifelnd, dabei.

Zweite Reise

Im Juni 2014 reisen Vita und ich wieder nach Sibirien. Dieses Mal fliegen wir – und dieses Mal wollen wir drei Monate bleiben. Auch wenn Vita von unserem zukünftigen Leben noch nicht ganz so begeistert ist wie ich, sind wir doch beide jetzt fest entschlossen, das Grundstück zu kaufen. Für die ersten zwei Wochen haben wir wieder ein Zimmer im Deutschen Haus gebucht, danach wollen wir in der windschiefen Hütte auf unserem, hoffentlich dann eigenen, Grundstück wohnen. Neben unseren Blockhaus-Nachbarn Igor und Tatjana.

Im Deutschen Haus angekommen, legen wir nur das Gepäck ab, fahren dann gleich mit dem Bus von Petropavlovka nach Cheremshanka und gehen zum Grundstück. Beim letzten Mal mussten wir wegen des hohen Schnees den Umweg über die Forststraße nehmen, jetzt gehen wir auf direktem Weg die sieben Kilometer durch die Taiga. Nach zwei Stunden liegt unser Traum vor uns, und natürlich sieht jetzt alles ganz anders aus, aber ebenso schön: Statt weiß ist jetzt alles grün, dazwischen Blumen in den unterschiedlichsten Farben. Und plötzlich ist am Rand des Grundstücks auch ein Fluss. Und statt der Winterstille hören wir das Rauschen des Flusses. Und die Rufe des Kuckucks. Was für ein Paradies.

Wir begrüßen Igor und Tatjana, die natürlich mitgekriegt haben, dass jetzt wir ihre, wenn auch noch nicht amtlich bescheinigt, neuen Vermieter sind. Wir reden nur kurz mit ihnen, sie haben Verständnis dafür, dass wir jetzt erst einmal unser, demnächst eigenes, Stück Sibirien in allen Einzelheiten besichtigen wollen, und sie laden uns für danach in ihr Blockhaus ein.

Wir machen eine Bestandsaufnahme von unserem Besitz. Als erstes ist da „unser“ windschiefes Haus – das aber eher eine Hütte ist: vier mal sechs Meter groß, einstöckig, mit nur einem Raum, in dessen Mitte ein russischer Ofen steht. Die Haus-Konstruktion ist ein Holzständerwerk, die Fächer sind mit Lehm gefüllt und auch die Wände sind außen und innen mit Lehm verkleidet, der aber an vielen Stellen schon abbröckelt. Auch der Fußboden besteht aus gestampften Lehm. Innen ist natürlich alles verstaubt, hier und da liegen trockene, hineingewehte Blätter. Außer dem Ofen gibt es nur ein einziges Möbelstück: ein wackeliges Doppelstockbett. Aber die Hütte ist rundum zu, es scheint keine größeren Löcher oder Risse zu geben. Das Satteldach besteht aus Wellblech-Platten; die ebenso wie das Haus schon viele Jahre alt sind.

Dann gibt es einen alten Stall, vermutlich für Ziegen, ungefähr drei mal drei Meter groß, daneben eine kleine Scheune. Und es gibt einen größeren, ungefähr zehn mal sechs Meter großen Lagerschuppen, ebenfalls ein Holz-Ständerbau, aber halb eingefallen. Die Gebäude sehen alle baufällig aus – aber immerhin haben sie bislang Stürmen und Schneelasten standgehalten. Etwas weiter weg steht noch ein kleines Blockhaus, drei mal zwei Meter groß. Ich vermute, das war mal eine Banja, eine russische Sauna. Es scheint in Ordnung zu sein, aber ich finde es sehr hässlich; irgendwie stimmen die Proportionen nicht. Sage ich, als Baumensch.

Trotzdem: So baufällig die Schuppen, so windschief die Lehmhütte – wir sind kein bisschen enttäuscht; dafür ist unsere Begeisterung über das Grundstück zu groß, denn aus dem kalten, schneebedeckten Flächen im März, ist jetzt, im Juni ein Paradies geworden: sattgrüne Wiesen voller Blumen in allen Farben und mit allen Düften; Bienen summen von Blüte zu Blüte. Die Sonne steht hoch, es sind bestimmt an die 30 Grad. Und am Ende unseres leicht abfallenden Grundstücks, ist der Fluss und sein Ufer. Das ist nun auch unseres. Gegenüber, rund zehn Meter entfernt, am anderen Ufer, ist dichte Taiga, Ich knie mich hin, schöpfe mit der Hand Wasser zum Trinken. Es ist kalt, sauber, lecker. Besser als jedes Leitungswasser in Deutschland. Genau so habe ich mir das vorgestellt: Mit gutem, eigenen Wasser fängt es an – mein Sibirien-Selbstversorger-Leben…

Ich kaufe mein Stück Sibirien

Drei Tage später ist der große Tag: Der Termin im Grundbuchamt. Juri hat in den letzten Monaten alles dafür vorbereitet: den Kaufvertrag von einem Anwalt aufsetzen lassen, alle Papiere zusammengetragen, mit dem Verkäufer die Einzelheiten besprochen und auch diesen Termin für die Unterzeichnung des Kaufvertrags gemacht. Ich habe von Deutschland aus den Kaufpreis überwiesen. Dann geht alles schnell: Der Beamte bestätigt, dass das Grundstück frei ist von allen Einträgen im Grund