Meine Pilgerreise zum Heiligen Land im Jahre 1901 - Nickolas Jörns - E-Book

Meine Pilgerreise zum Heiligen Land im Jahre 1901 E-Book

Nickolas Jörns

0,0

Beschreibung

Dies ist meine Hinterlassenschaft für meine Verwandtschaft in Deutschland und Amerika. Ein Bericht über meine Pilgerreise von Amerika über Frankreich ins Heilige Land und meinen Besuch bei meinen Verwandten in Deutschland, meiner alten Heimat, auf der Rückreise nach Amerika. Ein interessantes Familiendokument und gleichermaßen ein Zeitdokument vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 248

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Meine Pilgerreisezum Heiligen Landim Jahre 1901

Aufgezeichnet für meine Geschwister und Verwandten von Nickolaus Jörns

HerausgeberinPetra E. Jörns

Mit Texten von Fred Finger, Petra E. Jörns, Alois Krämer, Viktoria Walker und mit Fotos von Viktoria Walker

Für meinen Vater

E-book Meine Pilgerreise zum Heiligen Land im Jahre 1901

Erste Auflage 01.11.2014

© Saphir im StahlVerlag Erik SchreiberAn der Laut 1464404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Collage von Erik Schreiber

Lektorat: Saphir im StahlÜbersetzung: Shirley Meyer

Vertrieb: bookwire GmbH

ISBN: 978-3-943948-32-5

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Pilgerreise von Amerika nach Jerusalem und zurück über Deutschland

Nachwort

Anhänge

Nicholas Jörns Ein Brief nach Hochdorf

Auswanderer

Die Sehnsucht nach einem besseren Leben - Die deutsche Sichtweise (Alois Krämer)

Deutschland hinter sich lassend - Die amerikanische Sichtweise (Fred Finger)

Die Familie Jörns

Die Geschichte der Familie Jörns (Elsie Koenemann)

Ergänzung (Viktoria Walker)

Die Jörns / Joerns in Amerika (Fred Finger)

Die Marianisten (Wikipedia)

Nachwort (Petra E. Jörns)

Bildnachweise

Einleitung

Johns Hill,am 22ten Februar 1904

Meine lieben Geschwister und Verwandte!

Ihr wißt es alle noch sehr genau, wie ich vor beinahe drei Jahre zurück meine Wallfahrt in das heilige Land gemacht habe. Auf meiner Rückkehr war ich ja einen Monat bei Euch und erzählte Euch da, was ich auf dieser großen Reise erlebte. Das Erzählte kann aber leicht vergessen werden, und so denke ich Eurem Wunsche gewiß zu entsprechen, wenn ich die Hauptereignisse dieser Reise niederschreibe und selbe Euch hinterlasse.

Nehmet nun diese Aufzeichnungen, so wie ich selbe niederschrieb in den Tagen und Stunden, wo ich diese so habe am heiligen Orte geschaut. Leset sie öfters und Ihr werdet so im Geiste gleichsam mit mir dorthin wollen, dort schauen, dort beten und - weinen.

Nehmet diese Aufzeichnungen als Andenken und Beweiß dieser Reise; ja, als Ehrengabe für unsere Familie - Jörns. Seid stolz darauf und sagt's Jedermann, daß Ihr einen Bruder, einen Onkel (ge)habt, der, als armer Lehrer, die Wallfahrt ins heilige Land gemacht und zwar von Amerika aus, also, von Cincinnati aus, bis Jerusalem und zurück einen Weg von 18 000 englischen Meilen zurückgelegt hat (etwa 6 000 Stunden).

Es war kein kleines Unternehmen. Ich war zwar vorher schon viel gereist, aber nur in zivilisierten Ländern. Im Orient reisen verlangt Muth, Erfahrung, Kenntnisse und - Geld. Es war gut, daß ich mir die Sache leichter vorstellte, als sie doch nicht ist, zumal da ich ganz allein war.

Aber Gott hat mich liebevoll beschützt. Sein heiliger Engel ging sozusagen sichtbar vor mir her, alle Gefahren aus dem Wege räumend, mich mit Muth, Freude, Trost und Vertrauen erfüllend. Kein Haar wurde mir gekrümmt, froh und glücklich trat ich den Weg an, und kehrte ebenso zurück.

Darum auch Lob und Dank dem Allerhöchsten, der lieben Mutter Gottes und dem heiligen Schutzengel.

Euer treuer Bruder, Cousin, OnkelNickolaus Jörns

Introduction

Johns Hill,22nd February 1904

My dear siblings and relatives!

You all know very precisely how I made my pilgrimage to the Holy Land nearly three years ago. On my return, I stayed with you for a month and described all I had seen, but an oral account is easily forgotten and thus I will write this and leave it, so that you may read it at your leisure.

I give you these records, written as I experienced them, in a sacred place. Read them often and you will be there with me in spirit, seeing, praying and weeping.

Take these records as souvenir and evidence of this journey; yes, as a donation of honour to our Prize Family Jörns. Be proud and tell everyone that you had a brother, an uncle who, as a poor teacher, made a pilgrimage to the Holy Land, beginning in Cincinnati and encompassing a journey of eighteen thousand miles, to Jerusalem and back.(ca. 6 000 hours).

It was not a small enterprise. I have travelled extensively before, but only in civilized countries. To travel in the Orient needs courage, experience, knowledge and money. It was good that I thought it easier than it turned out to be, especially since I was all alone.

But God has protected me lovingly. His holy angel walked before me, clearing away all danger, filling me with courage, joy, comfort and trust. Not a hair of my head was touched, happily and cheerfully I went on my way and came back the same.

Therefore also praise and thanks to the All Mighty, the dear Mother of God and the Holy Guarding Angel.

Your faithful brother, cousin, uncleNickolaus Jörns

1. Auf dem Schiffe Champagne,

Donnerstag, 1ter August 1901

Seit Jahren hegte ich den stillen, frommen Wunsch, Palästina, das Heilige Land zu besuchen. Dieses Land, wo unser Herr und Heiland, Jesus Christus geboren, wo Er gelebt, gewandelt unter den Menschen, wo Er sein heiliges Blut für uns vergossen, wo Er am Kreuze für uns starb, begraben ward am dritten Tage, aber wieder glorreich von den Todten auferstanden.

Gott der Herr hat dieses Land schon im alten Bunde den Patriarchen und Israeliten als Wohnort bezeichnet und wie heilig war denselben diese Erdscholle? Liest und lernt man als Kind in der Schule die Biblische Geschichte, wie erwacht da der Wunsch, zu dieser Zeit, als Jesus gelebt, auch dort gelebt zu haben. Ihn so geschaut zu haben wie die Apostel - oder doch wenigstens einmal so glücklich zu sein, diese heiligen Orte zu sehen, wo Er unter den Menschen gewandelt.

Dieser Wunsch, sage ich, wurde immer stärker in mir. Ich überlegte mir die Sache, sparte, schrieb an Franziskaner Patres um nähere Auskunft und im Juli 1901 stand mein Entschluß, die Pilgerreise anzutreten, fest. Ich sage Pilgerreise, denn nur als Pilger wollte ich diese Reise machen zumal das Heilige Land betreten, so wie es die Kirche wünscht. Nicht als neugieriger Feger! Schande für Jeden der nur aus bloser Neugierde diese erhabenen, heiligen Orte der Erde aufsucht.

Am 22ten Juli verließ ich das Haus der Basel Gertraud, die mich sehr zu dieser Wallfahrt ermunterte; denn sagte sie, der Großvater Nickolaus Pracht sei als Handwerksbursche dort hingegangen. Es war entsetzlich heißes Wetter. Abends 8 Uhr verließ mein Zug Cincinnati. In Gottes Namen, sagte ich. Ich fuhr die Nacht hindurch und am nächsten Tag war ich in Washington. Ich kehrte bei den Franziskanern ein, blieb da über Nacht, erhielt von Pater Gottfried ein Empfehlungsschreiben, besorgte mir einen Reisepaß für ins Ausland und nachdem ich mir die Stadt etwas besehen, fuhr ich nach New Jork. Hier war ich bei meinem Bruder Michel.

Von New Jork eilte ich nach Patterson, wo ich sechs Jahre als Lehrer war. Dort habe ich liebe Freunde und die freuten sich sehr, mich nach sieben Jahren wieder zu sehen. Ich blieb in Patterson drei Tage, kehrte wieder nach New Jork zurück und traf da die letzten Vorbereitungen zur Reise. Ich kaufte mir einen Platz zweiter Klasse auf einem französischen Dampfer „Champagne“ von New Jork bis Paris.

Am Morgen meiner Abreise hatte ich noch das Glück, in der Kirche der Redemptoristen die heilige Kommunion zu empfangen. Um 8 Uhr morgens verließ ich dann mit meinem Bruder seine Wohnung und fuhr auf der Hochbahn zum Schiffe. Dort angekommen, fand ich zwei Herrn von Patterson, die es sich zur Ehre und Freude rechneten bei meiner Abfahrt zugegen zu sein; eine Aufmerksamkeit, die mich sehr freute. Es ging schon auf 10 Uhr und well, kurz vor der Abfahrt, war natürlich alles in großer Aufregung.

Ich suchte meine Kajüte auf, brachte mein Gepäck dort unter und unterhielt mich dann noch einige Zeit mit meinem Bruder und den Herrn von Patterson. Punkt 10 Uhr ward das Zeichen zur Abfahrt gegeben. Jetzt hieß es - Lebt wohl! Die Brücke wurde emporgezogen, das Geländer geschlossen und unter gellenden Pfiffen, die weithin über die Stadt schallten, fing der Koloß unseres Schiffes an sich fort zu bewegen.

Die Abfahrt eines Schiffes ist ein ergreifender Anblick. Alles ruft und schwenkt die Taschentücher zum Abschied, und manche Thräne fließt.

Nachdem das große Schifflein seine rechte Wendung hatte, waren wir auch bald durch den schönen New Jorker Hafen an den lieblichen Inseln Staten Island und Coney Island vorbei und zur Mittagszeit war von Land nichts mehr zu sehen. Nach dem Mittagsmahl fühlte ich mich etwas unwohl und mancher Mitreisende schlich in sein Zimmer - aus triftigen Gründen.

Immerhin verging der erste Tag zur See ziemlich gut. Das Meer war ruhig, das Wetter schön. Um 8 Uhr zog ich mich zurück und ging zu Bette. Ich hatte noch zwei Zimmergefährten. Ein Herr aus Philadelphia, Katholik und - einen Juden. Beide waren aber recht artig und freundlich, zumal der Herr aus Philadelphia, der sich recht an mich anschloß.

Er besuchte nach vielen Jahren seine Heimath „Lothringen“ zum ersten mal wieder, mit seiner Tochter. Er war kränklich, ein recht christlicher Mann der sich entschloß, mit mir nach Lourdes zu gehen.

1. On the ship Champagne,

Thursday, 1st August 1901

For years I had the quiet, religious wish to visit Palastine, the Holy Land. This country where our lord and saviour Jesus Christ was born, where he lived and walked among humans, where his holy blood was shed, where he died at the cross for us, buried at the third day but gloriously rose from the dead.

The Lord God has appointed this country as residence for the patriarchs and Israelites and how holy was this place to them? Reading and learning the scripture as a child, the wish, live there when Jesus had lived there, arose in my heart. To have seen him as the apostles saw him, or at the very least to be so lucky to see these holy places, where he walked among humans.

This wish grew stronger and stronger in me. I considered it, saved money, wrote to Franciscan priests for more information and in July 1901 I resolved to make the pilgrimage. I call it pilgrimage because only as a pilgrim did I wish to set foot on the Holy Land, as it is fervently wished by the church, that everyone approach this place as a penitent, not merely as a curiosity seeker. Shame on everybody, who visits these exalted, holy places of the earth for mere curiosity.

At the 22nd of July I left the house of aunt Gertraud, who was steadfast in her encouragement for me to do this pilgrimage, because she said that I would be following in the footsteps of grandfather Nikolaus Pracht who had been there as a journeyman. It was incredibly hot weather. In the evening at 8 o'clock my train left Cincinnati. In God´s name, I said. I travelled the whole night and at the next day I reached Washington. I stopped at the Franciscans, stayed there over night, got a letter of recommendation from Father Gottfried, and acquired a passport for foreign countries. After I had seen the city, I travelled to New York. There I stayed with my brother Michael.

From New York I went on to Patterson, where I had taught for six years, and where I had a great many dear friends who were glad to see me again after seven years. I stayed at Patterson for three days, went back to New York and made ready for my journey. I bought a ticket 2nd class on the French steamboat “Champagne” from New York to Paris.

At the morning of my departure I had the luck, to receive the Holy communion in the church of the Redemptorists. (should this be Church of the Redeemer?) At 8 o'clock in the morning I left the apartment with my brother and drove to the ship. Having arrived there, I found two men of Patterson, who were honoured and gladdened to bear witness for my departure; an attention which made me very glad. It went to 10 o’clock and short of the departure everyone was very excited.

I looked for my cabin, stored my baggage there and talked a little bit with my brother and the men from Patterson. At 10 o'clock the sign for departure was given. Now it meant: Live well! The gateway was taken away, the railing was closed and with yelling whistles, which sounded far across the city, the colossus of our ship began to move.

The departure of a ship is a stirring sight. Everybody is calling and waving goodbye with their handkerchiefs, and tears flow.

After the big ship had moved round, we went through the beautiful harbour of New York and along Coney Island and at high noon nothing of the land could be seen any more. After lunch I felt little indisposed and some travellers crept back to their rooms, for very good reasons!

The first day on sea went by fairly well; the ocean was quiet, the weather was good and at 8 o'clock I went to bed. I had two room mates. A gentleman from Philadelphia, catholic, and – a Jew. They were both very kind and polite, especially the man from Philadelphia, who was very companionable.

After many years he was visiting his home country Lorraine for the first time with his daughter. He was unhealthy, a quite Christian man, who decided to go with me to Lourdes.

2. Auf dem Schiffe Champagne, Portimenta

Freitag, den 2ter August 1901

Um 5 Uhr stand ich auf und ging sofort aufs Verdeck und zwar zur vordersten Spitze des großen Schiffes, was ich fast jeden Morgen that. Da ist´s schön und herrlich. Großartig breitet sich da das Meer vor unseren Augen aus. Ein majestätischer Anblick. Hier verrichtete ich immer meine Gebete. Den Rosenkranz in meiner Hand stehe ich oben auf dem Schiffe, an welches die Meereswellen anschlagen, das aber ruhig und fest über dieselben hingleitet, immer nordöstlich dem Ufer Frankreichs zu.

Ja, eile nur mein Schiff, so schnell du kannst, eilen möcht ich ja noch schneller über die Meereswogen dem Europäischen Gestade zu. Du aber - o Himmelskönigin, o Stern des Meeres - beschütze mich, beschirme den, der zu deiner Heimath zieht, zum Grabe deines Jesus dort in Jerusalem.

Das waren für gewöhnlich meine Gedanken, und so betete ich und sang. Sei gegrüßt, o Jungfrau rein, Maria zu lieben und alle Lieder zu Maria, die ich nur wus- ste. Während ich einmal so da stand und sang, bemerkte ich einen Herrn, der sich ganz nahe an mich heran geschlichen. Wie lange er mich belauscht, weiß ich nicht, aber als ich mich umwandte, zog er sich schnell zurück.

Die Reise von Amerika nach Frankreich war überhaupt eine schnelle und glückliche. Was täglich auf dem Schiffe vorkam, war unbedeutend und für mich von wenig Interesse, darum übergehe ich diese Tage bis zum 9ten und letzten auf diesem Schiffe.

2. On the ship Champagne, Portimenta

Friday, the 2nd August 1901

At 5 o'clock I got up and went on deck, to the very foremost tip of the big ship, which I did nearly every morning. There it is great and magnificent. The ocean spreads marvellously before one. It's a majestic sight and an appropriate place for doing my prayers. With the rosary in my hand I stood on top of the ship, in the spray, even as the wild, crashing waves nonetheless steadily floated us across them, north-east to the far shore of France.

Yes, hurry my ship, as fast as you can, I'd rather hurry faster across the waves towards the European shore. But you – oh Queen of Heaven, oh Star of the Ocean – protect me, guard the one, who goes to your home country, to the grave of your Jesus there in Jerusalem.

Those were the tenor of my thoughts and thus I prayed and sang-Hail Mary, Oh Maiden Clear, Love of Mary and all the songs to Mary I knew. While I stood there once and sang, I noticed a man who had sneaked near to me. How long he'd listened I don't know, but as I turned round, he flinched back at once.

At all the journey from America to France was a fast and lucky one. What daily happened on the ship, was small and not of any interest for me, therefore I pass over these days until the 9th and last day on the ship.

3. Auf dem Schiffe Champagne,

Freitag, den 9ter August 1901

Stand etwas spät auf und zwar mit Kopfweh. Wir befinden uns im englischen Canal. Die Witterung ist kalt und nebelig. Das Schiff bewegt sich nur langsam vorwärts und unter beständigem Signalisieren. Um 2 Uhr heut Nachmittag sollen wir in Havre sein. Wollen sehen.

Richtig, gegen 3 Uhr sahen wir Festland - Frankreich. Wie pochte mir's Herz, als ich dieses Land wiedersah, wo ich vor dreißig Jahren drei meiner schönsten Jugendjahre verlebte. Wäre der Deutsch-Französische Krieg nicht ausgebrochen, ich wäre wahrscheinlich nie nach Amerika gekommen. Heute wäre ich ein Stockfranzose.

Um 4 Uhr hielt das Schiff etwa zwei Stunden vom Hafen entfernt, weil die Fluth nicht da war. Man lud die Kajüten-Passagiere auf einen kleinen Dampfer, der uns in einer halben Stunde an's Land brachte. Hier war nun Zollrevission, die aber nicht viel auf sich hatte. Der Zug für Paris stand bereit und um 5 Uhr fuhren wir schon ab. Die Fahrt durch die schöne Normandie that uns so wohl. Die Landschaften waren so traut; schade, daß die einbrechende Dunkelheit uns diesen Genuß so bald raubte.

Um 10 Uhr hielt der Zug in Paris. Betäubender Lärm. Alles stieg aus, und jetzt hieß es sich trennen. Das enge Zusammenleben auf dem Schiffe erzeugt Freundschaften, Zuneigungen, die dann am Ufer des Landes sozusagen wieder aufgegeben werden müssen. Es währte auch nicht lange und die lieben Reisenden zerstoben nach allen Richtungen der Stadt.

Herr Weis aus Philadelphia wurde von seinen Freunden in Paris abgeholt und diese luden mich ein mit denselben zu gehen. Es war schon 11 Uhr nachts, als wir in der Wohnung des Herren ankamen, wurden aber recht freundlich aufgenommen und mit einem feinen Mahle bewirtet. Es war schon nach Mitternacht, ehe wir zur Ruhe kamen.

3. On the ship Champagne,

Friday, 9th August 1901

Got up a little bit late and with a headache. We are in the English Canal and the weather is cold and foggy. The ship moves only slowly and with steady signaling. At 2 o'clock this afternoon we shall reach Havre. We will see.

Right, at 3 o'clock we saw the continent – France. How my heart was beating, as I saw this land again, where I had spent three of the most beautiful years of my youth. If the German-French War had not broken out, I probably never would had come to America. Today I would have been a Frenchmen.

At 4 o'clock the ship the ship stood two hours out of the harbour, because the tide was not yet sufficient. The cabin passengers were loaded onto a small steam boat, which brought us to the shore in half an hour. There was the toll, which wasn't severe. The train for Paris stood ready and at 5 o'clock we had already departed. The journey through the beautiful Normandy did us so much good. The countryside was so familiar, what a pity that nightfall robbed us of this pleasure so soon.

At 10 o'clock the train arrived at Paris. Deafening noise. Everybody stepped off and we had to part ways. The close living on the ship creates short friendships, which had to be given up at the shore. Our leave-taking wasn't long and all the dear travellers went away in all their various directions into the city.

Mr Weis from Philadelphia was picked up by his friends in Paris and they invited me to go with them. It was 11 o'clock in the night, when we reached the apartment of the gentleman, but we were received very politely and were treated to a fine meal. It was after midnight, ere we came to our rest.

4. Paris, St. Laurentius

Samstag, 10ter August 1901

Stand früh auf, geweckt vom Pariser Straßenlärm, suchte eine Kirche und fand selbe in nächster Nähe, wo ich Gelegenheit hatte, zwei heilige Messen zu hören. Nach einem Frühstück ging ich mit Herrn Weis spazieren, wollten uns einmal Paris wieder ansehen. Ich glaubte, jede Straße noch zu kennen, so heimelte mich alles in dieser Stadt an. Wir schlenderten sozusagen durch die Straßen dem Monmart zu, wo wir der großartigen Herz Jesukirche (Sacre-Coeur) einen Besuch machten. Ein überaus großartiger Bau. Herr Weis konnte nicht schnell gehen und so blieb es am Morgen bei diesem einen Kirchenbesuch.

Am Nachmittag ging er mit seinem Freunde aus, was mir sehr erwünscht war. Ich wollte allein die Stadt durchwandern, allein die Plätze besuchen, wo ich vor dreißig Jahren so schöne Tage verlebt. So lenkte ich denn meine Schritte zuerst nach der Rue Favar Nr. 6. Dieses große Haus gehört dem Herrn, bei dem ich Bedienter war. Ich stellte mich da dem Pförtner vor, (es war nicht mehr der Frühere) frug nach dem Monsieur de Bonnefoi! Dieser machte große Augen, als ich, so fremd ich auch aussah, doch den Namen seines Herren kannte. Der Herr war nicht da, sondern auf dem Landschloß.

Ich sagte dann dem Pförtner, daß ich vor dreißig Jahren Bedienter bei dem Herrn gewesen, jetzt Lehrer in Amerika sei und eben auf einer Reise begriffen sei nach dem heiligen Lande. Ich bat ihn, den Herrn, sowie dessen Sohn von mir zu grüßen und ihm zu sagen, daß ich in Jerusalem am Grabe des Herrn seiner und besonders der verstorbenen Gräfin gedenken wolle. Da machte aber der Pförtner noch größere Augen. Als ich dann noch nach früheren Bedienten frug, konnte er an meiner Aussage nicht zweifeln. Von Jerusalem aus schickte ich eine Ansichtskarte an den Herrn.

Ich verließ jetzt das Haus, stellte mich aber außen in kleiner Entfernung vor dasselbe und betrachtete es noch lange. Ich betrachtete alle Fenster, alle Winkel die Straße auf und ab, bis die Thränen kamen. Oh, ein solches Wiedersehen ist freudig und schmerzlich zugleich. Alle freudige, glückliche Stunden, die ich hier verlebt, kamen mir wieder so lebhaft ins Gedächtnis; aber die Persönlichkeiten waren nicht mehr da, und die Mauern können doch nicht reden. Dreißig Jahre ist ein Zeitalter, da verändert sich so vieles.

Wehmüthig ging ich von diesem Hause weg zur großen, berühmten Kirche La Madeleine. Es war das unsere Pfarrkirche. Dort überkam mich dasselbe Gefühl. Ich ging in der ganzen Kirche herum, fand alle meine früheren Plätze, wo ich gekniet. Aber, ach, ich konnte es nicht lange darin aushalten.

Von hier ging ich zur Kirche Unserer lieben Frau vom Siege, eine Art Wallfahrtskirche, wo die Herz Maria Bruderschaft entstanden. Ich ging hier zur Beicht und opferte am Gnadenaltar drei große Kerzen, zur Danksagung meiner bisherigen Reise und um Gnade für die mir noch bevorstehende.

4. Paris, St. Laurentius

Saturday, 10th August 1901,

I rose early, woken up by the Parisienne street noise, looked for a church and found one very close, where I had the opportunity to listen two masses. After breakfast I went for a walk with Mr Weis, wanting to see Paris again. I believed to remember still every street, so familiar and comfortable felt the city, just like home. We strolled through the streets towards Monmartre, where we visited the great church of Sacred Heart (Sacre-Coeur). A gorgeous building. Mr Weis couldn't walk very fast and therefore we visited only one church in the morning.

In the afternoon he was taken out by his friends, which pleased me very much, since I wanted to walk alone through the city, to visit the places where I spent such beautiful days thirty years ago. Thus my steps led first to Rue Favar Nr. 6. This big house belonged to a gentleman, for whom I was a servant. I introduced myself to the doorman, asked for Monsieur de Bonnefoi and his eyes grew round with astonishment since I, an unfamiliar person, knew the name of his master. The gentleman wasn't in town, but at his chateau in the countryside.

I told the doorman that I had been a servant of his master, and was now a teacher in America and on a journey to the Holy Land. I begged him to greet the master and his son and to tell him that I would commemorate him and his deceased countess at the grave of the Lord. Given that, the doorman's eyes grew even more round. As I asked after other former servants, he couldn't question my veracity any longer. Later, I sent a postcard from Jerusalem for the Count.

As I left the house, I stood nearby and gazed at it for a long time. I watched all the windows, all corners of the street up and down, until the tears came. Oh, such a reunion is both joyful and painful at once. All the joyful happy hours I spent there came up fresh in my mind; but the people were no longer there and the walls can't talk. Thirty years is a time in which many things can change.

From this house I went, with a melancholy heart, to the large and famous church La Madeleine, which had been our parish church. There I was overwhelmed by the same feeling. I went around in the whole church, found all my former places, where I knelt, but I couldn't stand it any longer and had to leave.

From there I walked to the church of our dear Maiden of Victory, a kind of pilgrimage church, where the Heart of Mary brotherhood originated. I confessed and sacrificed three big candles at the altar of grace, in thanks for my journey so far and to beg for mercy for the forthcoming one.

5. Paris,

Sonntag, 11ter August 1901

Um 5 Uhr stand ich auf und ging sofort zur Kirche. Bei der ersten Messe ging ich zur Heiligen Kommunion und was mich überraschte war, daß nach der Messe der Segen mit dem Allerheiligsten gegeben wurde und gepredigt ward. Um 8 Uhr ging ich wieder zur Messe und um 10 Uhr mit Mr. Weis und seinem Freunde ins Hochamt zur alt-ehrwürdigen Domkirche von Paris (Notre Dame). Es war recht erhaben. Chorknaben und ehrwürdige Domherren sangen das Amt. Mächtiger Orgelklang erfüllte den großen Dom.

Am Nachmittag ging ich zur Vesper in eine nahe gelegene Kirche an deren Schluß eine Pozession mit dem Allerheiligsten stattfand. Vor derselben trat ein Kirchendiener mit einer großen Kerze auf mich zu und lud mich ein, das Allerheiligste zu begleiten, was ich natürlich nicht abschlug.

Nachher machte ich noch einen kleinen Spaziergang. Aber ach, was sah ich immer deutlicher in dieser Stadt, zumal heute am Sonntag! Paris ist wohl noch eine feine, moderne Stadt, aber keine christliche Stadt mehr. Es stehen noch die schönen Kirchen in ihrer Mitte, aber fast öde und verlassen. Auch hat die Stadt noch ihre herrlichen Paläste, aber in den Straßen bewegt sich eine Menschermasse, die frech, leichtsinnig und gottlos aussieht. Von einer Sonntagsheiligung keine Spur.

Derselbe Lärm, dasselbe Getriebe wie an Wochentagen zumal des Morgens. Markt um die Kirchen herum; Maurer und Zimmerleute tüchtig an der Arbeit. Die Kirchen spärlich besucht. Sonntag abends legt der Franzose seine Schürze ab und feiert Sonntag am Montag.

Vor dreißig Jahren lebte ich in dieser großen Weltstadt als ein Junge, der noch wenig Erfahrung hatte, noch nicht solche Zustände beobachtete, wie ich das heute kann, aber ich weiß doch, daß es damals noch christlicher war und darum auch nobler. Frankreich war damals Monarchie und hatte mehr Ordnung, mehr Adel. Die Republik machte dieses Volk nicht frei, nur frech, liederlich, gottlos, und dieser Zustand scheint täglich mehr zuzunehmen. Die Edelgesinnten ziehen sich immer mehr zurück, die Geistlichkeit wird verachtet, die Ordensleute fortgejagt, die Schulen entchristlicht. Die große, gemeine Masse hat sich eine Regierung aus den gehässigsten Freimaurern erwählt und wohin dies zusteuert, sieht ja die ganze Welt.

Armes Frankreich, armes Paris, was wirst du wieder erleben müssen, bis das wieder anders wird. Ja, schon bist du noch Stadt Paris, aber du bist doch anders als vor dreißig Jahren. Ich könnte nicht mehr froh und glücklich in dir sein, darum gehe ich fort von dir und zwar gerne fort, morgen nach - Lourdes.

5. Paris,

Sunday, 11th August 1901

At 5 o'clock I got up and went to church at once. During the first mass I received the holy communion and was surprised, that after the mass the blessing, the Sacrament was given and prayed. At 8 o'clock I went to mass again and at 10 o'clock with Mr Weis and his friend to the high mass in the venerable old cathedral of Paris which is Notre Dame. It was very exalted. Choir-boys and cathedral elders sang the mass and the powerful sound of the organ filled the great cathedral.

In the afternoon I went to the vesper mass in a nearby church, where a procession with the Sacrament took place. Before that a sacristan approached me with a huge candle and invited me to accompany the Holy of Holies which, of course, I didn't reject.

Afterwards I took a little stroll, but what I see more and more clearly in this city dismayed me. Today, on Sunday! Paris is really still a fine, modern city, but not a Christian city any longer. The great, beautiful churches still stand at its core, but they are nearly deserted and lonely. It also still has its lovely palaces, but in the streets an impudent, frivolous, godless crowd throngs, in no way honouring the sanctification of the Sunday!

The same noise, the same activities as on week-days especially in the morning. Market around the churches; bricklayers and carpenters at work. The churches are sparsely visited. Sunday evening the Frenchman takes off his apron and feasts Sunday on Monday.