Mendelssohns Gärten - Thomas Lackmann - E-Book

Mendelssohns Gärten E-Book

Thomas Lackmann

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Beschreibung

Während des Siebenjährigen Krieges lädt der Seidenkaufmann und Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786) seinen reisenden Freund Lessing ins Grüne ein: »Ich habe einen überaus schönen Garten, darin Sie logiren können. Er ist von Herrn Nicolai seinem nicht weit abgelegen; und Sie können alle Bequemlichkeiten darin haben, die Sie nur wünschen […]. Wie angenehm könnten wir die Abende zubringen, wenn Sie sich hierzu verstehen wollten!«

Mendelssohn, von seinen Verehrern als »Jude von Berlin« gerühmt, führt trotz seiner schwachen Kondition ein aufreibendes Doppelleben zwischen Fabrikkontor und Studierstube. Thomas Lackmann zeigt ihn als Intellektuellen und Geschäftsmann, der sich zur Erholung und für die Diskussion seiner Projekte gern in Arbeits-Lauben und auf den Sommersitzen reicher Mentoren holt, was zum Leben nötig ist.

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Seitenzahl: 306

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Cover

Titel

Thomas Lackmann

Mendelssohns Gärten

Wie der Jude von Berlin in Lauben, Parks und Sommerfrischen fand, was zum Leben nötig ist

Impressum

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eBook Jüdischer Verlag Berlin 2023

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe im Jüdischen Verlag.

Originalausgabe© Jüdischer Verlag GmbH, Berlin, 2023

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg

Umschlagabbildung: Parklandschaft mit dem Goldfischteich im Berliner Tiergarten (das Venusbassin im Berliner Tiergarten im Vordergrund), Gemälde von Jakob Philipp Hackert, 1761, Öl auf Leinwand, 61 x 74 cm, Inv.Nr.VII 59/770X, Stiftung Stadtmuseum, Berlin, Foto: akg-images

eISBN 978-3-633-77629-0

www.suhrkamp.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Statt eines Vorgartens

Der Bücherwurm träumt von frischer Luft

Der »Jude von Berlin« bevorzugt den Schreibtisch

Die Rose des Malers bewundern wir mehr

Ein städtisches Stammlokal unter Tage

Aussichten eines Selbstmordkandidaten

»O Natur! Natur! Ich sehne mich nach dir!«

Eine stattliche Laube für den Großen Kurfürsten

Ein korrekter Hain für Berlin

Die grünen Moden des Jahrhunderts

»Wir hassen Einschränkung und lieben Ausdehnung und Freyheit«

Gärten der Weisheit

Ein Park für Vernunft und Toleranz

»Ob ihr gleich nur Würmer auf einem Stäublein seyd«

Spielwiesen für den temperamentvollen Diskurs

In der Arbeitslaube wird Kaffee ausgeschenkt

Ein Präventivkrieg, der ein Angriff war

»Im Kriege ist der Menschen Arbeit vergebens«

Die Dialog-Werkstatt

»Finde ich mich stark genug, alle Ihre Zweifel abzuschlachten«

»Einmal umarmt, satt gesprochen, vergnügt weggegangen«

Unter Maulbeerbäumen

Morgenstunden im letzten Gartensommer

Wer hat das schönste Naturprojekt?

Homers Phäaken-Pflanzung: »voll balsamischer Birnen«

Alexander Pope: »Alle Kunst besteht im Studium der Natur«

Johann Georg Sulzer: »Man macht den Lieblingsort so schön, wie man kann«

Francis Bacon: »Blumengeruch in Wellenbewegung, wie Töne der Musik«

Joseph Addison: »dieser herrliche Ort der Genien und Göttinnen«

Friedrich Heinrich Jacobi: »die nachgemachte, in tausend Fesseln sich windende Natur«

Jean-Jacques Rousseau: »das elysische Gebüsch am Ende der Welt«

Mendelssohn: »Nimm jenes von dem Schäfer, und dieses von dem Weisen«

Von der Liebeslaube nach Moses’ Ruh

Das »wüste Gartenhäuschen«

Die Sukka an der Spandauer Straße

Die Wiesencavel vorm Frankfurter Tor

Die Rosenlaube

Das Paradies hinterm Frankfurter Tor

Ein Lehmschloß unter uralten Linden

»Machen Sie, daß Sie den Sommer noch herkommen«

»Morgen nachmittag will ich im Garten auf Sie warten«

»Ganz vortreffliche Obstsorten und schöne Floren«

»Weit die Spree herunter nichts als ländliche Szenen«

»Der Geruch Bouchéscher Hyazinthen wallt durch die bewegte Luft«

Zerrissenheit unter zarten Blütenblättern

Luxusdatsche Sommerschloß

Ewig blühende Blumen im Hain der großen Göttin

»Ich danke Gott, daß ich von den Münzen weggeblieben bin«

»Einen so vornehmen Bräutigam bekommen Sie!«

»Zu Mittage essen viele unter den grünen Bäumen«

»Jeden Morgen kränzen frisch aufgeblühte Rosen meinen Gesundbecher«

»Niemandem wird der Eingang zur besten Gesellschaft versagt«

»Zu weit getriebene Empfindsamkeit stört die Glückseligkeit«

»Seien Sie eifersüchtig auf die Gräfin von Bückeburg«

»Der Gott, den mein Verstand im Sandkorn wie in der Sonne anbetet«

Ein Gespräch über die Ermordung der Bäume

»Ich habe heute mit dem Geiste geschwelgt«

Erinnerungen an eine Landschaft in der Stadt

Das Kollegienhaus und der »Garten am Berlin Museum«

Die »Ministergärten« an der Wilhelmstraße

Unter den Palästen der »Führerbunker«

Mendelssohn im grünen Palimpsest

»Empfange mich, heiliger Hain …«

»Die Kunst scheint beständig Natur zu seyn«

Untergang einer optimistischen Welt

Judensteig oder die unangenehme Seite des Tiergartens

»Urtheile, die mit Blut besiegelt werden«

»Das Ballspiel im Lustgarten wird gänzlich untersagt«

»Lassen Sie dem Sklaven die Freude, einen Juden zu necken«

»Warum werfen sie mit Steinen hinter uns her?«

Lusthaus Sorgenfrei

»Um unter den wilden Thieren meine Vernunft wieder zu suchen«

»Ich wohne itzt in der angenehmsten Gegend des Thiergartens«

Ein Pavillon mit Bienenzucht und angenehmer Aussicht

»Ich verlohr die Fähigkeit zu meditiren, den größten Theil meiner Zufriedenheit«

»Er quillt aus den mineralischen Gründen einer schönen Wiese«

»Ich schreibe am Gesundbrunnen, wo ich die Abend-und Morgenstunden zubringe«

»Wo die Artillerie ihre Uebungen mit Schießen und Bombenwerfen macht«

Die Gärten der Mendelssohns

Ein Ort der Zuflucht vor dem totalitären Staat

»Erfröre mir dies, so wäre ich untröstlich.«

»Ich träume mir mein Arkadien«

Schöpfungsszenen

Schöne, freie, wilde Welt

»Unser Leben ist entkommen wie ein Vögelein des Voglers Schlingen«

Ein philosophischer Garten im Kopf

»Die weise, gütige Ursache dieser Ordnung und Schönheit«

»Der Wind des Ewigen wehte im Garten«

»Was er schuf, ist auf vollkommenste Weise erschaffen«

Von Gärtnern und Übersetzern

»Wenn alles gut ist – wieso ist dann alles so schlecht?«

Im Freundschaftsgarten

Wenn man Sprößlinge im Grünen aussetzt

»Mit Kurzweil, so gut Mecklenburger das können«

Die Schloßruine ein Steinbruch, das Terrain ein Tabakfeld

Oll Mochum, eine Mischung aus Plattdeutsch und hebräisch

Neue Straßen enden nach kurzer Zeit im Sumpfgelände

Ein Gastgeber in Hannover

Das Zelt im lieblichen Garten

Versöhnungstag

Anhang

Horaz Carmina 1,9/Übersetzung: Moses Mendelssohn (1764)

Ephraim Kuh/Moses Mendelssohn

Moses Mendelssohn/Heimann Jolowicz (Übersetzer), veröffentlicht in:

Blüthenkranz morgenländischer Dichtung

(1860)

Moses Mendelssohn:

Freundschaftsandenken eines vernunftreichen Mannes im Garten seines Gefährten,

veröffentlicht in Ha Meassef, Heft 84 (1783)

Jahreszeiten, Gartenjahre: Moses Mendelssohn 1729-1786

Quellenverzeichnis

Der Bücherwurm träumt von frischer Luft

Ein korrekter Hain für Berlin

Gärten der Weisheit

Wer hat das schönste Naturprojekt?

Von der Liebeslaube nach Moses’ Ruh

Das Paradies hinterm Frankfurter Tor

Luxusdatsche Sommerschloß

Erinnerungen an eine Landschaft in der Stadt

Judensteig oder die unangenehme Seite des Tiergartens

Lusthaus Sorgenfrei

Schöpfungsszenen

Im Freundschaftsgarten

Abbildungsverzeichnis

Register

Fußnoten

Informationen zum Buch

Statt eines Vorgartens

So ungefähr stelle ich mir den Eingang zu Mendelssohns Laube vor.

Den vielfach porträtierten Herrn Moses selbst vorzustellen, ginge dagegen so: Er ist ein Männlein, eigentlich schüchtern, gerade deshalb charmant und witzig. Körperlich eher mißgestaltet, aber mit einnehmender Ausstrahlung und Freundlichkeit. Vormals als Kind in seiner Dessauer Heimat bereits ein derart herausragender Talmudschüler, daß er mit einer Rabbinertochter verlobt werden sollte. Als Publizist wegen seines brillanten Stiles in seiner Wahlheimat Berlin bald so anerkannt, daß keiner sich mehr vorstellen kann, wie dieser perfekt Hochdeutsch schreibende Zuwanderer wenige Jahre zuvor nur Jiddisch und Hebräisch gesprochen hat. Er ist verliebt in seine Frau Fromet, die Kaufmannstochter aus Altona, und in die abendländische Kultur. Er begeistert sich für die schönen Künste, wie auch für die metaphysische Erforschung von Existenzfragen. Er ist ein engagierter Literaturrezensent, außerdem ein Kulturvermittler zwischen den Christen, der Mehrheitsgesellschaft, und den Juden seiner Zeit. Er beeindruckt als Moderator, mit unbeirrbarem Freundschaftstalent. Seine Bücher und seine optimistische Persönlichkeit machen ihn berühmt. Über sein weitgespanntes Netzwerk aus Mitstreitern und anderen Zeitgenossen aller Milieus verbreiten sich die Ideen der Aufklärung. Jener Bewegung, in der dem Aufbruch zur Neuen Zeit vorausgedacht, vorausdiskutiert und vorangeschrieben wird.

Sein Aufbruchs-Jahrhundert ist auch eine Epoche der Gartenmoden, der Gartentheorien und der Gartenexperimente. Doch in einer Grünanlage erlebt hat die Öffentlichkeit diesen Mendelssohn, den ungewöhnlichsten Star der Gelehrtenrepublik, erst kurz nach seinem Tod: als für seine Beisetzung alle Geschäfte der Jüdischen Gemeinde geschlossen sind, um ihm gemeinsam mit christlichen Freunden und Mitgliedern der königlichen Familie das Geleit zum Jüdischen Friedhof an der Großen Hamburger Straße zu geben. Dort wird der 56jährige am 5.Januar 1786 in der Nähe seines Lehrers David Fränkel, dem er von Dessau an die Spree gefolgt war, und seines Arbeitgebers Bernhard Isaak, dessen Seidenfabrik ihm Lebensunterhalt und Bleiberecht verschafft hatte, bestattet. Dieses Friedhofsgelände war 1672 für die Jüdische Gemeinde erworben worden. Auf einer Radierung, die Daniel Chodowiecki 1787 für den Titel einer Schrift »Über die frühe Beerdigung der Juden« angefertigt hat, wirkt die Bepflanzung des Terrains allerdings ziemlich freudlos: Während sich im Hintergrund unterm Mondlicht ein scheintoter Zombie aus dem Boden herauswühlt, reckt in der Bildmitte bei Mendelssohns Grabstein, neben einem grübelnden Besucher, ein einziges verlorenes Bäumlein seine kargen Äste hinauf zum Sternengefunkel.

Daß der lebende Philosoph sich tatsächlich zuvor leibhaftig immer wieder gern in richtig schönen Gärten aufgehalten hat, fand bisher freilich wenig Beachtung. Der Mann gilt eben mehr als Kopfmensch, als psychologischer Ästhetiker, wegweisender Emanzipationspionier, wirkungsmächtiger Bibelübersetzer, als Identifikationsfigur, ja Prototyp eines »deutschen Juden«. Seine Alltagsbaustellen sind: das Kontor der Seidenfabrik, wo er vor allem sein Geld verdient; der Schreibtisch in seiner Wohnung; Redaktionszimmer jener Zeitschriften, an denen er beteiligt ist. Der Gedanken- und Büchertyp – ein Naturbursche? Vor dem Spektrum seiner Themen und Werke erscheint so ein Aspekt nur als Seitenpfad, einerseits.

Andererseits könnte ein veränderter Blick auf diesen Intellektuellen, der oft nur noch als grauer Toleranzlangweiler abgetan wird, das Verständnis seiner grauen Aufklärung kolorieren. Jener Aufklärung, die aktuell auch aufgrund ihrer historischen Versäumnisse in Mißkredit gerät; die man gegenwärtig eher mit Zweifel und Kritik in Verbindung bringt als mit ihrem lebensbejahenden Weltverbesserungs-Optimismus. Für so einen erweiterten und veränderten Blick muß man den Aufklärer Moses nicht zum Öko-Aktivisten ummodeln, obgleich er sich als Philosoph für Kleinstlebewesen interessiert und deren Rolle im kosmischen Gesamtbauplan fasziniert analysiert. Zu erleben ist dieser Gartenfreund nämlich gerade auch in den typischen Entscheidungszwickmühlen, die gestreßten Städtern des 21.Jahrhunderts vertraut sind. Auf der Suche nach therapeutischen Begegnungen mit der Natur – nur nicht wirklich bereit, seiner vertrauten Umgebung, dem »Rauch der Königsstädte«, für immer zu entfliehen. Theoretisch begeistert von Garten-Herrlichkeiten der Schöpfung – aber gekettet an den städtischen Job, fixiert auf urbane Kulturangebote und Kontakte, mißtrauisch gegenüber allen ins Traumland Arkadien führenden Zivilisationsausbrüchen. Positiv eingestellt, im Sinne der aufklärerischen Vervollkommnung, zu den Chancen des technischen/gesellschaftlichen Fortschritts, allen Risiken zum Trotz – aber skeptisch gestimmt gegenüber einer Funktionalisierung aller Lebensbereiche. »Fahret fort mit euerm kurzsichtigen wozu? so könnet Ihr die Schöpfung in eine Wüste verwandeln. Das stolze, armselige Ding, der Mensch, fragt auf alles, was Er nicht brauchen kann, wozu dieses?«

Eine Moses-Gartenschau, wie wir sie hier vorschlagen, ließe sich vielleicht in einem Satz so begründen: Weil es Spaß macht – den Berliner Sokrates in seine Grünzonen zu begleiten. Oder: Weil in der Laube aus dem Zeigefinger-Denkmal ein Mensch wird. Oder: Sogar Aufklärung darf Spaß machen.

Die Buchidee ist aus einer Moses-Mendelssohn-Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin entstanden. Sie hat sich aus Recherchen, Entdeckungen, Nebenfunden und Gestaltungsideen gewissermaßen blütenreich emporgerankt. Das Magazin des Museums regte einen Preview-Artikel über das Thema an. Thomas Sparr vom Jüdischen Verlag verdanke ich schließlich, daß er mit unverdrossener Ermunterung, aus dem Stoff ein Buch zu machen, nicht nachgelassen hat. Mein Dank gilt ebenso meiner Lektorin Sabine Landes, deren geduldige Ermutigung das Wachstum des Manuskriptes entscheidend gefördert hat; und auch Holger Horstmann vom Stadtarchiv Hannover, der mich bei der Suche nach einem Partygarten des 18.Jahrhunderts an der Calenberger Stadtmauer unterstützte; sowie Birgitt Claus, deren Kenntnisse zur Kulturgeschichte des Essens mir halfen, Rezepte zum Verständnis der Einweck-Aktivitäten Fromet Mendelssohns zu finden. Der Dank geht nicht zuletzt an Inka Bertz, meine Mitkuratorin in der Ausstellung, die mir mit Dokumenten zur Moabiter Judenwiese wichtige Antworten ermöglichte; und gemeinsam mit Manfred Jehle eine ganz normale Berliner Laube an der Spree (die beide von Mendelssohn-Nachfahren übernommen haben) als inspirierenden Schreibplatz zur Verfügung stellte. Und besonders an den Historiker Sebastian Panwitz, der mir als Erforscher der Mendelssohn-Familie und Berlinkenner weiterhalf, wo ich im Dunklen tappte. Aber gelegentlich auf gewagte Blüten-, Theologen- und Feuilletonistenträume ebenso hilfreich mit der kritischen Heckenschere reagierte.

Auch die Rosenbüsche auf der oben abgebildeten Radierung bräuchten wohl mal eine Heckenschere. Oder gerade nicht? Daran scheiden sich dann eben die Garten-Geister, schon jene des 18.Jahrhunderts. Herbert Grunwaldts »Im Garten der Frau Bartnik«, entstanden 1995, zeigt allerdings keine Laube von dazumal. Sondern die Impression des Künstlers aus einer Hamburger Vorstadtsiedlung; welche Anfang der 1920er Jahre im Zuge der Gartenstadtbewegung entstanden war, die durch Aufklärungsideen inspiriert wurde. Wenn ich mir so ungefähr Mendelssohns Laube und den Blick auf sein Gartentor von innen vorstelle, heißt das auch: Sobald man sich erst im Garten befindet, die Hecke hoch genug, die Tür verschlossen ist, vergißt man schon manchmal die Zeit.

Ein korrekter Hain für Berlin

Zweiter Spazierflug: von den Gartenmoden des 18.Jahrhunderts zurück zu den ersten Grünanlagen in Mitte über die Spree nach Moabit

Für einen Ausbruch an die Luft gäbe es Gründe genug. Aber Moses, der Mann mit den vielen Berufen, ist doppelt an innerstädtische Schreibtische gekettet: mit seinen literaturkritischen und philosophischen Projekten ebenso wie durch seinen Brotberuf im Kontor der Seidenfabrik. Dort neben der Manufaktur, im Wohnhaus seines Patrons Bernhard Isaak, Bischoffstraße 14/Ecke Spandauer Straße, hat er – nach ersten Hungerjahren in einer Dachstube nahe der Nikolaikirche – bis zu seiner Hochzeit im Jahr 1762 gewohnt; möglicherweise auch noch in den ersten Ehejahren bis 1765. Zu diesem Textilproduzenten, einem sogenannten privilegierten Schutzjuden, war Mausche Dessau 1750 als Hauslehrer gekommen, erhielt als dessen Angestellter Bleiberecht und gehörte so gewissermaßen zum Familieninventar. Aber mit seinem Vollzeitjob, der für seine eigentliche Berufung neben dem frühen Morgen nur Abend- und Nachtstunden übrigläßt, wird er immer wieder hadern. »Ein Buchhalter ist gewiß ein seltneß Geschöpf. Er verdient die größte Belohnung; denn er muß Verstand, Witz, und Empfindung ablegen, und ein Klotz werden, um richtig Buch zu führen.«[5]  Zur Kompensation der Klotzarbeit braucht er um so mehr den inneren Freiraum des unabhängigen Denkens, und findet dabei allmählich auch Geschmack am berlinischen Drang ins Grüne.

Dieser Drang paßt zum Trend des Aufklärungsjahrhunderts, zur neuen Gartenlust des aufkommenden Bürgertums. Ein Wandel des Verhältnisses zwischen Individuum und Natur spiegelt sich darin. Die Moden der Gartenkunst verändern sich zunächst in den oberen Gesellschaftsschichten; neben dem geometrisch-absolutistischen Barockpark entstehen aufgeklärt-freiheitliche Landschaftskonzepte. Vorreiter dieser Entwicklung war England gewesen. Die Muster des »natürlich« inszenierten Englischen Landschaftsgartens werden nicht mehr von der feudalen Repräsentationsarchitektur, sondern von Motiven der Landschaftsmalerei inspiriert.

Die grünen Moden des Jahrhunderts