Menschenkinder, Gotteskinder - Helmut Ludwig - E-Book

Menschenkinder, Gotteskinder E-Book

Helmut Ludwig

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Beschreibung

Alle Menschen sind zugleich Gotteskinder. Wir vergessen es leicht, und darum geschieht so viel Böses unter Menschen. Dennoch ist es wahr. Auch wer nichts von Gott weiß oder wissen will, bleibt immer ein Geschöpf Gottes. Das steht hinter den Geschichten in diesem eBook. Es sind spannende Kurzgeschichten aus allen Teilen der Erde.

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Menschenkinder, Gotteskinder

Kurzgeschichten

Helmut Ludwig

Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Helmut Ludwig

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-065-0

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

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Autor

Helmut Ludwig (* 6. März 1930 in Marburg/Lahn; † 3. Januar 1999 in Niederaula) war ein deutscher protestantischer Geistlicher und Schriftsteller. Ludwig, der auch in der evangelischen Pressearbeit und im Pfarrerverein aktiv war, unternahm zahlreiche Reisen ins europäische Ausland und nach Afrika. Helmut Ludwig veröffentlichte neben theologischen Schriften zahlreiche Erzählungen für Jugendliche und Erwachsene.1

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Ludwig

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Dank

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Autor

Inhalt

VORWORT

Es geschah an einem Donnerstag

Der Übertritt

Der versteigerte Christus

Tod eines Mädchens

Jurunas Töchterchen

Start in ein neues Leben

Das Opfer

Die dritte Totenklage

Ein Zimmer für Jimmy Black

Schuldspruch und Freispruch

Das Horoskop

Betriebsblindheit

Das Tauftagsfest

Jugend von heute

Ein unschuldiges Kind

Auf Korsika

Der Tanz der Bajonette.

Prinzessin von Trinidad

Angelo

Didier schreibt dem »lieben Gott«

Adelário, der Schuhputzjunge

Behinderung

Der Los-Verkäufer

Der Fahrrad-Junge

Sackgasse Rauschgift

Er wollte nicht schweigen

Zerrissene Saiten

Die Nacht von Lima

Feuer im Luxus-Hotel

Der Clown

Der Architekt

Der Tick

Die Gedenkstätte

Nur nicht auffallen!

Nachts um elf

Die Unglücksfahrt

Unsere Empfehlungen

Inhalt

VORWORT

Wir alle sind abhängig von anderen Menschen um uns herum. Keiner kann ganz für sich allein leben und seine Umgebung einfach ignorieren. Selbst wo das versucht wird, geht es irgendwann, irgendwie schief. Man kann nicht so tun, als gäbe es die andern nicht, mit denen man sich im Leben oft genug arrangieren muss. Kinder sind abhängig von der Liebe der Eltern und von erlebter Geborgenheit. Später sind sie abhängig von der Schule und den Anforderungen, die das Leben im Beruf an sie stellt. Wir sind abhängig von Menschen und Verhältnissen, die uns begegnen. Und wenn Menschenkinder eines Tages alt oder gar krank werden, kann die Abhängigkeit noch deutlicher spürbar werden.

Wenn Abhängigkeit zum Ausgeliefertsein wird, kann echte Tragik entstehen. Einer der großen Philosophen unserer Zeit hat gesagt: »Die Hölle, das sind die andern!« Das klingt hart. Aber jedermann weiß, wozu Menschen fähig sein können; was Menschen anderen Menschen antun können. Dennoch versuchen wir das Beste draus zu machen, in aller Menschen-Abhängigkeit zu leben und dennoch wir selbst zu bleiben.

Wir sind dabei so mit uns selbst beschäftigt, dass wir leicht vergessen, dass alle Menschenkinder zugleich Gotteskinder sind. Denn Gott sei Dank, wir sind nicht nur von Menschen, deren Anforderungen, Wünschen, Launen und Verhaltensmustern abhängig! Gott kümmert sich um uns. Er will uns in keine Abhängigkeit zwingen. Er lässt die, die sich um Gott nicht kümmern, auch leben. Aber es ist immer Gottes Liebe, die uns leben lässt.

Allerdings kann sich diese Liebe Gottes zu den Menschen gelegentlich auch darin äußern, dass Gott uns deutlich macht: Niemand kann sein Leben allein in die Hand nehmen. Wer glaubt, er könne sein oder anderer Menschen Leben in eigener Kraft und Herrlichkeit meistern, vergisst und leugnet, dass Menschenkinder zugleich Gotteskinder sind und bleiben. Aber auch in Situationen, in denen Gott so in unser Leben eingreift oder eingreifen lässt, dass wir an seiner Liebe irre zu werden drohen, bleibt gewiss, dass alle Menschenkinder Kinder Gottes sind. Davon wird einiges in diesem Buch deutlich.

In unserem Leben tun wir gut daran, uns weniger von Menschen als von Gott abhängig (und geliebt) zu wissen. Dass Gott uns in der Unendlichkeit seines Alls nicht aus den Augen verliert, dass er uns liebt, ungeachtet alles Bösen im Menschen, und es gut mit uns meint, wie liebende Eltern mit ihren Kindern, das sprengt die Zumutbarkeit des Wissens. Das aber schafft zugleich die Geborgenheit des Glaubens.

Helmut Ludwig

Es geschah an einem Donnerstag

Es kommt vor, dass sich an einem gewöhnlichen Donnerstag viele schreckliche Dinge ereignen und gar in Schnittpunkten des Geschehens einander kreuzen.

An diesem Donnerstag

gibt in der Sexta des Städtischen Realgymnasiums Studienrat Berger im Deutschunterricht die Aufsätze zensiert zurück. Die Fehler werden durchgesprochen.

»Dieter Schmidt!« Der Junge schreckt hoch. »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ’leiden’ mit D geschrieben wird. Es kommt vom Substantiv Leid, und dies hat hinten ein D. Leiden und leiten ist zweierlei. Damit du es endlich begreifst, schreibst du auf: Leben heißt lieben und leiden! Notiere dir diesen Satz! Du schreibst ihn ins Aufsatzheft und gibst es mir morgen zurück.«

Dieter nimmt sein Heft in Empfang, nachdem er sich im Aufgabenbuch den Satz notiert hat: Leben heißt lieben und leiden.

An diesem Donnerstag

sitzt Frau Direktor Schulze in ihrer schön ausgestatteten Wohnung und träumt in den angebrochenen Vormittag hinein: »Nun haben wir alles, was der Mensch zum Glücklichsein braucht, und sind doch nicht glücklich!«

Herr Schulze ist vor Jahresfrist zum Direktor der Einkaufsgenossenschaft ernannt worden. Er verdient gutes Geld und fährt seinen eigenen großen Wagen.

Seine seltsame Verwandlung seit einigen Wochen entging Frau Schulze nicht. »Überstunden!« hatte er seiner Frau müde geantwortet und sich gereizt eine Zigarette angesteckt.

Vielleicht war es der Geruch des exotisch duftenden Parfüms, der Frau Schulze misstrauisch werden ließ. Vor zwei Tagen hatte sie seine Taschen durchsucht und dabei die achtlos zerknitterte Blumenquittung gefunden. In der Manteltasche befand sich eine abgerissene Kinokarte. »Überstunden!« hatte Direktor Schulze seiner Frau als Antwort hingeworfen, als sie eine vorsichtige Frage anbrachte.

Nun sitzt Frau Schulze und grübelt. Sie glaubt ihrem Mann nicht mehr. Und das bohrende Misstrauen steht als unausgesprochene Frage nach seiner Heimkehr am späten Abend zwischen ihr und ihm. Aber noch ist es Morgen. »Ob er heute Abend wieder ausbleibt«, denkt Frau Schulze und grämt sich.

An diesem Donnerstag

zerdrückt der Angestellte Lehmann nervös die angerauchte Zigarette im Aschenbecher. Es ist Abend. Seine Gedanken kreisen um die kleine Frau im Krankenhaus: Ob es bald soweit ist?

Etwa zu dieser Zeit klingelt im Laden der Bäckerei Meier im gleichen Haus das Telefon. Frau Meier hebt ab. Krankenhaus! Die Stimme einer Schwester bittet am anderen Ende der Leitung freundlich, ob Frau Meier so liebenswürdig sei, Herrn Lehmann im Obergeschoß des Hauses Bescheid zu sagen, es sei soweit.

Frau Bäcker Meier sagt zu und legt auf. Dann gibt sie die Nachricht an Herrn Lehmann im Obergeschoß ihres Hauses weiter. Der Angestellte Lehmann zieht sich die Lederkombination an und holt das Motorrad aus dem Keller, tritt den Kickstarter und braust mit erhöhter Geschwindigkeit zum Krankenhaus los. Unterwegs denkt er immer nur an seine Frau, bei der es jetzt soweit ist.

»Es ist soweit!« sagt er vor sich hin und biegt um die Kurve. Im Unterbewusstsein registriert er, dass er Vorfahrtsrecht hat. Dann kommt plötzlich die chromblitzende Stoßstange des entgegenbrausenden Wagens auf ihn zu. Er bremst. Jemand schreit grässlich auf. Der Angestellte Lehmann wirbelt durch die Luft, verliert das Bewusstsein und klatscht dumpf auf das basaltgraue Kopfsteinpflaster.

An diesem Donnerstag

setzt sich Direktor Schulze nach Betriebsschluss an das Steuer seines Wagens und fährt los. Er freut sich auf den exotischen Geruch ihres Parfüms. Am Blumenkiosk, der bis spätabends geöffnet hält, bremst Herr Schulze und steigt aus. Er sucht lange, bis er sich für drei herrlich schöne Orchideen entschließt. Er zahlt, steckt den Kassenbon achtlos in die Tasche und begibt sich zurück zu seinem Wagen. Dort legt er die Blumen mit ausgesuchter Vorsicht auf den Rücksitz, startet, gibt Gas und fährt weiter. An der dritten Querstraße steigt er erneut aus und trinkt sich mit dem scharfen Inhalt kleiner Gläschen ein wenig Stimmung an. Das hilft beim Umschalten vom grauen Alltag auf den reizenden Abend und besänftigt das sich immer wieder meldende Gewissen. Schließlich hat man ein Recht auf Glücklichsein im Leben!

Herr Schulze steigt wieder in seinen chromblitzenden Wagen und fährt dem erregenden Abenteuer seiner Überstunden zu. Wieder gibt er Gas. Er lächelt, als er sich vorstellt, wie sie ihn selig schmeichelnd empfangen wird. Er wird die Orchideen übergeben und etwas von einer »Kleinigkeit zur Freude« verlauten lassen. Herr Direktor Schulze gibt Gas und will einbiegen. Da sieht er plötzlich das Motorrad auf seinen Wagen zuschießen, bremst, reißt das Steuerrad herum, biegt sich unwillkürlich zurück, als das berstende Splittern der Scheibe das Zuspät ins Bewusstsein jagt. Alles funktioniert nur noch mechanisch. Als Herr Direktor Schulze aus seiner Benommenheit erwacht, hört er die gellenden Sirenentöne des Unfallwagens.

An diesem Donnerstag

nimmt man Herrn Direktor Schulze auf der Unfallwache eine Blutprobe ab. Er lässt beinahe willenlos alles mit sich geschehen und hat nicht einmal wahrgenommen, dass man ihm die blutenden Schnittwunden am Kopf verbunden hat.

»Nun warten zwei Frauen vergebens auf mich«, denkt er, als sich das Denkvermögen langsam, fast behutsam wieder einstellt. Der Schädel brummt. Zugleich nimmt Herr Direktor Schulze alle Eindrücke überwach in sich auf.

An diesem Donnerstag

sind zwei Sanitäter und ein Arzt zwei Zimmer weiter auf derselben Unfallwache um den leblos daliegenden Motorradfahrer bemüht. Dann stellt der Arzt den Tod des Motorradfahrers fest und unterschreibt den Totenschein. Um diese Zeit weiß man noch nicht, dass Herr Lehmann vergeblich im Krankenhaus erwartet wird, wo es soweit ist!

An diesem Donnerstag

um die gleiche Zeit, zu der der Arzt den Totenschein unterschreibt, hebt die Hebamme im Krankenhaus, in dem Frau Lehmann auf dem Operationstisch liegt, einen neuen Erdenbürger an den Füßchen hoch, versetzt ihm einen Klaps und lacht ihr strahlendes Hebammenlächeln der Freude über die Geburt eines strammen Jungen, als der erste Schrei durch den Raum gellt. Der Arzt lächelt ein wenig abgespannt. Es ist schon die zwölfte Operation an diesem Donnerstag. Frau Lehmann liegt noch in der Narkose, die notwendig war.

An diesem Donnerstag

tippelt die nicht mehr ganz junge Schöne, die in den Glanztagen ihrer Sängerin-Karriere vom Leben verwöhnt worden war, aufgeregt im Zimmer hin und her und wartet. Er hat doch versprochen, pünktlich zu sein! Sie greift zur Duftflasche und drückt das Gummibällchen des Zerstäubers einmal, zweimal und noch einmal. Dann eilt sie zum Spiegel und betrachtet kritisch ihr Make-up. Sie schaltet die grelle Deckenlampe aus, nachdem sie zuvor die wärmere, gelblichleuchtende . Wandlampe angeknipst hat. Diese Zwischenhelle lässt sie vorteilhafter erscheinen.

Sie eilt zum Fenster, zieht das Rollo hoch und blickt unruhig hinab zur Straße. Drüben flimmern die grellen Lichtreklamen. Auto um Auto braust vorüber. Sie schließt die Vorhänge wieder, öffnet die Hausbar und genehmigt sich einen scharfen Schluck. »Trocken« steht auf der Flasche. Der Inhalt brennt leicht auf der Zunge und ist heiß im Hals.

Dann sinkt sie vom Warten erschöpft in den Sessel und überlegt: »Ob er sich anders besonnen hat? Ob ich ihm nicht genug gegeben habe?« Sie denkt zurück an den Abend, an dem sie ihn kennenlernte. Zwischendurch steht sie auf und ordnet die roten Rosen in der Kristallvase neu. Er ist immer so aufmerksam.

Er hatte sie nach einem Empfang nach Hause gebracht, wollte sich vor der Tür verabschieden. Sie bat ihn, für einen Augenblick mit heraufzukommen. Nur so. Er kam. Und er blieb! Ja, so war das! Sie denkt nach, schreckt dann hoch und schaut nach der Uhr. »Er kommt nicht! Oder ist etwas passiert? Mein Gott!« Sie ist aufgeregt.

An diesem Donnerstag

sitzt Frau Direktor Schulze Abends zu Hause und grämt sich. Er kommt wieder nicht. Nachher wird er »Überstunden« sagen in seiner kurzen, knappen Ausdrucksweise. Und sie spürt, dass alles nicht wahr ist, nicht wahr sein kann. Sie liebt ihren Mann, noch immer! Sie hat nie aufgehört, ihn zu lieben. Und er war ihr stets ein treuer Lebensgefährte. Doch, das war er.

Frau Direktor Schulze denkt zurück an das dunkle Gefühl des Unbehagens, das sie am Morgen dieses Donnerstags überfiel. Und da spürt sie, dass sie alt geworden ist, alt und müde. Aber sie liebt ihn doch. Das kann doch alles nicht sein!

An diesem Donnerstag

liegt etwa zur gleichen Zeit ein Junge im Bett und liest eines jener billigen Hefte, in denen das Leben immer so spannend dargestellt ist und das Gute immer siegt. Happy end nennt man den Schluss solcher Geschichten. Plötzlich schreckt Dieter in die Wirklichkeit zurück. Da steht das Wort »Leid« mitten auf der Seite. Und da erinnert sich Dieter, dass er die Korrektur seines Aufsatzes vergaß, die Studienrat Berger morgen früh verlangt. Er legt das Heft zur Seite. Die Korrektur ist ja schnell erledigt. Im Schlafanzug holt er sein Aufsatzheft und den Kugelschreiber hervor und schreibt: Leben heißt lieben und leiden.

Er schreibt es und begreift doch nicht, was er schreibt. Leiden aber schreibt er ganz richtig, in der Mitte mit D. Studienrat Berger wird zufrieden sein.

Der Übertritt

»Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, Darling. Es würde zu lange dauern, und unser Gespräch würde viel zu teuer«, rief Hubschrauber-Pilot Williamson in die Hörmuschel. Das Gespräch ging schließlich über den Ozean hinweg. Das ließ keine langen Erklärungen zu.

Mr. Williamson war Muslim geworden, zum Islam übergetreten und musste das seiner Frau nun beibringen. Mrs. Williamson wollte die Sache nicht begreifen. Sicherlich konnte sie sich nicht vorstellen, wie das zusammenhing. Aber dem Hubschrauber-Pilot Williamson blieb gar keine andere Wahl. Er versuchte noch einmal, seiner Frau am Telefon klarzumachen, dass man ihn von der Firma unter Druck gesetzt hatte, ihn und 29 seiner Kollegen.

»Begreif doch, Darling! Unsere Corporation bildet die Spezialisten für die japanischen Hubschrauber aus, das technische Bodenpersonal und die Piloten. Die Japaner liefern nur die Hubschrauber, unsere amerikanische Corporation hat für das Personal zu sorgen. Die Feuerwehr-Hubschrauber der Japaner sind an das Ölscheichtum verkauft worden. Unsere Corporation hat die Entsendung des Personals garantiert. Wir sind ja wochenlang an den japanischen Maschinen ausgebildet worden. Unsere Feuerwehr-Spezialausbildung zu Hause in den Staaten war unser Vorteil. Dadurch ist die Corporation groß im Geschäft!«

»Und was hat das alles mit dem Übertritt zum Islam

zu tun?« fragte Mrs. Williamson verstört zurück. »Ich will dir das ja dauernd erklären! Wir sind mit den Maschinen im Ölscheichtum eingesetzt, bekommen unser Gehalt von der Corporation. Die wird von den Leuten des Ölscheichtums bezahlt. Sie sind die eigentlichen Arbeitgeber. Und sie haben zur Bedingung gemacht, dass unsere 30 Männer zum Islam übertreten. Sie würden sonst den Auftrag zurückziehen. Dann hätten die Japaner das Nachsehen und unsere Corporation ebenso. Begreif das doch, bitte! So hat uns die Corporation vor die Wahl gestellt: Islam oder Kündigung. Sie finden vielleicht andere, die die Bedingung des Übertritts akzeptieren. Ich will meine Arbeit nicht verlieren.« Hubschrauber-Pilot Williamson wurde am Telefon ungeduldig.

Seine Frau fragte zurück: »Was sagt eure Gewerkschaft dazu?«

»Sie haben uns geraten, wir sollten nicht zu hoch pokern, sollten klein beigeben.«

»Was wirst du tun?« fragte Mrs. Williamson beunruhigt am anderen Ende des Telefons.

»Versteh mich doch! Ich habe es getan! Ich bin übergetreten. Sie haben uns bei der Sprachschulung einen Mullah zugeordnet. Er hat uns belehrt und die schriftliche Erklärung zum Übertritt gefordert.«

Mrs. Williamson versuchte noch einmal, auf ihren Mann einzureden: »Und da lassen sich dreißig gesuchte Spezialisten einfach abdrängen, opfern ihren Glauben dem Geschäft?«

»Es haben ja nicht alle mitgemacht. Wir sind Anglikaner, Methodisten und Katholiken. Der Kollege Warner ist Baptist. Er hat den Übertritt verweigert. Sie haben ihn entlassen. Er klagt jetzt gegen die Corporation. Unser Gewerkschaftsmann sagte, es sei sehr fraglich, ob ihm das nütze. Wolltest du, dass ich das riskiere?«

Und jetzt lag so etwas wie Unsicherheit in seiner Stimme: »Versteh doch, der J ob ist hart. Arbeitsstellen für Spezialisten wie mich gibt es wenig. Vielleicht hätte ich dann zur Marine zurückgehen müssen. Wir sind den guten Verdienst gewöhnt. Sie haben gesagt: Wir fliegen für ihr Land, überfliegen islamischen Boden. Sie stellen die Bedingungen. Und die Japaner wollten ihre Maschinen schließlich verkaufen. Hätten wir das alles gefährden sollen, nur um ein Stück Papier nicht zu unterschreiben? Innerlich bleibe ich Christ. Aber bevor ich meinen Job verliere … Ich habe also unterschrieben! Ich dachte, du würdest es besser aufnehmen, würdest es verstehen.«

Er hörte, wie seine Frau schluckte, das aufkommende Weinen unterdrückte. Pilot Williamson sagte noch einige tröstende Worte, und dass es doch nicht so tragisch sei. Dann hängte er den Hörer zurück.

Laut sagte er zu sich: »Das Leben ist eben hart. Und man ist abhängig.« Abhängig. Abhängig …

Der versteigerte Christus

Unter all den vielen Gegenständen, zwischen dem Porzellan und dem Hausrat, stand das Kruzifix. Sie hatten es alle gesehen, als sie jeden Gegenstand auf seine Brauchbarkeit hin gemustert hatten. Und sie bemühten sich, wegzugucken, als sie das Kreuz mit dem hölzernen Korpus entdeckten.

Die Sache zog sich in die Länge. Auktionen haben ihr eigenes Gepräge. Das Kruzifix war noch lange nicht dran. Zuerst kamen Tassen und goldgerändertes Service, und hart hallten die Gebote durch den Raum der Gastwirtschaft, in der die Auktion stattfand. Irgendwelche Leute waren gestorben und hatten eine Menge Sachen hinterlassen, mit denen die Erben nichts anfangen konnten. Sogar ein feierlich schwarzer Zylinder ragte hilflos aus all den Kleinigkeiten hervor und bildete einen merkwürdigen Kontrast zu dem ebenfalls herausragenden Kruzifix.

Es war nach dem Zylinder an der Reihe. Der Auktionator pries es an: »Ein altes, schönes Stück, nicht mehr ganz heil, aber ein Schmuckstück! Wer bietet?«

Danach Schweigen, ein peinliches, langes Schweigen. Niemand bot. Der Versteigerer wollte zügig vorankommen und drängte: »Nun los! Machen wir es billig! Sagen wir …« Aber er wagte keinen Preis. Es folgte noch immer kein Angebot.

»Also sagen wir: Zwei Mark! Wer bietet zwei?«

»Keiner? Aber, meine Herrschaften! Ein schönes Stück! Zwei Mark ist doch kein Preis!«

»Also einsfuffzig!«

Noch immer kein Angebot. Ob sich die Leute schämten? Oder war es nicht nur Verlegenheit, waren sie hilflos?

Da hatte der Versteigerer die Lage wieder fest in den Griff bekommen. Er drehte sich ein bisschen ärgerlich zu seinen beiden Gehilfinnen und herrschte: »Geben wir etwas dazu! Los, dahinten den Besteckkasten! Und .. na los! die Frühstücksbrettchen und den Teigroller.

Meine sehr verehrten Herrschaften! Ein Teigroller und ein gefüllter Besteckkasten als Zugabe zu diesem einzig schönen Kruzifix. Ich sehe, es ist ein wenig beschädigt. Aber was macht das?«

Die eine Gehilfin legte noch eine Kristallschale zu der merkwürdigen Zusammenstellung. »Also auch das noch dazu. Aber jetzt werden Sie bieten! Zwei Mark zum ersten! Wer hält zwei Mark?«

Jetzt schrie eine ältliche Frau: »Zwei!« Ein alter Mann hielt zwei Mark fünfzig dagegen. Die Frau gab auf.

»Zweifünfzig zum ersten, zum zweiten, zum … dritten!«