Merkels Werk - Unser Untergang - Gerald Grosz - E-Book

Merkels Werk - Unser Untergang E-Book

Grosz Gerald

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Beschreibung

10 Jahre "Wir schaffen das" – schaffen wir uns ab? Es war der 31. August 2015, als Deutschlands ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Bundespressekonferenz mit diesem Satz die für Europa, aber vor allem für Deutschland und Österreich verheerende Politik der "Willkommenskultur" einleitete. Was folgte, war eine in dieser Form nie dagewesene Migrationsbewegung von Hunderttausenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und Nordafrika, die unkontrolliert, unregistriert und ungebremst die Grenzen stürmten und "Asyl" schrien. Schonungslos deckt Gerald Grosz die katastrophalen Folgen für Deutschland und Österreich auf und lässt dabei viele bekannte und involvierte Persönlichkeiten, wie Václav Klaus, Hans-Georg Maaßen, Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Tino Chrupalla, die Entwicklung der Flüchtlingskrise aus ihrer Sicht beurteilen. Die desaströsen Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung, Sicherheit und die Sozialsysteme Europas sind mittlerweile deutlich zu spüren. Gewalt an den Schulen, Bildung von Parallelgesellschaften, Terroranschläge und der "Einzelfall" stehen mittlerweile an der traurigen Tagesordnung. Der Wiener Schuldirektor Christian Klar zeichnet ein düsteres Bild vom heutigen Schulalltag. Und die Eltern von Ann-Marie und die Mutter von Leonie schildern, welch Leid der bestialische Mord an ihren Kindern über ihre Familien und Freunde gebracht hat. Inklusive den schärfsten Texten von 2017 bis 2025 zum Thema: Gerald Grosz legt den Finger in die Wunde und verdeutlicht, was endlich gesagt werden muss.

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Seitenzahl: 480

Veröffentlichungsjahr: 2025

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GERALDGROSZ

MERKELSWERK

UNSERUNTERGANG

Leopold Stocker Verlag

Graz – Stuttgart

Umschlaggestaltung Vorderseite und Umschlagbild: Signs – Werbeagentur e. U., A-8010 Graz

Umschlaggestaltung Rückseite: Werbeagentur Rypka, A-8143 Dobl/Graz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter https://www.dnb.de abrufbar.

Erklärung des Verlages

Gerald Grosz publiziert in Zeitungen und Zeitschriften wie „Österreich“ und „Deutschland Kurier“ und tritt regelmäßig in der Sendung „Fellner LIVE!“ auf OE24.tv auf. Teile einiger im vorliegenden Buch abgedruckter Texte sind zuvor bereits in Kolumnen, Gastkommentaren und vorherigen Büchern von Gerald Grosz veröffentlicht worden.

Hinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die zum Schutz vor Verschmutzung verwendete Einschweißfolie ist aus Polyethylen chlor- und schwefelfrei hergestellt. Diese umweltfreundliche Folie verhält sich grundwasserneutral, ist voll recyclingfähig und verbrennt in Müllverbrennungsanlagen völlig ungiftig.

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www.stocker-verlag.com

ISBN 978-3-7020-2319-5

eISBN 978-3-7020-2320-1

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Weise zum Zweck des Trainings von Technologien oder Systemen der künstlichen Intelligenz verwendet oder reproduziert werden.

© Copyright by Leopold Stocker Verlag, Graz 2025

Layout: Ecotext-Verlag Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein

Inhalt

Einleitung

Merkels Werk – unser Untergang

Die Ouvertüre zum Untergang

Der 31. August 2015, Merkels Wende

Merkels Sündenfall

Die Völkerwanderung

Auswirkungen

Der Kontinent des Einzelfalls

Aus historischer Verantwortung nichts gelernt

Wenn die Bunten Selbstmord betreiben

Frauenrechte ade

Der Kulturkampf ist verloren

Bildungschaos, der Tanz auf dem Vulkan

Asylmigration – ein Geschäft? Eher nicht!

Der Umbau Europas

Merkels Helfer

Die Opfer

Die blutige Schneise des Terrors

Deutschlands Versagen, das Ende Europas

Bilanz und Resümee

10 Jahre „Wir schaffen das“ – schaffen wir uns ab?

2017

2018

2019

2020

2021

2022

2023

2024

2025

Einleitung

Es war ein wolkiger Spätsommertag in Deutschlands Hauptstadt Berlin im Jahr 2015, als Bundeskanzlerin Angela Merkel die Räume der Bundespressekonferenz betrat und im Wissen um die polizeilichen und nachrichtendienstlichen Erkenntnisse, wonach wir am Höhepunkt einer Völkerwanderung ungeahnten Ausmaßes standen, den folgenschweren Satz „Wir schaffen das“ – mit Blick auf die Krisen in und die daraus mehrheitlich folgenden Absetzbewegungen aus Afghanistan, Syrien und Irak – äußerte. Merkel formulierte vor 10 Jahren mit diesem Satz eine plastische Kehrtwende ihrer bisherig als restriktiv verstandenen Migrations- und Asylpolitik, entschied offenkundig allein. Nicht nur zum Nachteil von Deutschland, sondern von ganz Europa. Seit 10 Jahren hängt diese Formel wie ein Damoklesschwert über Deutschland, Österreich und dem Rest des Kontinents, wurde zum Synonym für eine aus allen Rudern geratene Asylpolitik, eine noch nie dagewesene politische Hilflosigkeit, die in ein Multiorganversagen staatlicher Institutionen von Europas Nationen und in eklatante Gesetzesbrüche durch die politischen Verantwortungsträger selbst mündete.

Erst im Jahr 2025, wenige Monate vor dem zehnjährigen Jubiläum des polittraumatischen Tages, verteidigte Merkel diesen Satz und meinte, dass sie ja nicht „Ich schaffe es“ gesagt hatte, sondern das kollektive deutsche WIR damit gemeint hatte. Was sie verschwieg, war die Tatsache, dass aus dem vorgeblichen unbeholfenen Satz der Pastorentochter im Berliner Kanzleramt nicht nur ihr Deutschland, sondern unser ganzes Europa litt, heute noch leidet. Sie hat sich zu diesem verhängnisvollen Satz und einer gänzlichen Kehrtwende der Asylpolitik aufgeschwungen und wir büßen bis heute dafür.

Der absehbare Untergang Europas begann natürlich viel früher, exakt fünf Jahre zuvor wurde er in Washington, Brüssel und Berlin besiegelt. Es war der Startschuss zum sogenannten Arabischen Frühling, der Revolution gegen die einstigen Despoten des Nahen Ostens, angetrieben durch das westliche Moral- und Demokratieverständnis. Einmal mehr zeigte sich der westliche Missionsgeist, man glaubte, die Despoten und Diktatoren mit der Waffe zu vertreiben, und war überrascht, dass man den Teufel mit dem darauf wiederkehrenden Islamismus austrieb. Irak, Afghanistan, Libyen, Tunesien und Syrien wurden so in den darauffolgenden Jahren in unterschiedlichen Etappen der Destabilisierung, der Gewalt auf den Straßen, dem Terror und einem Krieg gegen das eigene Volk ausgeliefert. Dass die USA und Europa, Hand in Hand, die unberechenbaren Islamisten gegen die mehr oder weniger berechenbaren Diktatoren unterstützten, störte das moralische Empfinden einer moralisch abgewirtschafteten Elite des Westens kaum. Die USA waren immer bekannt dafür, auf das falsche Pferd zu setzen. An diese Strategie musste bekanntlich auch der Schah von Persien glauben. Die Perser werden aufgrund der unglaublichen Unterstützung der USA mit den Segnungen der iranischen Revolution der Ayatollahs bis heute regelrecht überschüttet, zwangsbeglückt. Im selben Stile war Europa vorne dabei, die Autokraten zu beseitigen und europäische Werte bis an den Hindukusch gewaltsam zu verordnen. Nur wie so oft, es gelang nicht. Im Gegenteil. Die Folge war die absolute Rechtlosigkeit, also die Abwesenheit jeglicher Regeln in diesen Ländern, und eine bis heute andauernde Fluchtbewegung ungeahnten Ausmaßes Richtung Europa. Auch Tino Chrupalla, der deutsche AfD-Chef und Fraktionsvorsitzende, kommt im exklusiven Interview für dieses Buch zum selben Schluss: „Die Migration aus Syrien, dem Irak, aus Nordafrika usw. nach Europa hatte sicher mehrere Gründe. Ein gern vergessener, aber wichtiger Grund ist, dass viele dieser Länder Schlachtfelder geworden sind, auf denen der Werte-Westen kräftig mitgemischt hat, und das keineswegs zum Wohl von Land und Leuten. Dass diese Leute aus solchen Krisenregionen dann aber nach Europa, vor allem nach Deutschland kamen, das hat in erster Linie ökonomische und politische Gründe. Das Lenken von Migrationsströmen hat auch etwas mit Geopolitik zu tun. Man kann aber auch gut verstehen, dass die Migranten sich in Deutschland ein Land voll Milch und Honig versprechen; Medien, NGOs und Politik haben solche Versprechungen ja auch zur Genüge transportiert.“

Diese Völkerwanderung war bereits 2010 zu beobachten, nicht zuletzt auch deswegen, da Deutschlands politische Führung die Zuwanderungen aus dem Nahen Osten und Nordafrika mit einem Fachkräftezuzug in Verbindung brachte. Den Höhepunkt erreichte der Flüchtlingsstrom 2015/2016 und nochmals 2022. Nachdem in den Asyllagern muslimischer Staaten, mit denen die EU sogenannte Flüchtlingsdeals schloss, nach wie vor Millionen von Menschen auf Einlass nach Europa warten, wird sich diese Katastrophe noch mehrmals wiederholen. Nun kann man trefflich darüber streiten, ob zuerst die Henne oder das Ei da war. Also, ob zuerst die Millionen gekommen sind und Merkel nur mit der im Satz „Wir schaffen das“ angeordneten Aufweichung europäischer wie deutscher Gesetze bloß hilflos reagierte oder ob sie den Zuzug von Millionen unkontrollierter Zuwanderer erst damit auslöste. Zumindest wurde diese Politik Merkels bis heute, Jahre nach ihrem Abgang als Kanzlerin, trotz gegenteiliger Behauptungen und Wahlkampfversprechen ihrer einstigen Mitstreiter in den scheinkonservativen Parteien Europas nicht korrigiert. Ganz im Gegenteil, die Politik setzt sich fort unter wechselnden Kanzlern oder Ministerpräsidenten in verschiedensten europäischen Ländern.

Klar ist, dass seit 2015 eine Zeitenwende stattfand und die Systeme in europäischen Ländern in sozial-, wirtschafts-, sicherheits-, demokratie-, bildungs- und gesellschaftspolitischer Hinsicht an ihre Grenzen gelangt sind. Der Satz „Wir schaffen das“ leitete diese vielfach medial zitierte gutmenschliche Willkommenskultur ein, die mit ikonischen Bildern von mit Blumen und Teddybären überhäuften Flüchtlingen auf Bahnhöfen in Deutschland und Österreich unterlegt war. Die Medien taten ihren Teil und unterstützten zumindest einige Jahre diesen Kurs, trugen dazu bei, dass Kritiker dieser zügellosen und unkontrollierten Völkerwanderung als reaktionäre Rassisten abgestempelt und in ihrer Meinung neutralisiert wurden. Es war zweifelsohne eine jener Diskussionen, wo man sich einem von nur zwei bestehenden Standpunkten schlicht nicht entziehen konnte, sich entscheiden musste. Die Bahnhofsklatscher waren die Guten, die Kritiker waren die Nazis.

So einfach schwarz und weiß war die Welt, so schnell war der tiefe Graben zwischen den polarisierten Teilen einer an dieser Frage zerbrechenden Gesellschaft mit Hilfe der Politik und der Medien geschürft. Hat die im Jahr 2008 noch tobende Wirtschafts- und Finanzkrise vergleichsweise geringe Teile der Bevölkerung emotionalisiert, war 2015 der Bruch, der tiefe Riss, perfekt. Aus einer seit Jahrzehnten in größtmöglicher Harmonie lebenden Gesellschaft wurden zwei unerbittlich verfeindete Lager. „Wie hältst Du es mit den Flüchtlingen?“ war die Gretchenfrage, die ganze Familien entzweite. Es war die erste weitreichende, ja aggressive und spaltende politische Debatte seit Jahrzehnten auf europäischem Boden nach dem Niedergang des Eisernen Vorhanges. Mit der Corona-Krise und dem Ukraine-Krieg folgten weitere polarisierende Diskussion im selben Stile wie der Aufbau der Flüchtlingsdebatte. Die gesellschaftliche Spaltung wurde nicht überwunden, ganz im Gegenteil. Die gegensätzlichen Lager bleiben, solange die Probleme nicht geklärt sind, der Ausgleich unterschiedlicher Interessen nicht geschafft ist.

Angela Merkel versucht, ihr Vermächtnis seit ihrem Rücktritt als Kanzlerin im Dezember 2021 selbst zu bestimmen, das ist durchaus legitim. Und jene, die ihr 2015, zumindest in ihrem engsten Umfeld, treu zur Seite standen, tun es auch noch immer. Um nichts in der historischen Rückschau der ersten weiblichen Kanzlerin Deutschlands wird mehr gerungen als um diesen entscheidenden Satz vom 31. August 2015. Das nunmehr vorliegende Buch beleuchtet die Vorgeschichte der von vielen Menschen als Katastrophe empfundenen Entwicklung ab 2015. Das Buch versucht, der Motivation von Merkels radikalem Kurswechsel auf den Grund zu gehen. War der Satz „Wir schaffen das“ aus der Hektik und Emotion dieser Tage kurzfristig entstanden oder war es politisches Kalkül, das Merkel antrieb? War es gar der Ausdruck einer ideologischen Motiviertheit, wie manche behaupten und zu belegen versuchen? Wie haben sich die letzten 10 Jahre auf unsere Sozialsysteme, auf unsere Wirtschaft ausgewirkt? Was ist mit der Identität unserer Länder passiert, wie haben sich die Städte und Metropolen des Kontinentes demografisch entwickelt? Ob Villach oder Aschaffenburg, ob München oder Magdeburg, ob Ann-Marie oder Mia – welche persönlichen Schicksale als eingepreiste Kollateralschäden wurden dieser Politik geopfert? Wer waren die Opfer ihrer Politik, welche Zukunft hätten sie gehabt und wer hat sie ihnen geraubt? Warum ist Ungarn einen gänzlich anderen Weg gegangen und wurde dafür heftig kritisiert? Wie wirkt sich die millionenfache Zuwanderung auf unsere künftigen Generationen aus, wenn man bedenkt, dass der Anteil von Schülern ohne nennenswerte Deutschkenntnisse in den Großstädten Österreichs oder Deutschlands bei ca. 50 Prozent liegt? Und wohin gehen unsere Länder in kultureller Hinsicht, wenn knapp 40 Prozent der Grund- und Mittelschüler der österreichischen Bundeshauptstadt Wien muslimischen Glaubens sind?

Dazu habe ich Interviews mit bekannten und involvierten Persönlichkeiten, wie Tschechiens ehemaligem Staatspräsidenten Václav Klaus, dem ehemaligen Präsidenten des deutschen Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen, Österreichs ehemaligem Innenminister Herbert Kickl oder AfD-Chef Tino Chrupalla geführt, deren Antworten ich in diesem Buch exklusiv präsentiere. Ich lasse aber auch Angehörige der Opfer von Angela Merkel, den Vater von Ann-Marie und die Mutter von Leonie, zu Wort kommen. Sie sollen die Geschichte ihrer Kinder erzählen, die ihre Leben lassen mussten, weil man im grenzenlosen Toleranzwahn sämtliche Regeln und damit das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Europäer brach. Alle äußern sich zu Merkels Entscheidung, urteilen hier zum Jahrestag der „Wir schaffen das“-Krise über ihr politisches Vermächtnis, über die Gegenwart, über die Zukunft eines sich selbst abschaffenden, ja sterbenden Kontinents. Dieses Buch ist eine Gegenschrift zur seit 10 Jahren vorherrschenden Verklärung von Angela Merkel, betrieben von ihr selbst, assistiert durch jene, die aus mangelndem Schuldbekenntnis weiter den Irrweg der Verteidigung von Europas Unterwanderung gehen.

10 Jahre später stellen wir uns die Frage: Was haben wir geschafft? Und die Antwort ist: Wir haben uns abgeschafft!

Merkels Werk – unser Untergang

Die Ouvertüre zum Untergang

Völkerwanderungen gab es immer. Die Mär vom sesshaften Menschen wird spätestens dann korrigiert, wenn wirtschaftliche, sicherheitspolitische, klimatische, gesellschaftliche oder soziale Überlegungen stärker als der Bezug zum geistigen, gesellschaftlichen Fundament in der ursprünglichen Heimat sind. Wenn die Not oder die Begehrlichkeit auf ein besseres Leben größer als die Verankerung im Heimatort ist. Der Begriff Völkerwanderung wird historisch für die Migrationsbewegung in der Spätantike in Europa gebraucht und ist wissenschaftlich klar abgegrenzt.

In der politischen Debatte hat der Begriff „Völkerwanderung“ eine gänzlich neue Bedeutung bekommen. Die gegenwärtige Völkerwanderung findet nicht durch klar in Raum, Zeit und Ort definierte Maßstäbe statt, sie ist eine seit Jahrzehnten bestehende, teils latente, teils aufflammende Bewegung. Mit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion, dem Fall des Eisernen Vorhangs, der Balkankriege setzte sich vor mehr als drei Jahrzehnten eine massive Migrationsbewegung in Gang. Diese war größtenteils innereuropäisch, eine Migration von Menschen, die allesamt vom selben Kontinent stammen, größtenteils eine europäische Kultur, eine ähnliche Identität, eine gemeinsame Geschichte, eine mehr oder weniger einheitliche Religion und in vielen Belangen auch Traditionen desselben Ursprungs teilen.

1992 wanderten mehr als 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland ein. Eine gewaltige Zahl. Im Jahr 2015 kamen 2,15 Millionen Menschen nach Deutschland. Damit sehen wir den quantitativen Unterschied zwischen den 1990er-Jahren und der Entwicklung der letzten 10 Jahre. In den Jahren 2015 bis 2025 kamen insgesamt neun Millionen Menschen von anderen Kontinenten nach Europa. In den Jahren 1989 bis 1994 stieg der Anteil von Ausländern, also von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, von fünf auf sieben Prozent. 2023 lagen wir bei 15,2 Prozent. In den letzten 30 Jahren hat somit eine Verdreifachung des ausländischen Anteils an der Gesamtbevölkerung in Deutschland stattgefunden. Wenn man die Zahlen jener Menschen mit Migrationshintergrund, also Bürger, deren Elternteile oder sie selbst zugewandert sind, hernimmt, sehen diese Zahlen noch beeindruckender aus. Knapp ein Drittel, 29,7 Prozent, der in Deutschland im Jahr 2023 ansässigen Menschen haben Migrationshintergrund. Im Bereich der Grundschulen liegt der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund im gesamten deutschen Bundesgebiet bei weit über 40 Prozent. Also in den Metropolen und Hauptstädten bei 90 Prozent und am sogenannten flachen Land, in der Provinz, irgendwo zwischen Ober- und Niederbayern, bei wahrscheinlich 20 Prozent. Diese Kurve steigt exponentiell, doch niemand tut etwas dagegen. Faktum ist, dass Deutschland ab 1990 ein Einwanderungsland wurde, ohne dass das deutsche Volk mit dieser weitreichenden Entscheidung befasst wurde. Diese Entwicklung wurde politisch vorgegeben, medial kaum beachtet und fand schleichend statt. In den Jahren 1990 bis 2010 war der Anteil von Ausländern in Deutschland mit durchschnittlich sieben Prozent stabil. Allein in den letzten 10 Jahren bis 2015 verdoppelte sich dieser Anteil.

Österreich darf da nicht hinterherhinken, wir waren schon immer bekannt dafür, im Gleichschritt mit Deutschland in den Untergang zu marschieren. In der Alpenrepublik steuert der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im Jahr 2022 mit 26,4 Prozent ebenso zielsicher auf die 30-Prozent-Marke zu. Auch in Österreich bedeutet dies, dass in den Großstädten, wie Wien, Linz oder Graz, der Anteil von Ausländern und Menschen mit Migrationshintergrund weit höher liegt als im kleinstrukturierten ländlichen Raum. Ich frage nochmals, ohne Unterlass: Hat es jemals in einem der europäischen Staaten, wie Österreich oder Deutschland, eine Volksabstimmung gegeben, die in die Grundordnung oder die Verfassung dieser Nationen festschreiben lässt, dass es sich um klassische Einwanderungsländer handelt? Nein, das passierte und geschieht abseits des Wunsches eines Großteils der Bevölkerung. Bis 2015 fand es schleichend statt, ab 2015 wurde es für jedermann auch angesichts des überfallsartigen Anstieges spürbar.

Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Migrationshintergrund oder Ausländern ist in Deutschland wie in Österreich doppelt und dreifach so hoch wie die Arbeitslosenquote der Menschen, die keinerlei Migrationshintergrund haben. Wir müssen daher feststellen, dass ein großer Teil der Zuwanderung der letzten Jahrzehnte eben nicht in ein in unseren Breiten gepflogenes Leistungssystem als Basis des solidarischen Sozialsystems stattfand, sondern direkt in Letzteres ohne nennenswerte Vorleistung. Der deutsche AfD-Chef Tino Chrupalla, dessen Partei sich seit zehn Jahren gegen diese Politik zur Wehr setzt, bringt ebenso die sozialpolitische Komponente der grenzenlosen Zuwanderung ins Spiel. Im Interview mit mir sagt er: „Worin liegt für uns alle eine moralische oder sonstige Verpflichtung, die halbe Welt in unserem Land aufzunehmen und auf Kosten unserer hart arbeitenden Bürger zum Teil üppig zu versorgen? Die Politik der Union und die der Sozialdemokraten, das war und ist die Politik der sogenannten Grünen und Linken. Diese Politik hat die Masseneinwanderung ins deutsche Sozialsystem zum Prinzip gemacht – eine Umverteilungspolitik gegen das eigene Volk, zulasten von Rentnern und Steuerzahlern, die den ganzen Wahnsinn finanzieren mussten und bis heute müssen. Diese Politik zerstört unser Land, sie belastet vor allem die Jugend und gefährdet deren Zukunft.“ Der mehrfach zitierte Peter Scholl-Latour sagte: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern wird selbst Kalkutta.“ Wäre es doch nur Kalkutta geblieben, meinen heute Wohlmeinende mit Blick darauf, dass einzelne Viertel und Straßen in den Großstädten Europas dann doch eher Islamabad, Damaskus und Kabul gleichen.

Die vorher genannten Zahlen und Fakten können natürlich Grundlagen für politisch motivierte Debatten, ja auch für rassistische Schlüsse daraus sein. Aber die Zahlen selbst sind nicht rassistisch, sondern geben einen mehrheitlich verschwiegenen, zumindest breit negierten Überblick über den demografischen Wandel jener Länder, in denen wir leben. Und wir sehen, wie rasant sich die Bevölkerungszusammensetzung und damit die Kultur und Identität dieser Länder, folglich der gesellschaftliche Zusammenhalt und damit die Lebensqualität ändern. Und in welche Richtung diese Länder nun gehen.

Ich bin in Österreich geboren. Ein Teil meiner Familie stammt aus Österreich, aus dem heute in Polen liegenden Schlesien, aus Südtirol, aus Bayern und auch aus der Untersteiermark, die heute slowenisches Staatsgebiet ist. Meine eigene Familiengeschichte ist daher eine grenzüberschreitend mitteleuropäische. Sie ist eine Familiengeschichte, wie viele andere auch, die tief in dieser europäischen Kultur, in diesem christlichen Wertefundament verankert ist. Natürlich war es Schicksal, dass ich 1977 in diese Familie und eben nicht in Kabul, inmitten der politischen Unruhen einer sich anbahnenden kommunistischen Revolution, geboren wurde. Ob meine Geburt oder die meines fiktiven Kabuler Pendants mehr oder weniger Privileg war, kann man nicht sagen. Es ist eine höchstpersönliche Frage des Empfindens, es ist subjektiv. Mein Lebensrucksack, meine Sozialisierung, meine Sprache, meine Religion, meine Kultur, meine angelernte Tradition, meine als Charakter verstandene Mentalität sieht aber anders aus als jene des am selben Tag geborenen Mannes aus Kabul. Dieses Faktum ist grundsätzlich wertfrei zu betrachten. Hoch lebe die Diversität, oder? Und wenn ich auf Kabul, die Hauptstadt Afghanistans, blicke, dann sehe ich ein Land, das seit der Antike eine weitaus faszinierendere Hochkultur war als beispielsweise jenes kleine, mir vertraute und geliebte weststeirische Deutschlandsberg, in dem ich seit 1977 aufgewachsen bin und bis 1999 lebte. Deutschlandsberg hat auch seine große Geschichte, war auch bereits in der Jungsteinzeit besiedelt, doch selbst das Deutschlandsberg im 2. Jh. vor Christus war wohl kaum mit dem Kabul, dem wichtigen Handelsknotenpunkt der Antike, vergleichbar. So ist das eben. Jeder hat seine Herkunft und die hat eine individuelle Geschichte. Wir sind nicht gleich, warum man uns gleich machen will, verstehe ich nicht. Ich reise sehr viel. Ich liebe Italien, ich liebe Frankreich, ich fahre durch halb Europa, um europäische Kultur aus der Perspektive unterschiedlicher Nationen und ihrer Geschichte zu erleben, um die große geistige Klammer, die dieses Europa zusammenhält, zu verstehen. Ich liebe Rom, es ist mir wie eine zweite Heimat, dieser regelrechte steinerne Querschnitt europäischer Zivilisation. Und dennoch möchte ich nicht, dass aus Deutschlandsberg Rom wird.

Alles hat seine eigene Geschichte, seine Herkunft, seinen eigenen Charakter und dementsprechend auch das Recht auf eine eigene, aus der Vergangenheit über die Gegenwart gewachsene Zukunft. Dieser These entsprechend haben auch die Österreicher, die Deutschen, die Italiener, die Kroaten, die Tschechen, die Slowaken, die Franzosen, die Briten, die Spanier, die Portugiesen und all die anderen wunderbaren, einzigartigen Nationen des Kontinents Europa ein Recht auf eine gewachsene Zukunft als geschlossene Volksgemeinschaft, als Bekenntnisgemeinschaft. Die Feststellung, dass es sich bei diesen Nationen um geschlossene Volksgemeinschaften handelt, schließt Zuwanderung nicht aus, wenn sie tatsächlich bereichernd sein sollte. Gegen eine gesellschaftliche Verbesserung wird sich kein Mensch stemmen, doch wenn Zuwanderung, wie in den letzten Jahrzehnten, hauptsächlich negative Folgen mit sich bringt, steht man dieser Entwicklung folglich mehrheitlich negativ gegenüber.

Der bloße, exklusive ethnische Volksbegriff, den einige rückwärtsgewandte Ideologen gerne ins Treffen bringen, stimmt schlicht nicht. Ich verwehre mich auch gegen solche Diskussionen. Denn allein auf Deutschland bezogen, gibt es ganz eklatante Unterschiede zwischen einem im niederbayrischen Deggendorf geborenen Katholiken, einem klischeehaften Urbayern und einem auf der Insel Sylt geborenen Protestanten, dem norddeutschen Pendant. Das sind unterschiedliche Personen und dennoch sind sie Deutsche. Da herrschen unterschiedliche Mentalitäten, eine ähnliche, aber doch andere Sozialisierung vor. Die gemeinsame Geschichte Deutschlands, die gemeinsame Sprache, die verwandten Traditionen, eine ähnliche Identität, ein im allgemeinen Begriff Christentum definiertes Glaubensverständnis, derselbe Volksbegriff lassen zu, dass sich der Norddeutsche mit dem Bayern unter dem Dache der Bundesrepublik Deutschland als Deutscher wiederfindet. Und das, obwohl der Deggendorfer schon allein aus Mentalitätsgründen und der geografischen Nähe samt seinen Traditionen und seinem Kulturverständnis dem Oberösterreicher oder Salzburger viel näher als dem Sylter ist.

Zuwanderung gab es immer und sie wird als bereichernd verstanden, wenn sie tatsächlich einen ideellen, einen geistigen Reichtum einbringt und nicht unter der ideologisch gewollten, politisch verordneten, der sakrosankten Dachmarke „Bereicherung“ eine Invasion von Menschen, die nur woanders leben wollen, aber niemals geistig ankommen, stattfindet.

Reisen wir gemeinsam nach Sizilien. Die Einflüsse Griechenlands, die Zeiten arabischer Besiedlung, die Zeiten als Teil des Römischen Reiches und die Geschichte der Normannen sowie die nunmehr vergleichsweise kurze Zeit als Teil eines vereinten Italiens haben ihre Spuren hinterlassen. Und all diese Epochen finden sich heute in Sizilien, im Sizilianer, in der großartigen Kultur, in der Architektur, in den Traditionen, in den Bräuchen bis hin zur Kulinarik. Diese Besiedlungen, sie waren nicht immer friedlich, haben einen Landstrich geschaffen, ein Menschenbild kreiert, das für uns doch als Österreicher oder Deutscher so einzigartig und wiedererkennbar ist. Der Bewohner Siziliens, unabhängig seiner vielfältigen Herkunft, also der ursprünglichen Zugehörigkeit seiner Vorfahren, fühlt sich in erster Linie als stolzer Sizilianer und in zweiter Linie als Italiener. Der Sizilianer schützt seine Kultur, seine Identität, wenngleich sie auch ein Potpourri unterschiedlicher Ethnien, von den Griechen über die Araber bis hin zu den Römern und Normannen, ist. Was der Sizilianer nicht zulässt, ist eine Migration, die am Ende den Zusammenhalt auf dieser großen Insel des Mittelmeers, die große sinnstiftende Klammer, vernichtet, die Kultur einnimmt und zerstört. Da gehören Stolz und auch ein Überlebenswille als Gemeinschaft dazu, sein Land und die darin lebenden Menschen in Homogenität zu beschützen.

Aber bleiben wir bei der sogenannten Bereicherung. Die Bereicherung, also der konkrete Nutzen für eine Gesellschaft, kann nach unbestechlichen Parametern festgestellt werden. Hat der Zuzug der Wirtschaft genutzt, wurde dadurch ein Wachstum erreicht? Hat der Zuzug zur Stabilisierung der Gesellschaft etwas beigetragen, wurden wir dadurch bessere, gebildetere, erfolgreichere Menschen? Konnten einzelne Bürger durch den Zuzug Anderer ihren Horizont erweitern, wurde die vorhandene Kultur im positiven Sinn angereichert? Hat sich die Lebensqualität der Menschen dadurch verbessert? Also hat die Gesellschaft absolut profitiert?

Wenn man das mit einem eindeutigen Ja beantworten kann, spricht nichts gegen einen gezielten Zuzug von jenen, die „man“, also die Mehrheit der Bürger des Zielgebiets des Zuzugs, auch tatsächlich wollen und brauchen. Wenn aber eine Völkerwanderung unter dem Deckmantel des Asyls aus entfernten Zonen der Welt, bestehend aus kulturfremden, größtenteils unintegrierbaren, traumatisierten, ungebildeten, selbst in ihrer Ursprungsheimat kaum in der Kultur und Tradition verwurzelten Menschen, stattfindet, bekommen wir ein Problem. Wenn über diese Zuwanderer, die durch welches Leid auch immer einen Rucksack aggressiver Sozialisierung mit sich bringen, und über die Wünsche der Bevölkerung im Zielgebiet des Zuzugs hinweg entschieden wird, Migration aus politischen Gründen regelrecht „angeordnet“ wird, bekommen wir ein noch gewaltigeres Problem. Dann endet dieses Experiment in einer Katastrophe.

Diese Erkenntnis entspringt keiner Raketenwissenschaft. Die am Höhepunkt des Zusammenbruchs des kommunistischen Ostens stattgefundene Zuwanderung war auch eine große Herausforderung. Aber eine, wo die Erfolgschance einer gelungenen Integration durch die Herkunft der Zuwanderer aus dem europäischen Kreis klar vorhersehbar, das Risiko einer Eskalation minimiert war. Da war Licht am Ende des Tunnels in einer für alle Beteiligten sicherlich schwierigen Zeit des Umbruchs. Die Kroaten waren dem mitteleuropäischen Raum immer verbunden, sie sind Teil davon. Bei den Serben hatten wir es mit großen christlichen Gemeinden zu tun, einer Gemeinschaft von Menschen, die zumindest von derselben oder wohl eher verwandten Richtung der Religiosität geprägt war und wo, wenngleich auch unterschiedlicher Mentalität, eine verwandte Identität feststellbar ist. Verwandt ist überhaupt ein gutes Stichwort in diesem Bezug. Es gibt verwandte Länder, verwandte Kulturen. Und mit denen tut man sich leichter als mit Abkömmlingen gänzlich fremder Länder und Kulturen. Das ist eine sogenannte Binsenweisheit, sie entspringt keiner Ideologie, sondern der Logik und Vernunft. Diese Logik sucht man aber in der Migrationsdebatte der letzten 10 Jahre vergeblich.

Bleiben wir bei den verwandten Kulturen und Ländern. Auch mit den Italienern gab es kein Problem und der Austausch zwischen deutschen und österreichischen Staatsbürgern durch wechselseitige Zuwanderung ist bestenfalls statistisch, aber doch nicht gesellschaftlich bemerkbar. Wer ist in den Jahren 1989 bis 1994 nach Österreich und Deutschland gekommen? Flüchtlinge aus den Nachfolgestaaten des damals zusammenbrechenden Jugoslawiens. Italiener, Portugiesen, Griechen. Sogenannte Spätaussiedler aus dem heutigen Staatsgebiet Russlands, Rumäniens und Polens. Diese Zeit nachträglich zu idealisieren, wäre falsch. Friktionsfrei läuft ein solcher Prozess niemals ab. Es gab Probleme, nicht geringe. Die verschiedenen Völker Europas, ihre Entwicklungsgeschwindigkeiten über die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, ihr unterschiedliches Rechtsverständnis, eine teils andere Lebensauffassung waren zu überwinden. Aber es war schlussendlich, sagen wir einmal, verdaulich. Ein Großteil der zu uns Gekommenen hat sich integriert, die Sprache gelernt, ist wirtschaftlich und sozial eine Bereicherung und vollwertiger Bürger unserer Länder geworden. Und die gemeinsame jahrhundertelange Geschichte Österreichs unter dem Dach der Monarchie, die Klammer für so viele unterschiedliche Völker war, erleichterte diesen Prozess zumindest in Österreich.

Es fand ein Zuzug in Europa und nicht nach Europa statt. Das ist der eklatante Unterschied zu den 20 Jahren später, wo ein klarer außerkontinentaler, kultur- und identitätsfremder Zuzug nach Europa einsetzte, Mentalitäten wie unterschiedliche Welten aufeinanderprallten und die Politik diesem nichts entgegensetzte, teils überrascht, in jedem Fall unvorbereitet war. Fünf Jahre vor dem Schicksalsjahr 2015 warnte bereits der deutsche SPD-Politiker Thilo Sarrazin in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ vor der zügellosen Zuwanderungspolitik nach Europa. Einem gelernten Mathematiker gleich, er ist Ökonom, zeichnete er anhand von Statistiken und Hochrechnungen ein düsteres Bild über die Zukunft Deutschlands und des gesamten europäischen Kontinents. Obwohl sich dieses Buch nicht nur mit Migration, sondern auch mit dem deutschen Sozialsystem, mit der absehbaren Wirtschaftsentwicklung, mit der Bildungspolitik beschäftigte, schlugen die darin nüchtern dargestellten Zahlen über Zuwanderung und Demografie wie eine Bombe in die Herde der Schlafschafe ein. Oh, wie wurde er dafür verteufelt und von anderen geliebt. Er schrieb selbst in seinem Buch sinngemäß, dass er auf jede schnörkelhafte Sprache, das heißt jede politisch motivierte Übertreibung, verzichte, weil der Inhalt ohnedies „anstößig“ genug wäre.

Dieses Buch schrieb er im September 2010. Heute, 15 Jahre danach, kann man feststellen, dass sich ein Großteil der düsteren Prophezeiungen bewahrheitet hat. Anlässlich seines 80. Geburtstages im Jahr 2025 meinte er, er habe die Entwicklung eher unterschätzt. Dies wäre sein einziger Fehler gewesen. Für die Wahrheit wurde er geschmäht, geächtet. In seiner Partei, der SPD, hatte er keine Zukunft mehr. Denn der Überbringer der schlechten Nachricht hat selten ein gutes Schicksal zu erwarten. Thilo Sarrazin wurde seiner ursprünglichen politischen Heimat beraubt. Wie so viele, deren konkretes Schicksal Sarrazin skizzierte und die im heutigen Deutschland ihre ursprüngliche Heimat nicht mehr sehen. Bei kritischen Geistern sind die roten Genossen eben strikter als bei ihren importierten Glückskindern, die mit dem Gesetz in Konflikt stehen.

Ein anderer, politisch unverdächtiger Prophet wird heute, Jahre nach seinem Tod, nach wie vor für seine treffsicheren, unbequemen Analysen über all die Parteigrenzen hinweg respektiert. Das lag vor allem daran, dass es sich bei ihm um einen unnahbaren Staatsmann handelte, der von der Käseglocke seiner beeindruckenden und machtvollen Karriere vor allzu übler Diffamierung, vor allem aus seinem eigenen politischen Lager, geschützt wurde. In Deutschland kommt es eben nicht darauf an, was man sagt, sondern in erster Linie darauf an, wer es sagt. Helmut Schmidt, großer deutscher Kanzler der SPD von 1974 bis 1982, erkannte bereits in einem Interview für das Magazin Focus im Jahr 2005, dass man die „weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen“ unterbinden müsse. Als Mittel gegen den Fachkräftemangel und die Überalterung käme Zuwanderung keinesfalls in Frage. Man schaffe dadurch nur ein zusätzliches Problem. „Sieben Millionen Ausländer in Deutschland sind eine fehlerhafte Entwicklung, für die die Politik verantwortlich ist“, so Schmidt. 2008 erweiterte er diese Kritik: „Wer die Zahlen der Moslems erhöhen will, nimmt eine zunehmende Gefährdung unseres inneren Friedens in Kauf.“ Im Interview mit der ARD im Jahr 2010 sagte der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus anerkannte und beliebte Sozialdemokrat: „Religion ist nicht alleine ausschlaggebend, aber zum Beispiel in Ostanatolien, da spielt die Religion auf dem Dorf eine ganz große Rolle. Auch die Art und Weise, wie man in der Familie miteinander lebt, etwa die überragende Stellung des Vaters gegenüber seinen Kindern. Da werden die Töchter verheiratet gegen ihren Willen. Da muss die Ehefrau das tun, was der Mann will. Das ist eine andere Zivilisation.“ Er differenzierte, kontextualisierte und sprach sich nicht per se gegen Zuwanderung aus. Zuwanderung aus europäischen Ländern, wie Polen oder Österreich, sei kein Problem, befand er. Zuwanderung aus der Türkei, aus Afghanistan oder Kasachstan berge hingegen eine große Gefahr für die Gesellschaft. Das Problem seien nicht die „Gene, sondern die Erziehung“. War es eine glatt rassistische oder gar islamophobe und im heutigen Deutschland vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ einzustufende Ansicht, die den Altkanzler in TV-Studios und Redaktionen trieb, oder doch die große Sorge, dass ausgerechnet die gesellschaftlichen Errungenschaften der Sozialdemokratie über all die Jahrzehnte durch eine überbordende Zuwanderung zerstört werden?

Faktum ist, für solche Aussagen geht man heute in Deutschland in Haft. Solidarität, Offenheit, Frauenrechte, Minderheitenrechte, Respekt vor der Geschichte, Kampf gegen Antisemitismus, Demokratie – für Helmut Schmidt waren das eben keine leeren Worthülsen, keine veräußerbaren Werte, die man im Basar der Politik gegen Anderes, Opportuneres eintauschen konnte. Diese Werte lebte er, sie waren Grundsatz, für ihn unverhandelbar und auf diesen baute er auch seine tagespolitischen Antworten. Er erkannte eben, welchen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, bildungspolitischen, sicherheitspolitischen, sozialen Sprengstoff eine überbordende Zuwanderung aus falschen Ländern mit sich brachte. Helmut Schmidt hatte für seine Thesen keine Repressalien mehr zu befürchten. Das lag aber nicht am Gesagten, sondern an der Tatsache, dass diese Worte von ihm, dem großen, unverdächtigen Sozialdemokraten, stammten.

Da waren solche Standpunkte in den 1990er-Jahren schon herausfordernder, gefährlicher. Jörg Haider, Ikone der freiheitlichen Bewegungen Europas, kritisierte die sich für ihn bereits sehr früh abzeichnende zügellose Migrationspolitik scharf. Und zwar nicht aus der Bequemlichkeit eines ehemals mächtigen Bestandteils des politischen Establishments wie Schmidt heraus, sondern aus der Rolle des gebrandmarkten politischen Outlaws. In seinem 1993 im Ullstein Verlag erschienenen Buch „Die Freiheit, die ich meine“ äußerte sich Haider wie folgt: „Heimat ist keinesfalls nur ein Ort, eine Gegend oder eine Region. Heimat bedeutet vielmehr Vertrautheit im umfassenden Sinn, mit der Landschaft, mit den Sitten und Gebräuchen und der Kultur, mit der Geschichte und Sprache. Heimat wird nicht nur ererbt, man muss sie sich auch seelisch und geistig erwerben. Die bloße Anwesenheit in einer Gegend macht diese noch nicht zur Heimat.“ Diesem Heimatbegriff, diesem von ihm propagierten Recht auf Heimat stellte er in diesem Buch die „multikulturelle Gesellschaft“ gegenüber. Über diese schreibt Haider: „Staatliche Ordnung beruht auf einem Minimalkonsens der Werte. Dieser ist dann in Gefahr, wenn unvereinbare Normen in zu engem Rahmen aufeinandertreffen. Hier liegt auch das zentrale Problem der multikulturellen Gesellschaft. Am deutlichsten wird dieses, je unterschiedlicher die Kulturen und Wertevorstellungen sind, die aufeinandertreffen. In vielen europäischen Metropolen wird dies in der Frage der Zuwanderer islamischen Glaubens spürbar.“ Und weiter schreibt er: „Hier wird eines der Grundprobleme der multikulturellen Gesellschaft offenbar. Nicht die Einwanderer integrieren sich in der Gesellschaft und Kultur, die sie hier vorfinden, sondern sie erwarten von den Einheimischen, dass diese sich den neuen Sitten und Gebräuchen anpassen. Integration und Assimilation sind eben nicht die Ziele einer multikulturellen Gesellschaft.“ Und im Gegensatz zu Helmut Schmidt, der ein gut gelittener Gast der TV-Studios war, wurde Haider dafür verschmäht, diffamiert und verleumdet.

Seit mehr als 32 Jahren bewegt uns dieses Migrationsthema. Und was Haider im Jahr 1993 gegen den massiven Widerstand der Scheinkonservativen wie Sozialdemokraten sagte, was ihm Massendemonstrationen in Wien gegen ihn bescherte, Titelseiten von internationalen Medien, die ihn mit Hitler verglichen, Österreich im Jahr 2000 mit der Regierungsbeteiligung Haiders Sanktionen der EU bescherte, sprach Angela Merkel 2004 unter dem Jubel ihres heuchlerischen Parteivolkes ungestraft aus: „Die multikulturelle Agenda ist gescheitert“, meinte tatsächlich Merkel. Ja, sie hat dies höchstpersönlich gesagt. Auch für diese Worte wäre sie ein klarer Fall für den deutschen Verfassungsschutz, als Schnüffelinstitution der Gegenwart. Nur hat die Gute selbst aus dieser Erkenntnis nichts gelernt, diese auch politisch nicht gelegt, diesen zentralen Kern ihrer anfänglichen, die Wähler lockenden Regierungspolitik rasch über Bord geworfen. Spätestens 2010, unter derselben Angela Merkel, setzte ein großer Quantensprung in der Zuwanderungspolitik ein. Ab diesem Zeitpunkt war offenbar jedem alles egal. Und die Gründe sind relativ klar dafür. Die Politik, wonach Zuwanderung das alleinige Allheilmittel für Wirtschaftswachstum und damit Wohlstand, den Ausgleich des Sozialsystems wäre, wurde niemals korrigiert, es wurde nicht einmal versucht. Deutschland und Österreich sowie europäische Länder haben sich entgegen europäischen Anforderungen dazu entschieden, Sozialleistungen bis hin zur Vergabe von Sozialwohnungen auch jenen Personengruppen zur Verfügung zu stellen, die von außerhalb der Europäischen Union auf den Kontinent kamen. Europa galt als wirtschaftlich, sozialpolitisch und sicherheitspolitisch stabil. Nicht zuletzt gab es daher bereits über Jahre eine schleichende Zuwanderung aus kulturfremden Regionen, die als Anker für den weiteren, weitaus größeren Zuzug später dienten. Darauf komme ich in diesem Buch noch ausführlich zu sprechen.

Was waren die Auslöser für jene Situation, die uns de facto seit 2010 zum gefühlt größten Einwanderungskontinent der Welt und Österreich wie Deutschland zu den gefühlt am stärksten belasteten Einwanderungsländern Europas machte? Es war der seit 2011 begonnene Bürgerkrieg in Syrien, als Folge des sogenannten Arabischen Frühlings. Dieser Arabische Frühling wurde durch die USA und Europa gewollt, massiv unterstützt, im Hintergrund betrieben, mit westlichem Steuergeld finanziert und entwickelte sich, wie nicht anders zu erwarten, zum nicht mehr löschbaren Flächenbrand, der bis heute lodert. Die Euphorie am Beginn war groß, wie bei jeder Revolution, wo sich das Volk eine Besserung seiner Lebensumstände herbeisehnt. Dass der Nahe Osten ein Pulverfass war, dass Libyen, Syrien, Ägypten oder Tunesien sich – höflich ausgedrückt – suboptimalen Regierungsformen unterwarfen, ist nicht zu bestreiten. Es waren Diktaturen, wie übrigens der Hauptteil der Länder, die mehrheitlich muslimisch geprägt sind, Diktaturen, absolute Monarchien und Gottesstaaten sind. Von Militärinterventionen der NATO gegenüber Saudi-Arabien, wo die Menschenrechtssituation gegenwärtig jener Tunesiens im Jahr 2011 gleicht, hört man nichts. Die gibt es nicht, da halten sich Menschenrechtsvertreter, moralisch bewegte Politiker, Medien und die Wirtschaft vornehm zurück. Denn wir im Westen entscheiden nach ökonomischen Gründen, ob wir die Exportgüter „Moral, Menschenrechte und Demokratie“ unter die bis dahin mit den Werten Europas noch nicht gesegnete und beglückte Menschheit bringen.

Auch das ist die Heuchelei, die wir uns zu eigen gemacht haben und darauf noch stolz sind. Blutigen Diktatorenhänden geben wir gerne die Hände, wenn die Rechnung passt. Wer ein guter oder schlechter Diktator ist, entscheidet ausschließlich die Handelsbilanz. Europa war sich, was Libyen, Syrien, Ägypten und Tunesien betrifft, rasch einig. Die Despoten müssen weg, lautete der Schlachtruf. Zwar hat man Jahrzehnte mit ihnen gute Geschäfte gemacht, sie hofiert, aber irgendwann war es halt an der Zeit, für einen Umsturz zu sorgen. Ich korrigiere mich, die USA waren sich rasch einig und die EU vollzog via der in der NATO versammelten europäischen Länder einmal mehr den Kurs der US-Außenpolitik, für Umstürze zu sorgen.

Heute, 14 Jahre später, will wieder keiner dabei gewesen sein. Keiner war beim Arabischen Frühling, niemand propagierte dafür. Denn das Ergebnis lässt sich nicht als Erfolg verkaufen: Libyen ist als Staat, als Europa vor Flüchtlingsströmen schützender Pufferstaat Nordafrikas, von der Landkarte radiert, es regieren einzelne Stämme und Rebellengruppen. Von einem funktionierenden Staatengefüge, auf welchem politischen System auch immer aufgebaut, ist keine Rede mehr. Es regiert die Selbstjustiz. Man hat das Land sich selbst überlassen. Zuerst hat man gezündelt und, als das Feuer unkontrollierbar war, zog man mit den Feuerlöschern ab. In punkto Syrien war man sich rasch klar, dass das Regime Assad weichen muss, der Demokratie in einer Region, die niemals Demokratie kannte, zum Durchbruch verholfen werden muss. Heute regieren in Damaskus die Islamisten, die Terroristen. Welchen epochalen Vorteil wir als westliche Welt daraus ziehen können, dass man den Diktator durch islamistische Terroristen ersetzte, bleibt schleierhaft. Die EU, die gegen das Regime Assad noch tapfer EU-Sanktionen verhängte, hat diese gegen das Islamistenregime im Mai 2025 aufgehoben. Wer ein Verbrecher ist, bestimmt eben nicht das Gesetz, sondern Brüssel.

In der Zeit zwischen 2010 und 2025 kam aber wegen der auch vom Westen mitbetriebenen Destabilisierung Syriens eine erkleckliche Anzahl von Syrern nach Europa. Wir beteiligen uns an Kriegen, die nicht zu gewinnen sind, finanzieren diese, fackeln bisher bestehende staatliche, wenngleich auch autokratische Systeme ab, hinterlassen das Land in Schutt und Asche, ziehen uns geprügelt zurück und erben die Flüchtlinge dieser Katastrophe. Dann werden wir zur Kasse gebeten und müssen mit westlichem Steuergeld den Aufbau betreiben, damit in den von Rebellen zusammengeschossenen Diktatoren-Palästen die neuen Staatsführer, diesmal Islamisten, einziehen können und das Volk unterdrücken. Als kleines Dankeschön kaufen sie bei uns wieder jene Waffen, mit denen ihre Vorgänger den Krieg gegen die westlichen Intervenienten verloren haben. So lässt sich westliche Interventionspolitik Made by USA mit der Hilfe der EU als Schoßhund der Vereinigten Staaten benennen.

In Syrien gab sich überhaupt alles die Klinke in die Hand, was militärisch Rang und Namen hat. Syriens Ende war ein Gemeinschaftsprodukt des Irans, der libanesischen Hisbollah, Russlands, der USA. Da haben sich alle Vorzeigenationen zum Hochfest der Friedenstauben getroffen. Abgefackelt wurde, als gäbe es kein Morgen mehr. Die westliche Allianz unter der Führung der USA bestand aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Polen, Dänemark, der Türkei, Australien, den Niederlanden, Belgien und Kanada. Das vorgebliche Ziel war der Krieg gegen den Islamischen Staat. In weiterer Folge wurde auch alles unternommen, Assad vom ererbten Familienthron in Damaskus zu stürzen. Vielleicht empfinden die Angehörigen des Regimes Assad Genugtuung, wenn sie resümieren, dass Frankreich, Deutschland, Italien und der Rest der kriegsgeilen europäischen Rasselbande im Gegenzug dafür die größten Flüchtlingsströme inklusive der ethnischen Konflikte nun inmitten Europas erbten.

Und ein weiteres Kuriosum besonders blutiger Natur betrifft die Türkei, die den vorgeblichen Krieg gegen den IS gleich dazu benutzte, die im eigenen Land verhassten Kurden zu verfolgen. Das passte Erdoğan wunderbar ins Konzept. Der Friedensfürst am Bosporus, der treu an der Seite des Westens den Islamischen Staat bekämpft und die Kurden ausbombt. Die Türkei kann man überhaupt als Gewinner betrachten. Sie hält in ihren Lagern jene gesammelten Flüchtlinge zusammen, mit denen sie im Wege des von Merkels Ideengeber Gerald Knaus kreierten EU-Türkei-Deals die EU erpresst.

Ein besonderer Fall betrifft auch Ägypten. Husni Mubarak, der ewig regierende Pharao von Kairo, musste auch weg. Auch hier hatten sowohl die USA als auch die EU ihre Finger mit im Spiel. Also wurde Mubarak unter dem Gejohle des Volkes geopfert, europäische Medien berichteten von der Siegesstimmung in den Straßen von Kairo. Ich erinnere mich an die Aufritte des Korrespondenten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Österreichs, dem ORF, in Ägypten, wie er mit regelrechten Freudentränen in den Augen und bebender Stimme über die Geschehnisse rund um den Niedergang des Despoten berichtete. Schon damals beschlich mich der Gedanke, dass diese Euphorie nicht lange hält. Man tauscht eben mit dem Bettler Stecken. Statt des Despoten, der sich selbst bereicherte, das Volk unterdrückte, aber zumindest ein funktionierendes System garantierte, kamen die neuen Vertreter des Arabischen Frühlings, hinter denen sich die Freunde des Islamischen Staates und andere terroristische Vereinigungen im Namen des Islam verbergen. In Ägypten wurde ein noch weitreichenderer, folgenschwerer Fehler begangen als in den übrigen Staaten. Ägypten, viel eher Husni Mubarak, war bekannt dafür, dass er sich trotz aller feindseliger Rhetorik nach Tel Aviv und Jerusalem einen tragfähigen Draht über all die Krisen aufrechterhielt. Und wenn es in der Region wieder einmal krachte, die Hamas die Israelis terrorisierten und die Israelis sich ihrerseits an den Palästinensern revanchierten, war es das Regime Mubarak, das im Hintergrund für Entspannung sorgte. Dieses Korrektiv zwischen islamischer und jüdischer Welt gibt es mit dem Sturz von Mubarak nicht mehr.

Als der ägyptische Herrscher 2011 gestürzt wurde, war die Sorge in der jüdischen Welt vor einer weiteren Islamisierung groß. Ein israelischer Abgeordneter wurde vom Online-Medium Ynetnews.com befragt. Er zitierte aus einem zuvor stattgefundenen Telefonat mit Mubarak. Dieser solle laut dem Abgeordneten Folgendes gesagt haben: „Sie mögen über Demokratie reden, wissen aber nicht, wovon sie sprechen. Das Ergebnis werden Extremismus und radikaler Islam sein.“ Seit Oktober 2023 tobt ein verheerender Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, ausgelöst durch einen in seiner Dimension einzigartigen Anschlag der Hamas. Ich prophezeie, dass dieser Konflikt längst ein Ende gefunden hätte, wenn man durch die vom Westen unterstützten Revolten im Nahen Osten nicht ausgerechnet jene gewalttätig beseitigt hätte, die als „Verbindungsleute“ zwischen den Welten galten. Man kann daher durchaus sagen, dass dieser Arabische Frühling für eine Kettenreaktion von gewalttätigen Konflikten in einer Region verantwortlich ist, in der die Außenpolitik ohnedies einem sensiblen Mikadospiel gleicht.

Bei den vielfältigen Vorboten, die den Flüchtlingsstrom auf Europa auslösten, dürfen wir die „never ending Story“ Afghanistan nicht vergessen. Dieses Land beschäftigt uns bald ein ganzes Jahrhundert. Es ist nicht so, dass Afghanistan immer eine zivilisatorische Wüste wie heute war. Wie viele andere Länder dieser Region gab es unter dem seit 1933 herrschenden Schah Mohammed Zahir ein aufgeklärtes, in Richtung Demokratie gehendes Staatssystem. Das Frauenwahlrecht, die Pressefreiheit und ein demokratisches Zwei-Kammern-Parlament wurden etabliert. Das ging so lange gut, als in diesem Fall die Kommunisten, die Sowjetunion, zu zündeln begannen und man seit 1973 konsequent die Geschichte um Jahrhunderte zurückschreibt, zurückbombt wohl eher. Wo der rote Bär Moskaus intervenierte, waren die USA nicht weit weg. Und so unterstützten die USA die Rebellen gegen das moskautreue Regime in Afghanistan. Das Land wurde im Kalten Krieg sowohl von den USA als auch von der Sowjetunion missbraucht, auf dessen Staatsgebiet fand ein Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West statt. In der Konsequenz hatte dies zur Folge, dass seit den 1990er-Jahren de facto Islamisten in unterschiedlicher Gestalt am Ruder sind und Afghanistan mit der einstigen Hochkultur so gar nichts mehr gemein hat. Ausgerechnet die USA profitierten von den Taliban, die die Kommunisten aus Afghanistan verjagten, was damit quittiert wurde, dass die USA ihrerseits seit dem 11. September 2001 einen Krieg gegen die Taliban führten, an dem sich die Lakaien der USA wie Deutschland brav beteiligten, um dann zu flüchten und erst recht das gesamte Land den Taliban wieder zu übergeben. Milliarden von Steuergeld für Waffen, Kriegseinsätze, Tote, wohin man schaut, ein armes, um seine Rechte beraubtes Volk später haben die USA und damit Deutschland alles verloren, aber wurde zumindest Deutschland mit jenen Afghanen reich beschenkt, die man selbst in Afghanistan größtenteils nicht haben will.

Deutschland hat sich am Krieg in Afghanistan beteiligt. In Erinnerung geblieben sind die Särge mit der schwarz-rotgoldenen Bahrdecke, die an den Flughäfen Deutschlands von trauernden Angehörigen in Empfang genommen wurden. Und immer wieder stellten sich politische Beobachter sowie die Kritiker Merkels als auch Friedensaktivisten dieselbe Frage: Was haben Deutsche am Hindukusch verloren? Dieses Projekt scheiterte, die Deutschen zogen genauso eilig aus Kabul ab wie die USA, die ihrerseits ein verlorenes Land verließen, das binnen weniger Tage von den Taliban überrannt wurde. Der Krieg des Westens in Afghanistan, die Beteiligung europäischer Länder daran führten unweigerlich zu einer Fluchtbewegung in Richtung Europa.

Übrigens war auch die Militärintervention im Irak von keinem großen Erfolg der USA und seiner westlichen Alliierten gekrönt. Saddam Hussein wurde hingerichtet, mit ihm auch das Funktionieren des staatlichen, wenngleich autoritären, Systems beseitigt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Hussein war ein Verbrecher, ein Diktator. Aber selbst diese unmenschliche Diktatur gab dem Irak mehr Stabilität und damit der Welt mehr Sicherheit als das gegenwärtige Land, das de facto von islamistischen Terroristen tyrannisiert wird. Aus dem Irak sind Millionen von Menschen geflohen, ein Großteil derer in die Europäische Union.

All diese Umstürze, an denen die USA und ihre Verbündeten einen gehörigen Anteil hatten, haben diese Länder im Chaos hinterlassen und Europa Flüchtlinge gebracht. Bemerkenswert ist, dass Europa immer in die saure Gurke beißt, währenddessen die Vereinigten Staaten kaum bzw. keinerlei Flüchtlinge aus jenen Ländern aufnimmt, die sie mit ihren Interventionen selbst destabilisiert haben. Als im Jahr 2015 Hunderttausende von Menschen die Grenzen der Europäischen Union und der einzelnen Mitgliedsstaaten überrannten, haben die USA gerade einmal einen Bruchteil von Asylanträgen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak angenommen. 2015 wurden in den USA 69.920 Asylgesuche gewährt, sehr großzügig. Allein im kleinen Österreich wurden im selben Zeitraum mehr als 88.340 Asylanträge gestellt. Deutschland gewährte im Jahr 2015 insgesamt 476.649 Menschen Asyl. Diese Zahlen belegen, dass sich die Fluchtbewegungen nicht nach Verursacherprinzip orientieren. Denn dann hätten ja die USA exklusiv jene aufnehmen müssen, die ihr Militär vertrieben hatte.

Man sieht aber anhand der Asylpraktiken der USA, dass man es auch anders hätte machen können. Der Asylbegriff wird in den USA anders ausgelegt als in Europa, der Rechtsrahmen ist ein anderer. Herbert Kickl, heutiger FPÖ-Chef in Österreich, bestätigt dies in seiner Antwort auf mein Interview für dieses Buch: „Natürlich waren die kriegerischen Auseinandersetzungen in vielen der Herkunftsländer die unmittelbaren Auslöser für die großen Völkerwanderungen. Aber das bedeutet nicht, dass Österreich und andere europäische Länder dazu verpflichtet sind, diesen Menschen Asyl zu gewähren. Asyl bekommt nämlich nur der, der individuell aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt wird. So bedrohlich ein Krieg für die betroffene Bevölkerung ist – er ist kein Asylgrund an sich. Dazu kommt noch, dass für die Aufnahme zunächst die Nachbarstaaten zuständig sind, sofern die Flüchtenden dort sicher sind. Die meisten, die ihr Land verlassen haben, sind auch dort untergekommen. Nach Europa haben es ja hauptsächlich diejenigen geschafft, die das Geld für Schlepper aufbringen konnten – und das mit dem Ziel, dass es ihnen wirtschaftlich bessergeht.“

Kickl bringt damit jene Kritik auf den Punkt, die viele an der Migrationsbewegung seit 2015 haben. Denn ein Großteil derer, die kommen, wandern über sichere Drittstaaten in die Europäische Union ein. Und trotz dieser Tatsache, dass sie eben keine klassischen Flüchtlinge mehr sind, wird ihnen in den einzelnen Staaten Europas ein Asylverfahren garantiert. Hans-Georg Maaßen, ehemals oberster deutscher Verfassungsschützer, den ich für dieses Buch ebenfalls interviewte, macht zwei Gründe für diesen Zuzug nach Europa namhaft: „Zwei Hauptgründe waren ausschlaggebend: zum einen als sogenannter Push-Effekt die prekäre humanitäre und wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge aus Syrien, die sich vorwiegend in Flüchtlingslagern des UNHCR in der Türkei aufhielten und an deren prekärer Situation Europa auch seinen Anteil hatte, weil keine ausreichenden Finanzmittel für diese Lager bereitgestellt wurden. Zum anderen waren es Pull-Effekte, die unsere Regierungen setzten, indem sie auf politischer Ebene erklärten, alle Ausländer, die einreisen wollen, werden aufgenommen, und zum anderen, indem man den Betroffenen, den Schleusergruppen und der Asylindustrie signalisierte, dass wir Deutsche die Massenzuwanderung großzügig finanzieren werden. Aus ökonomischer Sicht wären Menschen, die in relativer Armut leben, töricht, wenn sie ihre Dörfer im Mittleren Osten und in Afrika nicht verlassen würden, um in Deutschland und Europa Geld zu machen.“ Damit macht Maaßen die gesamte Katastrophe recht deutlich. Auch er sieht das Einsetzen der Flüchtlingswelle schon vor 2015. Weiters sagt er mir: „Die Migrationskrise zeichnete sich nach meiner Erinnerung bereits seit 2013 ab. 2014 war sie jedenfalls für die politisch Handelnden nicht mehr zu übersehen, sodass es hätte klar sein müssen, dass mit einem Mehr an Unterkünften für Asylbewerber, an Sachbearbeitern in Asylbehörden und Geld für die Versorgung das Problem nicht gelöst werden kann. Zu dem Zeitpunkt war den Beteiligten klar, dass nur mit einem Umstellen der Ampel von Grün wie ‚Einreise für alle‘ auf Rot wie ‚Einreisestopp‘ das Problem hätte geregelt werden können. Merkel war als Bundeskanzlerin natürlich fortlaufend über die Migrationslage und die Situation an den Grenzen informiert. Für die Unterrichtung sorgten die Bundespolizei und das Bundesinnenministerium, während ich als Verfassungsschutzpräsident über die Sicherheitslage das Kanzleramt unterrichtete.“ Es ist unbestritten, dass diese Fluchtbewegung nicht nur Ausdruck einer falschen Außenpolitik des Westens, der Destabilisierung Nordafrikas sowie des Nahen Ostens, sondern auch der europäischen Sozialpolitik mit all ihrer Anziehungskraft ist.

Aber bleiben wir bei der Instabilität einer Region, die seit Jahren die Fluchtrouten anschwellen lässt. Zu der geopolitisch schwierigen Situation im Zuge von Revolten und Bürgerkriegen im Nahen Osten gesellen sich die Dauerkonfliktherde in Afrika. Sudan, Somalia, Südsudan, Nigeria und Eritrea sind verlässliche Absender von Hunderttausenden Menschen Richtung Europa. Afrika, der Nahe Osten, die arabische Welt sind die Hauptherkunftsgebiete jener, die in Europa im Wege des Asyls eine neue Zukunft suchen.

Was ist Asyl? Asyl ist das Recht auf Flucht in jenes nächstgelegene Gebiet oder Land, wo keine Verfolgung droht. Jetzt blicken wir auf den Nahen Osten, auf den Irak, den Iran, Syrien oder Afghanistan. Saudi-Arabien böte sich doch an, die verfolgten Glaubensbrüder aus den muslimischen Nachbarstaaten zu versorgen. Tut es aber nicht, denn Saudi-Arabien kennt kein Asyl, der Staat hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterschrieben. Er zahlt sich mit Schutzgeld frei, aufnehmen tut er hingegen kaum wen. Mit Stand Dezember 2014 hielten sich gerade einmal 661 Asylwerber in Saudi-Arabien auf, in Katar 221 und in Kuweit 1.652. Ausgerechnet diese reichen arabischen Staaten, denen der Westen das Öl abkauft, damit die Scheichs im Dollar baden, die Waffengeschäfte mit den islamistischen Rebellen machen, um ihre Nachbarländer zu destabilisieren, verweigern sich, Humanität gegenüber jenen walten zu lassen, die ihnen von der Kultur, Tradition und vor allem von der Religion am nächsten sind. Der Begriff Solidarität dürfte im Islam ein Fremdwort sein, wie auch Barmherzigkeit oder Brüderlichkeit. Die eigenen muslimischen Nachbarstaaten nehmen die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und allen anderen Ländern nicht auf, zwingen aber Europa dazu, es zu tun. Und wir Europäer sind seit den 2000er-Jahren so dumm, es auch noch zu tun. Weil wir glauben, dass wir ausgerechnet aus diesen Staaten bequeme Facharbeiter für unsere Wirtschaftssysteme bekommen.

Ein Facharbeiter, wie es der Namen schon sagt, bringt fachliche Qualifikation mit. Der in Europa benötigte Facharbeiter soll von seiner Qualifikation zumindest den hier ansässigen Arbeitnehmern qualitativ gleichgestellt, wenn nicht sogar besser qualifiziert sein. Dies ist zumindest bei einem Großteil der Ankömmlinge der letzten 25 Jahre zu bezweifeln. Die Geschichte vom international ausgezeichneten Herzchirurgen aus Kabul ist bestenfalls ein tatsächlicher Einzelfall, eine Ausnahme, die die Regel der hauptsächlich unqualifizierten Zuwanderung bestätigt. Außerdem ist das in Europa seit mehr als zwei Jahrzehnten eingeschlagene und von der Industrie forcierte Modell der Arbeitszuwanderung ja nichts anderes als ein international organisierter Sklavenhandel. Es ist dasselbe Modell, dem sich die dafür verschmähten USA bis vor einem Jahrhundert bedienten. Es ist, was es ist, Sklavenhandel. Moderner Sklavenhandel, unter dem Deckmantel der Humanität vollzogen. Unqualifizierte, abhängige, minder bezahlte Arbeitskräfte werden durch die Stabilität europäischer Länder und ihre Sozialleistungen in Hülle und Fülle gelockt. Die Kosten ihrer Weiterbildung sind bei Weitem nicht so hoch, wie wenn man einem Deutschen oder Österreicher ein anständiges Gehalt für dieselbe zu verrichtende Arbeit zahlen müsste. Das nimmt die Wirtschaft in Kauf. Die Unternehmen glauben zumindest, dass sie damit Erfolg haben. Haben sie aber nicht, nicht einmal in wirtschaftlicher Hinsicht. Die gesellschaftlichen Spannungen, die damit verbundenen Kosten für Bildung, für Sozialsystem, für Integration, für Sicherheit interessieren die Unternehmer nicht. Zumindest nur peripher, bis halt die jeweiligen Staatshaushalte zu kippen beginnen. Die Devise lautet fürs Erste: Hauptsache, man bekommt billige, leicht führbare, unkritische Arbeitskräfte, die das Wachstum ordentlich antreiben. Nur die Wirtschaft hat sich damit ins eigene Knie geschossen. Mit der zügellosen, unkontrollierten, kulturfremden Zuwanderung haben wir für immense innereuropäische Spannungen gesorgt, die einen Wirtschaftsstandort Europa im internationalen Vergleich destabilisieren und uninteressant machen. Das passiert, wenn man an kurzfristigen, aber nicht langfristigen Profit denkt. Das passiert, wenn die verantwortungsvolle soziale Marktwirtschaft durch den Turbokapitalismus abgelöst wird. Die Hauptherkunftsländer des als Facharbeiterzuzug deklarierten Asyltourismus sind eben nicht Länder auf hohem Bildungsniveau, sondern durch kriegerische Auseinandersetzung, Revolutionen, Rebellenaufständen, innere Konflikte entstellte und kaputte Länder, wie Bangladesch, Elfenbeinküste, Eritrea, Iran, Irak, Nigeria oder Syrien. Natürlich könnte man über das Bildungsniveau in diesen Ländern auch ein eigenes Buch schreiben. Aber fassen wir es zusammen: Diese Länder sind in den letzten Jahrzehnten nicht dafür bekannt gewesen, zu wissenschaftlichen Höchstleistungen zu neigen, einen wesentlichen Beitrag zum Fortschritt der Welt zu leisten, Bildung einem Großteil ihrer Bürger zukommen zu lassen. Diese Länder haben Bildungssysteme, die aber nur einem kleinen Teil des Volkes zur Verfügung stehen. Und dieser kleine Teil bleibt in seinem jeweiligen Land.

Mit 2011 begann der massive Zuzug in die Länder der Europäischen Union über die Routen des Westbalkan, das östliche Mittelmeer, das westliche Mittelmeer und das zentrale Mittelmeer. Es konnte jedem bereits 2010 klar sein, wohin diese Entwicklung geht. Dennoch bereiteten sich weder die EU noch die Mitgliedsländer, wie Österreich oder Deutschland, auf diese absehbare Herausforderung vor. Man stolperte hinein, ist die wohlmeinende Analyse. Man wollte es so, ist jene These, die klaren und deutlichen Vorsatz erkennt. Merkel war seit 2005 Kanzlerin. Sie hatte Richtlinienkompetenz, sie wurde gewarnt, ihre Dienste lieferten konkrete Zahlen und rechneten den Wahnsinn hoch. Dennoch schlitterte sie unweigerlich in jene Situation, die sie mit dem Satz „Wir schaffen das“ vom 31. August 2015 noch verschärfte.

Der 31. August 2015, Merkels Wende

Die wenigstens wissen, dass nicht Angela Merkel den Satz „Wir schaffen das“ prominent in der politischen Debatte als Heilsversprechen oder als gänzliche Kapitulation vor der selbst verursachten orientierungslosen Politik implementiert hat. Es war ihr heute kaum mehr bekannter Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der am 22. August 2015, wenige Tage vor Merkels großem Auftritt vor der Bundespressekonferenz, erstmals „Wir schaffen das“ als kollektives Ziel der Deutschen zur Bewältigung der Flüchtlingswelle 2015 befehlsartig ausgab. Mit den heiligen Worten „Frieden, Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit“ steckte Sigmar Gabriel die Stoßrichtung der deutschen Asylpolitik auch sprachlich fest. Im Umkehrschluss hieß dies, dass jeder, der nur leise Kritik an den Hunderttausenden hauptsächlich männlichen, vollbärtigen Flüchtlingen, also an dieser maskulinen Reisegruppe in Überzahl, übte, gegen Frieden, Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit verstieß, somit kraft Wortes oder Gedankens aus dem Formenkreis der erhabenen, moralisch erhöhten, selbstgefälligen Humanisten automatisch exkommuniziert wird. So wurde mit absoluter Bestimmtheit erstmals festgelegt, dass jeder und jede dazu aufgefordert und gezwungen sind, den Strom der vermeintlich Hungernden und Leidenden aller Herren Länder freundlichst aufzunehmen, nichts zu hinterfragen oder zu kritisieren zu haben. Und so geschah es, dass die politische Debatte recht früh eine eindeutige Richtung einschlug, Abweichler durch die höchste Autorität des Staates und seiner Handlanger in den Medien gescholten wurden.

Nachdem Deutschland zumindest bis 2015 nie in den Genuss einer seit den 1990er-Jahren schon in Österreich gepflogenen kritischen, offenen, bisweilen lauten, aber zumindest direkten und ehrlichen Diskussion durch den ab 1986 wirkenden Jörg Haider, den Eisbrecher der stromlinienförmigen Debattenkultur, kam, konnten seine Regierung und ihre medialen wie gesellschaftlichen Satelliten von kaum nennenswertem Widerstand ausgehen. Deutschlands Eliten konnten sich darauf verlassen, dass ihnen das Volk widerspruchslos folgte. Die AfD, als ernstzunehmender, politisch inkorrekter Mitbewerber, steckte damals noch in den Kinderschuhen, war von eurokritischen Professoren gegründet und versuchte, die Themenfelder ihrer politischen Bewegung erst für sich zu finden. Die Medien waren an der Seite dieser multikulturellen Ideologie wie die Meinungsmacher in Gesellschaft, Kunst, Kultur und Sport sowie die Grünen seit Bestehen, die Linken sowieso. In diesem anbrechenden Wettbewerb, wer nun der freundlichere, humanistischere, gastfreundlichere Politiker in Deutschland war, hatte Sigmar Gabriel wenigstens für ein paar Tage die Nase vorne. Und er konnte sich sicher sein, dass ihm dafür gefühlt 100 Prozent der Bürger applaudierten, wenn sie ihn nur gehört hätten. Aber wer gibt schon die Worte einer Mensch gewordenen Fußnote politischer Historie in Deutschland breit wieder? Wir können davon ausgehen, dass Gabriels moralischer Appell vom 22. August zumindest seitens des Presseteams von Kanzlerin Merkel mit Argusaugen beobachtet wurde. Koalitionsleben ist eben wie Mikadospielen, jede Bewegung wird im Spinnennetz des Politzirkus vom Mitbewerber registriert, beobachtet und entsprechend beantwortet.

Man stelle sich diese heißen, spätsommerlichen Tage in Berlin vor. Eine Flüchtlingswelle rollt an, die Dienste warnen die Staatskanzleien seit Wochen vor einer anschwellenden Flüchtlingswelle über den Balkan. Griechenland, Serbien, das südöstliche Europa bis Österreich herauf waren betroffen. Das Chaos am Budapester Bahnhof füllte die Zeitungen, ebenso die einer regelrechten Invasion gleichenden Situation an der Grenze zu Österreich.

Zudem ereignet sich am 27. August eine über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt gewordene und breit diskutierte Tragödie im burgenländischen Parndorf und fokussierte die gesellschaftliche Debatte noch mehr in Richtung Migration. In einem Kühllastwagen, aus Ungarn kommend, wurden 71 Menschen aus Syrien, Afghanistan, Iran und Irak tot aufgefunden. Sie wurden Opfer von kriminellen Schleppern. Dieses Ereignis, diese menschliche Tragödie, war einschneidend und beherrschte die politische wie gesellschaftliche Diskussion über Wochen massiv. Die Bilder aus Parndorf gingen um die Welt und sie verfehlten ihr Ziel nicht. Was zuvor als abstrakte, weit entfernte und nicht emotionalisierende Tragödie nur am Rande wahrgenommen wurde, die Flüchtlingskrise, wurde uns mit den Leichensäcken am Autobahnrand in dramatischer Form vor der „eigenen Haustür“ vor Augen geführt. Die Bilder verfehlten ihre Wirkung nicht. Sie wurden auch landauf, landab gesendet und vervielfältigt.

Es ist daher nur sehr schwer vorstellbar, dass man Deutschlands politischen Betrieb in diesen Tagen des August 2015 am linken Fuß erwischt hätte. Also brachten sich die jeweiligen Parteiführer in Stellung. Sigmar Gabriel schlug auf, „Wir schaffen das“ war geboren. Nachdem es sich aber bei Gabriel um den eher glücklosen Beiwagen von Angela Merkel, also den Mehrheitsbeschaffer der gefühlt Merkel'schen Alleinregierung handelte, nahm im medialen Betrieb eben niemand Notiz. Also begab sich Merkel wenige Tage später in die sommerliche Bundespressekonferenz. „Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden. Der Bund wird alles in seiner Macht Stehende tun – zusammen mit den Ländern, zusammen mit den Kommunen –, um genau das durchzusetzen“, war ihr Beitrag, mit dem sie Sigmar Gabriel im Wettkampf um den beliebteren Parteichef übertrumpfen wollte. Dazu muss man wissen, dass Merkel bereits in den Jahren zuvor ihre Unionsparteien beständig vom bürgerlich-konservativen Spektrum des politischen Radius in das linksliberale, progressive Lager rückte. Ihr Ziel, so schien es, war, nachdem sie bereits den Mitte-Rechts-Bereich erfolgreich abdeckte und an dieser rechten Front keine ernstzunehmende Gefahr erwuchs, das linke Wählerspektrum zu inhalieren. Das lag ihr auch. Beobachter der damaligen Zeit kritisieren sie als Linke, die im Kostüm einer Konservativen auftrat.

Im Herbst 2004, wohl im Hinblick auf die Bundestagswahl 2005, formulierte Merkel noch stramm das Mantra konservativen Denkens: In einer Rede vom 20. November 2004 sagte sie knallhart: „Die multikulturelle Gesellschaft ist gescheitert.“