Milten & Percy - Das Schloss der Skelette - Florian C. Booktian - E-Book

Milten & Percy - Das Schloss der Skelette E-Book

Florian C Booktian

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Beschreibung

Detective Percy Meercat bekommt einen Praktikanten an die Backe: Milten Greenbutton, einen jungen, aber bisher erfolglosen Erfinder. Percy, seines Zeichens stolzes Erdmännchen, will Urlaub machen und kehrt seinem Job den Rücken. Er landet mit Milten in der Kleinstadt Sharpytown und nach einem ausgelassenen Fest bei einer gut aussehenden Pensionsbesitzerin im Bett. Doch der Schein trügt, bald wendet sich alles Gute zum Schlechten, und der Detective steht alleine in der menschenleeren Stadt und fragt sich, was überhaupt passiert ist.

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Seitenzahl: 221

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Inhaltsverzeichnis

 

Titelseite

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Über den Autor

Demnächst erhältlich

 

 

 

Florian C. Booktian

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Milten & Percy

- Das Schloss der Skelette -

 

Roman

#1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Copyright © 2015 Florian C. Booktian

Covergestaltung: Chuck Patterson

Korrektorat: Sybille Weingrill

Probeleser: Jan

 

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors.

 

Kontakt:

Facebook.com/Booktian

[email protected]

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Diese Geschichte spielt in der Galaxie #590B. Eine etwas ärmliche und heruntergekommene Galaxie, deren größte Errungenschaft in einer Kopie des Planeten Erde bestand. Diese hatte sie sich für viel Geld machen lassen. Inzwischen war auf genau dieser Erde das Jahr 2015 angebrochen, und #590B war froh, endlich all die Kinderkrankheiten hinter sich zu haben, mit denen ein Erdenplanet so daherkommt. Die Dinosaurier waren auf ihren Heimatplaneten zurückgekehrt, die Weltkriege vorbei und sämtliche Außerirdische hatten das Interesse an dem blauen Planeten restlos verloren, auf dem Fernsehen inzwischen als vollwertige Freizeitbeschäftigung galt.

Alles war friedlich.

Dumm nur, dass am Tag der Lieferung der Kontostand so weit abgesackt war, dass sich #590B nur den halben Planeten leisten konnte. Die Galaxie sah sich gezwungen, die halbe Erde mit einem kostengünstigeren Planeten zusammenzuschweißen. Schon rein der Anschaulichkeit halber. Sie entschied sich für die bewohnte Hälfte des Planeten Gnaa, ganz zum Leidwesen der dortigen Bewohner, die sich plötzlich dicht an dicht mit der menschlichen Spezies konfrontiert sahen.

Auf Gnaa lebten allerhand Fabelwesen, Monster, sprechende Tiere und Kreaturen, die auf der Erde nur aus Märchenbüchern oder schrecklich billigen Filmen bekannt waren.

So kam es, dass in London plötzlich Zwerge durch die Straßen streiften und überlegten, ob es sich lohne, in den unterirdischen Tunnel der Stadt nach Rohdiamanten zu schürfen. Massen von Vampiren fielen nach Transsilvanien ein, um Urlaub zu machen und längst vergessen geglaubte Verwandte zu besuchen, die inzwischen aber leider verstorben waren. Und Glasschlangen, die im Sonnenlicht hübsch funkelten und deswegen meist eine maßgeschneiderte Jacke trugen, klauten ahnungslosen Flohmarktbesuchern den Geldbeutel, um Süßigkeitenstände leer zu kaufen.

Der Kulturschock zu Beginn war groß, und zwar auf beiden Seiten.

Die Glasschlangen wurden von dem vielen Süßkram ganz dick und zur Strafe ins Diätcamp abtransportiert. Die Vampire ließen ihren Frust an den Einwohnern Transsilvaniens aus und freuten sich dann irgendwann doch noch über Familienzuwachs. Und die kurzen Männer in London hörten sich von der ranghöchsten Dame im Land mit gesenkten Zipfelmützen eine Standpauke an.

Für die Menschheit eher ungewöhnlich leitete man ein kulturelles Austauschprogramm ein in der Hoffnung, etwas mehr über die Planetenhälfte zu erfahren, die sich jetzt dort befand, wo vorher Russland und Asien lag. Und nachdem die Einwohner Gnaas die ersten paar hundert Menschen feierlich verspeist hatten, was auf der Erdhalbkugel zu so manch gehobener Augenbraue führte, begriff man langsam, worum es den Erdlingen eigentlich ging: nämlich gerade darum, nicht aufgefressen zu werden.

Langsam, aber sicher näherte man sich einander an.

Gnaa lieferte seltene Rohstoffe und als Ausgleich versorgte die Erdhalbkugel sie mit Achterbahnbauplänen und samtweichem Klopapier.

Freundschaftliche Beziehungen entstanden, und wenn dann hin und wieder doch mal ein Erdling gefressen wurde, schickte Gnaa ein Einhorn rüber, und schon war der Zwischenfall vergessen, denn alle Menschen waren viel zu sehr damit beschäftigt, das schöne Pferdchen zu bestaunen.

Doch mit der neuen Freundschaft zwischen den Planetenhälften kam es auch zu Spannungen zwischen einzelnen Lebewesen. Gewisse Nationen auf der Erdhalbkugel sahen sich damit konfrontiert, dass Atombomben für Gnaa in etwa so bedrohlich waren wie eine Stecknadel für ein Krokodil.

Ganz im Gegenteil.

Man freute sich sogar, beschossen zu werden.

Immerhin gab es auf Gnaa genügend Bewohner, die von radioaktiver Strahlung lebten und sie mit ihren sonderbaren Gliedmaßen aufsaugten. Auf der Erdhalbkugel fühlte man sich deshalb schwer gekränkt, galt die Bombe doch bisher als Vorzeigeobjekt der menschlichen Kriegsführung. Telefonate wurden geführt und wütende Schreiben aufgesetzt. Finger erhoben und Reden geschwungen. Man wäre ausgeliefert und machtlos. Die vereinigte Regierung von Gnaa zeigte sich verständnislos, denn Krieg war ihnen fern. Und weil zum Streiten immer zwei gehören und der andere in diesem Fall einfach keine Lust hatte, ließ man es eben bleiben, und die Militärs der Erdhalbkugel seufzten einmal kollektiv frustriert auf.

Partnerprogramme wurden gestartet und der gemeinschaftliche Nutzen kristallisierte sich so langsam heraus. Die Müllschlucker von Unkus verspeisten genüsslich sämtlichen Atommüll in der baldigen Hoffnung auf mehr. Natürlich sagte man auf der Erde sofort zu und baute gleich drei weitere Kernkraftwerke. In Gnaa hingegen entdeckte man, dass es eine gute Idee war, Verbrecher einzusperren, anstatt sie an den Ohren festzubinden und zweimal am Tag mit lauwarmer Gemüsebrühe zu füttern, bis sie sich entschuldigten.

Aber genau wie auf der Erde war das Verbrechen ein Problem auf Gnaa. Und mit der Erdhalbkugelfusion nahm die Kriminalität ganz neue Ausmaße an.

Im Zuge der Zusammenarbeit übernahm ein Detective aus Gnaa die Fälle, die sowohl Gnaa als auch die Erdhalbkugel miteinbezogen. Sein Name war Percy Meercat, er ist ein sprechendes Erdmännchen, und das hier ist sein erstes Abenteuer.

 

1

 

William und Robert waren den ganzen Tag durchgefahren und inzwischen war es Nacht. Das Ziel ihrer Reise hatte sie an die Grenze zwischen der Erdhalbkugel und Gnaa geführt. Genau die paar Kilometer, in denen nicht ganz klar war, was zu wem gehörte.

Vor wenigen Minuten hatten sie ein Ortsschild passiert, über dem ein großer Stift prangte. Die Aufschrift. Kurz hinter dem kleinen Ort lag genau das, wonach sie so lange gesucht hatten.

Das Grab von Skull Friedrich von Hate.

William und Robert waren Historiker, die auf der Erdhalbkugel lebten und sich auch hauptsächlich mit der Geschichte der Erde beschäftigt hatten. Hin und wieder reizte es sie jedoch, einen Fuß nach Gnaa zu setzen. Und zwar immer dann, wenn einer der beiden Brüder seine Nase in ein Geschichtsbuch der anderen Planetenhälfte vertieft hatte und aus dem Schwärmen gar nicht mehr herauskam. Das Grab, das sie ausfindig machen wollten, gehörte einem der größten Tyrannen der Geschichte von Gnaa. Auch manchen Menschen war sein Name ein Begriff, denn beinahe wäre seine Terrorherrschaft auf die Erdhalbkugel übergeschwappt. Doch eine Handvoll Soldaten hatte es geschafft, den Tyrannen mitten in der Nacht zu überraschen, ihn zu verschleppen und ihn tief unter der Erde zu vergraben.

Genau einen Tag, bevor er die Erdhalbkugel angegriffen hätte.

„Ich glaube, da drüben muss es irgendwo sein“, sagte William und bremste den Wagen ab. Die Räder kamen auf der trockenen Erde zum Stehen.

Irgendwo dort draußen war es, das Grab.

Robert starrte in die Dunkelheit. Eine einzelne Schweißperle rollte ihm die Stirn hinunter. „Vielleicht sollten wir lieber umkehren, was wollen wir dort eigentlich?“

„Nur mal vorbeischauen. Komm schon, hast du nicht auch gesagt, du willst ihn mal von Angesicht zu Angesicht sehen?“

„Den Mörder von tausend Unschuldigen“, murmelte Robert und glotzte ins Dunkel. „Gefangen in einem Sarg aus Glas, tief unter der Erde.“

William stieg aus und schlug die Autotür hörbar hinter sich zu. „Wir werden ein Foto von ihm machen. Das nehmen wir dann als Weihnachtskarte. Schau mal, ich hab sogar zwei Mützen dabei“, sagte er und zog zwei Nikolausmützen aus seinem Rucksack.

Robert starrte noch immer ins Dunkel. Er hatte sich viel mit ihm auseinandergesetzt, dem Besitzer dieses Grabes. Er wusste genau, was Skull Friedrich angerichtet hatte und wie er dabei vorgegangen war. Wenn die Geschichtsschreiber von Gnaa die Wahrheit notiert hatten – und das taten sie normalerweise immer –, tötete Skull Friedrich von Hate nach jedem halben Dutzend Schlachten alle seine Generäle und ernannte die tapfersten Kämpfer der letzten Schlacht zu ihren Nachfolgern. Den Spitznamen Skull hatte man ihm verpasst, weil sein Körper derart mager war, dass der Schädel wirkte, als wäre er nur mit Haut bespannt, um nicht völlig blank zu liegen.

Dunkelheit.

Die Baumkronen über ihnen schluckten das gesamte Licht der Sterne, und selbst für einen Wald bei Nacht war es finster genug, dass neben ihnen jemand auftauchen könnte, ohne dass sie etwas davon bemerkten.

Feuer durchbrach die Schwärze vor Roberts Augen.

William hatte eine Fackel entzündet und klopfte damit auf die Motorhaube. „Setz dich in Bewegung, wir haben noch eine lange Rückfahrt vor uns.“

Robert stieg mit einem mulmigen Gefühl aus dem Jeep und folgte seinem Bruder durch einen Torbogen aus Stein, der schon vor Hunderten von Jahren errichtet worden war. Einzelne Steine waren aus der Mauer gefallen und ein unlesbarer Schriftzug über dem Torbogen verkündete irgendetwas in einem der vielen Dialekte von Gnaa.

Im Inneren der Höhle war es kalt und feucht. Immer mal wieder schien sich etwas in der Dunkelheit zu bewegen, entkam aber schnell genug, um nicht im Licht der Fackel erkannt zu werden. Einzelne Tierknochen und Schädel lagen im Fußboden. Ein wildes Tier musste vor langer Zeit diese Höhle als Unterschlupf benutzt haben.

William erstarrte, als vor ihm ein riesiger Schädel auftauchte. Robert prallte gegen seinen Rücken und fiel hinter ihm in den staubigen Dreck.

Sein Bruder begann zu lachen. „Scheint wohl ein ehemaliger Bewohner der Höhle zu sein“, sagte William und untersuchte den Schädel. „Sieh dir diese Hörner an. Sehen fast aus wie von einer Antilope. Spitz nach oben zulaufend und geriffelt. Und da!“, sagte er und zeigte auf den Schädel. „Es hat ein Horn, wo sonst die Aussparung für die Nase sitzt.“

„Und Hauer. Lange, spitze Hauer“, sagte Robert und schluckte.

William strich bewundernd über einen der Hauer. „Sie sehen aus wie die eines Walrosses. Was für eine imposante Kreatur. Sie muss der König unter den Jägern gewesen sein – zu ihren Lebzeiten versteht sich.“ In seinen Augen funkelte eine ungesunde Faszination. Gnaa war hauptsächlich unerforscht. Man wusste nur, was die einzelnen Planetenhälften untereinander austauschten. Für die vielen Forscher des gemeinsamen Planeten war es, als hätte man sie von heute auf morgen mit einem Haufen Aliens zusammengesteckt und erklärt, sie hätten einen neuen Nachbarn.

Robert sah im Unbekannten genauso eine Faszination wie William, aber er erkannte auch die Gefahren, die sich dahinter verbergen konnten. Zum Beispiel die vielen Menschen, die in letzter Zeit verschwunden waren und angeblich nach Gnaa verschleppt wurden.

William witterte den Ruhm und das Abenteuer, Gräber, die gehoben und längst vergessene Königreiche, die entdeckt werden wollten.

Die beiden gingen weiter, vorbei an dem langen Skelett des riesigen Schädels. Tiefer und tiefer hinab in die Höhle. Sie folgten Wegen, von denen sie sich gar nicht sicher waren, dass sie als solche angelegt wurden. Sie rutschten Felsvorsprünge hinab und zwängten sich unter dichten Felsspalten hindurch, die so wenig Platz boten, dass der etwas dickere William ein paarmal stecken blieb und von Robert befreit werden musste. Inzwischen stand beiden der Schweiß auf der Stirn. Sie waren tief in das Innere der Höhle eingedrungen und befanden sich jetzt mehrere Kilometer unter der Oberfläche.

„Da vorne“, sagte William und hob die Fackel an. „Siehst du es?“

Robert ging an ihm vorbei, um die alte Steintafel zu entziffern, die vor ihnen in einer kleinen Nische lag. Wasser tropfte von der Decke und hatte den oberen Teil über die Jahrzehnte hinweg abgewaschen.

„Verstehst du, was es sagt?“, fragte William.

Robert rückte seine runden Brillengläser zurecht und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Ich glaube schon“, sagte er und räusperte sich kaum hörbar. „Wer bis hierher es geschafft, der sei gewarnt: Das Grab liegt tief, noch tiefer, als du je zu gehen vermagst. Kehr um, lass ruhen, wer nicht gestört werden darf. Und wenn du doch nicht widerstehen kannst, sprich dieser Worte, und setze deinen Mut aufs Spiel.“

„Setze deinen Mut aufs Spiel?“, wiederholte William ungläubig.

„Ich glaube, es ist eine Warnung.“

„Wovor? Hier unten ist alles tot. Sogar unser Kumpel am Eingang. Wie lauten die Worte, die da noch stehen?“

„Ich weiß nicht, ich kann sie nicht übersetzen. Es ist irgendein Dialekt.“ Robert räusperte sich noch einmal. „Varuta septa, Varuta napita torkatu, Varuta durtares morte.“

„Wahrscheinlich nur irgendwelcher Nonsens“, sagte William. Dann fiel ihm der Dreck von der Decke ins Gesicht.

Die Erde über ihnen bebte, und ein Luftzug, der weit von der Oberfläche kam, löschte die Fackel in Williams Händen. Die beiden fanden sich in absoluter Dunkelheit wieder.

Am Eingang des Tunnels erwachte etwas zum Leben. Etwas sehr Großes, sehr Altes, das sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt hatte.

Und seine Loyalität war noch größer als sein Schädel.

Tief unter dem Eingang nahmen zwei Forscher ihre letzten Atemzüge. Und bevor Robert für immer die Augen schloss, erkannte er neben sich einen knochigen Schädel mit einem rotbraunen Fleck im Gesicht.

2

 

Percy bretterte in seinem 68er Ford Mustang die Straße entlang und hielt Ausschau nach der nächsten Tankstelle. Der Wagen war für ihn modifiziert worden. Auch wenn er mit 1,20m fast viermal so groß war wie ein gewöhnliches Erdmännchen, brauchte es doch einige Veränderungen, um den Mustang für ihn zugänglich zu machen. Mit der Fahrertür klappte sich ein kleiner Tritt herunter, der Fahrersitz war erhöht worden und die Pedale verlängert. Die Automatik übernahm das Schalten der Gänge.

Percy verbrachte viel Zeit in seinem Mustang, so pendelte er doch andauernd zwischen Gnaa und der Erdhalbkugel hin und her. Jetzt war es zwei Uhr morgens und Percy war auf der Heimfahrt. Zwei Dinge waren ihm ausgegangen: die Zigaretten und die Batterien für seinen Discman. Percy schätzte die Musik auf der Erdhalbkugel, denn alles, was auf Gnaa zusammenmusiziert wurde, klang in etwa gleich. Er war jetzt gerade mal zwei Jahre auf der Erde und immer noch damit beschäftigt, sich pausenlos durch Diskografien immer neuer Lieblingsbands zu kämpfen. Momentan drehte sich eine Scheibe mit der Aufschrift „ELO – Discovery“ in seinem Discman. Und das Album war verdammt gut.

Percy lugte unter seiner Sonnenbrille hervor, der zweite permanente Begleiter gleich nach seinem Mustang. Er vermied es, die Sonnenbrille abzunehmen. Ganz egal zu welcher Tageszeit. Und der Grund lag schlicht und einfach darin, weil er sich damit wohler fühlte, jedenfalls erzählte er das jedem, der danach fragte. Seine Mutter kannte den wahren Grund. Die schwarzen Ringe um seine Augen, die ihn beim Blick in die Ferne vor der Sonne schützen sollten, waren bei ihm nur sehr klein ausgebildet, denn Percy war ein Frühchen – wie so vieles in seinem Leben konnte es ihm auch bei seiner eigenen Geburt nicht schnell genug gehen.

Daher die Sonnenbrille auf seiner Erdmännchennase.

Ein Neonschild kündigte die nächste Tankstelle an. Percy nahm den Fuß vom Gas und lenkte den Wagen in eine der Tankbuchten.

Müde öffnete er die Tür und plumpste zu Boden. Als er sich streckte, knackten seine Knochen. Seit zwei Jahren war er ununterbrochen im Dienst. Zwei harte Jahre, die an seinen Kräften gezehrt hatten. Seine Geduld war aufgebraucht, seine Nerven lagen blank. Der Nächste, der ihm dumm käme, würde seine Erdmännchenkrallen zu spüren bekommen. Zum Eingang schleppend steckte er sich eine Zigarette in den Mund, die er aus dem Aschenbecher gefischt hatte, und entzündete sie mit einem Streichholz. Ein kräftiger Zug erfüllte seine Lungen mit Nikotin. Vielleicht würde seine Geduld doch noch ausreichen, um den nächsten Idioten lächelnd an sich vorüberziehen zu lassen. Aber da gab es ein Problem, denn heute war er auf der Erdhalbkugel, und Idioten gab es hier zur Genüge. Percy betrat den kleinen Supermarkt der Tankstelle und ein leises Bimmeln meldete ihn an.

„Sie können hier drin nicht rauchen“, wies ihn der Kassierer zurecht.

„Anscheinend doch“, gab Percy zurück und warf das brennende Streichholz zu Boden.

Der Kassierer schüttelte den Kopf und kümmerte sich um den nächsten Kunden. Percy trabte gemütlich durch die Gänge, schnappte sich eine Tüte Chips, Batterien für seinen Discman und warf einen Blick in die Zeitungen.

Berühmter Detective verhaftet Schmuggelbande, verkündete eine Schlagzeile. Darunter war ein Bild von Percy zu sehen, auf dem er in die Kamera starrte, als würde er den Fotografen gleich anspringen. Percy rümpfte die Nase und schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Boden.

„Mach mal Platz, du Wiesel“, sagte ein großer Kerl und schob Percy beiseite.

Der Detective setzte sich gegen seinen Willen und wurde wie ein Hindernis zur Seite geschoben. Von seinem Hintern aus betrachtete er den Menschen, dem er gleich die Augen auskratzen würde. Percy nahm einen weiteren Zug von der Zigarette. Doch diesmal konnte ihn der Tabak nicht besänftigen. Da war er also, der Idiot, der ihm jetzt in die Schusslinie geraten war. Ein bierbäuchiger Mann mit hängenden Schultern und einem Sixpack unter dem Arm. Ein Muskelshirt war über seinen dicken Bauch gespannt und verkündete: Die Tiere in den Zoo, die Erde den Menschen.

Percy stand auf und klopfte den Dreck von seinem Fell.

„Verdammtes Viehzeugs. Früher hätte es so was nie gegeben, ein Wiesel in der Tankstelle. Und dann auch noch rauchen, das geht zu weit“, brummelte der Kopf über dem Bierbauch, bevor alles Weitere in einem wilden Gehuste unterging. „Eine Stange Marlboro“, brachte der Bierbäuchige hervor und spuckte eine Ladung gelben Schleim auf den Fußboden.

Percy betrachtete angeekelt den gelben Glibber und kratzte das letzte bisschen Höflichkeit zusammen, das er aufbringen konnte. Viel war davon nicht mehr übrig. „Ich bin kein Wiesel, sondern ein Erdmännchen“, sagte er in freundlichem Ton. „Und ich würde es schätzen, wenn Sie sich bei mir entschuldigen. Sie haben mich über den Haufen gerannt.“

Und damit war der letzte Funken Höflichkeit aufgebraucht. Anstand und Geduld standen bei Percy ebenfalls auf null. Mit den guten Manieren war es vorbei, und jetzt war es an dem Bierbäuchigen, sich richtig zu verhalten oder die nervlichen Folgen von Percys anstrengenden Jahren am eigenen Leib zu erfahren.

„Kannst du vergessen, du kratzbürstige Wüstenratte“, sagte der Bierbäuchige und zahlte seine Einkäufe „Und wenn ich hier rausgehe, pass lieber auf, dass ich dich nicht zertrete, stinkendes Nagetier!“

‚Stinkendes Nagetier?‘, dachte sich Percy und schnüffelte an seinen Unterarmen. Sicherlich, sein gepflegtes Aroma hatte nachgelassen. Aber das war nur normal nach einer Zwanzig-Stunden-Schicht und über einem Monat unterwegs auf der Straße mit nicht viel mehr als einem Waschlappen, der sich selbst nach einer Dusche sehnte.

Der Bierbäuchige drehte um, stapfte auf ihn zu und trat nach seinem Schwanz. Percy sprang zur Seite und starrte dem Angreifer entgeistert hinterher. Der machte, dass er aus dem Laden kam. Percy wedelte mit seinem Schwanz, als wollte er testen, ob sein pelziges Stück noch in Ordnung war. Er war heil geblieben. Percy sah, wie der Bierbäuchige in einen Pick-up stieg, den er scheinbar nur gekauft hatte, damit ihn der Rost auffressen konnte.

Sein Schwanz lugte hinter Percy hervor und zeigte in Richtung Pick-up, als wolle er sagen: Und was machen wir jetzt mit dem Typen, der versucht hat, auf mich zu treten? Percy legte seine Einkäufe auf den Tresen und versprach, gleich wieder zurück zu sein.

Genug war genug.

Und jetzt war es an der Zeit für einen Gegenschlag. In ihm kochte eine nur allzu bekannte Wut empor, die ihn immer wieder in Erklärungsnot brachte.

Normalerweise bewegte er sich erhobenen Hauptes auf zwei Beinen, aber auf allen vieren war er wesentlich schneller. Und genau dieses erhöhte Tempo brauchte er jetzt. Percy ließ sich auf die Vorderpfoten fallen und flitzte an dem Bierbäuchigen vorbei zum Kofferraum seines Mustangs. Er öffnete das Schloss und schnappte sich seine Dienstwaffe, die er heute Morgen in einem kleinen Safe verstaut hatte.

Noch als er die Trommel des Revolvers mit Kugeln bestückte und die Waffe auf den Pick-up richtete, war ihm klar, dass er gerade dabei war, eine große Dummheit zu begehen.

Am nächsten Tag verkündeten die Zeitungen:

Berühmter Detective dreht an Tankstelle durch.

3

 

Für Percy war der Tag nicht so gut gelaufen, und um sieben Uhr morgens legte er sich schließlich todmüde auf die Rückbank seines Mustangs, um zu schlafen.

Dafür gingen die Dinge in Sharpytown ihren gewohnten Gang. Die Stadt war berühmt für ihre Buntstiftproduktion und ein Großteil der Bevölkerung arbeitete in der gleichen Fabrik. Hier stellte man Stifte her, die später in die ganze Welt verschifft wurden. Die Kinder der Erdhalbkugel malten damit Bilder aus, während die Stifte in Gnaa aufgrund ihrer Ton- und Wachsmine als Delikatesse galten.

Der gesamte Betrieb der Stadt war auf die Buntstiftproduktion ausgerichtet. Sharpytown hatte seinen eigenen Wald, der das Holz für die Stifte lieferte, eine große Imkerei, die dafür sorgte, dass nur das beste Bienenwachs für die Wachsmalstifte verwendet wurde, und mehrere große Silos mit verschiedenen Farben, Fetten und Klebstoffen, die alle irgendwann als Buntstiftminen in der Sonne trockneten.

In der Fabrik verpackte man gerade die letzte Ware des Tages. Bald würde die Buntstiftproduktion stillstehen, denn alle Einwohner trafen sich zu Mittag auf dem Dorfplatz zum zweihundertsten Jubiläum ihres Heimatortes.

Wer mit seiner Arbeit bereits fertig war, half bei den Vorbereitungen für das Fest. Auf dem Dorfplatz wurden Bänke aufgestellt und ein großer Grill an eine Gasflasche angeschlossen. Getränke wurden in Kühlschränken verstaut und Preistafeln aufgehängt.

Und während die Einwohner eifrig mit den Vorbereitungen beschäftigt waren, zogen über einem ganz bestimmten Ort in Sharpytown dunkle Wolken auf. Sie waren groß und schwer und voller Regen. Regen, der für einen ganz bestimmten Zweck vorgesehen war. Die Wolken gingen direkt über dem gigantischen Erdhügel in Stellung, der in der Stadt als Dirthill bekannt war. Auf dem kahlen Berg aus Erde wuchs kein Gras und auch kein Unkraut, fast so, als würde sich die Erde hin und wieder bewegen und so alles Lebendige davon abhalten, sich niederzulassen. Der Erdhügel befand sich vor dem kleinen See, der etwas außerhalb von Sharpytown lag. Der See war durchaus beliebt. Die Älteren spazierten Hand in Hand um ihn herum und erinnerten sich an ihre Jugend. Eine Zeit, als Hüftprobleme noch weit in der Ferne lagen und alles noch von alleine dicht gehalten hatte.

Die Jüngeren saßen darum herum und fummelten. Und Sharpytowns Einwohner mittleren Alters wählten den Ort für den Beginn ihrer Midlife-Crisis wenn sie die frisch verliebten Teenager sahen, die sich betatschten, und die glücklichen alten Paare, die von Parkbänken aus die Landschaft betrachteten.

Der Erdhügel war schon immer Teil der Seelandschaft, und nur wenige der Alten konnten sich noch erinnern, was darunter verborgen war. Ein Relikt aus älteren Zeiten. Ein Gebäude, das einst als das Planungszentrum schrecklicher Gräueltaten gedacht war. Jedenfalls bis man den Besitzer des Bauwerks geschnappt und vergraben hatte. Und dann war Schluss.

Bis jetzt.

Die Wolken taten ihren Dienst und ein Jahrhundertschauer ging auf Dirthill nieder. Er würde erst wieder aufhören, wenn er freigelegt hatte, was sich unter dem Erdhügel befand.

Eine Turmspitze ragte bereits aus der nassen Erde hervor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4

 

Percy parkte seinen Mustang hinter dem Polizeigebäude und huschte durch den Eingang ins Innere. In seinen Pfoten hielt er eine Tüte Chips, und auf dem Rücken trug er einen kleinen Rucksack, in dem sich eine Stange Zigaretten befand und ein Discman, der die Bügelkopfhörer auf seinem Kopf mit Musik versorgte.

„Guten Morgen, Percy“, rief eine alte Frau in Uniform und knallte einen Stapel Akten auf den Empfang.

Percy winkte ihr mit einem Chip in der Pfote zu und drängte sich in den vollen Aufzug. Sein Vorgesetzter hatte ihn zu sich bestellt, und angesichts der Geschehnisse des letzten Abends konnte das nichts Gutes bedeuten. Nicht dass es Percy sonderlich interessiert hätte. Er hatte eine volle Tüte Chips, gute Musik und die Stange Zigaretten, die er dem Bierbäuchigen als Wiedergutmachung abgenommen hatte. Für ihn war die Welt im Hier und Jetzt völlig in Ordnung. Und letzte Nacht hatte er mehr Schlaf bekommen als in allen Wochen zuvor. Fünf volle Stunden, zwar nicht allzu gemütlich, aber dafür erholsam. So gut wie jetzt war es ihm schon lange nicht mehr gegangen, und wenn man ihn feuerte, würde er erst mal Urlaub machen.

Die Türen des Aufzugs öffneten sich, und Percy stapfte durch das Meer aus Geräuschen, die für Verwaltung und Polizeiarbeit standen. Schreibmaschinen, die von alten Beamten bearbeitet wurden, die sich einfach nicht mit Bildschirm und Kabel anfreunden konnten, unanständige Witze, die gerissen, und Unterlagen, die von einem zum anderen Tisch getragen wurden. Heute bekam er von dem allen nichts mit, denn alles, was er hörte, war ELOs „Confusion“.

Percy trat die Türe zu seinem Vorgesetzten auf, der gerade telefonierte, und nahm, genüsslich den nächsten Chip verspeisend, auf einem Stuhl Platz.

„Was gibt’s, Chefchen?“, sagte er, streifte seine Kopfhörer ab und erntete einen grimmigen Blick von seinem telefonierenden Captain. Mit angespanntem Mundwinkel schüttelte der den Kopf und seine Geste sagte deutlich: Was hast du dir dabei nur gedacht?

Percy zuckte mit den Schultern und griff in die Tüte mit den Chips.

„Snack?“, fragte er und bot seinem Gegenüber einen Chip an.

Der Chip wurde ihm aus der Pfote gerissen und der angespannte Mundwinkel wurde zu einem flüchtigen Lächeln. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber lange genug, damit Percy erkannte, dass er sich nicht in ernsthaften Schwierigkeiten befand.

Sein Vorgesetzter war ein zierlicher kleiner Mann mit Halbglatze und Hornbrille, der stets im Anzug auftrat und sein Temperament ebenso gut zu kontrollieren wusste wie seine Angestellten. Er war weder streng noch nachgiebig, sondern der Typ, der sich nicht zu schade war, auch mal selbst mit anzupacken. Und das auch, wenn es nur darum ging, Möbel zu verrücken oder die Post zu verteilen. Sein Name war Captain Joe Thursday und er war mächtig in Ordnung.

„Da hast du dir ganz schön was geleistet“, sagte der Captain und klopfte die Chipskrümel von seiner Krawatte. „Wenn dein Ruf nicht so gut wäre, müsste ich dich entlassen und an dir ein Exempel statuieren.“

„Keine Konsequenzen?“, fragte Percy und baumelte mit den Füßen. Er hatte dem Bierbäuchigen zwar den Wagen zerschossen, aber penibel darauf geachtet, dass dem Typ selbst nichts passierte. Anschließend hatte er ihm noch die Leviten gelesen, und zwar gründlich. Die Stange Zigaretten hatte ihm der Bierbäuchige fast hinterhergeworfen.

Der Captain machte eine ablehnende Geste und schüttelte den Kopf. „Ach was, nicht wirklich. Ich sehe doch, was dir fehlt: Urlaub.“

„Perfekt“, sagte Percy und sprang auf. „Dann sehen wir uns in zwei Wochen wieder, und ich fahre nach Hause und schau mal, was meine Familie so treibt.“

Percy lief Richtung Tür, als die Worte seines Captains ihn erstarren ließen.

„Es gibt keinen Urlaub.“

„Wie bitte?“, sagte Percy, ließ die Chipstüte fallen und fuhr herum. „Was soll das heißen, kein Urlaub?“

„Es ist Sommer. Die halbe Abteilung befindet sich bereits im Urlaub. Zwei meiner Detectives sind krankgeschrieben, das Personal, das sie ersetzen soll, ist immer noch nicht eingetroffen, und wir versinken in Arbeit.“

„Was interessiert mich das?“, sagte Percy und hüpfte demonstrativ auf die Chipstüte, die sich über den Boden ergoss. „Ich habe keinen triftigen Grund gehört, warum ich hierbleiben sollte“, sagte er und verschränkte die Arme.

„Percy, ich brauche dich. Ich habe einen neuen Fall für dich. Und noch etwas …“, sagte er mit leiser Stimme.