Minderjährige Marionetten Band 1-3 - Krisztina Kournikova - E-Book

Minderjährige Marionetten Band 1-3 E-Book

Krisztina Kournikova

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Beschreibung

Die Privatermittlerin Pia sucht ein 18-jähriges Model, das im Anschluss an eine Modenschau auf einem Kreuzfahrtschiff nicht mehr nach Hause zurückkehren will. Monique ist in die Fänge von Milliardären geraten, die nicht nur wie Silvio Berlusconi minderjährige Mädchen für Bunga-Bunga Partys rekrutieren oder wie Jeffrey Epstein ihre Opfer auf einer Privatinsel an Geschäftspartner vermitteln, sondern junge Frauen als Köder benutzen. Während der Amerikaner kompromittierende Aufnahmen der Halbwüchsigen und ihrer einflussreichen Partner an Geheimdienste weitergab oder für seine eigenen Zwecke benutzte, soll Monique als Lockvogel für einen arabischen Prinzen abgerichtet werden. Auf ihrer Suche nach dem Model wird Pia nicht nur mit Milliardären konfrontiert, die mittels KO-Tropfen leblose Frauen vergewaltigen, sondern auch mit deren Helfern aus der italienischen Mafia und Neofaschisten Szene. Aber weit mehr als der Missbrauch junger Mädchen erschreckt Pia die perfide Herangehensweise der Täter, die ihre Opfer zu Komplizinnen machen. Das Trainingsprogramm läuft über Modenschauen, Besuche auf Luxusyachten, Partys und die Aufenthalte in den Resorts der Superreichen. Am Ende ist aus einer lebenslustigen jungen Frau eine Leibeigene geworden, die sich selbst kaum noch versteht. Die Serie Minderjährige Marionetten hat drei Bände. Klick auf die LESEPROBE, mehr zu erfahren.

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Minderjährige Marionetten

Band 1-3

Missbrauch und Menschenhandel durch Milliardäre

 

Krisztina Kournikova

 

Herausgegeben von Krisztina Kournikova

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2021 bei Krisztina Kournikova

Published by Krisztina Kournikova

Copyright 2021 Krisztina Kournikova

 

2. Auflage

 

[email protected]

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Zu diesem Buch

Monaco

Italien

Monaco Ville

Lombardei

Arabische Halbinsel

Vereinigte Staaten von Amerika

Saudi-Arabien

Ligurien

King Khalid International Airport

Monte Carlo

Riad

Jardin Exotique de Monaco

Deutschland

Jebel Fihrayn

Kingdom Hospital Riad

Tschechien

Place du Casino

Libyen

Cheb

München

Florida

Abflughalle Airport Riad

München - Monaco

Palm Beach

Monaco - Sardinien

Sardinien

Al Fakhriyyah Distrikt in Riad

Costa Smeralda

Bordighera

Olbia

Rom

Al Olaya Distrikt in Riad

Al Hada Distrikt in Riad

Thumamah National Park

Insel Mühle

Camel Racetrack

Prinzen Palast

Palast des Kronprinzen

New York

Al Faisaliah Hotel

Ad-Dira Distrikt in Riad

Lobby im Hotel Al Faisaliah

VIP Terminal

Notfall Aufnahme

Grand Hotel Bordighera

Flughafen Café

Le Bar Américain

Port Hercule

Villa La Vigie

Epilog

Literatur zum Thema

Bücher von Krisztina Kournikova

Krisztina Kournikova

Mein Geschenk für dich

Wie du mich erreichen kannst

Impressum

 

 

 

Zu diesem Buch

Natürlich handelt es sich bei der Suche Pias nach einer 18-Jährigen um Fiktion. Geschehnisse aus dem realen Leben standen allerdings Pate für einige der im Roman beschriebenen Taten. Wer mehr zu den verschwundenen arabischen Töchtern oder dem Missbrauch minderjähriger Mädchen durch Jeffrey Epstein und seine Gefährtin Ghislaine Maxwell erfahren möchte, findet im Internet zahlreiche Hinweise. Auch über die kriminellen Aktivitäten des früheren italienischen Premiers Silvio Berlusconi und seiner Helfer existieren Bücher und unzählige Zeitungsartikel. Obwohl es wesentlich weniger Informationen zur Zusammenarbeit von Milliardären und deren Menschenhandel gibt, lassen sich auch hierzu Quellen finden.

Ich habe mich bemüht, Motivation und Handlungen der fiktiven Charaktere möglichst wirklichkeitsgetreu zu gestalten. Inwieweit es dabei zu Überschneidungen mit den Überlegungen realer Personen kommt, kann ich nicht beurteilen. Wesentlich wichtiger als Charaktereigenschaften zuzuordnen scheint mir, verbrecherische Machenschaften aufzudecken. Während im wirklichen Leben Reichtum, Macht und Ansehen die dahinter verborgene kriminelle Energie oft verbergen, kann im Roman der Blick statt auf das Geld, auf die Opfer gelenkt werden.

Vielleicht kann dieses Buch helfen, die perfide Herangehensweise einiger milliardenschwerer Verbrecher besser zu verstehen. Damit könnte diese Serie einen Beitrag leisten, Täter als gewöhnliche Kriminelle zu begreifen, ihrer Version der Geschichte nicht blindlings zu vertrauen und hoffentlich nicht auf sie hereinzufallen.

Nicht nur junge Mädchen werden von der Gesellschaft dazu gebracht, sich zu unterwerfen, sondern auch Journalisten, die ehrfürchtig auf das Lebenswerk eines Milliardärs verweisen oder Politiker, die Epstein jahrelang den Rücken freihielten. Es gibt nicht nur eine sexuelle Unterordnung, sondern eine nicht weniger problematische Kapitulation vor den Inszenierungen der Mächtigen und der Beeinflussung durch Superreiche, ohne zu hinterfragen, auf welche Betrügereien sich deren Erfolg gründet.

***

In der Reihe Ein viel zu nacktes Mädchen bekämpft Pia den Missbrauch von Waisenkindern in kirchlichen Institutionen, die Abrichtung von Jugendlichen zu willfährigen Lolitas, die Ausbeutung von Bettelkindern, den Menschenhandel durch ost-europäische Clans und die Zwangsprostitution im Rotlicht Milieu.

Minderjährige Marionetten basiert zwar auf Pias Werdegang, ist aber eine eigenständige Reihe.

 

 

 

 

Monaco

Der Liebling des Milliardärs verlässt mit seinem Kindermädchen das Café in Monte Carlo. Blinzelnd tritt sie hinaus in die grelle Sonne. In der Hand hält sie eine Tüte mit Barbajuans, dem monegassischen Nationalgebäck. Da ihr Vater keine Krümel auf den Ledersitzen des Bentleys duldet, muss sie sich beeilen. Als sie sich gerade die erste der mit Ricotta und kandierten Zitronenstücken gefüllten Teigtaschen in den Mund stopfen will, erblickt sie einen Feuerfalter. Die Augen auf den Schmetterling gerichtet, der vor ihr hin und her flattert, stolpert sie über den Bordstein und das Gebäck fällt auf die Straße. Rasch nimmt sich das Mädchen ein neues Barbajuan aus der Papiertüte. Sofort stürzt eine Möwe von ihrem Beobachtungsposten auf einer Überwachungskamera herab, sich das Gebäckstück zu holen.

Zur selben Zeit versucht ein Motorradfahrer, mit der linken Hand seine schwere Maschine an den Straßenrand zu steuern, während er mit der Rechten eine Beretta aus der Jackentasche zieht. Giovanni ist nervös. Gerade erst hat er sein Opfer, das er nur von Bildern her kennt, aus dem Hotel kommen und auf das Café zusteuern sehen. Der Italiener muss sich beeilen, die junge Frau nicht aus den Augen zu verlieren. Deshalb fährt er zu schnell und schätzt den Abstand zum Bordstein falsch ein. Der Vogel sieht den Mann auf sich zukommen und versucht, mit dem Futter im Schnabel in die Luft zu entkommen. Aber auch die Möwe unterschätzt die Entfernung und knallt dem Schützen direkt ins Visier. Für eine Schrecksekunde wird es dunkel vor Giovannis Augen. Er verreißt den Lenker. Das Motorrad kracht erst auf den Randstein und dann einen der mit Blumen bepflanzten Betonkübel. Beim Aufprall gegen den Helm bricht sich die Möwe den rechten Flügel. Der Fahrer wird in die Luft geschleudert. Geistesgegenwärtig betätigt er schnell noch den Abzug seiner Waffe, bevor er unglücklich mit dem Genick am Bordstein aufschlägt.

Statt mit einer Schusswunde in der Stirn tot auf ihrem Stuhl zusammenzusinken, schrammt Pia sich nur die Knie blutig. Als sie die Pistole in der Hand des Motorradfahrers erkennt, der mit überhöhter Geschwindigkeit auf ihren Tisch zusteuert, wirft sie sich mit einem Hechtsprung zur Seite.

Die beiden Kugeln, die eigentlich ihr gegolten hatten, schlagen hinter ihr in die Schiefertafel mit den Tagesgerichten ein. Von den umherfliegenden Splittern wird eine ältere Dame im Gesicht verletzt. Im Café bricht Panik aus. Gäste, die eben noch mit ihrem Handy beschäftigt waren, rennen plötzlich in alle Richtungen davon. Verzweifelt versuchen die Kellner, vorher schnell abzukassieren. Aber niemand wartet mit der Kreditkarte in der Hand auf die Rechnung. Ein Cappuccino für acht Euro erscheint den meisten Touristen sowieso maßlos überteuert.

Trotz seines Schutzhelms kann Giovanni sich nicht mehr aufrichten. Sein Kopf scheint wie vom Körper gelöst. Er verflucht diesen Scheißvogel, der gegen sein Visier geflogen ist. Als ihm die Möwe die Sicht raubte, hat er offensichtlich die Gewalt über seine Maschine verloren. Die funkelnagelneue Kawasaki, sein ganzer Stolz, liegt jetzt zerschrammt vor dem Blumenkübel. Er erinnert sich noch an das Ziehen der Waffe, das Abgeben der beiden Schüsse und seinen Aufschlag auf dem Pflaster, dann wird ihm plötzlich schwarz vor Augen. Mit den letzten Anstrengungen seines Unterbewusstseins hört er die Sirene eines näherkommenden Polizeiwagens. Er weiß, dass er seinen Auftrag vermasselt hat. Zum Kotzen ist es. Oder wie man auf See sagt: Zum Möwenfüttern!

Das Mädchen hat mittlerweile fast alle Barbajuans verspeist. Es folgt seiner marokkanischen Kinderfrau zu der wartenden Limousine. Der Chauffeur öffnet ihr die Tür. Sie will vorne sitzen und mit der Innenbeleuchtung spielen. Aus dem Café hört man den Lärm umfallender Stühle bis zu ihnen herüber. Dann wird die Tür automatisch zugezogen und es wird still in dem anfahrenden Wagen.

Mit aller Kraft versucht die Möwe immer wieder aufzufliegen, kommt mit dem gebrochenen Flügel aber kaum von der Stelle. Hilflos hüpft sie am Rinnstein entlang. Würde sich ihrer niemand erbarmen, wird sie übermorgen verhungert sein. Pia betrachtet den Vogel, der sie gerettet hatte. Eigentlich müsste sie ihn zum Tierarzt bringen. Doch wie soll sie den Schnabelhieben der um ihr Leben kämpfenden Möwe ausweichen. Bestimmt wird sich das Tier genauso verzweifelt wehren, wie sie sich gerade aus ihrem Sitz katapultiert hatte. Sie blickt ein letztes Mal auf den zum Tode verurteilten Vogel. Dann rennt sie mit den anderen Gästen die Straße hinunter. Bevor der Polizeiwagen um die Ecke biegt, ist sie längst untergetaucht.

Die Schüsse des Motorradfahrers sollten offensichtlich sie treffen. Aber wer hatte von der Verabredung mit Alicia erfahren? Ihre Kontaktperson war eine Freundin von Monique, die seit Wochen nicht nach Hause zurückgekehrt war. Das verschwundene Model hatte zuletzt mehrere Textnachrichten an die Eltern geschickt und beteuert, es ginge ihr gut. Man solle sich keine Sorgen machen, sie bräuchte gerade eine Auszeit. Doch ihre Angehörigen trauen dem Frieden nicht. Mit allen Mitteln versuchen sie, ihre Tochter zurückzuholen.

Ein Privatdetektiv, den sie beauftragt hatten, das Mädchen aufzuspüren, war anscheinend zur Gegenseite übergelaufen. Daraufhin hatte Connie, der Patenonkel Moniques seine Hilfe angeboten. Von seiner Assistentin in der Werbeagentur hatte er gehört, dass Pia mit einigen Freunden eine Selbsthilfeorganisation gegründet hatte, die in Not geratenen Frauen Unterstützung anbot. Der Art-Director wusste von seiner Mitarbeiterin, dass sich die Fluchthilfe, wie der gemeinnützige Verein hieß, dabei recht unkonventioneller Methoden bediente. Eine Jesidin, die von ihrer Familie zwangsverheiratet werden sollte, hatte man vor ihren Angehörigen in Sicherheit gebracht und der traumatisierten Frau eine neue Identität verschafft. Eine Tschechin, die von ihrem Liebhaber in einem Haus gefangengehalten und zur Prostitution gezwungen wurde, war befreit und außer Landes gebracht worden. Die Gruppe kümmerte sich um Opfer, für die selbst ein Frauenhaus keine sichere Zuflucht bot. Oder um Verschwundene, die man von der Außenwelt isoliert hatte, um ihren Willen zu brechen. Der Pate hatte Pia gebeten, nach der verschollenen 18-Jährigen zu suchen, sie aufzuspüren und wenn möglich zur Rückkehr zu veranlassen.

Monique schien sich zwar aus freien Stücken von ihren Eltern losgesagt zu haben, aber Connie hatte das ungute Gefühl, dass mit ihrem Verschwinden etwas nicht stimmte. Warum kündigte ein Privatdetektiv ohne Angabe von stichhaltigen Gründen einen lukrativen Auftrag? Immerhin war der Mann bereit gewesen, seine bisherigen Ermittlungsergebnisse mit der Nachfolgerin zu teilen. Er hatte Pia sogar mit Alicia, einer Freundin Moniques, bekannt gemacht, die sich nach längerem Zögern schließlich bereiterklärt hatte, sie in Monte Carlo zu treffen. Alles schien sehr verworren und man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Connie kannte den Vater seines Patenkindes als herrschsüchtige und wenig kompromissbereite Autoritätsperson. Mittlerweile war die Tochter jedoch volljährig und konnte ihre eigenen Wege gehen. Vielleicht wollte sie tatsächlich nur Distanz zwischen sich und ihr Elternhaus bringen.

Pias Handy klingelt. Alicia will wissen, was da gerade in dem Café los gewesen wäre. Sie hätte sich ein wenig verspätet. Plötzlich seien ihr Touristen voller Panik entgegengestürzt.

„Es gab dort einen Schusswechsel, vermutlich zwischen Drogendealern. Aber niemand ist verletzt worden. Ich stehe vor einem kleinen Bistro gerade um die Ecke, können wir uns hier treffen?“

Sie will ihre Kontaktperson nicht unnötig ängstigen. Aus ihren Telefongesprächen mit dem Model weiß Pia, dass Alicia sich keineswegs wohl in ihrer Haut fühlt. Vermutlich hatte Monique der Freundin von ihrem Vater berichtet, der seine Tochter noch immer wie ein kleines Kind behandelte und ihr nur wenige Freiheiten einräumen wollte.

„Ja sicher. Wie heißt das Lokal?“

Die junge Frau hatte also keinen Verdacht geschöpft. Pia gibt ihr die Adresse und beendet schnell das Gespräch. Säßen sie sich erst einmal gegenüber, wäre es bestimmt leichter, Alicias Bedenken zu zerstreuen, als hier am Telefon.

Als kurz darauf das Mädchen Platz nimmt, atmet Pia erleichtert auf. Bisher war alles gutgegangen. Moniques Freundin macht trotz ihres jugendlichen Alters bereits einen sehr erwachsenen Eindruck. Es ist augenscheinlich, was die Model-Agenturen an ihr schätzen. Ihr schmales Gesicht mit den großen blauen Augen und hohen Wangenknochen vermittelt das Bild eines außergewöhnlich hübschen Kindes. Ihre vollen Lippen und die beachtliche Oberweite lassen sie dagegen älter erscheinen, als sie tatsächlich ist. Rose, ein ehemaliges Waisenkind, fällt ihr ein, das später eine fragwürdige Karriere als frühreife Kindfrau im wahrsten Sinne des Wortes hingelegt hatte. Das Klischee der verführerischen Lolita spukte anscheinend auch in vielen Männerköpfen herum, die Modenschauen ausrichteten. Während sie selbst ein leichtes Sommerkleid anhat, ist das Mannequin eher leger gekleidet. Über Shortcuts, die ihre langen Beine hervorragend zur Geltung bringen, trägt sie ein luftiges Strandtop mit einer Spitzenborte am Halsausschnitt.

Seitdem Pia sich auf die Suche nach dem verschwundenen Patenkind ihres Art-Directors gemacht hat, zieht sie sich wesentlich modebewusster an, als sie dies zuvor für nötig hielt. Da sie jetzt im Umfeld von Milliardären recherchiert, will sie sich zumindest äußerlich ihren Gegnern anpassen. Deshalb fallen ihr auch sofort die teuren Sandaletten Alicias auf. Ein Hauch von Eleganz umgibt die junge Frau. Pia hofft, dass die Ambivalenz, die das Model ausstrahlt, sich nur auf Oberflächlichkeiten, nicht aber ihren Charakter bezieht.

Nachdem sie sich bei der Bedienung Salade Bergère und einen Aperol bestellt haben, rückt Pia ihren Korbstuhl zurecht und schaut Alicia erwartungsvoll an:

„Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mich kurz zu treffen. Ich weiß, du bist ständig auf Achse, von einem Fototermin zum nächsten.

Allerdings machen sich die Eltern von Monique große Sorgen um ihre Tochter. Warum erzählst du mir nicht ein bisschen von euch beiden? Ich habe keine Ahnung, wie es ist, mit Milliardären zu verkehren. Was ist dieser Sohn, mit dem Deine Freundin gerade zusammen ist, denn für ein Typ?“

„Ach, Paolo ist nichts Besonderes. Als wir vor ein paar Wochen auf einem Cruise Ship Mode vorführten, haben wir dort seine Eltern kennengelernt. Eigentlich waren Monique und ich einfach nur froh, der ständigen Anmache durch männliche Gäste zu entkommen. Die betrachteten uns beide als Freiwild. Deshalb trafen wir die älteren Herrschaften öfters zum Essen und gelegentlich auch in der Bar. Im Nachhinein denke ich, Paolos Eltern stellten es recht schlau an, uns immer mehr für sich einzunehmen. Die zwei legten es vermutlich von Anbeginn darauf an, dass wir sie im Anschluss an die Kreuzfahrt zu Hause besuchten. Da sie uns ständig zusammen einluden, schöpfte ich keinen Verdacht.

Wir hatten bereits Bilder von ihrem Anwesen gesehen. Als wir dort eintrafen, war alles jedoch noch eine Nummer größer, als wir erwartet hatten. Wir ahnten zwar, dass die Familie sehr vermögend sein musste, aber als wir deren Fuhrpark sahen, war offensichtlich, dass wir es eher mit Milliardären als Multimillionären zu tun hatten.“

„Wie hast du denn an den Autos erkennen können, wie reich die waren?“

„Die besaßen einen alten Mercedes, in dem angeblich Mussolini seine Paraden abgenommen hatte. Selbstverständlich gehörten ihnen auch moderne Luxusschlitten, aber dort waren bestimmt ein Dutzend Museumsstücke geparkt, von denen jedes ein Vermögen wert sein musste.“

„Protzten die denn mit ihrem Geld?“

„Nicht wirklich, aber sie gaben dir immer wieder versteckte Hinweise, wie einzigartig eine bestimmte Skulptur sei, und dass es sich bei den Gemälden um Originale von Chagall, Gauguin oder Kirchner handelte. Viele der Künstler kannten wir gar nicht und waren eher überrascht, dass auf den Bildern fast immer nackte Frauen zu sehen waren.“

„Was vermutest du, warum die euch eingeladen haben?“

„Monique erzählte mal, dass sie nach der Kreuzfahrt hoffentlich genug Geld verdient hätte, endlich von zu Hause ausziehen zu können. Besonders die alte Dame betonte dann ständig, wen sie alles kenne und wie viele Freunde sie unter den Besitzern berühmter Modehäuser hätte. Meine Freundin und ich stehen ja noch ganz am Anfang unserer Karriere. Wir beide dachten, dass es sicherlich nicht schaden könne, Leute kennenzulernen, die einen weitervermitteln wollen.“

„An Männer?!“

„Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Paolo war anfangs richtig abweisend. Nachdem sich meine Freundin aber ein paarmal mit ihm allein getroffen hat, dachte ich, die beiden verstehen sich wirklich gut. Von Monique wusste ich, dass sie allen Beziehungen aus dem Weg ging. Sie sprach nicht darüber, hatte aber entweder schlechte Erfahrungen hinter sich oder einen Boyfriend, von dem ihre Eltern nichts wissen durften. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass sie keine Liebesaffäre mit dem Sohn suchte, sondern einfach nur gut mit ihm auskam. Wahrscheinlich hoffte sie, er könne sie einflussreichen Bekannten vorstellen.“

„Wann bist du denn misstrauisch geworden, dass die Familie mehr vorhatte, als euch nur ihren Besitz vorzuführen und mit ihrem Sohn bekanntzumachen?“

„Eines Abends war Porco Dio, dieser italienische Politiker zu Gast. Der gab sich zwar sehr charmant, aber es war augenscheinlich, dass er einen Narren an Monique gefressen hatte. Ständig strich er um sie herum, machte ihr Komplimente und wollte ihr unbedingt seine Yacht zeigen.“

„Für dich war offensichtlich, dass er deine Freundin allein zu treffen beabsichtigte? Und du argwöhntest, dass die Eltern die Bekanntschaft mit dem Milliardär ganz bewusst arrangiert hatten?“

„Im Nachhinein betrachtet, halte ich es zumindest für recht wahrscheinlich. Allerdings wurde an dem Abend Porco von einer seiner zahlreichen Freundinnen begleitet. Außerdem lud er auch Paolo und mich ein, sein Boot zu besichtigen.“

„Der Sohn als harmloser Begleiter und die Freundin als Zugabe, damit Monique keinen Verdacht schöpft.“

Pia schaut Alicia gespannt an, bevor sie weiterspricht.

„Ihre Eltern haben mir ein Dossier über Paolo ausgehändigt. Danach verbirgt sich unter dem Schafspelz ein gefräßiger Wolf beziehungsweise ein Playboy mit besonderer Vorliebe für sehr junge Mädchen.“

„Meine Freundin hat mir davon erzählt, dass ihre Eltern über diese Milliardärsfamilie und speziell deren Sohn im Internet und sozialen Netzwerken recherchieren ließen. Dabei waren sie auf zahlreiche Affären Paolos mit Minderjährigen gestoßen.

Allerdings ärgerte sie sich maßlos darüber, dass ihr Vater anscheinend davon ausging, sie wolle mit dem Milliardärssöhnchen anbandeln. Der Kerl sieht weder besonders attraktiv aus, noch scheint er an meiner Freundin sonderlich interessiert zu sein.“

„Das könnte aber Show sein, damit ihr nicht misstrauisch werdet.“

„Weißt du, inzwischen denke ich auch, die Eltern haben das alles von langer Hand eingefädelt und wollten uns glauben machen, dass sie uns einfach nur sympathisch finden und uns gerne helfen würden.“

„Was meinst du, planten die mit euch?“

„Ich denke, das war von Anfang an ein abgekartetes Spiel, erst unser Vertrauen zu gewinnen, um uns dann kompromittieren zu können.“

„Wieso denn kompromittieren?“

„In unserer Modelagentur werden wir ständig davor gewarnt, sich für berühmte Fotografen auszuziehen oder Nacktaufnahmen an Magazine zu verkaufen. Selbst angesehene Modefritzen versuchen, sich Mannequins mit Drogen gefügig zu machen. Dann erpressen sie die Leichtgläubigen mit Fotos, ihnen weiterhin zur Verfügung zu stehen. Wenn Nacktbilder von dir im Umlauf sind, wollen viele Firmen nicht mehr mit dir zusammenarbeiten. Du bist gewissermaßen verbrannt und wirst an immer zwielichtigere Agenturen weitergereicht.“

„Du glaubst, das haben Moniques neue Freunde mit ihr vor?“

„Falls sie Glück hat, wovon ich aber nicht ausgehe. Die wollen sie nicht erpressen, sondern auf ihre Seite ziehen. Ich habe gehört, Milliardäre suchen Mädchen für ihre Partys, die dann von einem zum anderen durchgereicht werden. Sie zahlen dir Geld für dein Aussehen, aber in Wirklichkeit kaufen sie dein Selbstwertgefühl. Sobald du merkst, auf welch abschüssiger Bahn du dich befindest, bieten sie dir Drogen an, dich wieder glücklich zu stimmen und an sich zu binden.“

„Denkst du Monique, sieht das anders?“

„Inzwischen bin ich mir da nicht mehr sicher. Einerseits wollte sie unter allen Umständen von zu Hause weg, da der Vater ihr ständig vorschrieb, wie sie sich verhalten solle. Du hast sie doch kennengelernt. Sie sieht wie ein lebendig gewordenes Barbiepüppchen aus, eigentlich sogar noch besser. Einige Männer betrachten sie deshalb als ihre Traumfrau. Das schmeichelt ihr natürlich. Außerdem will sie schnell viel Geld verdienen, um sich ein eigenes Apartment leisten zu können. Ich glaube, sie befindet sich in einer Zwickmühle.

Einerseits verstehe ich sie, denke aber, sie ist zu blauäugig, was ihre neuen Freunde angeht. Ich gönne ihr wirklich, von zuhause ausziehen zu können, befürchte jedoch, sie geht dafür ein zu großes Risiko ein.“

Auch Pia war eine gewisse Ähnlichkeit Moniques mit diesen amerikanischen Plastikpuppen aufgefallen, aber sie hatte diesen Gedanken wieder verdrängt. Zu schrecklich stand ihr das Schicksal von Jasmin vor Augen, die damals im Waisenhaus ebenfalls als Barbiemaus gehandelt wurde, mit der man alles anstellen konnte. Schnell schiebt sie die Erinnerung an ihre alte Gefährtin zur Seite und fragt stattdessen:

„Hast du denn eine Ahnung, wo Monique sich gegenwärtig aufhält?“

„Ich vermute, sie ist mit der Entourage von diesem Porco zusammen. Jedenfalls hat sie versucht, mich davon zu überreden, an einer Fahrt auf dessen Yacht teilzunehmen.“

„Könntest du nicht so tun, als hättest du es dir inzwischen anders überlegt? Vielleicht gelingt dir, zumindest herauszufinden, wann und wo die ablegen. Du behauptest einfach, eine Kollegin von dir würde auch gerne mitkommen. Mach ein paar Fotos von mir, die du ihnen schicken kannst. Im letzten Moment springst du dann ab und ich schaue mich mal auf dem Boot um.“

„Du weißt aber schon, worauf du dich da einlässt?“

„Mehr als du dir träumen lässt. Ich bin in einem kirchlichen Waisenhaus großgeworden. Dort wurdest du darauf abgerichtet, Männern hörig zu sein.“

„Aber das ist doch schrecklich!“

„Ja, du lernst, sehr vorsichtig zu werden, wem du vertrauen kannst. Sag mal, wer wusste denn noch davon, dass wir uns hier treffen? Außer den Eltern von Monique?“

„Eigentlich niemand, wieso fragst du? Eine Bekannte hat mir allerdings die gleiche Frage gestellt.“

Jetzt ist Pia alarmiert. Mit einer Suggestivfrage hatte man anscheinend von ihrem Treffpunkt erfahren. Sie hakt nach:

„Diese Bekannte behauptete, gehört zu haben, du wärst mit jemanden aus dem Bekanntenkreis deiner Freundin in Monaco verabredet? Dann wunderte sie sich, wer alles davon wusste.“

„Ja, ich fragte mich ebenfalls, woher Destiny von unserem Treffen erfahren hatte. Ich habe ihr jedoch nur erzählt, dass mich heute Morgen eine Bekannte Moniques im Café du Paris sprechen will.“

Pia fragt sich, ob diese Destiny etwa dafür verantwortlich war, dass man ihr den Motorradfahrer auf den Hals gehetzt, oder wer noch von ihrer Verabredung gehört hatte. Sie glaubte, nur Alicia und sie wüssten davon, aber offensichtlich gab es weitere Mitwisser. Der Detektiv hatte ihr zwar vorgeschlagen, Alicia zu kontaktieren, jedoch keine Ahnung, wann das Treffen stattfinden sollte. Selbst Moniques Eltern hatte sie nur informiert, dass sie nach Monaco fahren würde, um mit der Freundin ihrer Tochter zu reden, aber keinerlei zusätzliche Angaben gemacht.

Also musste es noch jemanden geben, der unter allen Umständen verhindern wollte, dass sie sich auf die Suche nach Monique machte. Oder ging es bei dem Mordanschlag vielleicht um etwas ganz anderes? Sie würde einmal die Eltern fragen, mit wem die darüber gesprochen hatten, dass sie sich in Monte Carlo mit Alicia treffen würde. Hoffentlich hatte der oder die große Unbekannte nicht eine Motorradstaffel mit Pistolenhelden abrufbereit.

Sie muss unbedingt noch einmal mit Alicia reden. Das Model hatte ihr allerdings zu verstehen gegeben, wegen der Fototermine nur ganz wenig Zeit zu haben, sich mit ihr zu treffen. Sie täte lediglich den Eltern Moniques einen Gefallen. Nur sehr widerwillig hatte sie sich überhaupt bereiterklärt, sich mit ihr zu verabreden. Vermutlich war Alicia hin und her gerissen zwischen ihren Befürchtungen und der Loyalität gegenüber ihrer Freundin. Inzwischen schaute die junge Frau bereits ständig auf ihre Armbanduhr, wohl um zu signalisieren, dass sie wieder aufbrechen müsse.

„Hättest du Zeit, mich erneut kurz zu treffen? Ich weiß, du fliegst morgen Abend nach London, doch ich würde dir vorher gerne noch ein paar Fragen zu Paolo stellen“, und zu Destiny. Das behielt Pia jedoch lieber für sich.

„Höchstens zum Frühstück. Bis zu meinem Abflug habe ich ständig Fototermine und wirklich keine einzige freie Minute. Aber wir können ja telefonieren.“

„Gut, ich komme zu dir ins Hotel, doch bitte erzähle niemandem, dass wir uns treffen oder bereits miteinander gesprochen haben. Wenn Moniques neue Freunde erfahren, dass wir die junge Frau vor ihnen in Sicherheit bringen wollen, ändern die bestimmt ihre Pläne und verstecken deine Freundin vor uns.“

„Ja, ich weiß.

Also dann bis morgen früh gegen acht? Ich muss jetzt leider weg. Meine Agentur hat einen zusätzlichen Termin für mich ausgemacht. Aber wir sehen uns ja bald wieder.“

„Wie lange ist diese Destiny eigentlich noch in Monaco?“

„Destiny? Überhaupt nicht. Die lebt in Amerika und hat mich wegen einer Modenschau in Florida angerufen. Ob ich nicht Lust hätte, rüberzukommen. Nebenbei hat sie sich dann auch nach Monique erkundigt, weil die beiden ebenfalls befreundet sind.

Warum fragst du nach ihr?“

„Vielleicht hat sie eine Ahnung, wo deine verlorengegangene Freundin sich aufhält.“

„Das ist eher unwahrscheinlich. Die hat es geschafft und macht jetzt in Amerika Karriere.“

„OK, bis morgen dann. Ich bleibe hier und trinke noch einen Cappuccino.“

Nachdem sie sich von Alicia verabschiedet hat, bestellt Pia sich doch lieber einen Prosecco. Schließlich muss sie darauf anstoßen, dass ihr Mörder sie verfehlte und sie weiterhin am Leben ist. Ihre Gegner waren schneller aus den Löchern gekommen, als sie erwartet hatte. Das bedeutete allerdings auch, dass sich Monique tatsächlich in Gefahr befand.

Pia hat das ungute Gefühl, dass deren Freundin weit mehr wusste, als sie ihr mitteilen wollte. Ganz bewusst hatte sie nicht nachgefragt, weshalb Alicia sich so sicher war, dass diese Milliardärsfamilie alles von langer Hand plante. Entweder hatte die junge Frau bereits schlechte Erfahrungen hinter sich oder wusste mehr, als sie zugab. Pia überlegt, ob sie das Model morgen direkt danach fragen soll, was sie ihr verschweigt. Offensichtlich fühlt Alicia sich nicht wohl in ihrer Haut. Sollten diese Superreichen wirklich über so gute Beziehungen verfügen, will das frischgebackene Mannequin vermutlich ihre Karriere nicht wegen einer Kollegin gefährden, die anscheinend nichts dabei findet, sich mit zwielichtigen Gestalten zu umgeben.

Sollte der italienische Politiker tatsächlich seine Finger mit im Spiel haben, kann sie sich auf Neofaschisten, die Mafia und unzählige Helfer dieses Porco Dio gefasst machen, die Richter bestachen und Rufmordkampagnen inszenierten. Pia hat das ungute Gefühl, in ein Wespennest gestoßen zu sein. Vielleicht war Moniques Verschwinden Teil eines größeren Plans. So wie ihre im Waisenhaus vor Jahren ermordete Freundin Silke eine Lawine ins Rollen gebracht hatte, die schließlich auch die Täter unter sich begrub. Die Zwanzigjährige ist gespannt, was die Nachrichten über den Mordanschlag in dem Café berichten werden. Sie beschließt, sich in dem Bistro noch ein wenig ihres Lebens zu erfreuen, bevor sie auf ihr Zimmer zurückkehrt, um sich wieder an die Arbeit zu machen.

 

 

 

Italien

Sicherlich waren auch seine Eltern daran schuld, dass Porco sich von klein auf für den Größten hielt. Besonders die Mutter pries ihren Sohn bei jeder Gelegenheit als das großartigste und wunderbarste Kind der Welt. Was immer der Kleine anstellte, galt als außergewöhnlich. Kein Wunder, dass der Sprössling vor Selbstbewusstsein nur so strotzte und einen gigantischen Machthunger entwickelte. Die mütterliche Liebe beflügelte sein Geltungsbedürfnis und aus der eher kleinwüchsigen Rotznase wurde mit der Zeit ein Egomane. Seine krankhafte Selbstbezogenheit äußerte sich in dem Bedürfnis, ständig im Mittelpunkt stehen und Kontrolle über seine Mitmenschen ausüben zu müssen.

Den Mangel an Körpergröße kompensierte Porco durch Charme und die Fähigkeit, in den unterschiedlichsten Rollen zu brillieren. Aus dem mit einem Orden geadelten Comandante wurde der vor Manneskraft strotzendeToro. Selbst ihm gegenüber kritisch eingestellte Biographen erkannten hinter der Fassade des Selfmademans oft lediglich den italienischen Jedermann. Dabei war er weit mehr als nur der begnadete Vorturner aller Latin Lover. Als Staubsaugervertreter hatte der lebenslange Casanova sein Handwerk von der Pike auf gelernt: 'Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann.'

Was Porco tatsächlich einzigartig machte, erfuhren seine Kommentatoren am eigenen Leib. Er war ein Meister der Manipulation. Um Wählerinnen, Mitarbeiter, aber auch unzählige Freundinnen bei der Stange zu halten, gebärdete er sich wie ein Gott, der seinen Anhängern ein Himmelreich versprach, solange sie nur an ihn glaubten und ihn nie zur Rechenschaft zogen.

Sein Vater arbeitete in einer Bank, der enge Geschäftsbeziehungen zur Mafia nachgesagt wurden. Der Alte nahm den Sohn unter seine Fittiche und lehrte ihn, dass es viel leichter war, Investoren zu finden, wenn man keine Fragen stellte. Reichtum zu hinterfragen, gehörte sich genauso wenig, wie Religion anzuzweifeln.

Die Allmachtsfantasien des kleinen Gernegroß basierten auf einer Geldquelle, die umso ergiebiger sprudelte, je weniger Skrupel man besaß. Staatsanwälte und Journalisten warfen dem Jungunternehmer vor, eine Kette von Waschsalons eröffnet zu haben, um seine Firmengründungen und gigantischen Projekte finanzieren zu können. In diesen Waschanlagen würde aus der Kollekte, die Schutzgelderpresser der Cosa Nostra zusammenrafften, auf wunderbare Weise das Risikokapital eines Angel Investors. Über den Umweg Schweizer Bankkonten verwandelte sich nach nur einem Waschgang schmutziges Geld in von der Steuer befreite Transferzahlungen ausländischer Geldgeber.

Pro Quartal bezahlen kleine Ladenbesitzer 1,000 Euro, während größere Geschäfte 5,000 Euro oder mehr an die Ehrenwerte Gesellschaft abführen müssen. Die Summe, die 160,000 italienische Unternehmen pro Jahr an Schutzgeldern zahlen, beläuft sich auf etwa 14 Milliarden Euro. Hinzu kommen Einnahmen aus dem Drogenhandel, der Prostitution und anderen gewinnträchtigen Nebenerwerben: insgesamt über 100 Milliarden Euro. Eine Menge Geld, insbesondere dann, wenn man dessen Herkunft nur unzureichend belegen kann.

Schmutziges Geld, das sich dank unbefleckter Empfängnis als legales Einkommen deklarieren lässt, erlaubt dem Investor, es leichten Herzens anzulegen. Wie Falschgeld durch einfachen Umtausch legalisiert wird, so muss Drogengeld nur in gemeinnützige Unternehmen fließen, um seine Herkunft zu verschleiern. Da der Wertschöpfungsprozess bereits stattgefunden hat, ist der Geldgeber bereit, auch in Projekte zu investieren, die zunächst kaum Gewinn abwerfen oder als hochriskant gelten. So wie Porcos Immobiliengeschäfte.

Man warf dem Baumeister vor, mit den Finanzspritzen der Mafia eine Vorstadt am Rande Mailands errichtet zu haben. Mit dem Slogan 'Für eine saubere Umwelt abseits von Verkehrslärm und dem Smog der Innenstadt' seien nicht nur blitzsaubere Wohnungen gebaut, sondern auch Unmengen Kohle gesäubert worden.

Vielleicht lernte Porco neben der Geldwäsche aber noch weit mehr von der Ehrenwerten Gesellschaft. Über die Jahre hatten sich sizilianische Mafia Clans aus Banden kleiner Fische in einen Kraken verwandelt, der eine komplexe und außerordentlich anpassungsfähige Form von krimineller Durchdringung der Gesellschaft verkörperte. Aus gewalttätigen Ganoven waren gewaltige Finanziers der Regierungspartei Democracia Cristiana geworden.

Porco folgte seinen süditalienischen Geschäftsfreunden auf deren Leiter zu politischem und damit finanziellem Einfluss. Der Stadtentwickler erfand sich neu als Mediatycoon. Allerdings sicherte sich der Herrscher über unzählige TV-Kanäle nicht wie die Democracia Christiana mit gekauften Stimmzetteln und der Mithilfe der Mafia Mehrheitsverhältnisse. Vielmehr eroberte der ehemalige Baulöwe mit glamourösen Fernsehshows die Wohnstuben italienischer Haushalte. Statt biederer Hausmannskost wie Don Camillo und Peppone verwöhnte er ein Millionenpublikum mit amerikanischen Stereotypen wie Dallas und Baywatch. Von jetzt an konnten die Zuschauer hautnah die Seitensprünge auf vollbusige Frauen miterleben. Offenherzige Damen in knappen Bikinis verwandelten die Wettervorhersage in einen Augenschmaus unbeschadet der trüben Aussichten. Spärlich bekleidete Starlets befeuerten als Eye Candy die Einschaltquoten zahlloser Shows, die jetzt allabendlich über die Glotze flimmerten. Während die Mafia eher unter der Hand versuchte, ihren Einfluss zu vergrößern, bediente sich Porco ganz legal seiner Fernsehkanäle. Statt Schutzgelder zu erpressen, kassierte er ein Vielfaches davon an Fernsehgebühren und insbesondere Werbeeinnahmen.

Wurden seine zunehmend skrupelloseren Geschäftspraktiken vor Gericht gebracht oder benötigten seine Firmen schwierig zu beschaffende Genehmigungen, ließ er von Mittelsmännern Richter und Behörden bestechen. Augenscheinlich kopierte er weiterhin das Geschäftsmodell seiner mutmaßlichen Geldgeber: Alles ist käuflich und lediglich eine Frage des Durchsetzungsvermögens. Und davon hatte Porco im Überfluss. Er wurde immer mächtiger und stellte als einer der reichsten Männer Italiens bald sogar seine Paten in den Schatten.

Gelang es, mit Geld und Schamlosigkeit fast alle Hindernisse im Geschäftsleben zu umschiffen, sich das Gesetz untertan und Behörden für eigene Interessen dienstbar zu machen, bedurfte es keiner allzu großen Gehirnakrobatik, diese Methode auch auf Menschen anzuwenden. Viel befriedigender als einen verknöcherten Amtsdiener für seine Unterschrift zu bezahlen, war es allemal, halbwüchsige Liebesdienerinnen für deren Gefälligkeiten zu entlohnen. Eine Siebzehnjährige war nicht nur appetitlicher anzusehen als ein in Ehren ergrauter Stadtverordneter, sondern auch mit Leib und Seele bei der Sache, während die alten Männer sich so schwerfällig gebärdeten wie ihre Prostata.

Über die Jahre erfindet sich Porco immer wieder neu: Vom Baumeister zum Stadtplaner, vom Mediatycoon zum Parteigründer, vom Politiker zum Minister. Allerdings wird sein Aufstieg von unzähligen Skandalen, Vorladungen und der Vetternwirtschaft seiner Partei begleitet. Zudem ist er trotz seiner ausgeprägten Großmannssucht weder ein unternehmerisches Genie noch ein begnadeter Finanzminister. Eher ein Rattenfänger. Über ein Heer von Stroh-, Hinter- und Mittelsmännern versucht er sich genauso erfolglos an die Macht zu klammern wie seine mafiösen Ziehväter. Mehrmals bedarf es des beherzten Eingreifens alter Seilschaften von P2, einer in Finanzkreisen gut vernetzten Freimaurerloge,oderdes nicht weniger finanzstarken kirchlichen Ordens Opus Dei, seinem in finanzielle Schieflage geratenem Imperium wieder auf die Beine zu helfen. So wundert es nicht, dass im Laufe der Zeit seine Anhängerschaft genauso schrumpft wie der Einfluss auf das öffentliche Leben Italiens. Zudem ist Porco, mittlerweile nicht mehr der Jüngste. Aber noch immer lodert in ihm die Flamme, es den italienischen Mitbürgern, vor allem jedoch seinen Mitbürgerinnen ein weiteres Mal zu beweisen.

Während Biographen voller Anerkennung auf sein Lebenswerk verweisen, eifert Toro, der Stier, wie er sich von seinen immer jünger werdenden Gespielinnen gerne nennen lässt, illustren Freunden nach, die ihren Lebensabend ebenfalls lieber als Nachtleben verbringen. Statt von der Parkbank aus Tauben zu füttern, unterhält er seinen eigenen Hühnerhof, wie er mit stolzgeschwellter Brust verkündet. In Zeiten unermüdlicher Schwellkörper, die dank chemischer Befeuerung und der Hilfe mechanischer Implantate nie erschlaffen, immer ihren Mann stehen, hat sich Porco zum Ziel gesetzt, ein letztes Mal ganz groß herauszukommen. Wie seine Ahnherren, die römischen Imperatoren, will er seine Gefolgschaft mit Pizza und Spielen erneut für sich begeistern. Woran jedoch sogar große Männer kläglich scheiterten, sich kurz vor ihrem Tod noch schnell ein Denkmal zu setzen, missglückte auch dem Gernegroß. Als Lustmolch machte er sich eher zum Gespött der Leute, als in Würde abzutreten. Doch Würde und Anstand kannte Porco sowieso nur vom Hörensagen.

Von Talent Scouts lässt er lokale Schönheitswettbewerbe nach willfährigen Halbwüchsigen durchkämmen, denen er das Blaue vom Himmel versprechen kann. Schon als kleinem Jungen hatte es ihm höchste Befriedigung verschafft, erst die Eltern und dann seine Umwelt für sich einzunehmen. Zeit seines Lebens hatte er Menschen manipuliert, bestochen und sich über Gesetze hinweggesetzt. Bereits zu Beginn seiner Laufbahn hatte ihn immer wieder fasziniert, wie seine Gesinnungsgenossen von der Ehrenwerten Gesellschaft es schafften, stolze Bauern und fromme Kirchgängerinnen für ihre Ziele einzuspannen und ihnen Omertà, das Schweigegelübde, abzunehmen.

Natürlich könnte er sich mit seinem Vermögen unzählige Frauen für seine Bed & Breakfast Partys leisten. Aber einfach nur Sex zu haben, reicht ihm schon lange nicht mehr. Erwachsene Liebesdienerinnen ließen sich häufig nur gegen üppige Bezahlung dazu verführen, sämtliche Hemmungen abzulegen. Das erscheint Porco als zu gewöhnlich, da allzu vorhersehbar. Wenn Mafiosi ihre Anhänger dazu brachten, sich den kleinen Finger zu amputieren, sollte es doch mit dem Teufel zugehen, würde er es ihm nicht gelingen, dass Teenager ihr Jungfernhäutchen opferten. Halbwüchsige ließen sich so leicht beeinflussen. Darüber hinaus verschafften sie nicht nur seinem Ego Auftrieb. Bei seinen amerikanischen, afrikanischen und arabischen Bekannten hatte er im wahrsten Sinne des Wortes Blut geleckt. Minderjährige Mädchen waren oft noch so unerfahren, nicht nur was den Sex anbelangte, sondern generell das Leben. Sie ließen sich an der Nase herumführen, wie Tanzbären Kunststückchen vorzuführen, die Ältere empört ablehnen würden oder dafür zumindest die Hand aufhielten. Für Porco, der bisher so viele Menschen beeinflusst und für seine Ziele eingespannt hatte, gerät es zur Krönung all seiner Überredungskünste, ja seines Lebenswerkes, noch als siebzigjähriger Greis ein halbwüchsiges Mädchen im Bett zu beglücken. Obwohl die Leidtragende dabei vermutlich eher beim Gedanken an das Geld auf dem Nachtisch als dem Anblick des alten Sacks neben ihr zum Höhepunkt kommt.

Porcos afrikanischer Freund hatte immer behauptet, Sex mit Jugendlichen verschaffe ihm geheimnisvolle Kräfte. Aber diesen Mummenschanz des Wüstensohnes betrachtete der Italiener mit unverhohlener Skepsis. Als ehemaliger Messdiener wohnte er Ritualen schwarzer Magie eher ungläubig bei. Allerdings faszinierte ihn, wie es der König der Könige Afrikas immer wieder schaffte, sich unbescholtene Schulmädchen gefügig zu machen. Jedes Mal, wenn er sich einen Staatsbesuch bei seinem Blutsbruder gönnte, durfte er sich aus dessen Fundus willenloser Sklavinnen bedienen.

Selbstverständlich gefällt sich Porco in der Rolle des Menschenfängers. Allerdings genügt ihm nicht, sich junge Frauen lediglich zu unterwerfen. Die Mädchen müssen sich ihm mit Haut und Haaren ausliefern und seinen Fantasien unterordnen. Hatten sie erst einmal Anstand und Schamgefühl ablegt, alle Hemmungen über Bord geworfen, verlangt er von ihnen, sich auch untereinander völlig schamlos zu gebärden.

Natürlich spielte Geld bei den Orgien eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch ohne seine Überredungskünste wäre es bestimmt wesentlich kostspieliger. Das hatte er bereits bei der letzten Gattin schmerzhaft erfahren. Als sie seinem Charme nicht mehr verfiel, ihm stattdessen seine Liebschaften mit Schulmädchen vorwarf, verklagte sie ihn auf ein monatliches Schutzgeld von über 1 Million Euro. Das entsprach den Einnahmen seiner sizilianischen Freunde für ganze Landstriche. Eine überaus teure Angelegenheit.

Zumindest hatte er seine berühmte Villa vor derartigem Raubrittertum in Sicherheit bringen können. Für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes hatten seine Anwälte das Anwesen vor Jahren einer jungen Erbin abgeschwatzt. Die leichtgläubige Frau würde bestimmt Augen machen, könnte sie die Umbauten sehen, die er mittlerweile vorgenommen hatte. Chromglänzende Stangen waren im Gesellschaftsraum installiert worden, damit sich Mädchen daran um die eigene Achse drehen konnten. Eine Diskothek mit Diskjockey hatte er eingerichtet, wo Tänzerinnen sich gegenseitig die Röcke lüfteten, und ein Jacuzzi, wo es dann zur Sache ging.

Es wurde Zeit, dass er seine Verehrerinnen wieder einmal zu einer seiner berühmten B&B Partys einlud. Hätte er bereits damals geahnt, wozu ihm die Apartmentbauten, die er in großem Stil errichten ließ, später dienen würden, würde er sich bestimmt noch mehr ins Zeug gelegt haben. Gleich morgen soll sein Sekretär alle Mädchen, denen er dort kostenlos Unterkunft gewährt, zu einem eleganten Dinner in seine Villa einladen. Voller Vorfreude reibt Porco Dio sich die Hände.

Schade, dass er nicht dieses niedliche Barbiepüppchen wird bewirten können, das Paolos Eltern ihm vorgestellt hatten. Sein arabischer Freund, der Saudi Prinz, hatte anscheinend Großes mit der jungen Dame vor. Er würde sich noch etwas gedulden müssen, aber in ein paar Tagen sollte das Model auf sein Anwesen nach Sardinien kommen. Da würde sie bestimmt Augen machen. Angel, sein amerikanischer Freund hatte ebenfalls zugesagt und ihm eine Überraschung versprochen.

Der alte Mann reckt sich in seinem Lehnstuhl, mit sich und dem Leben wirklich zufrieden. Er liebte unschuldige Mädchen und Überraschungen.

 

 

 

Monaco Ville

Sobald Pia ihren Prosecco ausgetrunken hat, bricht sie auf. Der heiße Ziegenkäse auf einem Toastbrot garniert mit Pinienkernen, Ei und Schinken war in der Tat köstlich. In Monaco ließ es sich leben. Auch wenn man ihr hier gerade nach dem Leben getrachtet hatte!

Am Eingang des Bistros wächst umrahmt von Blumen ein knorriger Baum in den Himmel. Gegen die Sonne hat man beigefarbene Markisen gespannt, im gleichen Farbton wie die Kirche, die sich nur von einem Zaun aus Metallspießen abgegrenzt an das Restaurant anschließt. Man begegnete sich hier auf engstem Raum und jeder Winkel scheint ausgenutzt.

Aus ihrem Reiseführer hatte sie erfahren, dass der nach dem Vatikan zweitkleinste Staat der Erde die größte Bevölkerungsdichte aller Länder aufweist. Etwa 39.000 Monegassen bewohnen einen Landstrich, der mit etwas mehr als zwei Quadratkilometern nur halb so groß ist wie Münchens Englischer Garten. Ein Drittel der Bevölkerung sind Millionäre und Milliardäre. Vielleicht deswegen hat das Land die weltweit höchste Polizeipräsenz. Statistisch gesehen kommt ein Polizist auf nur 75 Bürger, 200 weniger als in Deutschland. Mit dem Vatikan streitet Monaco um den prestigeträchtigen Titel, das sicherste Staatsgebilde überhaupt zu sein.

Pia ist neugierig, was man in den Nachrichten über die Schießerei vor dem Café berichten wird. Hoffentlich ahnte niemand, dass der Anschlag ihr gegolten hatte. War der Angreifer schlau, hielt er ebenfalls den Mund. Alles war so schnell gegangen, als sie plötzlich die Pistole auf sich gerichtet sah. Anscheinend hatte der Motorradfahrer die Gewalt über seine Maschine verloren und war auf die Straße gestürzt. Seinem Unfall verdankte sie vermutlich ihr Leben. Ob auch die Möwe inzwischen gerettet war?

Das Gespräch mit Alicia bestätigte im Wesentlichen, was Connie, ihr Auftraggeber, vermutet hatte. Die widerspenstige Tochter hatte erst einmal genug von der Bevormundung durch ihre Alten. Lieber vergnügte sie sich mit den neuen Freunden, als sich sofort nach der Schiffsreise wieder in die Obhut ihres diktatorischen Vaters zu begeben. Pia hatte die Eltern getroffen und in keiner allzu guten Erinnerung. Hätte sie nicht Mitleid mit der jungen Frau gehabt, die sie einmal kurz in ihrer Werbeagentur kennengelernt hatte, würde sie den Auftrag mit Sicherheit abgelehnt haben. Nur mit Schaudern erinnert sie sich an das selbstherrliche Auftreten des Vaters. Weder hatte er sich in seine Tochter hineinversetzen noch sich vorstellen können, selbst der Auslöser für ihr Verschwinden zu sein. Zaghaft hatte sie angedeutet, dass er mit seinen strengen Erziehungsmethoden das Mädchen vermutlich erst aus dem Haus vertrieben habe. Der Mann hatte sie daraufhin angefahren, sie solle sich lieber um ihren Auftrag kümmern, statt ihn zu schulmeistern. Der geborene Familientyrann! Die Mutter war zwar recht umgänglich, hatte sich aber kaum getraut, den Mund aufzumachen. Die drei erschienen ihr wie das Abbild der schrecklichen Familie. Eher rannte das Kind von zuhause fort und kam bei Freunden unter, statt sich weiterhin ersticken zu lassen. Hätte Pia ihrem Chef nicht versprochen, nach seinem Patenkind zu suchen, wäre sie bestimmt weniger zurückhaltend gewesen und hätte dem Vater die Meinung gesagt. Stattdessen biss sie sich auf die Zunge und schaute nur traurig seine Ehefrau an. Immerhin hatte die Mutter die Model-Karriere ihrer Tochter ermöglicht, während der alte Griesgram ständig darüber räsonierte, dass man jetzt sehen könne, wohin es führe, mit seinem Körper Geld verdienen zu wollen.

Pia lässt sich die Rechnung geben und ist froh, nicht selbst die 80 Euro für zwei Snacks und drei Getränke bezahlen zu müssen. Der Patenonkel kam großzügigerweise für alle Unkosten auf. Als Belohnung dafür, dass sie entgegen anfänglicher Bedenken den Auftrag schließlich doch angenommen hatte, war sie von Connie für zwei Nächte im Hôtel de Paris eingecheckt worden. Gegen Zimmerpreise von bald tausend Euro kam ihr die Rechnung des Bistros wie ein besseres Trinkgeld vor. Wollte man in den Kreisen der Superreichen recherchieren, durfte man eben nicht kleinlich sein. Bis auf diesen Mordanschlag im Café genoss sie ihren Aufenthalt. Was für ein Unterschied war Monaco doch zu ihren letzten Besuchen im Ausland. Erst hatte sie in einer heruntergekommenen tschechischen Grenzstadt die Rabenmutter eines ermordeten Mädchens ausfindig gemacht, dann eine Bekannte der Tochter aus ihrem Verlies befreit. Während sie durch die engen Gassen der Altstadt schlendert, vorbei an den exklusiven Boutiquen und luxuriösen Restaurants, kommt es ihr vor, als sei sie auf einem weit entfernten Prunk-Planeten unterwegs.

Monaco bot sich in der Tat als teures Pflaster dar. Nicht nur war der fürstliche Staat der zweitreichste hinter Katar, sondern wohl auch deswegen der mit der höchsten Lebenserwartung. Das konnte sie nach dem missglückten Anschlag nur bestätigen. Wenn alle Verbrecher hier so erfolglos agierten wie ihr Pistolenschütze, wunderte es nicht, dass der Stadtstaat die weltweit niedrigste Kriminalitätsrate zu verzeichnen hatte. Vermutlich handelte es sich dabei sowieso eher um Taschendiebstähle und Verkehrsdelikte, denn um Geldwäsche oder die kriminellen Transaktionen der unzähligen hier ansässigen Kreditinstitute. Monaco war eben ein Land der Superlative. Zu Beginn jeden Jahres verlieh ein Vertreter des Fürstenhauses den Goldenen Clown, die Trophäe des weltweit größten Zirkusfestivals. Auf den Straßen der Stadt wurde einer der prestigeträchtigsten Grand Prix der Formel One ausgetragen und mit dem AS Monaco beherbergte das winzige Fürstentum den erfolgreichsten Fußballverein der französischen Liga. So wie der italienische Gernegroß übertrumpfte der Zwergstaat viele seiner Konkurrenten.

Auf dem Rückweg zum Hotel besorgt Pia sich Postkarten und Kühlschrankmagnete, die sie den in der Heimat wartenden Freunden mitbringen will. Für sich selbst ersteht sie ein T-Shirt mit dem Garibaldi Wappen und dem Aufdruck My story begins in MONACO. Wenn das nicht Hoffnung auf eine vielversprechende Zukunft machte, was dann sonst? Eine der Ansichtskarten, die sie erstanden hatte, zeigt einen Spieler, der sich an einer Palme vor dem Casino erhängt hatte. Der Schriftzug Souvenir de Monte-Carlo und ein Roulettekessel waren makabre Hinweise darauf, dass viele Glücksspieler mit großen Erwartungen hier eintrafen, alles aufs Spiel setzten und sogar ihr Leben verloren.

Wenn sie schon in Monte Carlo war, sollte sie sich die Spielbank wenigstens einmal von innen anschauen. In ihrem Reiseführer hieß es, Abbilder berühmter Kurtisanen schmückten die Wände. Die hübschen Damen wurden dafür bezahlt, schmuckbehangen durch die Säle zu lustwandeln und die Spieler von ihren Verlusten abzulenken. Schöne Frauen, der Pomp in dem Casino und die hohen Einsätze an den Tischen, vermittelten Normalsterblichen wenigstens für ein paar Atemzüge das Gefühl, ebenfalls im Olymp der Götter willkommen zu sein. Allerdings war es schiere Selbstverleugnung, darauf zu spekulieren, eine Spielhölle, die wie ein Königshof daherkam, ließe jemanden an ihrem Reichtum teilhaben. Wenn überhaupt dann höchstens für eine Atempause, doch nie auf lange Sicht. Das hatte das Casino mit einigen Milliardären gemein, die sich für die Gunst in ihren erlauchten Kreis aufgenommen zu werden, ebenfalls teuer bezahlen ließen. Nicht mit Geld, sondern verlorener Selbstachtung. Beide gaben ihre Opfer erst wieder frei, wenn alles verspielt war. Raubritter und Geldadel waren anscheinend eng verwandt.

Pia beschließt, den Besuch der Spielbank zunächst zu verschieben und zu ihrer Unterkunft zurückzukehren. Wer weiß, wann sie erneut in einem so luxuriösen Hotel übernachten darf. Jetzt will sie erst einmal ihr wiedergewonnenes Leben genießen. Schließlich hat sie keine Ahnung, wie lange sie dazu noch Gelegenheit finden wird. Vielleicht wartete irgendwo da draußen bereits der nächste Mörder auf seinem Feuerstuhl. Trotzdem nimmt sie sich vor, morgen früh einmal am Hafen entlang zu joggen, sich die feudalen Yachten aus der Nähe anzuschauen und dabei ihren exhibitionistischen Neigungen zu frönen. Statt sich in einem Café als Zielscheibe zu präsentieren, wird sie lieber ihrem Spiegelbild im Wasser hinterherlaufen. Aber jetzt muss sie erst mal zurück auf ihr Zimmer und in München anrufen. Danach wird sie sich vielleicht auf die Terrasse dieser berühmten Le Bar Americain setzen und sich einen der Signature-Cocktails servieren lassen. Oder sie wird sich auf einem der Lederstühle im Inneren bequem machen, sich etwas zum Essen bestellen und durch das Fenster auf die Luxusyachten schauen. Ob sie es wirklich wagen soll, sich ganz allein in die Höhle des Löwen zu begeben und auf dem Schiff mitzufahren? Sie ist gespannt, ob es Alicia gelingt, eine Zusammenkunft zu organisieren.

Zurück im Zimmer ruft sie als Erstes ihren Freund Ivo an und informiert ihn über den Anschlag. Sie bittet ihn, im Internet nach Informationen zu dem Vorfall zu suchen. Natürlich ist er schockiert und bietet ihr an, sofort zu kommen. In höchstens sechs Stunden könne er mit dem Mustang Monte Carlo erreichen.

„Ich glaube nicht, dass der oder die Täter so schnell wieder zuschlagen. Der Motorradfahrer hat sich bei seinem Sturz bestimmt verletzt. Kritisch wird es eher auf der Yacht, aber dort kannst du mir sowieso nicht helfen.“

Ivo ist nicht wirklich beruhigt. Seit sie in Paris ein Liebespaar wurden, fühlt er sich noch mehr für sie verantwortlich. Am liebsten hätte er sie nach Monte Carlo begleitet. Doch Pia befürchtete mit einem Mann an der Seite, ihre Gegner nur umso vorsichtiger zu machen. Gelänge es ihr nicht, an die neuen Bekannten Moniques heranzukommen, wüsste sie nicht, wie sie deren Aufenthaltsort herausfinden sollte. Einen besseren Plan, als sich ebenfalls als Beute anzubieten, hat sie nicht. Zwar vermittelt sie nicht einen derart kindlichen Eindruck wie die Verschwundene, kann aber mit ihrem Aussehen mit jedem Model mithalten.

Ivo gibt so schnell nicht auf:

„Bislang wissen wir nur, dass dieser Paolo seine Finger im Spiel hat. Allerdings ist es erstaunlich, dir sofort einen Killer auf den Hals zu schicken. Entweder ist Monique in akuter Gefahr oder wir sind auf eine Bande von Mädchenhändlern gestoßen, die über Leichen gehen. Dabei kennen sie dich doch gar nicht. Ich frage mich, wie die Kerle von dem Treffen erfahren haben. Jedenfalls befindest du dich in Lebensgefahr und solltest deine Gegner nicht unterschätzen.“

„Alicia hat mir erzählt, sie habe mit einer Bekannten in Amerika darüber gesprochen, dass Moniques Eltern ihre Tochter suchen lassen. Auf Nachfragen dieser Destiny habe sie dann ausgeplaudert, sich mit mir treffen zu wollen. Anscheinend hat das eine Kettenreaktion ausgelöst.“

„Entweder hat die Amerikanerin den Mörder auf dich gehetzt oder die Information an jemanden weitergegeben, der den Motorradfahrer mobilisierte. Jedenfalls ist die Gegenseite jetzt über dich im Bilde.“

Pia weiß, dass ihr gegenwärtig niemand helfen kann und beendet das Gespräch bald. Statt sich zusätzlich beunruhigen zu lassen, will sie lieber in Erfahrung bringen, was die Nachrichten über die Schießerei melden. Sie stellt den Fernseher an und hofft, dass zur vollen Stunde einer der Kanäle eine Meldung bringt. Da sie nur sehr wenig Französisch versteht, schaltet sie die Aufnahmefunktion ihres Handys ein und hält sich bereit. Endlich ist es 19 Uhr und die Nachrichtensendung beginnt. Ihre Geduld wird belohnt. Anscheinend hatte jemand die flüchtenden Gäste gefilmt und die Aufnahmen dem Sender zur Verfügung gestellt. Dann wird das demolierte Motorrad gezeigt und wie der Schütze im Krankenwagen abtransportiert wird. Offenbar hatte der verhinderte Pistolenheld sich beim Sturz auf den Asphalt sein Genick oder zumindest einen Halswirbel gebrochen. Abschließend wird die Intensivstation mit einem Polizeibeamten vor dem Krankenzimmer eingeblendet.

Wären nicht italienische Milliardäre für das Verschwinden Moniques verantwortlich, vielleicht hätte sie sich bei der Polizei gemeldet. Doch Pia befürchtet, dass die Beamten sofort sämtliche Hebel in Bewegung setzen, das untergetauchte Model ausfindig zu machen. Da sie jedoch nicht weiß, wie das Mädchen oder ihre neuen Freunde darauf reagieren werden, will sie dieses Risiko lieber nicht eingehen. In München waren sie sich alle einig gewesen, zunächst keine Behörden einzuschalten, da man Monique nicht zwingen könne, nach Hause zurückzukehren. Vermutlich würde die Tochter die Polizeifahndung eher zum Anlass nehmen, in Zukunft ihre Spuren noch besser zu verwischen.

Außer ihrem Instinkt hat Pia zudem nichts in den Händen, mit dem sie beweisen könnte, dass der Anschlag tatsächlich ihr gegolten hat. Unter Umständen würden die Polizisten sie sogar auslachen und versuchen, ihr einzureden, dass sie eher durch Zufall in die Schusslinie geraten sei. Sie solle sich nicht so wichtig nehmen! Nur weil sie eine Freundin suche, die ihren Eltern den Rücken gekehrt habe und sich vermutlich mit anderen jungen Leuten in Italien vergnüge, wäre das noch lange kein Grund, ihr nach dem Leben zu trachten. Vielleicht solle sie etwas weniger Fernsehen schauen!

Informierte die örtliche Polizei zudem Moniques Eltern, würden die wahrscheinlich sofort die deutsche Kripo einschalten. Bestimmt hätten sie dann erst recht Angst, ihre Tochter würde gegen ihren Willen festgehalten und sei in unmittelbarer Gefahr. Anstatt an diese Milliardärsbrut heranzukommen, würde sie ihre Zeit auf Polizeiwachen verbringen und ihre Gegner sofort alles daransetzen, auf Tauchstation zu gehen. Womit sie wieder am Ausgangspunkt angelangt wäre. Nein, das Beste war, diese Leute erst einmal selbst kennenzulernen, bevor man entscheiden könne, wie es weitergehen solle.

Als sie sich die Nachrichten von Google übersetzen lässt, erfährt sie, dass der junge Mann durch den Sturz vom Motorrad so schwer verletzt wurde, dass er nicht ansprechbar ist. Die Art wie von dem Vorfall berichtet wurde, bewies, dass die Polizei nicht daran interessiert war, den Anschlag in diesem Touristenparadies und der Steueroase der Superreichen unnötig aufzubauschen. Sobald der Täter vernehmungsfähig sei, würde man mit einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit treten. Gegenwärtig sei der Verunglückte in ein künstlich erzeugtes Koma versetzt worden. Auch sei weiterhin unklar, warum der Schütze mit seiner Waffe auf die Schiefertafel geschossen habe.

Käme der Motorradfahrer wieder zu Bewusstsein und sagte aus, würde sie bestimmt umgehend Besuch von der Kriminalpolizei erhalten. Aber das erscheint ihr mehr als unwahrscheinlich. Andere Leute vertrauten ihr Glück einer Zahl an, sie wird einfach bis Donnerstag warten, ob man sie zum Verhör vorlädt.

Plötzlich fühlt sie sich erschöpft und todmüde. Jetzt da die Anspannung vorüber ist, setzt die Ernüchterung ein. Bisher hatte sie in dem Spielerparadies unglaubliches Schwein gehabt. Zuerst verfehlte sie der Mörder. Dann ist er nicht ansprechbar. Vermutlich war sie daher vorerst sicher, zumindest vor der Polizei. Aber sie wird ihr Glück nicht herausfordern und sich morgen erneut wie auf einem Präsentierteller in ein Straßencafé setzen. Sie beschließt, jetzt erst einmal auszuspannen. Trotz der frühen Stunde lässt sie sich auf ihr Bett sinken und ist bereits kurze Zeit später eingeschlafen.

***

Am nächsten Morgen macht sie sich auf den Weg zu Alicias Hotel. Als Pia den Speiseraum betritt, sieht sie die junge Frau mit einer elegant gekleideten Dame am Tisch sitzen. Während sie noch unschlüssig am Eingang wartet, erhebt sich ihre Bekannte und kommt schnell auf sie zu.

„Gerade ist keine gute Gelegenheit, über Monique zu sprechen. Ich habe Paolo erreicht und ihm mitgeteilt, ich würde nur gemeinsam mit einer Freundin auf die Yacht kommen. Er hat sofort zugesagt und wird mich später anrufen, um mir die Einzelheiten mitzuteilen.“

„Vielen Dank, dass du das arrangiert hast.“

„Bedanke dich nicht zu früh. Wer weiß, was dich dort erwartet. Entschuldige, ich muss zu meiner Agentin zurück. Ich rufe dich an, sobald ich neue Informationen habe.“

Pia hat das Gefühl, Alicia ist heilfroh, wieder an ihren Tisch zurückkehren zu dürfen, statt sich mit ihr auf ein weiteres Gespräch einlassen zu müssen. Ob sie wegen der Schießerei etwa Verdacht geschöpft hatte?

Unterwegs trinkt sie einen Cappuccino und isst ein Croissant, dann kehrt sie in ihr Hotel zurück und zieht sich um. Sie streift sich eine dünne Regenjacke über, nicht weil sie Angst hat, nass zu werden, sondern vermeiden will, wegen ihres Aufzugs bereits in der Hotelhalle angehalten zu werden. Ihr Oberteil gehört zu einem ihrer Bikinis. Die Shorts, die sie dazu trägt, geben den Ansatz ihrer Pobacken frei. Zudem sind die so weit ausgestellt, dass jeder Vorbeikommende ihr neugierig auf die Oberschenkel schaut, vielleicht noch ein bisschen mehr zu erspähen. Als sie den Hafen erreicht, verstaut sie die Nylonjacke in ihrer Gürteltasche und beginnt an den Booten, die hier vor Anker liegen, entlang zu rennen.

Demnächst wird sie selbst eine Yacht von innen kennenlernen, insbesondere deren Eigner und seine Gäste. Vermutlich wird es auf dem Schiff auch ein oder zwei Personenschützer geben, die zumindest mit Tasern bewaffnet sein werden. Aber voraussichtlich werden ihr alle Vorsichtsmaßnahmen sowieso nicht helfen. Die eigentliche Gefahr geht von den Drinks aus, die man ihr anbieten wird. Liquid Ecstasy ist völlig geschmacklos und lässt sich mit bloßem Auge nicht erkennen. Allerdings könnte sie sich ein paar dieser Papierarmbänder besorgen, mit denen man die KO-Tropfen nachweisen kann.

Der Zeitungsartikel über ein vergewaltigtes Model auf Ibiza fällt ihr ein. Der jungen Frau war anscheinend schon während des Besuchs in einer Diskothek die Droge in den Drink gegeben worden. Als sie dann mit ihrer Gruppe auf eine Yacht eingeladen wird, fühlt sie sich bereits beim Betreten des Schiffs wie beschwipst. Auf dem Boot kann sie sich nur vage daran erinnern, dass jemand sie bedrängt, in ein Schlafzimmer bringt und sich dort auf sie legt. Noch immer halb benommen kehrt sie später zu ihrer Mutter in das Hotel zurück. Gemeinsam suchen die beiden dann eine Klinik auf.

Obwohl der Arzt Spuren von Sperma auf ihrem Kleid und in der Vagina feststellen konnte, lehnt es die Polizei ab, Ermittlungen einzuleiten. Die Frau sucht deshalb selbst in sozialen Netzwerken nach Bildern ihrer Begleiter. Auf einem der geposteten Fotos erkennt sie den Besitzer der Yacht, der sie vergewaltigt hatte, und zeigt ihn an.

Der Schiffseigner lässt daraufhin von seinem Pressesprecher ausrichten, er sei zu der angegebenen Zeit gar nicht auf Ibiza gewesen, sondern hätte sich in Nizza aufgehalten. Der Täter, den sie verdächtigt, sie missbraucht zu haben, ist ein Prinz aus Saudi-Arabien und einer der reichsten Männer des Landes.

Später gelingt es der Frau, die Vergewaltigung bei der deutschen Polizei anzeigen zu können. In Zeiten von DNA-Vaterschaftstests sollte es möglich sein, nicht nur einen amerikanischen Präsidenten, sondern auch einen arabischen Prinzen zu überführen. Der allerdings sieht keinen Handlungsbedarf und verschanzt sich hinter seiner Immunität als Mitglied des Königshauses.

Während Pia darüber nachdenkt, welche Möglichkeiten es gäbe, sich auf einem Schiff zur Wehr zu setzen, hört sie Zurufe und sogar vereinzelt anerkennende Pfiffe von den Luxusyachten, an denen sie entlangsprintet. Aber gerade verspürt sie wenig Lust, mit jemandem Bekanntschaft zu schließen, der vielleicht wie dieser Saudi Prinz eine nekrophile Ader hat. Statt sich an einer halb bewusstlosen jungen Frau auf seiner Yacht zu vergehen, sollte der Kerl lieber gleich ein Krematorium aufsuchen und sich dort an einer der Leichen befriedigen. Natürlich wäre das nicht wirklich dasselbe, trotzdem wundert sie sich, was einen Prinzen, der sich für Geld eigentlich alles leisten konnte, dazu bewog, eine leblose Frau zu vergewaltigen. Sie beschließt, später im Internet zu recherchieren, welche zusätzlichen Charaktereigenschaften Nekrophile ausmachen. Jetzt will sie aber erst einmal genießen, hier leicht bekleidet den Männern im wahrsten Sinn des Wortes die Augen zu verdrehen. Pia stellt ein Bein auf den Poller, an dem eine Yacht festgemacht ist, auf der Arbeiter mit Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind. Die Handwerker dürfen bestimmt ihren Arbeitsplatz nicht verlassen, nur um mit ihr anzubandeln. Nachdem sie ihr linkes Bein genügend gestreckt hat, legt sie das rechte auf die Stahltrosse. Sie ist sich sicher, dass ihr die Männer in die Hosenbeine schauen können. Zwar versteht sie nicht, was die Kerle sich zurufen, aber jedenfalls ruht deren Arbeit jetzt.

Alle Augen sind auf die junge Frau gerichtet, die hier vor ihnen die Beine abwinkelt und offensichtlich keine Unterwäsche trägt. Pia grinst noch einmal zu ihren Bewunderern hinüber, bevor sie sich mit einem Winken verabschiedet und ihren Lauf fortsetzt. Gerade hätte sie zwar nichts dagegen, auf eines der Boote eingeladen zu werden, aber sie widersteht allen Versuchungen und kehrt völlig nassgeschwitzt in ihr Hotel zurück. Statt auf einer Yacht wird sie lieber im Pool ins kalte Wasser springen.

 

 

 

Lombardei

Rabia freut sich. Heute Abend soll endlich wieder eine Party in der Villa von Toro steigen, wie sie alle il Signor Porco Dio liebevoll nennen. Vielleicht hat sie Glück und wird erneut auserwählt, über Nacht bleiben zu dürfen. Dann würde sie statt höchstens 2,000 mindestens 7,000 Euro erhalten. Kein schlechter Stundenlohn für ein Schäferstündchen mit einem Siebzigjährigen.

Sie klingelt bei ihrer Freundin im Apartment nebenan und verabredet sich mit ihr auf einen schnellen Imbiss in einem nahegelegenen Restaurant. Offiziell firmierten die Partys als elegante Abendessen, aber jeder wusste, dass dies eher ein Witz war. Meist gab es nur verkochte Nudeln, die niemand anrührte. Sie gehörten genauso zum Ambiente wie die Mädchen. Die allerdings wurden ständig angefasst.

Die meisten der jungen Frauen waren als Tänzerinnen in einem Mailänder Nachtclub beschäftigt. Das hatte den Vorteil, dass man sich untereinander kannte und es kaum Streitereien gab. Porco nahm sich sowieso das Recht heraus, ganz allein zu entscheiden, mit wem er das Bett teilen wollte. Zuweilen beteiligten sich auch Gäste an den Orgien. Da konnte es schon eher zur Konkurrenz unter den Mädchen kommen. Manchmal waren zwei oder drei südamerikanische Prostituierte eingeladen, die mit den Gepflogenheiten nicht so vertraut waren und häufig versuchten, die Einheimischen auszubooten. Da war dann Stress vorprogrammiert, wenn die Professionellen alles daransetzten, bevorzugt an die Reihe zu kommen. Rabia ist gespannt, ob diese verrückte Frau heute wieder erscheinen wird, die sich jedes Mal als Krankenschwester oder Nonne verkleidete, nur um sich dann vor den Partygästen ihrer Tracht zu entledigen. Angeblich bekleidete sie eine hohe Funktion in Porcos Partei. Auf den Partys stellte sie mit ihren Stripeinlagen sogar die Strassennutten in den Schatten. Bestimmt war sie eine heimliche Exhibitionistin. Warum sonst würde sie es darauf anlegen, immer als Erste pudelnackt herumzulaufen. Dabei war die bisher noch nie von Porco ausgewählt worden. Dafür war sie mit über dreißig aber wohl auch zu alt. Selbst sie mit ihren sechzehn Jahren musste zuweilen zurückstecken, wenn Vierzehnjährige oder sogar noch Jüngere von irgendwelchen Schönheitswettbewerben angeschleppt wurden und mit ihnen um die Gunst des Stehaufmännchens buhlten.

Bei ihrer letzten Party hatte sie wegen ihrer etwas dunkleren Hautfarbe unter der Maske von Obama, des US-Präsidenten, getanzt. Porco hatte sich halb totgelacht und sie zu ihrer Darbietung beglückwünscht. Vielleicht gerade deswegen durfte sie dann über Nacht bleiben: zur Privataudienz des italienischen Politikers mit seinem amerikanischen Kollegen.

Was wohl ihre Familie dazu sagen würde, wenn die wüssten, dass sie jetzt von einem der berühmtesten Männer Italiens nach Hause eingeladen wurde? Sie bräuchte ihren Verwandten ja nicht auf die Nase binden, dass sie an diesen berüchtigten Bed & Breakfast Partys teilnahm, die mittlerweile die ganze Welt in Atem hielten.

Auf jeden Fall ist ihr Leben inzwischen tausendmal interessanter als damals in Marokko. Eigentlich erinnerte sie sich kaum noch an ihre Kindheit. Bereits mit acht Jahren war sie mit ihren Angehörigen nach Italien geflohen. Die erste Zeit in Sizilien hatten sie oft nicht einmal genug zu essen. Ihre Eltern hielten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und der Kühlschrank war meist gähnend leer. Während ihre Schulfreundinnen in Cafés hockten oder sich in den Kaufhäusern herumtrieben, musste sie nach der Schule nachhause kommen und der Mutter im Haushalt helfen. Mit 14 hatte sie die Nase dann endgültig voll von den ständigen Vorhaltungen und Verhaltensmaßregeln. Die Welt der Eltern war schon lange nicht mehr die gleiche, in der sie sich wohlfühlte. Statt sich auf die Nerven zu gehen, war sie ihnen aus dem Weg gegangen.

Karim, ihr erster Liebhaber, hatte sie überredet, gemeinsam mit ihm anzuhauen. Eher schlecht als recht hatten sie sich die nächsten Monate auf der Straße durchgeschlagen. Ihr großer Busen hatte sie beide über Wasser gehalten. Allerdings war ihr Freund immer unverschämter geworden. Ständig verlangte er von ihr, noch mehr Männer kennenzulernen. Anfangs hatte sie den halbstarken Marokkaner vergöttert, aber bald am eigenen Leib erfahren müssen, dass er sie eigentlich nur ausnutzte. Ihr Loverboy hatte sich im Handumdrehen als gewöhnlicher Zuhälter entpuppt. Porco erinnerte sie zuweilen an ihren ersten Strizzi. Beide waren glänzende Verführer und brachten sie auch immer wieder zum Lachen. Aber es gab einen nicht zu verachtenden Unterschied: Während Porco zahlte, hatte Karim nur abkassiert.