Miss Annes missglückter Mistelzweigkuss - Bree Wolf - E-Book

Miss Annes missglückter Mistelzweigkuss E-Book

Bree Wolf

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Beschreibung

In diesem historischen Liebesroman der USA Today-Bestsellerautorin und HOLT-Medaillen-Gewinnerin BREE WOLF werden die Kindheitsfreunde Anne und Tobias, einst als kleine Annie und kleiner Toby bekannt, auf einen steinigen Weg gezwungen, als sie erkennen, dass Freundschaft allein nicht mehr genug ist. Werden sie es wagen, nach mehr zu greifen? Sie sind beste Freunde von jeher. Bis ein Mistelzweigkuss... ...furchtbar missglückt. England 1801: MISS ANNE THATCHER soll sich einen Ehemann suchen. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, denn kein Mann in ihrem Bekanntenkreis schafft es, ihre Aufmerksamkeit, ihr Interesse, ihr Herz zu erobern. Der Einzige, den sie je liebte, ist Tobias Hawke, ihr Freund aus Kindertagen, der immer wie ein älterer Bruder für sie war: nervig, aber loyal. Anne kann nicht an ihn denken, ohne sich daran zu erinnern, wie er Frösche in ihrem Bett versteckte, als sie Kinder waren. Er ist ihr Freund, kein Verehrer, und doch fragt Anne sich in letzter Zeit, wann immer sie in seine schokoladenbraunen Augen blickt: ...was, wenn er sie küssen würde? TOBIAS HAWKE, der Bruder von Viscount Barrington, sieht nicht mehr das kleine Mädchen, das er einst kannte, wenn er seine Jugendfreundin Anne Thatcher anschaut. Für ihn ist sie nicht mehr die kleine Annie, und der Gedanke, sie könnte ihn immer noch für den kleinen Toby von damals halten, beunruhigt ihn sehr. Ja, sie ist seine Vertraute, seine Freundin, die eine Frau, die ihn kennt wie keine andere, aber: ...was, wenn er sie küssen würde? Keiner von beiden wagt es, die Freundschaft, die sie seit ihrer Kindheit verbindet, zu riskieren. Bis Weihnachten vor der Tür steht, und sie sich plötzlich unter einem Mistelzweig wiederfinden. Was wäre wenn?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

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INHALT

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Bücher von Bree Wolf

Prolog

Kapitel 1

Freunde von Einst

Kapitel 2

Ein Plan nimmt Form an

Kapitel 3

Zwei Brüder

Kapitel 4

Lady Louisas Wagnis

Kapitel 5

Ein Simpler Kuss

Kapitel 6

Unter dem Mistelzweig

Kapitel 7

Ein fast perfekter Plan

Kapitel 8

In der Bibliothek

Kapitel 9

Der Mitbewerber mischt sich ein

Kapitel 10

Ein blinder Narr

Kapitel 11

Lady Louisas Moment

Kapitel 12

…oder zwei

Kapitel 13

Hinaus in den Schnee

Kapitel 14

Die Seine

Epilog

Über BREE WOLF

Miss Annes missglückter Mistelzweigkuss

von Bree Wolf

Copyright © 2021 Bree Wolf

Umschlaggestaltung, Illustration: Victoria Cooper

Lektorat, Korrektorat: Christel Netuschil

Übersetzung: Bree Wolf

Verlag: WOLF Publishing UG (haftungsbeschränkt)

ISBN Paperback: 978-3-98536-012-3

ISBN Hardcover: 978-3-98536-013-0

ISBN kindle e-Book: 978-3-98536-011-6

ISBN tolino e-Book: 978-3-98536-077-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

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BÜCHER VON BREE WOLF

Die verliebten Whickertons

Die verliebten Whickertons ist eine neue Reihe der USA Today-Bestsellerautorin BREE WOLF. Sie spielt in England in der Zeit der Regency-Ära und schildert die manchmal turbulenten Wege der sechs Whickerton-Geschwister auf der Suche nach Liebe.

Wenn Sie verruchte Viscounts, grüblerische Lords sowie dickköpfige Damen mögen, die auf der Suche nach der einzig wahren Liebe alles wagen, dann ist diese neue Reihe perfekt für Sie!

Prequel: Miss Annes missglückter Mistelzweigkuss

#1 Lady Louisas teuflisch zauberhafter Kuss

#2 Lady Leonoras schrecklich verführerischer Kuss

#3 Lady Christinas irritierend magischer Kuss 

#4 Lady Harriets verhängnisvoll süßer Kuss

PROLOG

Irgendwo in England, Winter 1790 (oder eine Variante dessen)

Elf Jahre zuvor

Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, als die achtjährige Annie Thatcher über die weiße Wiese hinter ihrem besten Freund, Tobias Hawke, dem zweiten Sohn des Viscount Barrington, herlief. Kleine Eiskristalle hatten sich in ihren dunklen Locken gebildet und lugten aus ihrer Kapuze hervor, während sich so manche Schneeflocke auf ihrer Nasenspitze absetzte, sodass sie niesen musste. Dennoch lief Annie weiter. Auch, als ihre Beine müde wurden, ließ ihr Verlangen, mit Toby mitzuhalten, nicht nach.

Als er den Rand des zugefrorenen Sees erreicht hatte, sprang er in die Luft, und ein breites Grinsen erschien auf seinem geröteten Gesicht. Er stieß einen Triumphschrei aus, zog sich die Wollmütze vom Kopf und warf sie hoch. „Ja, ich habe es geschafft! Ich habe dir doch gesagt, dass ich schneller bin als du, Annie.“ Er rang nach Atem. „Du musst noch etwas größer werden.“

Annie kam zum Stehen und fiel dann keuchend auf die Knie in den Schnee. „Aber nicht mehr viel. Ich hätte dich fast gehabt.“

Toby stapfte zu ihr hinüber, nickte und reichte ihr dann die Hand, um ihr aufzuhelfen. „Ja, das hast du gut gemacht. Du wirst jeden Tag schneller.“

„Glaubst du das wirklich?“, fragte Annie und blickte in sein lächelndes Gesicht. „Wirklich, wirklich?“

Toby lachte, und seine schokoladenbraunen Augen leuchteten vor Herzlichkeit. „Ja, Annie, wirklich, wirklich.“ Immer wieder warf er seine Mütze in die Luft und fing sie gerade noch auf, bevor sie in den Schnee fiel. „Aber warum willst du schneller sein als ich?“

Annie hob die Schultern. „Es macht Spaß.“ Sie betrachtete ihn voller Neugierde. „Versuchst du nicht immer, schneller zu sein als Phin? Er ist älter und größer als du, aber du rennst dennoch mit ihm um die Wette. Warum versuchst du es, wenn du weißt, dass du nicht gewinnen kannst?“

Bei der Erwähnung seines älteren Bruders zuckte Toby mit den Achseln. „Nun, ich weiß nicht, dassich nicht gewinnen kann. Obwohl es unwahrscheinlich ist, ist es doch nicht unmöglich.“ Erneut schmiss er seine Mütze so hoch er nur konnte. „Also werde ich weiterhin mit ihm um die Wette laufen, und vielleicht werde ich eines Tages gewinnen. Vielleicht werde ich ihn eines Tages besiegen.“

Annie konnte Toby nicht ganz verstehen, wenn es um dieses Konkurrenzdenken zwischen den beiden Brüdern ging; aber das spielte keine Rolle. Wenn es für Toby wichtig war, war es auch für sie wichtig. So einfach war das. „Und deshalb laufe ich mit dir um die Wette“, entschied sie. „Um dir beim Üben zu helfen.“

Ein warmes Lächeln erhellte sein Gesicht. „Das ist wirklich lieb von dir, Annie. Ich danke dir.“ Beim nächsten Wurf in die Höhe wurde seine Kopfbedeckung von einem starken, eisigen Wind erfasst und davongetragen.

Tobys Augen weiteten sich, als er der Wollmütze hinterherstarrte. Sie tanzte wild durch die Luft, bis sie sich schließlich am dürren Ast einer Eiche, hoch über dem Boden, verfing. „Oh, nein.“ Tobys Stimme klang schwach, als er durch den Schnee stapfte und sich dem Baum näherte. „Mutter wird wütend sein. Sie hat mir ausdrücklich gesagt, dass ich diese Mütze nicht auch noch verlieren darf.“

In der Tat hatte Toby unzählige Kopfbedeckungen verloren, zerrissen oder anderweitig ruiniert, während Annie unzählige Haarbänder verloren, zerrissen oder anderweitig ruiniert hatte. „Dann lass sie uns runterholen“, schlug sie vor und marschierte auf die Eiche zu. Voller Entschlossenheit wanderte ihr Blick dabei an den Ästen nach oben.

„Ich kann nicht.“

Als Annie sich umdrehte, sah sie, wie Toby den Kopf schüttelte. Er fixierte den Baum, als sei dieser ein Riese, der ihm etwas antun wollte. Tobys Gesicht war blass geworden, und seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Ich kann nicht.“

„Ich hole sie“, bot Annie achselzuckend an.

Toby schüttelte den Kopf. „Nein, das kann ich nicht zulassen.“

„Warum nicht?“

„Weil...weil...“ Tobys Mund öffnete und schloss sich ein paar Mal, als er nach Worten suchte. „Mein Vater sagt immer, ein Gentleman hat sich um eine Lady zu kümmern.“ Er warf einen Blick auf den Baum, und ein Schauer durchlief ihn. „Du bist eine Lady. Es ist nicht deine Aufgabe, dich um mich zu kümmern. Es ist meine Aufgabe, mich um dich zu kümmern.“

Annie runzelte die Stirn. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so einen Unsinn gehört. „Ich bin keine Lady, Toby“, sagte sie, die Hände in die Hüften gestemmt. „Ich bin deine Freundin, und wir kümmern uns umeinander.“ Sie streckte die Hand aus und ergriff die seine. „In Ordnung?“

Tief einatmend blickte Toby noch einmal zu seiner Mütze hinauf, dann nickte er. „In Ordnung. Aber du musst mir versprechen, dass du vorsichtig sein wirst, Annie.“

„Ich verspreche es“, schwor Annie und stapfte dann zum Baum. „Hilf mir doch mal, ja?“

Mit seinen Händen formte Toby einen Steigbügel und half ihr hoch, sodass Annie den ersten, tief hängenden Ast erreichen konnte. Dann zog sie sich empor, die Füße gegen den Stamm gestützt.

„Vorsichtig, Annie!“

„Mach dir keine Sorgen!“ Mit aller Kraft zog sie sich hinauf, hielt sich dann am Stamm fest und stellte sich langsam auf die Füße, um nach dem nächst höheren Ast zu greifen. Schritt für Schritt bahnte sie sich ihren Weg aufwärts. „Ich bin fast da.“ Sie streckte die Hand aus, um nach Tobys Mütze zu greifen. Ihre Fingerspitzen berührten sie beinahe. „Nur noch ein bisschen näher.“

„Annie, vorsichtig!“, rief Toby in dem Moment, als Annie nach vorne kippte. Ihre Füße rutschten ab, aber ihre rechte Hand griff instinktiv nach oben. Einen Schreckmoment lang baumelte sie in der Luft, und allein der Griff ihrer rechten Hand um einen Ast bewahrte sie vor dem Fall.

Sie hörte, wie Toby scharf einatmete. Er rief nach ihr, aber sie konnte nicht antworten. All ihre Energie konzentrierte sich auf ihre rechte Hand und darauf, durchzuhalten, während sich langsam Panik in ihr Herz schlich. Was sollte sie nun tun?

Die Kräfte verließen sie allmählich. „Toby!“

„Halt dich fest, Annie!“

„Ich kann nicht!“ Und dann rutschte ihre Hand vom Ast, und Annie fiel, die Augen vor Schreck zusammengekniffen.

Die Landung entpuppte sich gänzlich anders als Annie erwartet hatte: Kein harter Aufprall keinerlei gebrochene Knochen. Was passierte, war ein eher sanfter Plumps!

„Bist du in Ordnung?“, vernahm Annie Tobys panische Stimme, einen Moment bevor sie seine Hände auf ihren Schultern spürte. Dann tauchten sein blasses Gesicht und seine weit aufgerissenen Augen vor ihr auf. Noch nie in ihrem Leben hatte sie ihn so erschrocken gesehen.

„Mir geht es gut“, bestätigte Annie, während ihr Blick über Arme und Beine wanderte, unsicher, ob sie die Wahrheit sprach. Doch es schien alles in Ordnung zu sein.

Dann bemerkte sie, wo sie gelandet war. „Hast du das gemacht?“

Immer noch keuchend, nickte Toby. „Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.“

Annie schenkte ihm ein Lächeln, dann hielt sie ihm ihre Hand hin, damit er ihr aufhalf. „Das war brillant, Toby!“ Sie streifte ein paar Flocken von ihrem Mantel und betrachtete den Schneehaufen, den Toby in Windeseile unter den Baum geschoben hatte, um ihren Sturz abzufedern. „Ich danke dir. Du hast mich gerettet!“ Dann flog sie in seine Arme und umarmte ihn, wie sie ihn noch nie zuvor umarmt hatte.

„Ich hatte solche Angst, dass du stirbst, Annie“, flüsterte Toby, als er sie festhielt. „Ich hatte solche Angst, dass ich dich verlieren würde.“

Eine Träne wegblinzelnd, trat Annie einen Schritt zurück. „Du hast auf mich aufgepasst“, sagte sie ihm mit einem tiefen Lächeln.

Toby nickte. „Und du hast auf mich aufgepasst.“ Er bückte sich, um seine Mütze aufzuheben, die gemeinsam mit Annie vom Baum gefallen war. „So wie Freunde es tun.“ Er grinste sie an.

„So wie Freunde es tun“, wiederholte Annie, als sie ihm die Kopfbedeckung abnahm und sie ihm dann anzog.

Freunde.

Für immer.

KAPITEL1

FREUNDE VON EINST

Barrington House, England, Herbst 1801 (oder eine Variante dessen)

Elf Jahre später

Mit seinen hohen Säulen und weitläufigen Ländereien hatte Barrington House schon immer einen besonderen Platz in Annes Herzen gehabt. Als junges Mädchen hatte sie hier viele wunderbare Jahre verbracht, war in der großen Halle das Geländer hinuntergerutscht, hatte in der Dämmerung Glühwürmchen gefangen und Kekse aus der Küche gestohlen. Sie hatte es geliebt, den Hawke-Brüdern auf ihren Abenteuern zu folgen, den verwunschenen Dachboden oder die düstere Bibliothek zu erkunden, wo ein geflüstertes Wort zwischen den Reihen von Büchern widerhallte. Sie kannte jeden Winkel dieses Hauses, und immer, wenn die Sonne unterging und ihre goldenen Strahlen durch die deckenhohen Fenster im Salon hereindrangen, konnte Anne nicht anders, als vor Glück zu seufzen.

Wahrhaftig, Barrington House war für sie nie etwas geringeres als der Himmel auf Erden gewesen.

Aber nicht heute.

„Schaut er immer noch zu mir herüber?“, fragte Anne in einem angespannten Flüsterton. Sie zwang sich, nicht über ihre Schulter zu blicken, sondern ihre Augen auf ihre beiden Cousinen Louisa und Leonora Beaumont, die Töchter des Earl of Whickerton, gerichtet zu halten.

Die dunkelhaarige Leonora runzelte die Stirn, als sie Annes verkniffenen Gesichtsausdruck sah. Dann warf sie einen fragenden Blick durch den Saal, welcher zum Anlass des diesjährigen Balls mit Gästen gefüllt war. „Wer?“, fragte sie und zog die Brauen in konzentrierter Beobachtung nach unten.

Ihre Schwester lachte: „Nun, Lord Gillingham, natürlich.“ Im Gegensatz zu Leonora hoben sich Louisas Brauen triumphierend, als sie Annes Blick begegnete. „Warum bist du so entschlossen, dich seiner Gesellschaft zu entziehen?“ In ihrer Stimme lag ein neckischer Ton, und Anne konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihre geliebte Cousine es sehr genoss, ihr dabei zuzusehen, wie sie sich vor Unbehagen wand.

Louisa und Leonora—oder Lou und Leo, wie Familie und Freunde sie nannten—waren wie Tag und Nacht. Anne konnte nicht sagen, welche ihrer Cousinen sie mehr mochte, denn sie hatten beide so liebenswerte Eigenschaften; leider besaßen sie auch beide die Fähigkeit, ihr mit ein paar gezielten Worten jedes bisschen Geduld zu rauben.

Leonora war die personifizierte Vernunft, die immer Theorien darüber aufstellte, wie und warum etwas geschah. Sie war dafür bekannt, tausend Fragen zu stellen, wenn etwas ihr Interesse weckte, und man sah sie selten ohne Notizbuch und Schreibfeder in der Hand. Glücklicherweise schien sie diese aber nicht zum heutigen Ball mitgebracht zu haben.

Louisa hingegen handelte oft aus einem Impuls heraus und nahm sich selten die Zeit, die Dinge zu durchdenken, bevor sie sie umsetzte – ein Umstand, der Leonora oft verärgerte. Dennoch besaß Louisa die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, ungeachtet dessen, wie verborgen diese schien. Ihre Gedanken sprach sie offen und ohne Furcht aus, und ihre Ausgelassenheit bezauberte jeden, der sich in ihre Nähe wagte.

Anne seufzte, wohl wissend, dass keine ihrer beiden Cousinen eine Halbwahrheit akzeptieren würde. „Nun, er...er ist mir einfach...unangenehm“, gab sie schließlich zu und strich eine verirrte Locke ihres dunkelbraunen Haares zurück an ihren Platz.

„Warum?“, fragte Leonora stirnrunzelnd, während sie Lord Gillingham erneut in Augenschein nahm, zweifelsohne, um das vermeintliche Problem zu bestimmen. „Ist es sein Atem? Riecht er seltsam? Hat er schwitzige Handflächen?“ Sie blickte auf Annes behandschuhte Hände hinunter. „Das sollte dich jedoch nicht beeinträchtigen. Spuckt er, wenn er spricht? Oder...„

„Er will sie heiraten“, warf Louisa mit einem seitlichen Augenrollen an ihre Schwester gerichtet ein, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder Anne schenkte. „Ist es nicht so?“

Anne stieß einen tiefen Seufzer aus: „Das hat er nicht gesagt, aber...jedes Mal, wenn er mich ansieht, komm ich nicht umhin, zu denken, dass...“ Ihre Stimme versagte. „Was soll ich nur tun?“

„Er hat also weder einen schlechten Atem noch schwitzige Handflächen?“, erkundigte sich Leonora um der Neugier willen.

Anne schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich es bemerkt hätte.“

„Warum weist du dann sein Gesuch zurück?“ Wieder ließ Leonora ihren Blick über den, zugegebenermaßen schneidigen, Lord gleiten. „Er ist groß, hat dichtes Haar und ein symmetrisches Gesicht. Er strahlt Eleganz aus und tanzt mit der nötigen Gewandtheit. Soweit ich weiß, verfügt seine Familie über ein beträchtliches Vermögen und einen skandalfreien Ruf.“ Ihr Mund schloss sich, und sie blinzelte, bevor ihre Augen sich auf Anne richteten. „Was beanstandest du an ihm?“

Anne zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Doch immer, wenn Lord Gillingham sich ihr näherte, hörte sie eine Stimme aus der Tiefe ihres Inneren, welche sie drängte, davonzulaufen. Sie konnte es nicht erklären. Es war ein unbehagliches Gefühl, ein Gefühl des Grauens, des Widerwillens, als wäre sie einfach nicht da, wo sie sein sollte. Als ginge sie in die falsche Richtung.

„Was für einen Mann wünschst du dir denn?“, erkundigte sich Leonora; ihre Hände bewegten sich, als würden sie nach Notizbuch und Schreibfeder greifen, bereit, Aufzeichnungen zu machen. Als sie diese jedoch abwesend fand, fiel ein Ausdruck tiefsten Bedauerns über ihr Gesicht.

„Oh, ich kann dir sagen, was für einen Mann sie sich wünscht, liebste Leo“, verkündete Louisa, und ihre Lippen kräuselten sich in ein Lächeln, das Anne schweres Unbehagen verursachte. „Ich kann dir sogar verraten, an welchem Gentleman es liegt, dass Anne weder Lord Gillingham noch irgendeinen anderen in einem vorteilhaften Licht zu sehen vermag.“

Während Anne spürte, wie sich ihr Inneres vor Anspannung wand, und sie sich fragte, was für eine fantastische Geschichte Louisa sich diesmal ausgedacht hatte, fiel Leonora vor Neugierde die Kinnlade herunter. „Wer?“

Louisa lächelte teuflisch. „Er.“ Ohne den Kopf zu drehen, ließ sie ihren Blick zu dem weiten Torbogen schweifen, durch den immer mehr Gäste in den Ballsaal strömten.

Während Anne Louisas kühnem Blick standhielt, hob sie ihr Kinn und tat ihr Bestes, dem Drang zu widerstehen, über ihre Schulter zu schauen.

Leonora jedoch zögerte nicht eine Sekunde lang. Ihr Kopf schwang zur Seite, und einen Moment später deutete sich ein leichtes Stirnrunzeln auf ihrem Gesicht an. „Lord Barrington?“

Anne hielt inne, bevor sich auch ihre Stirn in Falten legte. „Was? Das ist doch lächerlich!“

Louisa funkelte ihre Schwester an. „Dem stimme ich zu. Phineas Hawke ist der letzte Mann auf der Welt, der die Aufmerksamkeit einer Frau auf sich ziehen würde.“

„Du solltest ihn wirklich Lord Barrington nennen!“, tadelte Leonora sie. „Es ist eine Frage des Respekts. Immerhin hat er den Titel seines Vaters vor mehr als vier Jahren geerbt.“

Louisa tat die Bemerkung ihrer Schwester mit einem Achselzucken ab, als wäre es eine lächerliche Forderung, die nicht den geringsten Sinn ergäbe.

Während Anne mit den Hawke-Brüdern aufgewachsen war, da die Landsitze ihrer Familien in unmittelbarer Nähe zueinander lagen, hatten Louisa und Leonora nur gelegentlich Zeit in ihrer Gesellschaft verbracht. Für Louisa hatte das jedoch ausgereicht, um den ältesten Hawke-Bruder, Phineas, zu verabscheuen; und wie es schien, beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit. „Nein, ich meinte Mr. Tobias Hawke“, stellte Louisa mit einem Lächeln in Annes Richtung klar. Dann drehte sie sich um, und ihre Augen suchten den betreffenden Mann.

„Toby?“, rief Anne und fragte sich, wie um alles in der Welt Louisa zu diesem Schluss gekommen war. „Du scherzt wohl.“ Ihr Blick folgte Louisas und fiel auf ihren Freund aus Kindertagen. Als hätte er dies gespürt, hob er den Kopf, und eine Sekunde später fanden seine Augen die ihren. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, und er zwinkerte ihr zu.

„Siehst du?“, rief Louisa voller Triumph. „Du kannst mir nicht erzählen, dass er dir nichts bedeutet.“

Anne starrte ihre Cousine völlig verwirrt an. „Natürlich nicht. Wie kannst du das nur glauben? Er ist mein liebster Freund. Natürlich bedeutet er mir etwas.“

Louisa verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete Anne auf eine Art, die ihr unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie ihr kein Wort glaubte.

„Wahrhaftig“, beharrte Anne. „Er ist mein Freund und nichts weiter. Für mich wird er immer der kleine Toby sein, der Junge, der an meinen Zöpfen gezogen und Frösche in meinem Bett versteckt hat.“ Trotzdem konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen, denn sie hatte sich damals an ihm gerächt, indem sie seine Hausaufgaben versteckt hatte, was ihm Ärger mit seinem Hauslehrer eingebracht hatte. Toby war wütend gewesen, als er gemerkt hatte, dass sie es gewesen war, und er seine Aufgaben nicht einfach verlegt hatte.

„Nun, er ist nicht mehr der kleine Toby“, bemerkte Louisa mit einem Seitenblick auf Tobias‘ große Statur, „und du bist auch nicht mehr die kleine Annie.“ Ihre grünen Augen nahmen einen Moment lang einen nachdenklichen Ausdruck an, bevor sie einen Schritt auf Anne zuging. „Ich ermahne dich, liebe Cousine, Tobias nicht als den Jungen zu betrachten, den du kanntest, sondern als den Mann, den du heiraten könntest.“

Annes Herz stolperte in ihrer Brust. „Heiraten?“, rief sie aus, nicht sicher, ob vor Entsetzen oder etwas anderem; etwas, das sie nicht benennen konnte. „Ich könnte ihn niemals heiraten!“

„Warum nicht?“, warf Leonora neugierig ein, während ihre wachsamen Augen zwischen Anne und ihrer Schwester hin und her wanderten. „Ich muss zugeben, dass auch er sehr liebenswerte Eigenschaften besitzt. Euren Charakteren nach zu urteilen, würde ich sagen, dass ihr beide zueinander passen würdet.“

Louisa verdrehte wieder einmal die Augen. „Die Ehe ist kein wissenschaftliches Experiment, Leo“, tadelte sie ihre Schwester mit einem Seufzer, bevor sich langsam ein Lächeln über ihr Gesicht stahl. „Es sollte um Leidenschaft gehen. Du solltest jemanden wählen, der dein Blut in Flammen setzt und dir den Atem raubt.“ Ihr Lächeln vertiefte sich, als sie ihre Schwester ansah. „Hast du denn nichts von Mutter und Vater gelernt?“

Wahrhaftig hatten sich Annes Tante und Onkel den Wünschen ihrer Eltern widersetzt und geheiratet, weil sie einander liebten. Und selbst heute, nach dreißig Jahren Ehe und sechs Kindern, sprühten noch immer die Funken, wenn sich ihre Blicke trafen.

Es war...inspirierend?

„Lou, ich widerspreche nicht deiner Vorstellung von Leidenschaft in der Ehe“, erklärte Anne, „aber Toby ist mein Freund. Er ist wie ein Bruder für mich. Ich könnte ihn niemals heiraten.“

Louisa lachte: „Ein Bruder?“ Ihr Blick wanderte zu ihrer Schwester und dann zurück zu Anne. „Nun, wenn man bedenkt, dass du keinen Bruder hast, kann ich verstehen, dass dir jeglicher Bezugsrahmen fehlt. Trotzdem...“

„Du klingst beinahe wie Leo“, bemerkte Anne mit einem nicht gerade geringen Quantum Vergnügen.

Louisa rollte verärgert mit den Augen. „Versuche nicht, mich abzulenken, denn es wird dir nicht gelingen. Ich liebe dich innig, und ich werde nicht zulassen, dass du einen Mann heiratest, der dich zweifellos unglücklich machen wird. Du musst in allen wirklich wichtigen Angelegenheiten deinem Herzen folgen, sonst wirst du es noch bereuen.“

„Aber mein Herz sagt mir, dass …“

„Tut es das?“, hinterfragte Louisa. „Wahrhaftig? Oder hast du Tobias einfach nie anders betrachtet als aus dem Blickwinkel des kleinen Mädchens, das du einmal warst?“ Ihre Augen leuchteten auf. „Betrachte ihn jetzt! Hier! Und sieh nicht den kleinen Jungen von damals, sondern den Mann, der er heute ist.“ Sie trat an Annes Seite, und ihr Blick schweifte hinüber zur anderen Seite des Ballsaals, wo Toby und sein Bruder sich im Gespräch mit einigen Gentlemen befanden. „Sieh ihn dir an“, flüsterte sie in Annes Ohr, „und frage dich, ob du ihn tatsächlich noch als den kleinen Toby wahrnimmst.“

Annes Atem bebte, als sie der Aufforderung ihrer Cousine widerwillig Folge leistete. Ihr Blick wanderte über ihren Freund aus Kindertagen, und sie wusste, dass sie ihn liebte. Sie liebte dieses neckische Funkeln in seinen dunkelbraunen Augen. Sie liebte, dass seine Augen immer wieder die ihren fanden. Sie liebte das Vertrauen, das zwischen ihnen bestand. Immer schon hatte sie seine Geheimnisse gekannt. Immer schon hatte er sich ihr anvertraut, so wie sie sich ihm anvertraut hatte. Sein Lächeln erwärmte ihr Herz und gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, als wäre es nur für sie bestimmt.

Sie liebte ihn.

Aber bedeutete das, dass sie in ihn verliebt war?

Anne räusperte sich und drehte sich zu ihrer Cousine um. „Ich weiß nicht, was du zu erreichen hoffst, Lou, aber Toby ist mein Freund. Er war immer schon mein Freund und …“

„Er könnte dein Freund und dein Ehemann sein“, gab Louisa zu bedenken. „Das eine schließt das andere nicht aus.“ Ihr Blick verengte sich. „Hast du ihn jemals geküsst?“

Annes Augen flogen auf. „Natürlich nicht!“ Allein der Gedanke war lächerlich...oder etwa nicht?

„Nun, dann solltest du es tun“, erklärte Louisa, „um...“, sie hielt inne und warf ihrer Schwester einen etwas genervten Blick zu, „deine Theorie zu testen.“

Bei dem Gedanken an ein Experiment erhellte sich Leonoras Gesicht. „Wahrlich, ein Kuss wäre sehr aussagekräftig und würde dir sicher helfen, zu ermitteln, was du für ihn empfindest. Ein Kuss würde dir sicherlich zeigen, ob du ihn als Bruder liebst oder nicht.“ Erneut schienen ihre Finger nach der abwesenden Schreibfeder zu greifen, um die Parameter von Louisas vorgeschlagenem Experiment festzuhalten.

Panik ergriff Annes Herz, und sie schüttelte vehement den Kopf. „Ihr seid wohl wahnsinnig!“, rief sie mit gedämpfter Stimme und blickte von einer Cousine zur anderen. „Ihr könnt doch nicht vorschlagen, dass ich einfach zu ihm hinübergehe und ihn küsse? Ich wäre ruiniert!“ Mehr als das, es würde die Freundschaft zwischen ihnen für immer verändern. Würde sie ihn küssen, könnten sie nie wieder der kleine Toby und die kleine Annie sein. Was, wenn sie ihn verlieren würde?

Der Gedanke war unerträglich!

„Damit hast du recht“, meinte Leonora vernünftig und tippte sich nachdenklich mit der Spitze ihres Zeigefingers gegen die Lippen. „Wir brauchen eine Art Vorwand.“

„Wie wäre es mit einem Mistelzweigkuss?“, schlug Louisa vor und wackelte mit den Augenbrauen, als sie Anne angrinste.

Anne stieß einen genervten Atemzug aus. „Es ist nicht Weihnachten.“

„Es wird bald soweit sein“, entgegneten die beiden Schwestern übereinstimmend. Warum nur war es so, dass in der Sekunde, in der ihre beiden Cousinen sich endlich einig waren, es zu ihrem Nachteil war, dachte Anne.

„Die Weihnachtshausparty von Lord Archibald ist nicht mehr lang hin“, betonte Leo, ihre Augen leicht zusammenkniffen, als sie zweifelsohne die verbleibenden Tage abzählte.

Louisas Gesicht hellte sich auf. „Ich mag, wie du denkst, Schwester.“ Nun, das war das erste Mal!

„Das kann nicht euer Ernst sein!“, bemerkte Anne kleinlaut, da sie das beunruhigende Gefühl beschlich, dass sie, egal was sie sagte, nicht gewinnen konnte.

Sanft lächelnd streckte Louisa die Hand aus, um eine weitere verirrte Locke hinter Annes Ohr zu streichen. „Hör zu, du weißt, dass ich Recht habe, auch wenn du es im Moment nicht zugeben kannst. Du magst ihn, und du musst wissen, wie sehr, bevor du eine Entscheidung triffst, jemanden zu heiraten.“ Ihre grünen Augen strahlten etwas bewegend Sanftmütiges aus, und Anne wusste, dass trotz Louisas Neigung, andere zu etwas zu drängen, was sie nicht tun wollten, ihre Absichten einem tiefen Gefühl der Sorge entsprangen. Sie tat, was sie tat, aus tiefster Zuneigung Anne gegenüber, und Anne liebte sie dafür.

„Was wäre, wenn...?“, begann Anne, nicht sicher, was sie eigentlich fragen wollte.

„Wenn der Kuss dich daran erinnert, wie der kleine Toby Frösche in deinem Bett versteckt hat?“, fragte Louisa mit einem Schmunzeln. „Dann lachst du darüber und setzt eure Freundschaft fort wie bisher. Wenn aber …“, der Blick ihrer Cousine nahm etwas Beschwörendes an, „du dich veranlasst siehst, in seine Arme zu sinken und ihn nie wieder loszulassen, dann denke ich, dass man mit Fug und Recht sagen kann, dass du ihn nicht als Bruder siehst.“

„Dieser Einschätzung stimme ich zu“, warf Leonora ein, ein gleichermaßen wohlwollendes Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie Schulter an Schulter mit ihrer Schwester stand, und ihre klaren blauen Augen in die von Anne blickten.

Nicht wissend, was sie erwidern sollte, starrte Anne ihre beiden geliebten Cousinen an. Sie konnte nicht leugnen, dass das, was sie sagten, Sinn ergab; allerdings gab es einen Aspekt, den keine von beiden bisher in Erwägung gezogen hatte. Was, wenn Tobias sie für immer als die kleine Annie sehen würde? Was, wenn der Kuss zeigen würde, dass sie ihn liebte, er in ihr aber lediglich die kleine Schwester sah? Die kleine Schwester, welche sein Geheimversteck für die Kekse gefunden hatte, die sie aus der Küche gestohlen hatten, und sie dann alle aufgegessen hatte? Was, wenn Tobias nie mehr als das in ihr sehen könnte?

Was, wenn es ihr das Herz brechen würde, ihn zu küssen?

KAPITEL2

EIN PLAN NIMMT FORM AN

In der Nähe von Windmere Park, England, Dezember 1801 (oder eine Variante dessen)

Ein paar Tage vor Weihnachten

Anne war versucht, sich aus der fahrenden Kutsche zu stürzen. Zweifellos würden die Schneehaufen, welche die Landschaft weit und breit bedeckten, ihren Sturz abfedern, sodass sie solch eine, zugegebenermaßen drastische, Maßnahme unbeschadet überstehen konnte. Dann könnte sie sich aufraffen, sich abstauben und den Rückweg antreten.

Zurück nach Hause.

Fernab von Windmere Park.

Fernab von Louisa und Leonora.

Fernab von...Tobias.

Selbstverständlich bestand die Möglichkeit, dass sie erfrieren würde; allerdings musste Anne zugeben, dass der Gedanke sie gegenwärtig nicht sonderlich beunruhigte. Wahrlich, jede Alternative erschien besser als in einer fahrenden Kutsche mit ihren beiden geliebten Cousinen und deren schnarchender Großmutter auf dem Weg nach Windmere Park festzusitzen; mit der Aussicht auf Lord Archibalds Weihnachtshausparty und allem, was diese mit sich bringen würde. Warum in aller Welt hatte sie zugestimmt, daran teilzunehmen? Sie musste wahnsinnig gewesen sein, schließlich konnte das Ganze nur in einer vollkommenen Katastrophe enden.

Louisa und Leonora würden dafür sorgen.

„Was meinst du, wie bald sollten wir dieses Experiment wagen?“, fragte Leonora ihre Schwester, während sie mit dem Ende ihrer Schreibfeder sanft auf das Notizbuch in ihrem Schoß klopfte. „Ich denke nicht, dass es weise wäre, es zu übereilen.“

Anne kam nicht umhin sich auf ihrem Platz zu winden, und Louisa lachte: „Oh, ich hätte nichts dagegen, sie beide in der Sekunde unserer Ankunft unter einen Mistelzweig zu schubsen.“ Sie grinste, als sie Annes schockierten Gesichtsausdruck sah. „Je eher, desto besser.“

Leonora runzelte die Stirn. „Es sollte nicht zu offensichtlich sein“, gab sie zu bedenken. „Schließlich soll ja niemand erahnen, worum es geht. Sollte Anne tatsächlich merken, dass sie in ihm lediglich einen Bruder sieht, sollte klar sein, dass der einzige Grund für ihren Kuss der war, dass sie sich zufällig unter einem Mistelzweig befunden haben. Mehr nicht.“

„Sollen wir eine Wette abschließen?“, schlug Louisa mit einem breiten, schalkhaften Grinsen vor, ihre rotblonden Locken versteckt unter einer pelzgefütterten Kapuze. „Bruder oder kein Bruder?“

Leonora runzelte die Stirn. „Es gehört sich nicht für Ladys, zu wetten“, betonte sie; dennoch klang ein Hauch von Faszination in ihrer Stimme mit.

Anne stieß einen tiefen Seufzer aus. „Machte es einen Unterschied, wenn ich meinen Unwillen kundtun würde?“, fragte sie und schaute von einer Cousine zur anderen.

„Hinsichtlich der Wette oder des Experiments?“, erkundigte sich Leonora der Klarheit wegen.

„Beidem.“

Lachend schüttelte Louisa den Kopf. „Nicht im Geringsten. Immerhin hast du bereits zugestimmt.“

„Habe ich das?“, fragte Anne mit einem Stirnrunzeln. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das tat. Woran ich mich allerdings sehr wohl erinnere, ist, dass ich von Anfang an dagegen war.“

Die Schreibfeder zwischen zwei Fingern balancierend, legte Leonora die Spitze ihres Zeigefingers an ihre Lippen, ihre blauen Augen nachdenklich. „Sie hat Recht“, sagte sie zu ihrer Schwester. „Sie hat nie zugestimmt.“

Louisa zuckte mit den Schultern. „Ein nebensächliches Detail.“ Sie grinste Anne an. „Eines, das es zu vernachlässigen gilt. Nun“, ihr Blick wanderte zurück zu Leonora, „wie machen wir es? Ich bin einverstanden, ein oder zwei Tage zu warten, aber das ist alles, was ich bereit bin, zu gewähren.“ Sie rieb eifrig ihre Hände aneinander, eine Geste, die sie fast schurkenhaft aussehen ließ. „Wenn wir die beiden nicht schubsen können, dann müssen wir Tobias irgendwie herbeilocken.“ Sie sah Anne an. „Du wirst unter dem Mistelzweig warten, und wir werden uns eine Ausrede ausdenken, um ihn zu dir zu schicken.“

Anne wollte gerade Einspruch erheben, als Leo plötzlich innehielt und ihre Schreibfeder in der Luft verharrte. „Was tun wir, wenn ein anderer Gentleman Tobias zuvorkommt und zu ihr unter den Mistelzweig tritt?“

Louisa runzelte die Stirn, sichtlich verärgert darüber, dass man sie auf einen Fehler in ihrem Plan hinwies. „Dann müssen wir es einfach zeitlich richtig planen.“ Sie wandte sich an Anne. „Sobald du siehst, wie er sich dir nähert, platzierst du dich unter den Mistelzweig.“ Sie seufzte, der Ausdruck in ihrem Blick recht ungehalten: „Im Ernst, Myladys, so schwer kann es nicht sein. Unzählige Menschen werden jedes Jahr unter einem Mistelzweig geküsst.“

Leonora nickte. „Ja, aber vielleicht nicht von der richtigen Person.“ Ihre blauen Augen wanderten zu Anne. „Ich habe gehört, dass Lord Gillingham ebenfalls anwesend sein wird.“

Anne stöhnte,...ohne zu wissen, warum. Immerhin war der junge Lord absolut liebenswürdig. Es gab keinen guten Grund für sie, ihn nicht zu mögen.

„Nun gut“, sagte Louisa, als ihr Blick von Anne zu Leo und wieder zurück glitt. „Wir werden Folgendes tun: Anne, du wartest in der Nähe eines günstig gelegenen Mistelzweigs. Leo, du holst Tobias herbei, während ich dafür sorge, dass kein anderer Gentleman den beiden in die Quere kommt.“

Leonora legte die Stirn in Falten. „Wie?“

„Das weiß ich noch nicht“, erwiderte Louisa mit einem lässigen Achselzucken, nicht die geringste Spur von Zweifel oder Besorgnis in ihrer Stimme. „Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Wenn nötig, werde ich dem betreffenden Gentleman ein Bein stellen.

---ENDE DER LESEPROBE---