Mit ganzer Kraft schwach - Reto Kaltbrunner - E-Book

Mit ganzer Kraft schwach E-Book

Reto Kaltbrunner

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Beschreibung

Was bin ich noch wert, wenn ich krank bin? Wer bin ich, wenn ich keine Leistung mehr bringen kann? Diese Fragen stellen sich viele Christen, die mit chronischer Krankheit zu kämpfen haben. Der Autor Reto Kaltbrunner berichtet in diesem Buch von eigenen Erfahrungen und seinen Erkenntnissen. Er zeigt, dass Krankheit weder eine Strafe von Gott ist noch den Anfang völligen Zerbruchs bedeuten muss. Wir dürfen einen neuen Weg mit Gott finden, auf dem er in unserer Schwäche stark ist. Lassen Sie sich von Gott innerlich stärken, damit Sie seine Treue und Liebe immer wieder neu erleben, nicht nur auch, sondern vor allem in den schwierigsten Phasen Ihres Lebens!

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Seitenzahl: 279

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Reto Kaltbrunner

MITGANZERKRAFTSCHWACH

Gottes Stärke und unser Glaube,wenn Heilung ausbleibt

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27120-1 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-6226-5 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2024 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus

in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen.

Weiter wurden verwendet:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT).

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe

GmbH, Holzgerlingen (ELB).

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene

und überarbeitete Ausgabe, © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart (EÜ).

Hoffnung für alle. ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet

mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis - Brunnen Basel (HFA).

Lektorat: Silke Gabrisch, Stuttgart

Umschlaggestaltung und Titelbild: Erik Pabst, www.erikpabst.de

Autorenfoto: © Reto Kaltbrunner

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Inhalt

Über den Autor

Vorwort

1 Gott sieht meine wahrenStärken

2 Vielleicht heilt Gott mich heute?

3 Ich muss da nicht alleine durch

4 Ich bin kein Opfer

5 Habe ich etwas falsch gemacht?

6 Ich will es auch im Herzen fühlen

7 Niemand weiß, wie es mir wirklich geht

8 Ich bin Teil einer heilenden Gemeinschaft

9 Ehe hatte ich mir ganz anders vorgestellt

10 Wenn nur der Schmerz nicht wäre …

11 Mit Gott ist alles möglich

Anmerkungen

Über den Autor

Reto Kaltbrunner

(Jg. 1979) ist Founding & Leading Pastor im ICF St. Gallen. Seit 2018 ist Reto mit chronischer Krankheit konfrontiert, was sein Leben und Arbeiten stark beeinträchtigt. Reto lebt mit seiner Frau Corinne und den vier Söhnen im Raum St. Gallen in der Schweiz.

www.retokaltbrunner.com

Stimmen zum Buch

»Ein eindrückliches Buch! Reto Kaltbrunner öffnet allen Kranken und ihren Angehörigen eine Tür: Er zeigt, dass Gott immer da ist, und nicht erst am Ende des dunklen Tals auf uns wartet.«

LEO BIGGERSenior Pastor ICF Zürich & ICF Movement und Autor

»Pastor Reto Kaltbrunner stellt sich in seinem Buch einem zentralen Thema – dem Umgang mit Krankheit und Leid im Glauben. Seine eigenen Erfahrungen und die Beispiele von anderen, die er teilt, sind ein erhebendes Zeugnis dafür, wie der Glaube Menschen in schwierigen Zeiten tragen kann. Dieses Buch ist ein Hoffnungshelfer! Besonders dann, wenn noch kein Happy End in Sicht ist.«

TOBIAS TEICHENSenior Pastor ICF München, Autor

»Persönlich, ehrlich, Hoffnung weckend und fern von billiger Rhetorik. Reto Kaltbrunner schildert eindrücklich, wie er inmitten körperlicher Schwachheit und ungelöster Fragen erfährt, wie seine Perspektive sich weitet und sein Glaube sich vertieft. Herzliche Empfehlung!«

THOMAS HÄRRYTheologe und Dozent am TDS Aarau, Autor und Berater von Führungskräften

»Krank, und dennoch gesünder als jemals zuvor. Eigentlich ein Widerspruch, könnte man denken. Aber genau das ist die Realität von Reto Kaltbrunner, der einen Schicksalsschlag erlebt hat, der ihn bis zum heutigen Tag körperlich beeinflusst. Im körperlichen Leiden hat er den Wert von seelischer und geistiger Gesundheit entdeckt. Damit nimmt er uns alle mit auf eine einzigartige Reise der göttlichen Wiederherstellung. Kaum ein Buch könnte zeitrelevanter sein als dieses. In einer Gesellschaft, die alles unternimmt, um körperlich gesund zu sein, greift Reto die essenziellen Fragen des Lebens auf, die weit über die körperliche Gesundheit gehen. Absolut empfehlenswert!«

ANDREA DI MEGLIOAutor & Produzent der Filme »Real Life« und »Christ in you«

»Dieses ehrliche Lebenszeugnis von Gottes Stärke in der menschlichen Schwäche hat mein Herz berührt – insbesondere auch das seiner Frau Corinne über ihre Ehe. Ich kann dieses Buch wärmstens empfehlen. Das im letzten Kapitel erwähnte Zitat von Alan Redpath fasst die Grundüberzeugung von Reto Kaltbrunner gut zusammen: ›Es gibt nichts, keinen Umstand, keinen Test, der mein Leben berühren kann, ohne dass Gott nicht schon davor davon wusste. Und wenn es dann kommt, dann kommt es mit einer bestimmten Absicht, die ich im Moment noch nicht verstehe.‹«

HANSPETER NÜESCHEhem. Leiter »Campus für Christus«

»Die Lektüre ist ein echter Mutmacher für Männer in der Lebensmitte. Das Buch lädt ein, sich mit den eigenen Schwächen zu versöhnen und sich in der Kunst des Loslassens einzuüben. Kaltbrunners ehrliche Zeilen atmen Lebensreife, Gelassenheit und Gottvertrauen.«

RÜDIGER JOPEChefredakteur des Männermagazins »Movo«

»Es braucht Mut, nach der Diagnose mit der Krankheit CFS als Pastor weiterzumachen. Mut kennzeichnet Reto: Er hat Mut zur Schwäche, zur theologischen Innovation, zur Liebe, Familie und Mut zum Glauben, auch wenn die Heilung ausbleibt. Darin ist mir Reto ein Vorbild geworden und wird es auch seinen Lesern sein!«

PAUL BRUDERERChrischona-Pastor & Autor / danieloption.ch

»Mit ganzer Kraft schwach – allein der Titel spricht Bände. Und zwar Bände, die unsere Leistungs- und Burnout-Gesellschaft dringend braucht. Wahre Stärke ist kein ständiges »Mehr, Weiter und Größer«, sondern bedeutet, trotz und mit Schwächen geliebt und fruchtbar zu sein.«

MARCEL HAGERAutor von »Mann, unrasiert« & Co-Gesellschafter »Coachingplus GmbH«

»Reto Kaltbrunner gewährt uns einen schonungslosen Einblick in sein Seelenleben. Eindrücklich zeigt er Wege auf, wie ein hoffnungsvoller Umgang mit Schmerz möglich ist. Mit seiner Frau erzählt er auch, wie seine Krankheit ihre Ehe und Intimität verändert hat. Trotz ausbleibender Heilung wurde ich selten so ermutigt wie durch dieses Buch.«

ANDI DUBACHLeiter der Ev. Allianz in St. Gallen & Pfarrer »Kirche Bild«

»Reto Kaltbrunner nimmt uns mit, die Höhen und Tiefen des Stark- und Schwachseins mitzuerleben. Als Leser erlebt man auf jeder Seite dieses Buches die Realität eines Gottes, der mit uns ist. Oft hinterfragt der Autor gängige, christlich geprägte Überzeugungen, um Platz zu machen für eine vertrauensvolle Gottesbeziehung. Gerade da, wo ich nichts mehr von mir selbst erwarte, ist Gott auf seine Art in mir allmächtig. Lesenswert!«

NADJA L. WEINSTEINFachpsychologin FSP & Eidg. anerkannte Psychotherapeutin

»Reto Kaltbrunner überzeugt in seinem Buch mit einer ganzheitlichen Gottessicht: Gott heilt immer! Seine Heilung ist zuerst einmal geistlicher Art. Was nützt es uns, wenn wir körperlich gesund, aber geistlich krank sind? Gott begegnet uns als Ganzes – und da sieht Heilung sehr individuell aus. Dieses Buch ist erhellend und mutmachend.«

MARKUS ZÜGER, Unternehmensberater & Coach / zueger-beratung.ch

»Retos Buch ist hammer: ehrlich, authentisch und auf starkem biblischem Fundament. Es schenkt Hoffnung und Zuversicht, gerade wenn körperliche Heilung ausbleibt. Ich selbst kenne Zeiten körperlicher Schwäche und kann Retos Gedanken aus meinem eigenen Erleben bestätigen.«

OLIVER ENGLERPräsident »Benedikt BuchCafé« in St. Gallen

»Als ich mit 20 Jahren frisch zum Glauben kam und im ICF das Leben als Christ kennenlernte, zog es mich zu starken Leitungspersönlichkeiten wie Reto Kaltbrunner. Reto verkörperte als Leiter der ICF-Männerkonferenzen etwas Ungezähmtes und Vitales, das zu meinem Lebensgefühl passte. Leistungsdenken und Wettbewerb prägten auch mich in meiner Leiterschaft über viele Jahre (und tun es möglicherweise heute noch mehr, als ich wahrhaben will). Deshalb trifft mich dieses Buch mitten ins Herz. Vielen Dank, Reto, dass du uns an deinem ehrlichen Ringen teilhaben lässt. ›Sicher ist, dass jeder Leidende einen besonderen Auftrag von Gott erhalten hat‹, schreibst du in deinem Buch. Das trifft auf dich ganz bestimmt zu! Du hattest schon als junger Pastor einen reflektierten Blick aufs Leben; nun hat er durch deine Krankheitserfahrungen noch mehr an Tiefe und Schärfe gewonnen. Das spürt man sowohl in persönlichen Begegnungen mit dir als auch beim Lesen dieses wertvollen Buches.«

FLORIAN WÜTHRICHGeschäftsführer und Chefredakteur »Livenet«

»Dieses eindrückliche Buch ist der beste Beweis, wie aus vermeintlicher Schwäche Stärke werden kann. Es hat mich tief berührt, wie Reto uns an seinem Herzensprozess teilhaben lässt. ›Dünnholzchristen‹ gibt es genug, aber hier hat Gott in seiner Gnade eine geistliche Eiche heranwachsen lassen. Ohne seine Krankheit wäre Reto wohl nie zu dieser Größe und Reife herangelangt.«

MARKUS BÄCHLERGründer des ICF Chur

»Reto schafft es, uns in seinem Buch auf authentische Art und Weise auf den Weg seines persönlichen Zerbruchs mitzunehmen, der ihn zu seinem Herzen führte. Er weicht den Fragen, die viele haben, nicht aus, sondern geht sie offen und ehrlich an. Sehr ermutigend und hoffnungsspendend!«

CHRISTIAN WIELANDMitgründer des ICF Ticino & Teil der Leitung der »Heilsarmee Zürich-Oberland«

»Empathie und Hoffnung: Reto Kaltbrunner nimmt sich eines vermeintlichen Tabuthemas mit einer großen Portion Einfühlungsvermögen an und lässt uns über den Tellerrand unserer eigenen Einschränkungen schauen. Das macht Mut!«

JESSICA WOLLBACHLektorin / @buecherueberjesus

»Ich glaube tatsächlich, wenn ich mir irgendeinen neuen Titel aus dem Himmel hätte wünschen können, es wäre ein Buch zum Thema Hoffnung gewesen! Nach meiner Beobachtung leben wir in einer Zeit, in der vielen Menschen genau das fehlt. Retos Buch greift in zwölf Kapiteln auf seine einzigartige Art und Weise dieses Thema auf und schafft mit jedem Kapitel genau das: Er gibt seinen Lesern Hoffnung und hilft, eine neue Perspektive auf die eigenen schwierigen und auch leidvollen Situationen zu finden. Ich lernte Reto in der Situation kennen, als er sich schwach fühlte und die Heilung weit entfernt schien. Im Rückblick war genau das der Punkt, der mich ihm nah gebracht hat. Um aus so einem Loch wieder rauszukommen, muss man sich selbst, das eigene Leben und auch den eigenen Glauben neu hinterfragen. Das hat Reto gründlich getan und beschreibt es in seinem Buch. Er schreibt von Demut, davon, kein Opfer zu sein, und er beantwortet die in solchen Situationen oft bohrende Frage nach der Schuld mit viel Weisheit und Geduld. Reto stellt uns die Vision einer heilenden Gemeinschaft von Christen vor, in der neue Hoffnung entstehen kann. Ich glaube, dass dieses Buch vielen Menschen aufhelfen wird, sie ermutigen wird und ihnen neue Kraft geben wird.«

MARTIN DREYERAutor & Gründer »Jesus Freaks«

Vorwort

Du bist krank? Vielleicht sogar chronisch? Und du wartest auf Heilung? Du fragst dich, warum du nicht gesund wirst, was du falsch machst, wieso Gott nichts unternimmt bzw. wieso er dein Leiden zulässt?

Das kann ich sehr gut nachempfinden – mir ging es genauso! Denn nach knapp 20 Jahren als Pastor einer christlichen Freikirche änderte sich mein Leben schlagartig: Ich war ständig müde und mein Körper erholte sich nicht mehr. Davor hatte ich mich als einen der »Gesunden« gesehen und auch dementsprechend gepredigt. Nun war ich einer der »Kranken«. Schmerzen und Schwäche bestimmen seither meinen Alltag. In der Folge hat sich meine Sicht aufs Leben, auf Gesundheit und auch auf christliche Heilungsversprechen verändert. Was du hier lesen wirst, sind also keine reinen Theorien, sondern echte Erlebnisse und persönliche Lektionen aus meinem Leben.

Mit diesem Buch möchte ich dir eine Perspektive geben, wie du die Wartezeit bis zu deiner Heilung gestalten kannst – denn da bin ich mir ganz sicher: Gott heilt jeden! Die Frage ist nicht, ob er dich heilt, sondern wann! Allerdings werde ich dir keine Anleitung zur Heilung geben – weil es keine gibt.

Dieses Buch knüpft vielmehr da an, wo (chronisch) kranke Menschen und ihre Angehörigen hoffnungslos sind und vielleicht aufgegeben haben, mit Heilung zu rechnen. Dabei ist Gesundheit so viel mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit und Schmerz!

Darum will ich dir in den folgenden elf Kapiteln Hoffnung geben. Zum Beispiel …

•indem wir Auswege aus Opferland erkunden.

•dadurch, dass Schuldgefühle verschwinden und wir mit Gott Hindernisse überwinden.

•dadurch, dass Glaube auch in Krankheit funktionieren kann.

•weil Gott noch lange nicht fertig ist mit dir.

•dadurch, wie andere Gläubige Gott in ihrer Krankheit erleben und dass du auch in deiner jetzigen Situation für Gottes Reich wichtig bist.

Ich wünsche mir von Herzen, dass du zwischen den Zeilen Gottes ermutigende und sinnstiftende Stimme zu dir sprechen hörst. Dass du spürst, wie sich während des Lesens in deinem Inneren etwas verändert. Dass du dich neu orientieren und Mut fassen kannst. Dass du gestärkt wirst. Ich wünsche dir nichts mehr als eine Begegnung mit Gott!

Möge dieses Buch zu einer Stimme in deiner persönlichen Wüste werden.

Reto

1Gott sieht meine wahren Stärken

»Wenn du schwach bist, bin ich stark.«

No pain, no gain! – Ohne Schmerz kein Gewinn!

Der Zeitgeist

Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn ihnen gehört sein himmlisches Reich.

Jesus in Matthäus 5,3; HFA

Vorbildlich in allen Dingen …

Vor einigen Jahren hätte ich noch nicht so offen wie jetzt über den Umgang mit meiner persönlichen Schwäche schreiben können. Leistung zu erbringen und als stark wahrgenommen zu werden, war mir sehr wichtig. Dann kam ein Lebenssturm, der bis heute anhält und mich trotz allen Herausforderungen immer näher zu Gott führt. Hier ein kurzer Rückblick:

Ich war ein aktiver Mann um die 40, ständig auf Achse. Engagiert in meiner Ehe, mit unseren vier Jungs und im Beruf als Pastor. Solange ich zurückdenken kann, war es mir wichtig, etwas »am Laufen« zu haben. Als Jugendlicher war mein Lebensmotto »No risk, no fun!« (»Ohne Risiko kein Spaß!«) und beim Mountainbikefahren »Wer bremst, verliert!«. Beim Sport ging ich immer etwas über meine Grenzen. Sobald der Anstieg überwunden war, schaltete ich wieder einen Gang höher. Wenn mich beim Langlauf-Skating jemand überholte, ärgerte mich das unglaublich. Vor allem, wenn der andere einige Jahre älter war als ich.

Es war mir immer wichtig, mein Allerbestes zu geben. Gott sollte begeistert auf mein diszipliniertes Leben schauen und mir dabei lobende Worte zurufen. Unbewusst wollte ich durch meine Leistung mich selbst und andere beeindrucken und von Gott Anerkennung erhalten. Meine Predigten sollten nicht bloß inspirieren, nein, sie mussten Leben verändern. Und zwar von jedem Zuhörer, in jedem Gottesdienst! Telefongespräche führte ich am liebsten über die Freisprechanlage während einer Autofahrt: Das sparte Zeit und sollte dem Gesprächspartner vermitteln, wie viel beschäftigt und wichtig ich war. Eine E-Mail musste am besten sofort und sonst spätestens bis Feierabend beantwortet sein. Am liebsten aber frühmorgens, damit der Empfänger sehen konnte, dass ich ein fleißiger Frühaufsteher war. Obschon ich mir als Pastor meine Zeit frei einteilen konnte, war ich ständig gestresst. Morgens verließ ich das Haus als Erster, obwohl ich auch eine Stunde später hätte gehen können, um meine Familie bei den täglichen Vorbereitungen zu unterstützen. Aber die vermeintlich dringenden Termine riefen lauter als die Wünsche meiner Liebsten. Und an meine eigenen Bedürfnisse dachte ich damals so gut wie nie.

Fehlende persönliche Grenzen

Damit kein falscher Eindruck entsteht, muss ich anfügen, dass mir meine Familie auch früher schon sehr wichtig war! Allerdings habe ich nie wirklich gelernt, mich abzugrenzen. Deshalb gingen mir die schulischen und zwischenmenschlichen Probleme unserer vier Jungs sehr nahe. So nahe, dass ich mich innerlich übertrieben klar davon distanzieren musste. Ich befürchtete, dass mich die familiären Herausforderungen sonst sofort überfordern würden.

Außerdem sollte die Ehe zu meiner wunderbaren Frau beispielhaft sein: Es war mein Ziel, dass andere Ehepaare an unserem Vorbild Hoffnung schöpfen und die Liebe von Jesus zu seiner Gemeinde erkennen konnten (so wie es Paulus mehrmals beschreibt). Natürlich kann das ein positiver Effekt einer guten Ehe sein. Aber damals lag mein Fokus meistens außerhalb meiner eigenen und unserer ehelichen Bedürfnisse. So war mein Mangel an persönlichen Grenzen auch in unserer Ehe ein ernstes Problem. Obwohl ich mich bemühte, oft anwesend zu sein, fehlte die emotionale Nähe zwischen uns. Ich hatte schlichtweg keine wirkliche Beziehung zu mir selbst und hielt mein Herz ständig verschlossen, um unangenehmen und überwältigenden Emotionen aus dem Weg zu gehen. Ich war ein klassisches Beispiel für einen Ehemann und Vater, der zwar äußerlich anwesend, innerlich aber abwesend war.

Wenn sich eine Türe auftat, ging ich hindurch – denn jede neue Möglichkeit war eine Chance, die nicht verpasst werden sollte! Dabei prüfte ich nicht, ob der Zeitpunkt passte oder ob ich und meine Familie über die notwendigen Ressourcen verfügten. »Wieso hätte Gott diese Situation sonst geschenkt?« war meine innerliche Begründung.

Ein Beispiel aus den Ferien am Meer bringt diese Einstellung gut auf den Punkt: Mich faszinierte das Wellenreiten und Windsurfen schon lange – ich wollte mich gern mal so ins Segel hängen wie die Surfer, die ich oft beobachtete. Und so nahmen meine Frau und ich im Rahmen einer Ferienwoche an einem Surfkurs teil. Nachdem ich die Grundlagen verstanden hatte, stieg ich (immer noch unerfahren) auf das Surfbrett und ließ mich begeistert vom Wind ins offene Meer hinausziehen – ohne zu bedenken, dass meine Kraft und Fähigkeiten auch noch ausreichen mussten, um wieder gegen den Wind zurück an Land zu surfen. Als meine Freunde am Strand nur noch erbsengroß waren, startete ich einen unbeholfenen Versuch, umzukehren. Habe ich schon erwähnt, dass es mein erstes Mal auf einem Surfbrett war? Ich musste enttäuscht aufgeben, mich erschöpft aufs Surfbrett setzen, verzweifelt um Hilfe winken und auf meine Rettung warten.

Eine weitere Erwartung an mich selbst war viele Jahre lang, immer gut gelaunt und topmotiviert zu sein. Meine gute Stimmung sollte weder vom Wetter noch von anderen Menschen abhängig sein. Für zögernde und zurückhaltende Personen hatte ich darum wenig Verständnis. Wer nicht Vollgas gab, sollte sich ein Beispiel an mir nehmen … Heute ist mir klar, dass ich mir ein Beispiel an denen hätte nehmen sollen, die ihre Grenzen kannten und Zugang zu ihrer Gefühlswelt hatten. Meine übermenschlichen Erwartungen von damals fühlen sich heute erdrückend an. Eigentlich ist es kein Wunder, dass mir mein Körper an einem gewissen Punkt den Dienst versagte. Damals lebte ich, als müsste ich Gott, mir selbst und der Welt etwas beweisen.

Dann kam der Crash, der sich schon über mehrere Jahre angekündigt hatte. Leider waren mir damals die Ausdrucksformen meines Körpers noch eine Fremdsprache: Fühlte ich mich schwach, strengte ich mich noch mehr an und erstickte so den körperlichen Hilfeschrei im Keim.

Und plötzlich geht nichts mehr

Es begann im Herbst 2018: Ich war ständig müde, schlief regelmäßig zehn Stunden und fühlte mich auch mit einem zusätzlichen Mittagsschlaf nie erholt. Beim Joggen schienen meine Füße auf der Straße zu kleben, meine Beine waren schwer wie Blei, die Muskeln schmerzten. Eines Morgens war ich so schwach, dass ich nicht mehr aufstehen konnte. »Burn-out!« war nicht nur mein erster Gedanke. Auch mein Umfeld war überzeugt, dass mein Körper meinen übersteigerten Erwartungen nicht mehr nachkommen wollte. Doch abgesehen von den physischen Beschwerden ging es mir gut. Nach einem vierwöchigen Time-out im Bett konnte ich mich wieder aufrappeln. Unter großer Anstrengung versuchte ich so weiterzumachen, wie ich es von früher gewohnt war. Aber es war unmöglich. Meine Leistung reduzierte sich dauerhaft auf ca. 60 Prozent und trotz viel Schlaf erholte ich mich nicht mehr.

»Das ist halt so, wenn du 40 Jahre alt bist …!« war ein verzweifelter Versuch, das Unerklärliche einzuordnen. Dass der Körper alterte und an Kraft verlor, konnte ich akzeptieren. Aber so krass? Und in so kurzer Zeit? Das konnte nicht sein! Meine Frau und ich suchten Hilfe bei Ärzten, Naturheilpraktikern, Therapeuten und Seelsorgern. Als jemand für mich betete, bekam ich folgende Verheißung aus Hesekiel 36,11: »Ich will mehr Gutes für euch tun als je zuvor.«

Voller Erwartung, all dies »Gute« zu empfangen, wurde alles nur noch schlimmer: Die Krankheit kam mit noch größerer Wucht zurück! Der zweite große Crash folgte Anfang 2020. Meine tägliche Energie musste ich so einteilen, dass sie für Körperhygiene, den Gang aufs WC und zum Essen reichte. Jede Anstrengung war eine Herkulesaufgabe. In meiner Funktion als Pastor musste ich mich auf die notwendigsten Arbeiten fokussieren, die ich dann im Bett liegend zu bewältigen versuchte. Wenn ich das irgendwie schaffte, war das ein sehr guter Tag! Obwohl auch die ärztlichen Abklärungen mühsam waren, wollte ich die Wurzel dieses Übels finden, um sie auszureißen und dann ungehindert wieder dort weiterzumachen, wo ich hatte aufhören müssen. Ich ließ eine Magen- und Darmspiegelung über mich ergehen, scannte mein Hirn zweimal per MRT, war mehrmals beim Psychiater, mein Blut wurde rauf- und runtergetestet und ich besuchte verschiedene Neurologen.

Die Diagnose

Am 6. März 2020 formulierte es ein behandelnder Arzt so: »Es besteht ein hochgradiger Verdacht auf ›Chronisches Fatigue Syndrom‹ (CFS).« Diese eher unterschätzte Krankheit bedeutet eine Fehlfunktion des Immun- und Nervensystems und zeigt sich in beständiger Müdigkeit, Reizanfälligkeit, grippalem Gefühl, Schmerzen und Schwächezustand. Nach Belastung nehmen die Beschwerden zu.

Ja, das »C« steht für »chronisch« und bedeutet: langwierig, andauernd, fortlaufend. Meine ersten Gedanken dazu: »Eine chronische Krankheit? Bei mir? Unmöglich! Dann muss es doch ein Burn-out sein.« Doch die Psychologin schloss diesen Verdacht aufgrund meiner stabilen Psyche aus. Daher musste ich mich irgendwie damit abfinden, dass der oberste Chef, also Gott, meine Leistungsgrenze nun deutlich zurückgestuft hatte. Obwohl ich etwas erleichtert war, endlich eine Diagnose und damit einen Anhaltspunkt zu haben, war ich hauptsächlich frustriert! Von einer »normalen« Krankheit hätte ich mich erholen können, ich hätte eine Auszeit genommen und mich in Therapie begeben. So einfach stellte ich mir das zumindest vor. Aber das Wort »chronisch« jagte mir einen großen Schrecken ein! Ich war hin- und hergerissen: Auf der einen Seite wollte ich die Hoffnung auf ein Heilungswunder nicht aufgeben, auf der anderen Seite bestand die Möglichkeit, dass Gott mir und meiner Familie diesen Zustand auf unbestimmte Zeit zumuten könnte.

Meine Frau und ich sind auch heute entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um meine Gesundheit zu stärken und darauf zu vertrauen, dass Gott das tun wird, was außerhalb unserer menschlichen Grenzen liegt. Ich besuche regelmäßig Ärzte, habe Sitzungen mit meiner Psychologin, lasse mich von einem erfolgreichen christlichen Naturheilpraktiker beraten und lasse für mich beten. Gleichzeitig will ich vertrauen, dass er es gut mit mir meint – so oder so.

An dieser Stelle ist mir wichtig zu erwähnen, dass ich mit gesundheitlichen (und anderen) Ratschlägen zurückhaltend sein will, da jede Krankheit in ihrem Verlauf unterschiedlich ist. Ich schreibe aus meiner persönlichen Perspektive als jemand, der selbst von Krankheit und Schmerz betroffen ist und seit mehr als 20 Jahren eine Beziehung zu Gott pflegt. Jedes Leiden und die damit verbundenen Probleme sind real und der Umgang damit oft schwierig. Nicht jede Leidensgeschichte endet zu Lebzeiten so spektakulär wie die von Hiob, der ganzheitlich geheilt wurde. Aber jedes Kind Gottes hat die Hoffnung, spätestens in der Ewigkeit vollständig wiederhergestellt zu werden. So real unsere Herausforderungen im Leiden sind, so real ist diese göttliche Perspektive! Daran halte ich fest und das will ich in diesem Buch vermitteln.

Jeder ist wertvoll

Ich will mich nicht als »Kranken« bezeichnen. Lieber benenne ich meine Symptome (Schwäche, Schmerzen, bleierne Müdigkeit), denn die Krankheit definiert mich nicht, sie bestimmt nicht meine Identität. Zwar ist sie da und ihre Symptome sind real, allerdings nur temporär und für eine von Gott festgesetzte Zeit. Sie beeinträchtigt meine Leistung, ich bin körperlich kraftlos und habe Schmerzen, aber sie verändert nicht, wer ich bin, und auch nicht meine unersetzbare Rolle in Gottes Familie. Ich muss mir das auch selbst immer wieder sagen, denn meine spontane Reaktion auf die Schwäche war die Angst, dass Gott mich nicht mehr gebrauchen kann.

Ich glaube, dass viele Menschen mit einer Krankheit diese Angst kennen und sich disqualifiziert fühlen. Sie sehen sich nicht mehr als aktiven Teil des Teams auf dem Spielfeld, sondern passiv zuschauend auf der Ersatzbank. Sie glauben nicht, dass sie in der Verfassung sind, etwas Wertvolles zu Gottes großem Plan mit uns Menschen beitragen zu können. Diese Reaktion auf Schwäche ist menschlich, darf aber kritisch hinterfragt werden. Denn wir verbinden unseren Platz in »Gottes Mannschaft« oft mit einer konkreten Leistung oder einem aktiven Dienst. Allerdings sind wir so oder so Teil des Teams! Wir sind geliebte Kinder Gottes, ganz egal ob gesund oder mit Krankheit, ob leistungsstark oder auf fremde Hilfe angewiesen! Gott hat jedem Menschen die Fähigkeit gegeben, mit ihm in Verbindung zu treten. Und mit dieser Beziehung zum himmlischen Vater hat jedes Gotteskind eine wertvolle Rolle in Gottes Familie. Auch du und ich!

Diese Wahrheit findet sich immer wieder auf den Seiten der Bibel. Nachdem der Verfasser des Hebräerbriefes diverse bewundernswerte Vorbilder des Glaubens aufgezählt hat, folgen diese Zeilen:

Wieder andere wurden verhöhnt und misshandelt, weil sie an Gott festhielten. Man legte sie in Ketten und warf sie ins Gefängnis. Sie wurden gesteinigt, mit der Säge qualvoll getötet oder mit dem Schwert hingerichtet. Heimatlos, nur mit einem Schafpelz oder Ziegenfell bekleidet, zogen sie umher, hungrig, verfolgt und misshandelt. Sie irrten in Wüsten und im Gebirge herum und mussten sich in einsamen Tälern und Höhlen verstecken – Menschen, zu schade für diese Welt.

Hebräer 11,36-38; HFA

Die Rede ist hier offensichtlich von Menschen, die unter den Folgen von Gewalt und Verfolgung litten. Mein Fokus liegt an dieser Stelle nicht auf dem Ursprung unserer Leiden bzw. der Art und Weise, wie diese herbeigeführt worden sind. Vielmehr erlebe ich es als inspirierend und ermutigend zu sehen, wie Christen trotz ihrer Leiden Gott treu bleiben. Dass auch leidende Menschen in Gottes Plänen eine wichtige Rolle spielen, einfach nur darum, weil sie an ihm dranbleiben, wird in den anschließenden Versen aufgezeigt.

Sie alle haben Gott vertraut, deshalb hat er sie als Vorbilder für uns hingestellt. Und doch erfüllte sich Gottes Zusage zu ihren Lebzeiten noch nicht. Denn Gott hatte einen besseren Plan: Sie sollten mit uns zusammen ans Ziel kommen.

Hebräer 11,39-40; HFA

Die Bibel macht deutlich, dass leidende Christen durch ihr anhaltendes und unerschütterliches Vertrauen auf Gott zu leuchtenden Vorbildern werden. Ist es nicht eine große Chance, Gott auch in Leid und Krankheit treu zu bleiben und so ein Vorbild für andere zu werden? Könnte es sein, dass wir, die wir durch Krankheit und Leid gehen und trotzdem in einer vertrauensvollen Beziehung zu Gott bleiben, eindrückliche Glaubensvorbilder sind? Sicher ist, dass jeder Leidende einen besonderen Auftrag von Gott erhalten hat.

Meine Glaubenshelden

Glaubenshelden braucht es heute noch! Und Gott sei Dank gibt es sie, auch in deinem und meinem Leben. Diese Menschen ermutigen mich, auch in Zeiten von Krankheit und Leid an Gott festzuhalten. Nicht weil sie während Herausforderungen viel für Gott geleistet hätten, sondern weil sie ihm auch dann treu geblieben sind, als er weit entfernt schien. Einige können heute deutlich weniger, andere sogar so gut wie nichts mehr machen. Mindestens aus körperlicher Sicht nicht, denn das Gebet steht allen offen.

Zu meinem Freundeskreis zählen zwei pensionierte evangelische Pfarrer. Beide lieben Gott, trotz persönlichem Leid: Der eine fiel während des ersten Corona-Lockdowns im Jahr 2020 in eine Depression. Der andere hat körperliche Herausforderungen. Aber beide sind immer noch von Gott begeistert, sie haben nie aufgehört, Mut aus der Beziehung zu ihm zu schöpfen und ihm trotz allem zu vertrauen.

Ein weiterer Pastor leidet an einer seltenen Rückenkrankheit. Hätte sich unsere Beziehung in den letzten Jahren nicht zu einer Freundschaft entwickelt, wüsste ich wahrscheinlich nichts von seinem Leiden. Er behält es weitgehend für sich, lässt sich davon nicht disqualifizieren und strahlt ein göttliches Vertrauen aus, wie nur er es kann.

Eine Freundin von uns hat mehrere Jahre unter starken Depressionen gelitten. Sie hat die Beziehung zum himmlischen Vater nicht aufgegeben und arbeitet heute erfolgreich in der Erwachsenenbildung.

Ein Freund leidet noch heute unter den Konsequenzen seines jahrelangen Drogenkonsums. Zusätzlich bekam er mehrfach Corona und hatte noch Monate später mit den Folgen dieses fiesen Virus zu kämpfen. Er ist körperlich zwar stark eingeschränkt, vertraut aber weiterhin auf Gott und dessen Unterstützung, dass er ihm alles Nötige geben wird, um auch mit reduzierten Möglichkeiten den Randständigen und Süchtigen unserer Gesellschaft zu dienen.

Zu guter Letzt ist da noch Anna: Sie kann fast gar nichts mehr, ihre Krankheit schränkt sie stark ein. Doch wer Gelegenheit hat, sie zu besuchen, empfängt ein herzliches Lächeln und geht ermutigt nach Hause. Sie erzählt in Kapitel sieben ihre Story.

All diese Menschen wissen, was es heißt, ganz unten zu sein und ihren Glauben an Gott nicht aufzugeben. Sie sind meine persönlichen Glaubenshelden, weil sie an der Liebe Gottes festhalten! Bestimmt kennst auch du solche Personen. Oder vielleicht bist du in deinen aktuellen Umständen selbst ein Vorbild für andere?

Wer ist schuld?

Stell dir vor, Gott könnte seinen Plan nur mit gesunden Menschen verwirklichen … Dann gute Nacht! Denn jeder Mensch hat früher oder später mit einem Leiden irgendeiner Art zu kämpfen, sei es körperlich, psychisch, mit seinen eigenen Wesenszügen oder auch in Beziehungen.

Es gibt weltweit ca. 30 000 verschiedene Krankheiten.1 Die Global Burden of Disease Study (GBD) kommt zu dem Schluss, dass 95 Prozent der Weltbevölkerung über mindestens ein Gebrechen klagen, jeder Dritte hat sogar mehr als fünf Beschwerden. Somit habe ich mit 95 Prozent der Bevölkerung etwas gemeinsam: Zeiten, in denen ich mit der Unvollkommenheit des Lebens kämpfe und mich frage, »warum« oder »wozu« Gott etwas zulässt.

Das führt uns häufig zur Schuldfrage. Und so suchen wir die Schuld entweder …

•bei uns selbst

•oder bei den anderen.

Die einen finden die Fehler immer außerhalb ihres Wesens und Einflusses, die anderen suchen sie stattdessen bei sich selbst und geben sich die Schuld. Auch ich habe die Fehler zuerst bei mir gesucht. Mit der Zeit hat Gott mir aufgezeigt, dass ich eine unbewusste innere Überzeugung hatte, eine Art eingeimpfte religiöse Gleichung. Sie sah so aus:

Durch Austausch mit anderen ist mir bewusst geworden, dass ich nicht der Einzige bin, der so denkt. Läuft etwas anders, als wir es uns vorgestellt haben, fragen wir uns häufig: »Wo habe ich gesündigt? Was habe ich falsch gemacht? Wo bin ich Gott ungehorsam?« Wir wollen die »Schuldfrage« klären in der Hoffnung, diese sogleich ans Kreuz bringen zu können, Vergebung zu empfangen und gesund zu werden, um dann schnell weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Doch was, wenn Schuld gar nicht das Problem ist? Was, wenn ich weder mir selbst noch anderen die Schuld für mein Leiden geben kann?

Stellen wir uns vor, es wäre tatsächlich so. Wenn Schuld automatisch zu Krankheit führen würde, wären wir alle nicht nur ein wenig, sondern sterbenskrank … Doch die gute Nachricht lautet: Die Schuldfrage wurde geklärt! Vor ca. 2000 Jahren. Durch Jesus. Am Kreuz. Und da die Schuldfrage geklärt ist, muss es andere Gründe für Krankheit geben, denn sonst wären wir im Umkehrschluss alle immer gesund. Auch das entspricht nicht der Realität – doch dazu später mehr.

Die Bibel nennt unsere irdischen Körper »vergänglich«. Diese Beschreibung macht deutlich, dass wir Teil eines defekten Systems sind (1. Mose 3). Und sie ist eine Erinnerung daran, dass wir nicht auf diesen Planeten gekommen sind, um zu bleiben (Hebräer 11,13). Jedes Mal, wenn wir Schmerz und Leid erleben, weist uns Gott mehr oder weniger liebevoll auf unsere ewige Heimat hin. Auf den perfekten Ort mit einem makellos funktionierenden System, wo Gottes Kinder in Körpern leben werden, die kein Ablaufdatum mehr haben.

Auch wenn mein Körper schwach ist, sind meine Seele und mein Geist weiterhin funktionstüchtig und bereit, Gott zu dienen und ihm treu zu bleiben. Natürlich halte ich an der Hoffnung fest, dass Gott auch meinen Körper heilen wird! Wenn nicht morgen, vielleicht übermorgen. Aber ganz sicher dann, wenn ich in meinem neuen »ewigen Leib« leben kann, dieser perfekten Biotech-Maschine, die Gott allen seinen Kindern verspricht (2. Korinther 5,1).

Abhängig und doch eigenverantwortlich

Obwohl wir alle von Gott abhängig sind, haben wir die Möglichkeit, ja sogar die Verantwortung, unsere Leben aktiv zu gestalten. Ich bin der Überzeugung, dass Gott Krankheit und Schmerz in seiner allwissenden Weisheit und grenzenlosen Liebe zulassen kann. Gleichzeitig glaube ich auch, dass man nicht alles tatenlos über sich ergehen lassen darf! So beten meine Frau und ich, gemeinsam mit einer regelrechten Gebetsarmee von Familie, Freunden und Bekannten, weiterhin regelmäßig für meine komplette Wiederherstellung. Diese wertvolle Gebetsunterstützung ist oft real spürbar! Zum Beispiel indem Gott mir dabei hilft, meine immer noch ehrgeizigen Ziele nach unten anzupassen und in den Zeiten, wo ich weder Motivation noch Kraft habe, loszulassen und auf seinen Zeitplan zu vertrauen. Er schenkt nicht nur »zur rechten Zeit das rechte Wort, sondern auch den Willen und das Vollbringen« (Philipper 2,13) – so, wie es ihm gefällt, und zu seiner Zeit!

Zu beten ist die vielversprechendste Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, und somit der entscheidende Schritt bei Herausforderungen. Darum beten wir. Und wenn uns die Kraft oder der Glaube dazu fehlt, bitten wir andere, für uns zu beten. Indem wir zu unserem himmlischen Vater schreien und ihn um Hilfe bitten, übernehmen wir einen wichtigen Teil an Eigenverantwortung. Ein logischer zweiter Aspekt ist dann, unseren Umständen und Möglichkeiten entsprechend tätig zu werden.

Nach dem ersten Schock widmete ich mich der Suche nach Möglichkeiten, mein »Schicksal« auch mit menschlichen Mitteln zum Guten zu wenden. Viele CFS-Patienten berichten von langjährigen und massiven Einschränkungen. Es gibt aber auch diverse hoffnungsvolle Lebensberichte von Betroffenen. Davon inspiriert, probierte ich verschiedene Dinge aus: Einiges hat meinen Zustand spürbar verbessert, anderes nicht. Langsam und mit diversen Rückschritten konnte ich mein Leistungspensum fortlaufend bis auf 60 Prozent erhöhen. Das ist ein persönlicher Erfolg und gleichzeitig ein Geschenk Gottes! Aber was ist mit der Energie, die bis heute nicht zurückgekehrt ist?

Abschied vom »Wohlstandsevangelium« …

Unbewusst war Gott tief in mir mit einer Art »Wohlstandsevangelium« verwoben. Er ließ in meiner Vorstellung weder Krankheit noch Leid zu. Wer also durch Leid ging oder krank war, dem war Gott fremd! Oder er glaubte zu wenig! Oder er hatte gesündigt! Oder …! Oder …!

Als Pastor einer Gemeinde in einer wachsenden freikirchlichen Bewegung war es immer meine Überzeugung, dass wir Christen Zugang zu unbegrenzter übernatürlicher Kraft und Gesundheit haben. »Alles ist möglich dem, der glaubt!« (Markus 9,23) und andere Bibelverse befeuerten diese Einstellung. Doch egal, wie viel ich und andere für mich beteten, meine körperliche Kraft blieb klein. Meine natürliche Reaktion war, die negativen Umstände zu ignorieren, im Glauben weiterzumachen und ohne Rücksicht auf meinen Körper voranzugehen. Doch mit CFS ist das unmöglich, denn: Lebe ich über meinem körperlichen Limit, folgt der Crash – eine Zeit der totalen Erschöpfung. Ich wollte das nicht wahrhaben und probierte mehrmals erfolglos, meine körperlichen Grenzen rücksichtslos zu erweitern.