4,99 €
Für ihren Traum haben Caro und Ingo viele Jahre gespart. Sie wollten die Reise ihres Lebens nicht aus den Augen verlieren. Der Plan war eine Safari zu zweit, aber daraus wurde eine Reise zu viert. Der Ruf der Wildnis umhüllte sie, und alle Ängste, mit zwei kleinen Kindern auf so eine große Reise zu gehen, wich. Der tägliche Kampf mit dem Dachzelt und den langen Fahrtstrecken bot Platz für Streitereien. Die Vorstellung vom kuscheligen Löwen platzte, als er seine Beute vorstellte. Die Safari zeigte auch auf, wie faszinierend das Land Namibia und seine Menschen waren.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 222
Veröffentlichungsjahr: 2025
Halte an deinen Träumen fest und verliere sie nicht aus dem Herzen
Mit Löwengebrüll in den Flieger
Eine Familiensafari durch Namibia
Claudia Tülp
© 2025 Claudia Tülp
Coverdesign von: Dream Design - Cover and Art
Illustration von: Amelie
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland. Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Einleitung
Familie Schreier erfüllt sich ihren lang ersehnten Lebenstraum. Sie packen ihre Koffer für eine Safari durch das faszinierende Namibia. Auf dem afrikanischen Kontinent bedarf es nicht nur Mut, sondern auch Kraft und Geduld, wenn man mit kleinen Kindern reist. Nicht nur der lange Flug stellt eine Herausforderung dar, so auch die unbekannte Tierwelt, auf die sie stoßen werden. Die Vorfreude auf das große Abenteuer wird von Nervosität getrübt. Die Oma hat keinerlei Verständnis, dass ihre Tochter mit der Familie so eine Reise antritt. Bei den Kindern zählt nur der Wunsch, nach einem kuscheligen Zebra und den König der Tiere zu sehen. In ihren Fantasien werden sie von Geschichten über eine vielfältige Tierwelt und die unberührte Natur begleitet. Bis zu dem Moment, indem der Löwe seine Beute preisgibt. Einen Anblick, der für alle Zeiten in ihren Erinnerungen verankert sein wird. Der Familienvater hat sich eine Reise mit dem Dachzelt bequemer vorgestellt und steht täglich vor neuen Herausforderungen. Der Beginn der Reise läuft aus den Rudern und die Sorgen häufen sich.
Wird diese Reise dem langersehnten Traum gerecht werden?
Familienchaos
Endlich hielt Carmen die lang ersehnten Tickets in ihrer Hand. Sie und ihr Mann Ingo hatten sieben Jahre davon geträumt. Sieben lange Jahre verliefen anders, als sie es geplant hatten.
Nach der Heirat planten sie ihre Hochzeitsreise nach Namibia. Sie durchstöberten das World Wide Web und ließen sich von Reiseprofis beraten. »Möchten wir in die Lodge oder mit einem Auto mit Dachzelt das Abenteuer Afrika erleben?«, stellten sie sich die Frage. Sie hingen abends über der Landkarte Namibias bei einem Glas südafrikanischen Rotwein. In ihrer Fantasie erzählten sie sich Geschichten, wie der Löwe morgens vor ihrer Tür stehen wird oder unter ihrem Dachzelt brüllt. Sie lachten gemeinsam und liebten sich auf dem harten Fußboden neben der Landkarte in der kleinen Zweizimmerwohnung.
Der Traum war zum Greifen nahe, als er platzte. Sie wurde schwanger und die Blase der Träume zerfiel zu Staub. Es war nicht geplant, aber das Schicksal hatte einen anderen Weg für beide vorhergesehen. Felix wurde geboren und ihre Welt veränderte sich. Auf einmal waren sie besorgte Eltern und ihre eigenen Träume schoben sie beiseite. Zu groß war die Angst, dass mit einem Baby etwas in einem fernen Land wie Namibia passierte.
Carmen blieb das erste Jahr mit dem Kleinen zu Hause, unterdessen Ingo in der Werkstatt seines Arbeitgebers Überstunden erarbeitete. Abends kam er müde nach Hause und schlief schneller ein als der kleine Felix. Sie kauften sich ein Haus und zogen um. Dabei räumte Carmen den Schrank aus. Sie zog einen Stapel Papiere heraus, und die Landkarte von Namibia fiel ihr vor die Füße. Sie hob die Karte auf und legte sie in einen der Umzugskartons. Das Land musste warten. Sie hatten jetzt andere Prioritäten in ihrem Leben.
Sie sprach mit ihrem Arbeitgeber und reduzierte ihre Stunden. Mit der Hilfe ihrer Eltern und Schwiegereltern war das Kind gut versorgt und sie stieg wieder in das Arbeitsleben ein. Doch sie wurde erneut schwanger. Ja, sie wünschten sich eine Familie, aber sie wollten nicht auf all ihre Träume verzichten. Ingo arbeitete wieder mit Überstunden und Carmen blieb jetzt ganz zu Hause. Mit zwei kleinen Kindern war an eine feste Beschäftigung nicht zu denken. Der Haushalt und die beiden Kinder hielten sie auf Trab. Gerne würde sie, so wie ihr Mann, morgens das Haus verlassen und abends erst wiederkommen. Sie empfand sich hin und wieder wie eine Art Milchkuh. Die kleine Marie hing nur an der Brust und sie hatte das Gefühl, Marie nicht satt zu bekommen. Nachts schrie sie und tagsüber sowieso. Sie fütterte zu, aber es änderte sich nichts. Sie hofften, dass es die Drei-Monats-Koliken waren, aber nein, sie hörte nicht auf zu schreien. Caro war ein Nervenbündel und die dicken Augenringe bestätigten das.
Ihre Mutter kam mehrmals die Woche und nahm Felix mit auf den Spielplatz oder schob Marie im Kinderwagen durch die Straßen. Carmen nutzte diese stillen Momente, indem sie sich kurz hinlegte oder ausgiebig duschte. Carmens Mutter hatte die Angewohnheit jederzeit ihre Meinung zu äußern, auch wenn es nicht angebracht war. Ihre Mutter mischte sich gerne in die Familienangelegenheiten ein und meinte, dass ihre Meinung umgesetzt werden musste. Carmen holte grundsätzlich tief Luft und schwieg. Sie wusste, wie wichtig ihre Mutter jetzt gerade war. Ingos Eltern brachten einmal die Woche ein Schlemmermahl vorbei, damit ihr Sohn etwas Anständiges zu essen bekam. Zumindest hatte Carmen den Eindruck. Sie war ihnen allen trotzdem dankbar, dass sie beide Omas und Opas an ihrer Seite hatte und sich jederzeit auf sie verlassen konnte.
Marie war ein Schreikind. Sie stresste nicht nur Carmen, sondern ließ auch Ingo nachts nicht schlafen. Er zog mehrfach nachts aus und schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer. Das Kinderzimmer lag direkt neben dem Schlafzimmer und man hörte jedes Wort.
Eines Morgens wachte Caro auf und sah erschrocken auf den Wecker. Es war 6 Uhr morgens und sie hatte die Nacht durchgeschlafen. Sie sprang aus dem Bett und lief ins Kinderzimmer. Sie hatte eine schreckliche Vorahnung, da die Kleine sich die Nacht nicht gemeldet hat. Sie beugte sich über das rosafarbene Bettchen und schob die Winni Puuh Decke beiseite. Marie schlief friedlich und nuckelte an ihrem Tuch. Ab diesem Tag war das Schreien vorbei. Der Alltag normalisierte sich und Carmen konnte mit Felix und Marie Kinderangebote wahrnehmen. Sie besuchten einmal in der Woche ein Jugendhaus, wo sich Mütter mit den kleinen Kindern trafen. Felix powerte sich mit seinen Freunden auf dem Spielplatz aus und Marie schob Bauklötze hin und her.
Als Felix in den Kindergarten kam und die kleine Marie in eine Krippe suchte sich Carmen einen Halbtagsjob in einem Supermarkt. In ihrem Beruf als medizinische Fachangestellte passten die Arbeitszeiten nicht mit den Kinderbetreuungszeiten überein. Was hatte sie für einen Stress, als sie nach Felix wieder anfing zu arbeiten! Selten kam sie pünktlich aus der Praxis und es gab ständig Ärger mit den Kollegen, wenn sie darauf drängte, nach Hause zu müssen. Auch wenn die Omas oder Opas jederzeit bereit waren einzuspringen, sah sie es immer noch als ihre Pflicht sich um den Nachwuchs zu kümmern. Sie wollte den Tagesablauf gemeinsam mit ihren Kindern gestalten und nicht zum Telefon greifen und um Hilfe bitten.
Hin und wieder fragte sie sich, ob sie glücklich war. Sie liebte ihre Familienbande, aber das Leben hatte sich grundlegend verändert. Ingo war abends müde und die Wochenenden verbrachten sie mit anderen Familien und nur, weil die Kinder sich untereinander gut verstanden. Am Sonntag fuhren sie zu einem der Omas und Opas zum Kaffeetrinken und planten die Woche gemeinsam. Die Zweisamkeit blieb auf der Strecke und Streitigkeiten begleiteten sie durch den Alltag.
Jetzt hielt sie die vier Flugtickets in der Hand. Ein Traum wurde wahr. Ingo hatte sich seine Überstunden auszahlen lassen und einen Teil davon in die Tickets investiert. Ihr Einkommen aus dem Supermarkt hatte sie zur Hälfte auf einem Sparbuch angelegt. Nun waren die Flugtickets bezahlt und der großen Reise stand nichts mehr entgegen. Zuvor diskutierten sie viele Abende, wann der beste Zeitpunkt zum Verreisen war. Sie beschlossen, dass es am sinnvollsten wäre, bevor Felix zur Schule kam, und legten den kommenden Februar fest. Aufgeregt durchstöberte Carmen wieder das Internet nach bezahlbaren Flügen für die ganze Familie. Der Direktflug wäre vermutlich für die Kinder das Einfachste, aber die Kosten sprengten den Rahmen. Der bezahlbarste Flug war mit Ethiopian Airlines und sie mussten in Addis Abeba umsteigen. In der kurzen Umsteigezeit von 2 Stunden konnten die Kinder sich noch einmal austoben, bevor sie die letzte Route nach Namibia weiterflogen. Das allein war schon ein aufregendes Abenteuer für sich. Jetzt war es an der Zeit eine kinderfreundliche Reiseroute festzulegen, um Langeweile bei den langen Autofahrten zu vermeiden. Somit sollte Google Maps mithelfen. Sie suchte die Landkarte hervor und kaufte einen südafrikanischen Rotwein. Sie träumte von früher und wurde rot bei dem Gedanken, wie sie nackt neben der Landkarte gelegen hatten.
Sie brachte die Kinder zu Bett und stellte zwei Weingläser auf den Tisch. Carmen hatte ein paar Stücke Käse und einen Olivendip von dem kleinen Verkaufswagen an der Ecke gekauft. Sie wusste, dass Ingo heute etwas später nach Hause kommen würde, da ein Kunde für 18 Uhr noch einen Termin vereinbart hatte. Somit säuberte sie das Geschirr und setzte sich auf die Terrasse. Sie sah zur Uhr. Es war schon halb neun. So spät kam er selten von der Arbeit nach Hause. Sie schaute auf ihr Smartphone. Mittags hatte er nur geschrieben, dass sie in der Werkstatt etwas zu essen bestellen, sonst nichts. Sie legte das Telefon zurück auf den Wohnzimmertisch und wartete.
Traumlos
Es war weit nach 22 Uhr, als Ingo angetrunken durch die Haustür herein wankte. Carmen war ins Bett gegangen und hatte die Flugtickets auf den Tisch liegen lassen. Sie kochte vor Wut. »Es ist doch nicht schwer, eine Nachricht zu schreiben?«, schimpfte sie leise vor dem Spiegel im Badezimmer und begab sich zu Bett. Sie hörte die Haustür laut ins Schloss fallen und ein Kichern. Ihr war klar, dass Ingo mehr als ein Bier getrunken hatte. Als er das Schlafzimmer betrat, stellte sie sich schlafend. Andernfalls würde es eskalieren und die Kinder wachten auf. Ingo sagte nichts und legte sich neben sie ins Bett. Sein Alkoholgeruch drang wie eine Dampflok näher. Keine 3 Minuten später schnarchte er lautstark. Carmen stand auf, nahm ihre Bettdecke und schlich hinunter auf das Sofa im Wohnzimmer. Diese Nacht würde sie garantiert nicht schlafen und starrte in Richtung der Flugtickets. Sie stand auf und legte die vier Tickets samt Landkarte zurück in den Schrank, so auch die Weingläser. Der geeignete Moment dafür wird schon noch kommen. Sie schaute aus dem Wohnzimmerfenster in die pechschwarze Nacht. Etwas spiegelte sich hinter ihr. Sie dreht sich abrupt um. Nichts. Sie sah wieder Richtung Fenster und erblickte jetzt das Familienfoto in der Spiegelung. Es sah tatsächlich so aus, wie ein riesiger Berg mit zwei Tieren davor. Ihre Fantasie ging mit ihr durch und sie kroch unter ihre Decke auf dem Sofa.
Sie musste eingeschlafen sein, denn die ersten Sonnenstrahlen weckten sie am frühen Morgen. Im Haus war es still. Sie packte schnell ihre Bettdecke zusammen und brachte sie zurück ins Schlafzimmer. Ingo lag noch schlummernd im Bett. Sie legte vorsichtig ihre Decke neben ihn und huschte ins Badezimmer. »Ein neuer Tag und neues Glück«, sprach sie wieder mit ihrem Spiegelbild und kämmte sich die kurzen Haare schnell über. Die Haare ließ sie sich nach der Geburt von Marie abschneiden. Sie hatte keine Zeit, die langen Haare morgens zu stylen, so wie sie es früher gemacht hatte. Da stand sie morgens ewig vor dem Spiegel mit dem Lockenstab. Alles musste perfekt liegen und wenn das Wetter regnerisch war, verließ sie das Haus nicht ohne Regenschirm. Nach Felix trug sie nur noch einen Haarzopf. Es fehlte ihr die Zeit und sie hatte auch keine Lust dazu, sich morgens erst stundenlang zu stylen. Es fiel sogar ihrem Ehemann auf, der sie eines Tages darauf ansprach. »Mücke, warum schneidest du die Haare nicht endlich ab. Ich kenne dich nur mit diesen Gummibändern im Haar.« Der Name Mücke stammte aus ihrer Kennenlernphase. Sie trafen sich frisch verliebt an einem späten Nachmittag nach der Arbeit am See. Die Dämmerung setzte ein und die Mücken stürzten sich auf Carmen. Sie war von oben bis unten zerstochen. Kaum hatte es Ingo ausgesprochen, holte sie sich einen Termin beim Friseur und spendete den abgeschnittenen Teil der Krebshilfe. Sie nahm die Luft im Nacken wahr und im Spiegelbild sahen die kurzen Haare ästhetisch aus. Als Ingo an diesem Abend nach Hause kam, sah er sie etwas verwirrt an, nahm sie in den Arm und flüsterte: »Schick siehst du aus.« Seitdem waren sie kurz. Obwohl sie nicht annahm, dass Männer kurze Haare mochten, war es jetzt egal. Sie wusch sich, nahm sich leise eine Jeanshose und ihren blauen Lieblingspullover aus dem Schrank. Sie zog sich kurzerhand auf dem Flur an. Ein kurzer Blick auf die Uhr und sie wusste, dass sie eine halbe Stunde Zeit hatte, bis Ingos Wecker klingelte.
Sie kochte Kaffee und schmierte die Brote für ihren Mann. Morgens tranken sie zusammen einen Kaffee und erst danach bereitete sie das Frühstück für die Kinder zu. Sie hatte in der Schwangerschaft einiges zugenommen. Gerade wenn die vier gemeinsam unterwegs waren, bemerkte sie, wie Ingos Blicke zu den schlanken Frauen wanderten. So war sie auch einmal. Abends joggte sie und im Sommer nahm sie die Inliner und fuhr damit nach der Arbeit nach Hause. Sie liebte es, den Stress abzulaufen. Jetzt fiel es ihr so schwer, abzunehmen! Erst recht nicht, wenn die Kleinen ihr die Süßigkeiten vor die Nase hielten oder das Mittagessen nicht aufaßen. Sie hatte gelernt, dass man Essen nicht wegwirft, und aß selbst die kleinen Reste mit auf. Das war jetzt vorbei. Sie warf das Übriggebliebene der Kinder weg und stellte die Ernährung um. Sie hatte es irgendwie geschafft, doch noch 12 Kilo abzunehmen, und damit war sie zufrieden. Klar, die engen Klamotten von früher passten nicht mehr, aber für sie war es okay. Zwei Kinder hinterließen ihre Spuren. Auch Ingo wurde nicht jünger und trug nun einen kleinen Bierbauch mit sich herum.
Sie hörte Schritte auf der Treppe. Ingo betrat die Küche. »Morgen, oh man, habe ich einen Schädel.« Carmen schwieg und füllte beiden jeweils einen Becher mit Kaffee. Er setzte sich an den Küchentresen. »Es tut mir leid, aber es war eine nette Runde und ich hatte vergessen, dir eine Nachricht zu schreiben.« Sie nickte stumm. Es fing wieder an in ihr zu brodeln.
»Mücke, es tut mir leid«, bettelte er. Sie stellte ihm den Kaffeebecher auf den Tresen und setzte sich ihm gegenüber auf den Hocker.
»Ach Mensch Caro, keine Szene am frühen Morgen. Ich habe Kopfschmerzen.« Sie starrte ihn an. Hatte sie schon etwas gesagt?, schoss es ihr durch den Kopf. Er schlürfte wie gewöhnlich morgens den heißen Kaffee. Sie hasste es und heute besonders.
»Erde an Caro. Ich gehe gleich und du hast Zeit zum Maulen.« Sie stellte ihren Becher vor sich ab, bevor der heiße Kaffee auf ihrem Gegenüber landete. »Es wird nicht so schwer sein, eine kurze Nachricht zu schreiben. Ich sitze hier und warte tatsächlich abends darauf, dass mein Ehemann nach Hause kommt. Leider sieht der Herr des Hauses darin keine Dringlichkeit. Ingo, lass gut sein. Es bringt jetzt nichts, darüber zu diskutieren.« Ihre Stimme war energisch und Ingo beschloss, lieber den Mund zu halten, bevor es zu einem Streit aufkochte. Er schluckte schnell den restlichen heißen Kaffee hinunter und nahm seine Brote. Er stand auf und warf ihr eine Kusshand zu. Es kehrte Ruhe ein. Sie sah auf das Familienbild. So sehr sie ihre Kinder auch liebte, fragte sie sich dennoch, warum waren sie nicht zu zweit geblieben? Namibia hatte sie schon Jahre der Sparsamkeit gekostet und das war nicht das Ende. Als Nächstes war es ein Schaden am Haus oder der Kurzurlaub. Sie hatten keinen finanziellen Puffer, da konnte Ingo noch so viele Überstunden machen. Sie sah auf die Küchenuhr hinter ihr an der Wand. Es war Zeit, die Kinder zu wecken. Sie erhob sich und lief die Treppe hinauf.
Nervend zerrend
Die große Reise stand endlich bevor. Morgens redeten alle beim Frühstück durcheinander. »Wir werden Löwen sehen!«, rief Felix und machte lautstark ein Löwengebrüll nach.
»Nein, davor habe ich Angst. Ich möchte ein Zebra sehen«, entgegnete Marie und sah verträumt in ihren Kakao.
»Davon wirst du genug sehen«, meinte Ingo. »Ich habe gelesen, dass es unterschiedliche Arten von Zebras gibt, wie das Bergzebra oder das Steppenzebra.« Carmen nickte. Sie hatte gesehen, wie ihr Mann in den letzten Wochen Bücher verschlungen hatte. Seitdem die Unterkünfte gebucht und das Mietfahrzeug bestellt waren, verbrachte Ingo die Zeit mit Lesen. Sie hatten sich auf eine Mischung von Campingplätzen und festen Unterkünften geeinigt. Tagelang schrieben alle kleine Karteikärtchen und notierten oder malten, was sie sehen wollten. Anhand der Karten versuchten Carmen und Ingo, eine 14-tägige Reise zu erstellen. Ja, auch die Kinder machten mit. Die Kinder schnitten aus Reisekatalogen heraus, was für sie wichtig war und klebten das auf die einzelnen Kärtchen. Bei Marie waren es allerdings nur Tiere in der Wildnis, während Felix sich auf einer Karte den Besuch auf einer Krokodilfarm wünschte. Er liebte Krokodile und hatte einige Figuren bei sich im Zimmer stehen. Ingo und Carmen würfelten die Kärtchen so zusammen, dass eine Reiseroute entstand. Sie hockten ein ganzes Wochenende über dem Wohnzimmertisch und klebten die Kärtchen auf die Landkarte. Auch wenn die Planung anders verlief, hatten sie dennoch genauso viel Spaß miteinander. Sie lachten und erzählten sich Geschichten von kleinen Zebras, die über die Steppe springen und Löwen, die ihren dicken Bäuche in die Sonne hielten. Am Abend sahen sie sich den Film König der Löwen auf DVD an. Jeder hatte seine eigenen Vorstellungen von diesem Urlaub und keiner wusste, was in Wirklichkeit auf sie zukam.
Um 16 Uhr kam Ingos Vater, um die vier zum Flughafen zu fahren. Alle Koffer und Rucksäcke wurden in den Kofferraum verfrachtet. Das Auto war ein Kombi, sonst hätte das alles nicht hineingepasst. Die beiden Mütter von Ingo und Carmen standen in der Abflughalle und warteten bereits auf die Vier. »Oma, Oma«, rief Marie schon von Weitem und umklammerte jeweils ein Bein der Omas. »Wir fliegen jetzt nach Afrika«, rief Felix und brüllte wie ein Löwe.
»Es ist wirklich ein großes Risiko, so eine Reise mit den Kindern zu unternehmen! Was denkt ihr euch dabei? Die fremden Tiere und die gesundheitlichen Risiken. Wie könnt ihr so unvernünftig sein?«
»Nein, Mama. Das Thema hatten wir schon. Es ist alles in bester Ordnung. Wir waren beim Kinderarzt und haben es besprochen. Es besteht keine Gefahr für die Kinder und nicht für uns. Lass es jetzt bitte!« Carmen war die Diskussion mit ihrer Mutter lästig.
»Kommt Papa nicht?«, fragte sie stattdessen.
»Nein, der ist bei Onkel Frank. Er ist mit dem Auto liegengeblieben und muss abgeschleppt werden. Du kennst ihn ja. Nein sagen, liegt ihm nicht. Ich soll euch eine aufregende Reise wünschen und viele positive Erlebnisse. Er schreibt dir später noch eine Nachricht, Caro.« Ihre Eltern nannten sie schon immer Caro. Eines Tages fragte sie ihre Mutter, warum das so war, und sie erklärten ihr, dass der Standesbeamte den Namenseintrag abgelehnt hatte, weil es sich um eine Kurzform handelte und sie deshalb den Namen kurzerhand erweiterten. Der Name Carola war nicht nach ihrem Geschmack, und so kam ihnen Carmen in den Sinn. Somit hieß sie auf dem Papier Carmen, aber alle nannten sie Caro.
Die Familie gab ihr Gepäck auf und alle lagen sich kurz in den Armen. Caros Mutter drückte Marie ein kleines Plüschzebra und Felix einen kleinen Löwen in den Arm.
Marie fing zu weinen an, als sie winkend durch den Eingang in Richtung Zoll lief. Felix brüllte wie ein Löwe und hielt den Löwen dabei in die Luft. Sie durchquerten den Zoll und an den Kuscheltieren wurde ein Drogentest durchgeführt. »Papa? Sehen wir so böse aus, dass die meinen wir schmuggeln?«, fragte Felix irritiert. Der Zollbeamte drückte Felix das Tier wieder in die Hand und sagte: »Nein junger Mann, das ist nur eine Routinemaßnahme.«. Aufgeregt rannten die Kinder durch den Abflugbereich und spielten dabei mit ihren neuen Stofftieren. Sie hatten noch eine Stunde Zeit, bis sie mit dem ersten Flugzeug nach Frankfurt flogen. Ingo nahm seine Frau an die Hand und zog sie zum Tresen. Er bestellte ihr ein Glas Sekt und für sich ein Bier. »So, Mücke, jetzt lass mal alle Sorgen hier. Wir haben Urlaub und werden jeden Tag genießen. Wir haben lange für diesen Traum gespart.« Caro nickte und bekam Tränen in die Augen. Er hatte so recht. Ein Traum wurde wahr. Sie prosteten sich zu und der Urlaub wurde eingeläutet.
Beim Einchecken waren die Kinder aufgeregt. Keiner von beiden ist bisher geflogen. Sie bestiegen die kleine Maschine und Caro empfand alles sehr beengt. Sie saß mit Marie auf der einen Seite und Ingo mit Felix auf der anderen Seite des Ganges. Felix sah aus dem Fenster und Marie saß still auf dem Platz. Caro erklärte beiden, wie sie sich anzuschnallen hatten. »Guck mal, da ist Opa!«, rief Felix aus. Ingos Vater stand auf der Besucherterrasse und winkte wild. Felix winkte zurück. Die Stewardess schlich durch die Reihen und überprüfte, ob jeder angeschnallt war.
»Mama?«, flüsterte Marie.
»Ja, was ist?«
»Warum müssen wir uns anschnallen?«
»Es kann mal passieren, dass wir durch einen Windstoß heruntergedrückt werden und dann klebst du oben an der Decke«, versuchte Caro ihr das spaßig zu erklären, damit sie nicht noch mehr Angst bekam.
»Aha und wann passiert so was?«
»Das ist sehr selten und ich habe das noch nicht erlebt.«
»Bist du schon viel geflogen?«, fragte Felix jetzt.
»Nein, nur einmal mit eurem Vater nach Spanien.«
»Ist das auch so weit weg, wie Afrika?«
»Felix, wir fliegen nach Namibia und nein, Spanien ist nicht so weit.«
Die Maschine setzte sich in Bewegung. Marie hielt sich verkrampft an dem Stofftier fest. Das Flugzeug durchbrach die dunklen Wolken und ein strahlender blauer Himmel begrüßte sie in der Luft. Nach knapp einer Stunde setzen sie schon wieder zur Landung an. »Das war gar nicht schlimm«, meinte Marie und sie verließen das Flugzeug.
In Frankfurt holte sie das Chaos ein. Sie suchten auf der Schautafel nach dem Flug und fanden ihn für das Gate C21. Ingo sah sich um. »Wie kommen wir jetzt zu diesem Gate?« Auch Caro blickte sich irritiert um. »Da hinten steht etwas von Gate A-C.«, rief sie. Sie liefen den endlosen Gang entlang und standen wieder vor einem Abzweig. Sie folgten der Ausschilderung und befanden sich vor dem Zoll. Sie legten alle ihre Pässe vor. Der Zollbeamte sah sich die Kinder genau an. »Na, geht es in den Urlaub mit Mama und Papa?« »Jaaa«, riefen beide zugleich und Felix ergänzte: »Nach Namibia.« »Guten Flug«, und sie erhielten die Reisepässe wieder zurück.
Ein langes Laufband lief in Richtung Gate A-C. »Was ist das?«, fragte Marie. »Damit du nicht so viel laufen musst, kannst du auf diesem Laufband schneller vorankommen.« »Oh ja! Das ist ja toll«, und die Kleine rannte los. »Marie! Pass bitte auf!«, rief Caro und sie folgten alle. Sie wechselten das Laufband und es ging unendlich so weiter. Nach dem dritten Band kam endlich das Schild Gate C. Es war still um sie herum und sie hatten das Gefühl, als einzige von hier abzufliegen. Sie standen wieder an einem Abzweig. »Wer hat diesen Flughafen entwickelt?«, schimpfte Ingo. Sie wanderten weiter. »Wann sind wir da?«, fragte Felix. »Wenn ich das mal wüsste«, antwortete Ingo verärgert. Ein kleiner Kiosk stand mit heißen Würstchen und Kaffee einsam in dem langen Flur. »Bekommen wir eine Wurst?«, rief Felix, als er das Schild sah, mit der Bockwurst im Brötchen. »Nein, das ist hier am Flughafen viel zu teuer.« Caro schob ihn daran vorbei. »Ich habe aber Hunger« »Ja, du bekommst im Flugzeug etwas zu essen.« »Das dauert aber noch.« Schmollend lief Felix weiter. Hinter der nächsten Kurve war das Schild Gate C. Sie hatten es geschafft. Sie ergatterten eine Bankreihe und warteten auf den Check-in. Hier war nichts außer den Sitzreihen. Ein paar unterschiedliche Kulturen saßen hier und warteten geduldig auf den Abflug. Marie war eingeschlafen und ihr Kopf lag auf Caros Schoß. Felix schaute sich müde die Menschen um ihn herum an, bis auch er die Augen schloss. »Hier gibt es ja gar nichts, außer Toiletten«, meinte Ingo. »Ich gehe etwas wandern, bevor wir stundenlang im Flieger sitzen.« Caro nickte und blieb bei den Kindern. Zwei Stunden später wurde der Flug aufgerufen. Sie betraten das Flugzeug und Caro hoffte, dass die Kinder wieder einschliefen, wenn der Flieger erst einmal in der Luft war.
Landeanflug in Äthiopien. Caro hatte den Nachtflug genossen. Die Kinder waren direkt nach dem Start eingeschlafen. Es war schon fast Mitternacht, als sie ihr Abendessen bekamen. Zu dieser ungewöhnlichen Uhrzeit fiel es Caro schwer, überhaupt etwas zu essen. Die folgenden 6 Flugstunden vergingen recht schnell. Ingo sah sich einen Film an und schlief dabei ein, während Caro ein Buch dabei hatte. Sie versuchte, sich mit Biltong zum Frühstück auf Namibia einzustimmen. Die Geschichte einer jungen Frau, die nach Namibia ausgewandert war. Sie fand es mutig und tauchte ein in das Leben von Jette. Als das Licht im Flieger anging, wusste sie, dass sie fast in Äthiopien waren. Sie versuchte, die Kinder zu wecken. Marie empfand die Uhrzeit nicht witzig und knurrte wie ein wildes Tier, als sie die Augen öffnete. Caro befürchtete, dass sie jetzt die nächste Stunde übel gelaunt sein würde. Felix sprang auf und schaute aus dem Fenster. »Da draußen ist ja noch alles dunkel!«, meckerte er.
»Wir bekommen erst ein kleines Frühstück und hinterher beginnt der Landeanflug«, erklärte sie ihm. Bockig nahm Felix die Arme vor der Brust. »Und dann?« Caro streichelte ihm über seinen Kopf, aber er zog ihn weg.
»Wir haben 2 Stunden Aufenthalt in Äthiopien und fliegen den restlichen Weg weiter bis nach Windhoek. Das hatten wir zusammen besprochen.«
»Ich will aber nicht länger im Flugzeug sitzen. Das ist sooo langweilig.«
»Felix bitte. Nicht so laut. Hier sitzen noch andere Leute mit im Flieger.« »Das ist mir doch egal«, schrie er buchstäblich. Ingo hatte mittlerweile seine Augen geöffnet, sprang auf und schnappte sich den kleinen Kerl am Oberarm.
»So, junger Mann, jetzt ist aber genug! Du setzt dich auf deinen Sitz und bist still!« Das wirkte. Felix kletterte über Marie auf seinen Sitzplatz zurück und maulte. Marie bekam von alledem nichts mit, sie war wieder eingeschlafen. Caro schüttelte ihren Kopf. Darin war sie sich mit ihrem Ehemann einig. Sie mussten zusammenhalten, sonst tanzten die beiden ihnen auf der Nase herum. Das klappte auch gewöhnlich.