Schlüsselblut - Claudia Tülp - E-Book

Schlüsselblut E-Book

Claudia Tülp

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Beschreibung

Ein Mord geschieht in einem Getränkemarkt. Der Tote ist an einer Kette überkopf aufgehangen. Durch einen Schnitt in der Kehle ist er regelrecht ausgeblutet. Ein Schlüssel wird in seinem Magen gefunden und die Suche beginnt. Ein Regionalkrimi mit Kriminalkommissarin Anke Fleur in ihrem 2. Fall in Bremen.

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EPUB
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Seitenzahl: 246

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Schlüsselblut

Der zweite Regionalkrimi mit Anke Fleur

Von

Claudia Tülp

© 2023 Claudia Tülp

ISBN Softcover: 978-3-347-97934-5

ISBN E-Book: 978-3-347-97935-2

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Einleitung

Der Schlüssel

Das Blut

Das Opfer

Die Fabrik

Die Nachbarin

Der Familienvater

Das Tattoo

Die Kamera

Die Schockstarre

Die Vermisste

Der Unfall

Der Fahrer

Das Geheimnis

Das Foto

Die Lüge

Der Weg

Der Gutmensch

Die Angst

Der Anruf

Der Druck

Der Hinweis

Die Familie

Die Warterei

Die Annahme

Der Ausweg

Der Instinkt

Die Tatsache

Der Schwindel

Der Abschied

Anmerkung

Schlüsselblut

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Einleitung

Anmerkung

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Einleitung

Ein Toter hängt von der Decke in einem Getränkemarkt. Er ist ausgeblutet, wie ein Tier. Im Haus des Toten hängt ein Teil eines Kadavers von der Wohnzimmerdecke. Was hat das zu bedeuten? Und warum ist die Ehefrau mit den zwei Kindern verschwunden? Die Spur führt sie zu einer Fleischwarenfabrik, wo der Tote zuletzt gearbeitet hat.

Kriminalkommissarin Anke Fleur und ihr Kollege Hans Eckhard ermitteln in Richtung des Fabrikbesitzers. Bis ein Schlüssel aus dem Magen des Toten einen entscheidenden Hinweis liefert. Der nächste Mord passiert und Anke schenkt ihre Aufmerksamkeit einem Unfall, der vor Jahren stattgefunden hat. Die Kinder tauchen auf und die Wahrheit kommt langsam ans Licht.

Der Schlüssel

Es ist still auf dem Parkplatz und die Lichter vom Supermarkt strahlen grell über den Hof. Frank Reichert muss noch einmal zurück in dem Getränkemarkt, indem er arbeitet. Er hat in der Leergut-Annahme seinen Haustürschlüssel liegen gelassen. Wie jeden Tag betritt er den Markt durch den Seiteneingang in der Anlieferungszone. Er schließt die Tür auf und steht im hinteren Teil des Marktes. Es riecht nach abgestandenen Flascheninhalten, aber das nimmt er selbst gar nicht mehr wahr. Zu viele Jahre arbeitet er hier schon in der Annahme. Bei der Arbeit trägt er Handschuhe, damit die Finger nicht vom Leergut verklebt sind. Mal sind es nur zwei Flaschen, mitunter zwei Körbe das die Kunden bei ihm abgeben. Am liebsten ist ihm die ältere Kundschaft. Sie bringen ihre gut sortierten Leergutkisten zurück, ohne dass nur eine einzige Flasche fehlt. Er kann die Kisten direkt aufeinanderstellen und es ist nicht erforderlich, jede Flasche einzeln über den Scanner zu ziehen, wie die Kunden mit ihren prall gefüllten Plastiksäcken. Frank läuft über den kalten Betonfußboden durch den Markt bis hin zur Leergut-Annahme im Eingangsbereich. Dort schiebt er sich durch den Annahmetresen und den Kisten vorbei und betritt den Raum mit dem Leergut. Er überlegt, wo er seinen Schlüssel hingelegt hat, als er erstarrt. Ein roter Blutteppich breitet sich langsam um seine Schuhe aus. Er ahnt sofort, dass es sich hierbei nicht um einige Flaschen Tomatensaft handelt. Er sieht auf seine schwarzen Sneakers und sein Blick folgt der Blutlache in Richtung Getränkekisten. Eiskalter Schweiß bildet sich auf seiner Stirn und er nimmt die Gänsehaut auf seinem ganzen Körper wahr. Kleine rote Tropfen platschen leise auf die grauen Fliesen vor den roten Coca-Cola-Kisten. Sein Blick führt weiter nach oben, aber etwas stoppt ihn. Irgendetwas hält ihn zurück weiterzugehen. Seine Hände fangen an zu zittern und er beschließt umzudrehen und zu gehen. Er setzt einen Schritt zurück und sein Fußabdruck bleibt noch einen Moment bestehen, bevor der rote Teppich sich diesen Teil des Bodens wieder zurückholt. Er fängt schwer an zu atmen und ihm wird schwindelig. Seine Panikattacke holt ihn nach Jahren wieder ein. Vergessen hatte er das Gefühl in den letzten 6 Jahren. Er setzt langsam und zitternd weitere drei Schritte zurück. Er versucht, sich zu beruhigen, aber es klappt nicht. Wie war das noch? Was sollte er tun, wenn er eine Attacke bekommt? Er überlegt fieberhaft, was sein Therapeut ihm geraten hat. Den Gedanken ablenken und ruhig atmen, fiel es ihm wieder ein. Er merkt, wie sein Atmen einen Moment leichter wird. Ohne zu zögern, dreht er sich um und marschiert zielstrebig zum Telefon hinter dem Kassenbereich. Er zwingt sich dabei, nicht auf den Boden zu sehen, sondern starrt geradewegs auf das Telefon. Zittrig nimmt er den Hörer ab und wählt die 110.

Das Blut

Die Kriminalkommissarin Anke Fleur schnappt sich gerade ihre Jacke, als Jan Wiemer in der Bürotür steht. „Anke, ich glaube, mit deinem Feierabend wird es nichts“, und grinst sie an. „Ach Jan! Erzähle mir keinen Mist. Der ganze Tag war schon langweilig genug, und jetzt will ich nur noch nach Hause, um eine Runde zu joggen.“ Dabei zieht sie sich ihre Jacke an. Jan bleibt weiterhin in der Tür stehen. „Du musst wahrscheinlich noch zum Supermarkt in Hastedt. Wir haben einen Anruf von dort erhalten. Der Angestellte vom Getränkemarkt stand in einer Blutlache“, erklärt er ihr. „Aha und deshalb muss ich da jetzt hin? Ist ihm vielleicht eine Flasche Tomatensaft heruntergefallen?“ Anke verdreht die Augen. Den ganzen Tag war sie hier in ihrem Büro und hat den Papierkram erledigt und jetzt, wo sie endlich nach Hause kann, kommt der Anruf. „Die Kollegen sind erst einmal hingefahren und sehen sich das an. Vielleicht wäre es nicht so sinnvoll, sich in die Straßenbahn nach Hause zu setzen, wenn du sowieso dahinfahren musst.“ Damit dreht sich Jan um und geht zurück zum Tresen in den Eingangsbereich der Polizeiwache. „Besserwisser“, rutscht es aus Anke heraus. Sie zieht ihre Jacke wieder aus und hängt sie an den Haken zurück. Sie sieht aus dem Fenster. Es ist schon dunkel draußen. Der Herbst nimmt seinen Einzug und die ersten roten Blätter fallen von den Bäumen. Seit Tagen ist das Wetter grau in grau so wie das Büro hier. Seitdem sie hier lebt, gab es bisher mehr Regentage als in ihrer Heimatstadt Köln. So sehr, wie sie die kleine Stadt hier lieben gelernt hat, an das Wetter wird sie sich keineswegs gewöhnen. Sie wird aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Smartphone klingelt. „Fleur Mordkommission“, meldet sie sich. „Herber Spurensicherung. Frau Fleur, wir sind auf dem Weg zum Supermarkt in der Hastedter Heerstraße. Die Kollegen haben dort eine Leiche gefunden, direkt im Getränkemarkt. Könnten Sie sich das ansehen?“ Anke schnappt sich während des Telefonats ihre Jacke. „Ja klar. Bin in knapp 10 Minuten da.“ Sie läuft aus dem Büro an Jan Wiemer vorbei, der an dem Eingangstresen sitzt und Formulare ausfüllt. Dieser grinst sie wieder frech an. „Ja, ja, du hast recht“, und dabei verdreht sie erneut die Augen. Sie steigt in ihren schwarzen Opel, der ihr als Dienstfahrzeug zur Verfügung steht und wählt über die Freisprecheinrichtung die Telefonnummer von ihrem Kollegen Hans Eckhard. „Anke, was gibt´s?“, meldet er sich sofort nach dem zweiten Klingeln. „Sie haben eine Leiche gefunden, im Supermarkt in Hastedt“, erklärt sie ihm. „Na, wie gut, dass ich heute schon so zeitig zu Hause war, um etwas Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich benötige ungefähr eine halbe Stunde von Weyhe aus. Der Verkehr wird um diese Zeit nicht mehr so schlimm sein. Ich fahre sofort los. Bis gleich.“ Damit legt Hans auf. Der dreifache Familienvater hat die volle Unterstützung von seiner Ehefrau Wenke. Die ganze Familie seiner Frau ist im Polizeidienst tätig und sie ist damit aufgewachsen, dass ihr Vater oder ihr Opa zu den ungünstigsten Zeiten wieder zu den Einsätzen fuhren. Für ihn ist diese Frau ein Glücksgriff in einer bemerkenswerten Ehe auf Augenhöhe. Dagegen ist bei Anke niemand, der zu Hause auf sie wartet.

Als Anke auf den Parkplatz des Supermarktes fährt, sieht sie schon den Chef der Spurensicherung Klaus Herber in der Tür vom Getränkemarkt stehen. Grell leuchtet die Supermarktreklame über ihm. „Hallo Frau Fleur“, ruft er, als Anke aus dem Wagen steigt. „Wir sind noch nicht ganz fertig, aber vorab, dort drüben sitzt der junge Mann, der bei uns angerufen hat“, dabei zeigt er auf einen jungen Mann, der zitternd am Boden hockt und sich dabei an der Wand anlehnt. „Aber Sie können gerne schon einmal hineingehen, aber nichts anfassen! Ich würde lieber etwas über die Schuhe ziehen“, kommentiert er, mit einem Blick auf Ankes helle Turnschuhe. „Wie immer die nette Art von dem Leiter der Spusi“, reflektiert Anke und sieht dabei auf ihre Sportschuhe. „Natürlich wird nichts angefasst. Hans ist auch auf dem Weg und wird gleich hier sein“, informiert sie den Kollegen, da sie weiß, dass Hans Eckhard und Klaus Herber privat befreundet sind. Anke geht erst einmal auf den blassen jungen Mann zu. Dieser lehnt mit seiner Jeans und einer dicken grünen Bomberjacke zusammengekauert an der Wand. „Guten Tag, mein Name ist Anke Fleur von der Mordkommission“, stellt sie sich vor. „Frank Reichert“, ertönt seine zittrige Stimme. Anke hockt sich neben ihn und lehnt sich auch gegen die Wand. „Ist alles okay mit Ihnen oder benötigen Sie Hilfe?“ Dabei sieht sie ihn direkt an. „Nein, nein, alles soweit gut. Ich muss nur meine Panikattacke in den Griff bekommen.“ Sie sieht, wie seine Hände zittern. „Ich warte noch auf meinen Kollegen und wenn er hier ist, reden wir gemeinsam darüber, was Sie gesehen haben. Ich gehe jetzt nur kurz in den Markt und mache mir ein Bild von dem Tatort.“ Sie steht wieder auf und holt sich aus dem Kofferraum ihres Autos die Schuhüberzieher. Sie streift diese über und betritt den Getränkemarkt. Beim Hineingehen nimmt sie schon einen leicht metallischen Geruch wahr. Sie sieht die Kollegen der Spurensicherung im hinteren Teil der Getränkeannahme. Sie geht an der Leergut-Annahme vorbei und betrachtet den großflächigen Blutteppich auf dem Fußboden. Es sieht so aus, als wenn hier jemand regelrecht ausgeblutet ist. Ihre Schuhüberzieher verfärben sich in kürzester Zeit rot und bei jedem Schritt hört sie das schmatzende Geräusch vom Boden. „Hallo Anke“, kommt es von hinten. Sie dreht sich um und sieht ihren Kollegen Hans Eckhart hinter sich stehen. „Hey Hans, das ging ja nun doch recht zügig.“ „Ja, es war nichts mehr los auf den Straßen. Hast du mit dem jungen Mann da draußen schon gesprochen?“ „Nee, nicht richtig. Der steht völlig neben sich. Ich wollte mir erst einmal ein Bild von hier drinnen machen.“ Hans nickt. „Hast du Schuhüberzieher an?“ „Ja, so wie es aussieht, ist es besser.“ Er sieht dabei auf den Fußboden. „Was haben wir hier?“, fragt er die Kollegen der Spusi in dem hinteren Bereich. „Sie können näherkommen, dann haben Sie eine bessere Sicht auf das Opfer“, erklingt die Stimme einer jungen Frau von der Spusi. Anke und Hans laufen ein Stück weiter und bleiben unter einer Öffnung in der Decke stehen. Beide sehen nach oben. „Oh Mann, so etwas habe ich ja noch nie gesehen“, bricht es aus Anke heraus. Hans muss erst einmal schlucken und tritt wieder einen Schritt zurück. „Ist der Körper komplett ausgeblutet?“, fragt er die junge Kollegin. „So gut wie“, antwortet sie. „Das erklärt das viele Blut hier auf dem Fußboden“, bemerkt Hans. „Wir lassen Sie erst einmal in Ruhe Ihre Arbeit durchführen“, wirft Anke ein und beide Kriminalkommissare verlassen gemeinsam den Markt. „Hat euch gefallen, was ihr vorgefunden habt?“, fragt Klaus Herber, als sie wieder herauskommen. „Dass im Islam Tiere so ausgeblutet werden, ist ja bekannt, aber bei einem Menschen!“ Hans muss schlucken. „Wir sind gleich fertig und im Anschluss könnt ihr euch das aus der Nähe ansehen. Der Kerl hängt mit den Füßen nach oben an einer Kette“, dabei verzieht er leicht das Gesicht.

Anke sieht aus dem Augenwinkel eine altertümliche lederne Arzttasche und weiß sofort, dass Dr. Udo Kleist eingetroffen ist.

Der Rechtsmediziner arbeitet schon lange mit ihnen zusammen und für einen Kaffee bei ihm in der forensischen Pathologie, sind Anke und Hans immer zu haben. „Hallo Udo“, strahlt sie ihn an. „Hallo zusammen. Was haben wir heute?“, kommt sofort die Frage von dem Rechtsmediziner. Der Workaholic hat keine Zeit für Floskeln. „Denke, du gehst einfach mal in den Markt und siehst dir das an“, meint Klaus Herber zu ihm. Udo zuckt nur mit den Schultern und läuft geradewegs in den Getränkemarkt. Anke sieht, dass er wie selbstverständlich Schuhüberzieher trägt.

Kurz darauf kommt die junge Frau in einem weißen Overall aus dem Markt heraus, mit der sie drinnen gesprochen haben. „Chef, wir sind fertig. Wir haben selten mit so einer grausamen Tat zu tun.“ Dabei sieht sie auf Anke und Hans. „Sie können sich nun umsehen“, und läuft zum weißen Transporter der Spurensicherung. „Hast du jemand Neues eingestellt?“ Hans blickt fragend auf Klaus. „Ja, die Julia hier. Sie ist gerade fertig mit ihrer Ausbildung und ein Glücksgriff. Ich bin angetan von ihrer Auffassungsgabe. Da fällt mir ein, wo ist denn euer Jüngling?“ „Unser Student Gunnar Schleif hat ein paar Tage Urlaub“, meint Anke. „Und Anke ist darüber sehr glücklich“, ergänzt Hans und grinst. Anke verdreht die Augen und betritt den Getränkemarkt ein weiteres Mal. Hans folgt ihr und sie sehen sich jetzt den Toten aus der Nähe an. „Oh Mann, der hängt da ja nur an einem Bein von der Decke herunter“, bekundet sie. „Ja und zusätzlich ist ihm die Halsschlagader durchtrennt worden“, vernehmen sie aus dem oberen Teil von Dr. Udo Kleist. „Zum Glück wird man schnell ohnmächtig, weil das Gehirn keinen Sauerstoff mehr bekommt“, führt er fort. „Das heißt, er ist relativ schnell gestorben?“, fragt Anke. „Ja, das war sein Glück.“ Anke sieht sich den toten Körper genau an. „Siehst du noch mehr Schnittstellen, Udo?“ „Keine offenkundigen. Mehr kann ich erst nach einer Obduktion sagen. Ich lasse den Körper erst einmal in die Forensische bringen und setze mich da heute Nacht noch ran. Ihr könnt aber selber mal die Leiter hier hoch krabbeln“, und zeigt auf die Leiter an der Wand. Anke steigt so gleich die Leiter hoch. „Dann kommen wir morgen frühzeitig bei dir auf einen Kaffee herein. Koche mal etwas mehr als sonst“, wirft sie ihm auf halbem Weg entgegen. „Wenn du weiterhin so nervst, gibt es nur heißes Wasser“, und er grinst, als sie oben ankommt. „Seid ihr mit eurem Kaffeekränzchen fertig? Ich möchte heute noch wieder zu meiner Familie zurück.“ „Du hast Familie und wir halt nicht. Kommt doch erst einmal hier herauf und hinterher kannst du ja fahren“, ruft Anke von oben. Auch Hans klettert jetzt die kleine Leiter hoch und sieht sich den umgedrehten Körper näher an. „Ich würde gerne mal in seine Taschen greifen, aber ich komme da nicht ran“, und dabei versucht Anke den Körper zu sich herzuziehen. „Anke bitte! Dass ihr Frauen nicht warten könnt! Der Trupp steht doch schon in der Tür und holt den Leichnam herunter. Du kannst alles, was wir finden, morgen früh bei mir abholen.“ Udo schüttelt verständnislos mit dem Kopf. Hans klettert die Leiter wieder herunter und als er seinen Fuß auf den Boden setzt, rutscht er aus und fällt seitlich direkt in die Blutlache. Dabei reißt er einen Stapel leere Getränkekisten mit um. „Hans, alles gut?“, ruft Anke von oben. „Ja, ja, nichts gebrochen“, schnauft er. „Jetzt wisst ihr, warum ihr erst zum Tatort zugelassen werdet, wenn wir alle fertig sind.“ Udo schüttelt den Kopf. Hans steht unbeholfen auf. Sein Jackett, Jeanshose und sein blauer Schlips weisen einige größere Blutflecken auf. „So kannst du aber nicht in dein Auto einsteigen. Das geht nie wieder aus den Autositzen heraus.“ Anke kann es sich nicht verkneifen, ihn zu necken, als sie die Leiter heruntersteigt.

Anke verlässt den Markt und sieht, dass Frank Reichert noch immer an der Wand hockt.

Hans steht am Waschbecken in der Toilette und versucht, das Blut oberflächig aus seiner Kleidung zu wischen, was ihm aber nicht gelingt. Er legt seinen Schlips ab und knöpft sein dunkles Jackett etwas zu und begibt sich auf den Parkplatz zurück. Durch die Dunkelheit sah man nicht gleich das Blut an seiner Kleidung. Er trägt schon seit Jahren Jeans und Jackett. Das hat sich irgendwann einmal im Alter so eingespielt. Er geht zu Anke herüber, die schon neben einem blassen jungen Mann kniet. „Das hier ist mein Kollege Hans Eckhardt“, stellt sie ihn vor. „Herr Reichert, können Sie uns beschreiben, warum Sie wieder zurück zum Getränkemarkt gekommen sind?“, fragt Anke den zittrigen jungen Mann. „Ich… ich… habe meinen Haustürschlüssel vergessen und bin wieder zurückgekommen.“

„Das heißt, den Marktschlüssel halten Sie getrennt vom Haustürschlüssel?“

„Ja, das mache ich.“

„War es erforderlich, die Eingangstür wieder aufzuschließen?“ Frank nickt. „Und im Anschluss?“, Anke merkt, dass sie Frank Reichert alles aus der Nase ziehen muss.

„Ich bin in den Markt und direkt zur Leergut-Annahme gegangen.“ Frank Reichert schnappt nach Luft.

„Was haben Sie gesehen?“

„Ich stand mit beiden Füßen in einer roten Lache und bin gleich wieder zurück zum Telefon.“

„Das war gut so“, spricht Anke aus und denkt sich: „Dass er nicht weiter gegangen ist.“

„Herr Reichert, wie Sie in den Feierabend gingen, waren Sie da der letzte Mitarbeiter?“

„Ja, heute schon.“

„Schließen Sie die Tür normalerweise abends ab?“, hinterfragt Hans.

„Nein, normalerweise nicht. Ich war heute aber alleine, da mein Chef nicht da ist.“

„Was war heute am Ablauf anders?“, stochert Hans nach.

„Ich überprüfte noch einmal alle Türen und schloss die Einnahmen in den Tresor ein. Anschließend löschte ich das Licht und verließ das Gebäude über den Eingang und schloss die Tür ab.“

„Haben Sie schon einmal nachgesehen, ob die Tageseinnahmen noch da sind?“

„Ähm, nein. Sollte ich?“

„Ja, das sollten Sie schon! Wir gehen zusammen zum Tresor.“

Frank Reichert steht mühsam auf. Ängstlich betritt er den Markt und führt Anke und Hans in den Kassenbereich. Auf der gegenüberliegenden Seite vom Tresen ist eine Holztür unter dem Zigarettenregal. Frank schiebt einen Riegel nach rechts und eine Tür springt auf. Er steckt einen Schlüssel von seinem Schlüsselbund in den dahinterliegenden Tresor. Mit einem leisen Klicken öffnet sich die kleine Tresortür geräuschlos. Der Tresor ist leer. „Da ist ja gar nichts drin!“, platzt es aus ihm raus. „Wie kann das denn sein!“ Der junge Mann kniet sich vor den Tresor und will verzweifelt mit seinen Händen in den Tresor greifen. Anke zieht ihn rasch weg. „Nicht! Sie verwischen sonst sämtliche Spuren!“ Hans läuft schnell aus dem Markt und sucht Klaus Herber. „Wer hat noch einen Schlüssel vom Tresor?“, fragt Anke den hilflosen Frank. „Mein Chef! Ich habe den Schlüssel nur für heute bekommen, da er nicht da ist. Oh Gott, oh Gott“, ruft der junge Mann völlig entmutigt. Er stützt sich auf den Kassentresen ab und Anke überlegt einen Moment lang, ob sie einen Krankenwagen rufen muss. Hans kommt mit Klaus wieder zurück. Sie stützen gemeinsam Frank Reichert und bringen ihn erst einmal an die frische Luft. Udo packt gerade seine Sachen im Kofferraum zusammen, als er die drei herauskommen sieht. Er erkennt sofort das Problem und geht schnell auf den jungen Mann zu. „Herr Reichert, haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden?“, fragt er. „Nein, eigentlich nicht mehr.“ „Was heißt denn eigentlich nicht mehr, wenn ich fragen darf?“ „Ich hatte jahrelang Panikattacken, aber das ist schon so lange her. Heute sind sie wieder zurück“, und genau in diesen Moment rutscht er auf den Boden und fängt an zu zittern. Udo läuft schnell zu seinem Auto und holt aus seiner Tasche eine Spritze. Er zieht ein Mittel auf und kehrt zurück. „Herr Reichert, das hier ist ein Beruhigungsmittel. Ich möchte Ihnen das gerne geben und Sie dann nach Hause fahren lassen. Womit sind Sie hier?“ Dabei sieht er sich nach einem Fahrrad um. „Zu Fuß. Ich wohne nur drei Straßen weiter.“ „Gut. Wohnen Sie alleine?“ Frank nickt leicht. „Können wir Ihre Eltern verständigen?“ Mutlos sitzt er auf dem Boden. „Meine Mutter wird verzweifeln. Jahrelang ist sie um mich herumgeschlichen und jetzt wird das Spiel wieder erneut losgehen.“ „Wir werden Ihre Mutter informieren und Sie sollten morgen Ihren Hausarzt aufsuchen“, während Dr. Kleist spricht, setzt er die Spritze an und injiziert Frank ein leichtes Beruhigungsmittel. Ein Auto fährt vor und ein rundlicher älterer Mann, in einem blauen Anzug, zwängt sich aus seinem dunkelblauen Sportwagen. Er geht zielstrebig auf Frank Reichert zu. „Was ist denn hier passiert, Herr Reichert?“, fragt er direkt, ohne jemand anderes zu beachten. „Entschuldigen Sie, mein Name ist Anke Fleur von der Mordkommission. Darf ich fragen, wer Sie sind?“ „Mein Name ist Manfred Klemens und ich bin der Filialleiter hier. Mich hat man angerufen. Was ist denn hier passiert?“ „Herr Klemens, in Ihrer Filiale ist ein Mord passiert…“, und bevor Anke weitersprechen kann, tönt der Filialleiter schon herum. „Es ist was hier passiert? Das gibt es doch nicht. Herr Reichert? Haben Sie davon nichts mitbekommen?“ Es war mehr eine Aussage, als eine Frage und Anke bekommt das Gefühl, jetzt hier schon einschreiten zu müssen. „Was soll Herr Reichert mitbekommen haben, wenn er schon Feierabend hatte?“, fragt sie ihn scharf. „Herr Klemens, haben Sie eine Videoüberwachung?“, spricht Hans ihn an. „Wer sind Sie denn?“ Ein extrem unfreundlicher Mensch, dieser Manfred Klemens, schießt es Anke in den Kopf. „Entschuldigen Sie bitte, mein Name ist Hans Eckhard und ich bin der Kollege von Frau Fleur.“ Hans zeigt dabei seinen Dienstausweis. Bei Frank Reichert setzt die Wirkung von dem Beruhigungsmittel ein. Er sitzt entspannt auf dem kalten Fußboden und reagiert nicht auf seinen Vorgesetzten. „Ja, natürlich haben wir ein Überwachungssystem. Das ist in meinem Büro im Supermarkt. Herr Reichert, was ist mit meinen Tageseinnahmen?“ Wieder wendet er sich penetrant an seinen Mitarbeiter. „Der Tresor ist leer“, klärt Anke ihn auf. „WAS! Der Tresor ist aufgebrochen worden?“ „Nein, ich sagte, der Tresor ist leer. Er wurde dem Anschein nach aufgeschlossen.“ „Das glaube ich doch nicht! Den Schlüssel hat doch nur Herr Reichert!“ Dabei sieht er vorwurfsvoll auf Frank. „Wer sich am Tresor vergriffen hat, sehen wir hoffentlich auf Ihrer Videoüberwachung“, bemerkt Hans jetzt etwas schärfer. „Ich habe ein Überwachungssystem und keine Videoüberwachung. Innerhalb der Öffnungszeiten werden alle Gänge überwacht, aber wenn wir schließen, ist das System aus“, erklärt Herr Klemens von oben herab. „Das ist aber ungewöhnlich. Werden wenigstens die Daten von dem Tag gespeichert?“ „Ja, aber nur über Nacht. Sobald wir wieder öffnen werden die Dateien überschrieben.“ „Dann nehmen wir die Daten von heute für die Auswertung mit.“ „Von dem ganzen Tag?“ „Ja, von dem ganzen Tag, bitte!“ Manfred Klemens fängt an, in seiner Tasche vom Jackett nach dem Schlüssel zu kramen und begibt sich auf den Weg zum Nebeneingang des Supermarktes, der wenige Meter neben dem Getränkemarkt liegt. Hans folgt ihm. Ein weiteres Auto fährt auf den Parkplatz und eine Frau mittleren Alters mit einer blonden Dauerwelle springt aus der Beifahrertür. „Frank! Frank geht es dir gut?“ Die blasse Frau kniet sich neben Frank nieder und streichelt ihrem Sohn über den Kopf. Die Frau trägt einen grellen roten Lippenstift und ist mager, stellt Anke fest, als das kurze Oberteil hochrutscht. „Guten Tag, Frau Reichert?“, fragt Anke vorsichtig. „Ja, ich bin die Mutter. Was ist mit meinem Sohn los?“ Anke kniet sich auch neben Frau Reichert. „Es hat einen Toten hier im Getränkemarkt gegeben und Ihr Sohn hat uns daraufhin verständigt.“ „Oh nein! Hat er den Toten etwa gesehen?“ Die Falten der viel zu dunklen Sonnenbankbräune sticht hervor. „Nein, zum Glück nicht, aber Blut. Unser Rechtsmediziner Dr. Kleist hat Ihrem Sohn ein leichtes Beruhigungsmittel gespritzt, weil er ziemlich neben sich stand.“ „Ja, ich verstehe. Hatte er wieder eine Panikattacke?“ Dabei streichelt sie ihrem Sohn weiter über die Schulter. „Das weiß ich leider nicht, aber er hat so etwas erwähnt. Deswegen haben die Kollegen Sie verständigt. Es wäre besser, wenn Sie Ihren Sohn nach Hause bringen.“ „Das werden wir“, kam eine dunkle, kräftige Stimme aus dem Hintergrund. „Mein Vater“, bricht es aus Frank Reichert heraus. Anke schreckt kurz auf, da sie nicht mit einer Reaktion von Frank gerechnet hat. „Hallo, Herr Reichert“, begrüßt Anke den Vater. „Brauchen Sie unseren Sohn jetzt noch?“ „Nein, wir haben die erste Aussage erst einmal aufgenommen und werden uns mit Ihrem Sohn noch einmal in Verbindung setzen.“ Anke ist aufgestanden. Sie hat das Gefühl, mit dem Vater muss man auf Augenhöhe sprechen. Er ist das Gegenteil von Frank. Kräftig muskulös und die schwarz gefärbten Haare können nicht das Älterwerden verhindern. „Aber nur, wenn einer von uns dabei ist! Unser Sohn hat eine schwierige Zeit hinter sich und wir möchten nicht, dass er wieder in diese Phase abrutscht.“ Herr Reichert hält seinem Sohn die Hand hin und Frank nimmt sie entgegen und lässt sich von ihm hochziehen.

Ohne einen weiteren Blick auf Anke läuft er seinem Vater hinterher. Die Mutter dreht sich noch einmal um und hebt kurz grüßend die Hand. Hier ist klar die Hierarchie der Familie zu sehen, stellt Anke fest und geht in Richtung Hans, der am Eingang vom Lebensmittelmarkt steht. „Man, der Vater wirkt auf mich destruktiv und das würde das Verhalten seines Sohnes erklären. Frank ist schon über 18 Jahre alt und wir müssen nicht um eine Erlaubnis von den Eltern betteln, wenn wir mit ihm reden.“ „Bist du jetzt unter die Psychologen gegangen?“, dabei runzelt Hans die Stirn. „Die Mutter hat sich sehr verhalten gezeigt. In dieser Familie läuft einiges schief.“ „Aha und das weißt du schon nach so einem Moment?“ „Da es hier in Deutschland keinen Studiengang in Kriminalpsychologie gibt, hatte ich in Köln einen kurzen Einblick in die Rechtspsychologie“, erklärt Anke. „Klar, wenn das reicht.“ Anke versucht, etwas zu erwidern, als Manfred Klemens vor ihnen steht. „Hier sind die Aufnahmen von heute. Ich will die Bänder morgen aber wieder zurückbekommen!“ „Wir sehen zu, was mir machen können. Vielen Dank für Ihre Mithilfe.“ Hans bleibt weiterhin freundlich. Anke versucht, die Fassung zu bewahren bei diesem unmöglichen Menschen. „Brauchen Sie mich noch? Ich muss mich nun um die Versicherung kümmern, dass mein finanzieller Verlust beglichen wird. Wo ist Herr Reichert?“ „Herr Reichert wurde von seinen Eltern abgeholt. Er muss sich erst einmal von dem Schock erholen“, erwidert Anke. „Schock? Dieses Weichei. Zuckt bei jeder barschen Aussage zusammen. Was ist mit meinen Schlüssel?“ „Den haben die Kollegen der Spurensicherung. Dort hinten steht Herr Herber“, dabei zeigt Anke auf den Chef der Spusi. Herr Klemens marschiert direkt auf Klaus zu.