Mit Macht ans Ziel. Die Persönlichkeit Helmut Kohl: Wie sein Charakter die Politik und Wende zur Deutschen Einheit beeinflusste - Moritz Küpper - E-Book

Mit Macht ans Ziel. Die Persönlichkeit Helmut Kohl: Wie sein Charakter die Politik und Wende zur Deutschen Einheit beeinflusste E-Book

Moritz Küpper

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Beschreibung

Oft sind es selbst in einer Demokratie einzelne Persönlichkeiten, die die Ziele eines Staates festlegen oder maßgeblich beeinflussen. In der Zeit der deutschen Wiedervereinigung sticht ein Name besonders hervor: Helmut Kohl. Der Schritt zur Deutschen Einheit wurde erheblich von seinem Einfluss, seinem Charakter und seinen politischen Fähigkeiten beeinflusst. Doch worin bestand das Charisma des ehemaligen Bundeskanzlers? Wie konnte er sich so lange an der Macht halten und außenpolitische Beziehungen aufbauen, an denen seine Vorgänger gescheitert waren? Was zeichnete seine Politik aus? Dieser Band stellt die Person Helmut Kohl aus verschiedenen Perspektiven in den politischen Kontext jener Zeit und zeigt, was ihn zum "Wiedervereinigungskanzler" gemacht hat. Aus dem Inhalt: Einfluss von Persönlichkeit in der Politik Biographie von Helmut Kohl Regierungsstile von Adenauer und Kohl Personalpolitik Kohls Deutsch-sowjetische Beziehungen: Gorbatschow, Kohl und Honecker Narzissmus in der Politik

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Mit Macht ans Ziel.

Die Persönlichkeit Helmut Kohl

Wie sein Charakter die Politik und Wende zur Deutschen Einheit beeinflusste

Inhalt

Leitlinien der Personalpolitik des Bundeskanzlers Helmut Kohl von Moritz Küpper

1. Einleitung

2. Eingrenzung des Begriffs Personalpolitik

3. Allgemeine Leitlinien der Kohl’schen Personalpolitik

4. Überprüfung der personalpolitischen Kriterien anhand des ersten Kabinetts Kohls

5. Abschließende Bewertung

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

Gorbatschow und die deutsch-sowjetischen Beziehungen am Vorabend der Wiedervereinigung von Norman Giolbas

1. Einleitung

2. Literatur und Quellenlage

3. Die Ausgangslage

4. Von Breschnew zum neuen Pragmatismus

5. Deutsch-sowjetische Beziehungen

6. Fazit

7. Literatur- und Quellenverzeichnis

Wiedervereinigung unter Kohl. Der Einfluss von Persönlichkeit im Einigungsprozess von Markus Rietschel

1. Einleitung

2. Der Einfluss von Individuen

3. Die Beziehung zwischen Kohl und Mitterrand

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

Von der Kanzler- zur Koordinationsdemokratie? Kontinuität und Wandel des Regierens am Beispiel Adenauers und Kohls von Manuel Franz

I. Einleitung: Die Debatte um Kanzler- oder Koordinationsdemokratie

II. Grundlagen der Kanzlerdemokratie

III. Die Regierung Adenauer: Herausbildung der Kanzlerdemokratie und ihrer Strukturmerkmale

IV. Die Regierung Kohl: Kontinuität und Wandel

V. Die Theorie von der Koordinationsdemokratie

VI. Schlussbetrachtungen: Fazit und Ausblick

VII. Literaturverzeichnis

Narzissmus in der Politik am Beispiel von Altbundeskanzler Kohl von Ludwig Späte

1. Einleitung

2. Biographie von Helmut Kohl

3. Helmut Kohl und der Narzissmus

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Leitlinien der Personalpolitik des Bundeskanzlers Helmut Kohl von Moritz Küpper

2005

1. Einleitung

„In einer klugen und weitsichtigen Personalpolitik sah ich den Schlüssel zum Erfolg meiner Partei.“[1]

Diesen Satz schrieb Helmut Kohl in seinen Erinnerungen und machte damit deutlich, dass Personalpolitik unter seiner Regie nicht nur ein notwendiger Bestandteil der Politik war, sondern eine wichtige, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle spielte: „Besonders strategischen Fragen und Personalentscheidungen habe ich von Anfang an die gebührende Bedeutung beigemessen. Schließlich wird Politik von Menschen gemacht, und es kommt wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen an, ob eine politische Position glaubwürdig und überzeugend vermittelt werden kann“[2] schrieb Kohl weiter.

Personalpolitik war für Helmut Kohl also mehr als „sein liebstes Hobby“[3], wie Stefan Kornelius, Ressortleiter „Ausland“ der Süddeutschen Zeitung beobachtete. Schon zum Beginn seiner politischen Karriere hatte er sich in der Jungen Union (JU) ein Netzwerk gesichert und versucht – mit der JU-Gefolgschaft im Rücken – voranzukommen.[4] Dieser personenbezogene Politikstil zog sich durch seine ganze Karriere.

Dabei benutzte er immer seine Position, um Leute um sich zu scharen und Macht und Posten zu vergeben. Dass dieses Schema eine Leitlinie seiner Politik war, zeigt sich daran, dass er seine Möglichkeiten auch später in der Regierung nutzte, um der Opposition sein Entgegenkommen zu zeigen.[5]

Helmut Kohl hat nie einen Hehl daraus gemacht, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden zu wollen.[6] Dieses Ziel hat er 1982 erreicht. Kohl hat es geschafft, Kanzler zu werden – und zu bleiben. Mit seiner 16-jährigen Amtszeit ist er der am längsten amtierende Regierungschef der BRD. Wie groß der Anteil seines personalpolitischen Instinktes und seiner Fähigkeiten ist, lässt sich nur schwer sagen. Sicher ist jedoch, dass seine Personalpolitik entscheidend zu seinem Machtgewinn und -erhalt beigetragen hat.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Bedeutung und die Leitlinien der Kohl’schen Personalpolitik herauszuarbeiten und diese anhand der Zusammensetzung seines ersten Kabinetts zu überprüfen. Als Kohl sein erstes Kabinett nominierte, kannte er seine zukünftigen Minister schon lange. Über Jahre hatte er die Personalpolitik innerhalb der Jungen Union, der CDU, der CDU-Fraktion und auch in CDU-nahen Institutionen wie beispielsweise der Konrad- Adenauer-Stiftung beeinflusst, um für den Fall der Regierungsübernahme gerüstet zu sein.[7]

Diesen Zeitraum kann die Arbeit auf der Suche nach allgemeingültigen Leitlinien jedoch nur streifen, da sie ihren Umfang sonst weit überschreiten würde. Desgleichen werden auch weitere Institution oder Entscheidungen, an denen Kohl beteiligt war, in dieser Arbeit ausgelassen. Personalpolitische Entscheidungen im Kanzleramt, der Partei, der Fraktion, CDU-nahen Institutionen und Verbände, sowie bei der Wahl Bundespräsidenten[8] werden in dieser Arbeit allenfalls kurz angerissen.

Zur Überprüfung der Kriterien wurde das erste Kabinett Kohls ausgewählt, da es sein erster großer personalpolitischer „Wurf“ auf Bundesebene war. Zudem war es bis zu Kohls Abwahl 1998 der größte Personalwechsel einer Bundesregierung der Bundesrepublik. Bis auf drei Ministerposten des Koalitionspartners FDP wurden alle Ministerien neu besetzt. Interessant wäre sicherlich auch das erste Kabinett Kohls nach der Wiedervereinigung gewesen, und wie Kohl mit der neuen Situation umging. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt über Jahre hinaus schon Ministerposten besetzt, auf die Kohl Rücksicht nehmen musste. Ein weiterer Grund für die Auswahl des ersten Kabinett Kohls war, dass die Bedeutung des Kabinetts über die Jahre immer mehr abnahm und Entscheidungen in informelle Runden übertragen wurden.[9]

Kohls Regierungsstil hat sich, genauso wie seine Personalpolitik, über die Jahre gewandelt. Es fällt vor allem auf, dass er seine Entscheidungen, je länger er an der Macht war, immer mehr in informelle Runden verlagerte.[10] Während er in seiner Zeit als Landespolitiker in Rheinland-Pfalz die eingespielten Verfahrensweisen der personalpolitischen Veränderungen das damaligen Ministerpräsidenten Peter Altmeier noch scharf kritisierte[11] (sicherlich auch aus machtpolitischen Bestrebungen), handelte Kohl später ähnlich. In seiner Anfangszeit als Bundeskanzler duldete Kohl noch Widerspruch, nahm Anregungen auf, doch später umgab sich der Kanzler nur noch mit Ja-Sagern.[12] Diese Entwicklung wird in dieser Arbeit jedoch nicht näher behandelt.

In der Literatur findet sich umfangreiches Material, das sich mit Kohls Regierungsstil beschäftigt. Kohl war 16 Jahre Bundeskanzler und hat somit, zumindest zeitlich, die Bundesrepublik geprägt wie kein Kanzler vor ihm. Insofern wurde dieser Abschnitt – zumal in ihn die Wiedervereinigung Deutschlands fiel – in der Politikwissenschaft eingehend behandelt. Neben seiner Autobiographie, der in diesem Jahr der zweite Teil folgen soll, gibt es unzählige Biographien, Abhandlungen und Analysen über Kohls Politik. Darin hat sich ein Begriff herauskristallisiert, der auch für diese Arbeit relevant ist: das „System Kohl“. Dies ist mittlerweile ein feststehender Ausdruck, der allerdings spätestens seit der Spendenaffäre negativ besetzt ist. So wird das „System Kohl“, das auch die Kohl’sche Personalpolitik beinhaltet[13], in der Literatur als „anschauliches Beispiel für den Aufstieg und Wirkungsmechanismen einer Seilschaft mit Führung eines Feudalherren“[14] beschrieben. Jedoch gerade in diesen „Seilschaften“ birgt der Untersuchungsgegenstand eine große Gefahr: das Problem der Kausalität. In dem schnelllebigen und aus vielen Richtungen beeinflussten politischen Geschehen, ist es leicht, aus Personalentscheidungen falsche Rückschlüsse zu ziehen. Der Autor ist sich dieser Gefahr bewusst, zumal gerade personalpolitische Entscheidungen unter Kohl nicht immer den formalen Weg gingen oder einen eindeutigen Grund erkennen ließen. Diese Arbeit stellt trotzdem den Versuch dar, zu zeigen, dass Kohls personalpolitische Entscheidungen vor allem dem Machtausbau und -erhalt dienten. Deswegen ist es wichtig, am Anfang der Arbeit den weitgehenden Begriff der Personalpolitik zu definieren und einzugrenzen, um festzulegen, in welchem Umfang der Begriff hier verwendet wird. Danach sollen die allgemeinen Leitlinien der Kohl’schen Personalpolitik herausgearbeitet werden. Dabei wird auch kurz auf die Instrumente sowie die Hintergründe der Personalpolitik eingegangen. Anhand dieses Rasters soll dann die Besetzung des ersten Kabinetts Kohls 1982 überprüft werden. Dabei werden die Minister nicht einzeln abgehandelt, sondern, auch aus Gründen der Lesbarkeit, versucht, Besonderheiten und Auffälligkeiten bezüglich der Kriterien herauszuarbeiten. Das Kabinett wird aber auch als Gesamtwerk betrachtet. Ebenso wird auf die besondere Situation der Koalitionspartner eingegangen.

Zum Abschluss der Arbeit werden die Ergebnisse kurz zusammengefasst und bewertet.

2. Eingrenzung des Begriffs Personalpolitik

Das Feld der Personalpolitik ist für die Politikwissenschaft ein umfassender und interessanter Bereich. Gerade hier haben Personalentscheidungen eine große Bedeutung und werden von vielen Feldern beeinflusst. Während es auch in anderen Bereichen um die Macht und deren Absicherung geht, geben Personen der Politik ein Gesicht. Da Politiker für einen bestimmten Stil stehen und man in einer Demokratie Verbündete braucht, um seine Inhalte durchzusetzen, fällt der Personalpolitik gerade hier eine Schlüsselbedeutung zu. Deswegen ist es umso verwunderlicher, dass einschlägige politikwissenschaftliche Nachschlagewerke[15] den Begriff nicht definieren. Eine Begründung dafür könnte sein, dass dieser umfassende und vielschichtige Begriff nicht in eine einzige, in der Politikwissenschaft allgemeingültige, Definition zu fassen ist.

Allgemein wird Personalpolitik als „Gesamtheit der Entscheidungen, die gewollt und direkt auf die Personalorganisation (als Teil der Betriebsorganisation) einwirken [definiert]. Gegenstand der P. ist die Erarbeitung und Anwendung von Grundsätzen der Personalbeschaffung und -eingliederung sowie der Aus- und Weiterbildung, der Entlohnung, der Menschenführung und der Personalverwaltung (mithin auch der Schaffung und Erhaltung eines bestimmten Betriebsklimas).“[16] Dieser Ansatz greift jedoch für die vorliegende Arbeit zu kurz. Aufgrund der geringen Aussagekraft für die aktuelle Fragestellung müssen für eine politikwissenschaftliche Definition noch weitere wichtige Einflussfaktoren hinzugezogen werden. So wird die wichtige Komponente Macht dort allenfalls tangiert.

Um eine umfassendere Definition zu bekommen, bestünde natürlich die Möglichkeit, den Begriff aus seinem eigentlich ökonomischen Hintergrund herauszulösen und für diese Arbeit zu verwenden. In diesem Bereich gibt es umfassende Literatur dazu. So haben sich im Laufe der Geschichte des Fachs „Personalwesen“ viele theoretische Erklärungsansätze herausgebildet. [17]Es ist jedoch nicht hilfreich, die zahlreichen Definitionen von Personalpolitik hier aufzuführen[18], da die unterschiedlichen Ausprägungen immer nur die jeweils relevanten Punkte in den Vordergrund stellen. So definiert Macharzina „...personalpolitische Entscheidungen (als) generelle und grundsätzliche Entscheidungen, welche auf den Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Unternehmensleitung ausgerichtet sind“[19]. Eine weitere Eingrenzung zielt mehr auf das Personal: „Personalpolitik umfaßt [!] alle betrieblichen Maßnahmen und Entscheidungen, die sich direkt mit dem ‚Faktor Personal‘, also den Beschäftigten im Betrieb befassen. Personalpolitik bezieht sich auf Grundsatzentscheidungen ebenso wie auf die vielfältigen Einzelmaßnahmen, die von der Lohn- und Gehaltsabrechnung bis zur Urlaubsplanung reichen.“[20]

Allerdings bräuchte eine Definition aus politikwissenschaftlicher Sicht weitere Punkte: die Einflüsse von Außen gibt es zwar auch in der Wirtschaft, dort sie sind jedoch nicht so zahlreich wie in der Politik, da das gesellschaftliche Interesse hier deutlich größer ist; auch die Bedeutung von Verbündeten ist in der Politik größer, da man seine Inhalte nur durch Mehrheiten durchsetzen kann. Die Besetzung von Positionen findet im politischen Geschäft in einer deutlich höheren Flutaktion statt; Positionen können direkt (wie im Beispiel Kohl in der Partei, Fraktion, Bundesregierung und Kanzleramt) oder indirekt durch Zuspruch und Beeinflussung (in Landesverbänden, innerparteiliche Organisationen, Verbände) besetzt werden. Ein weiterer entscheidender Punkt bei der Definition von Personalpolitik mit politikwissenschaftlichem Hintergrund ist der Faktor Macht. Dazu bietet es sich an, den Begriff der Personalpolitik unter Mithilfe der gängigen Machtdefinition Max Webers zu betrachten: „‘Politik‘ würde für uns also heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt. ... Wer Politik treibt, erstrebt Macht...“.[21]

Der Faktor Macht war ein entscheidender Bestandteil im politischen Leben Kohls. Er war das Ziel eines Politikstils, der sich über die Jahre unter dem Begriff „System Kohl“ festgesetzt hat.[22] Dieses Synonym steht dabei für den Regierungsstil[23] Kohls, umfasst also zu einem großen Teil auch seine Personalpolitik. Kohl selbst beschreibt die Entstehung so:

„Gewissermaßen als Nebeneffekt dieser zentralen Rolle, die personalpolitische Entscheidungen in meinem Denken immer gehabt haben, ist das vielzitierte „System Kohl“ entstanden. ... Gleichgesinnte um sich versammeln, Freunde in Ämter wählen, Vertraute fördern: Das ist von vielen Publizisten immer wieder als kritikwürdig angeprangert worden. Für mich war es stets eine notwendige Selbstverständlichkeit.“[24]

Wenn man diesen Begriff als Grunddefinition annimmt, müsste auch das Hinzuziehen von Leuten zu formellen Entscheidungsgremien genauso wie das Verlagern von Entscheidungen in informelle Kreise (Abendrunde, Küchenkabinett) bei der Definition berücksichtigt werden, da Kohl dadurch auch Personen in seine Politik eingebunden hat.

Da sich jedoch der Begriff dann aufgrund seiner Komplexität noch immer schwer fassen ließe und im Kontext (und Umfang) dieser Arbeit nicht zielführend einzusetzen wäre, wird der Begriff Personalpolitik für diese Arbeit über die Kompetenzen des Bundeskanzler definiert: Der Kanzler schlägt dem Bundespräsidenten die Ernennung (genauso wie die Entlassung) einzelner Bundesminister vor. Bei der personellen Zusammensetzung seines Kabinetts hat er weitestgehend freie Hand. So ist der Bundeskanzler nur dahingehend eingeschränkt, dass er bestimmte Ministerien besetzen muss sowie auf Wünsche eines möglichen Koalitionspartners (und auch der eigenen Partei) einzugehen hat. Die letzte Bedingung ist nicht verfassungsrechtlich festgeschrieben, ergibt sich jedoch aus der praktischen Politik.[25] Somit bleibt festzuhalten, dass Kohl als Bundeskanzler bei der Wahl seiner Minister weitgehende Freiheiten hatte, die nur durch den Koalitionspartner oder aktuelle Umstände (Machtkonstellationen innerhalb der Partei oder Regierung, sowie vorhandenes und verfügbares Personal) eingeschränkt wurden. Unter diesen Gesichtspunkten wird der Begriff der Personalpolitik in dieser Arbeit verwendet.

3. Allgemeine Leitlinien der Kohl’schen Personalpolitik

Gründe, Instrumente und Ziele der Kohl’schen Personalpolitik

Die Kohl’sche Personalpolitik war von Anfang an auf Machtgewinn und -erhalt ausgelegt. Es waren diese beiden Punkte, denen sich viele Entscheidungen letztendlich unterordnen mussten. Kohl verstand es, über Jahre hinaus, seine politische Macht personell abzusichern, und wurde deshalb vielerorts als „Machtmensch par Excellenze“ charakterisiert.[26]

Schon in seinen Anfangszeiten als Politiker lernte Kohl – die Beispiele der Kanzler Konrad Adenauer und Ludwig Erhard vor Augen, die beide ihre Macht verloren – dass ein Politiker Machtstrukturen braucht, die vor allem dazu dienen, gewonnene Macht zu verteidigen. Sein langjähriger Mitarbeiter aus dem Konrad-Adenauer-Haus, Gerd Langguth, attestiert Kohl, dass er ein solches Netz schon frühzeitig aufgebaut hat. „Es dürfte bislang selten einen Politiker gegeben haben, der so zielstrebig und langfristig planend auf ihn individuell zugeschnittene Machtstrukturen aufbaute wie Helmut Kohl. Er erkannte frühzeitig: Ohne die Schaffung eines Machtsicherungssystems wird ein Politiker nicht überleben können.“[27] Dabei erwies sich dieses Geben und Nehmen als eine Art Schneeballsystem: „,Karriere durch Aufstieg, und Aufstieg, sein eigener und derer, die ihn dabei unterstützten, durch Pfründe und durch Abhängigkeiten und durch Teilhabe an der Beute’, so beschrieb der Publizist Warnfried Dettling, der den Aufstieg Kohls als Mitarbeiter in dessen Administration aus der Nähe beobachtet hatte, diesen Techniker der Macht.“[28]

Als Begründung für seine Personalpolitik diente Kohl ein einfacher Satz: „Politische Macht ausüben kann nur, wer für seine Ideen Verbündete findet und mit ihrem Zuspruch zu Mehrheiten gelangt.“[29]

Kohls große Stärke war es, mit Menschen umzugehen. Dadurch konnte er sie für sich gewinnen. „Zu den hervorstechenden Eigenschaften, die der Rheinische Merkur dem jungen Mann attestierte, zählte die Kunst, Menschen für sich einzunehmen und an sich zu binden. Von Kindesbeinen an war er es gewohnt, Freunde um sich zu scharen. Mit dem Eintritt ins Berufspolitikertum lernte er, daraus Kapital zu schlagen. Er begann, seine Fähigkeiten systematisch zur Organisation von Gruppen einzusetzen, die kein anderes Ziel hatten, als die Vorstellungen ihrer Mitglieder gemeinsam durchzusetzen und damit Karriere zu machen.“[30]

Dabei half Kohl seine ungeheuere Kontaktfähigkeit. Diese „...– nicht nur die zur Schau getragene – ist grenzenlos. Seine vielen, vielen Kontakte in die Partei hinein dienen – natürlich – auch der eigenen Machtabstützung und -sicherung.“[31] Kohl war ein überzeugter Viel-Telefonierer. „Bewundernd hat Kurt Biedenkopf einmal gesagt: „Der Mann kann telefonieren wie ein Weltmeister.“[32] Durch diese Kontaktpflege verfügte Kohl „...über ein differenziertes Informationssystem. Er telefonierte beispielsweise unzählige Male mit Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landespolitikern, mit Menschen außerhalb der Partei, und zwar schon über Jahrzehnte.“[33] Um diese Menschen in sein Machtschema einzubinden, führte er ein „...strenges Regiment in der CDU. Er belohnte durch Zuwendung, er strafte ab durch Verstoßen. Wer ihm zu mächtig oder zu selbstständig wurde, bekam seinen Zorn zu spüren.“[34] Allerdings nicht nur in der Partei. Auch als Kanzler ging Kohl nach dem gleichen Schema vor: „Kohl belohnt und straft. Er vergisst nichts, und er vergibt nicht“[35], schreibt Jürgen Leinemann, der Kohl als Journalist lange Jahre beobachtete. Ihm, wie auch vielen anderen Beobachtern, fiel dabei eine Eigenschaft Kohls auf, die danach häufig als „Elefantengedächtnis“ bekannt wurde. Er konnte sich auch nach Jahrzehnten noch an Personen und deren Handeln erinnern. „Wieder einmal zeichnete sich Kohl dadurch aus, dass er seine Gegner aus den Augen verliert, seine Helfer, Verehrer und Mitstreiter jedoch nicht vergisst.“[36] Leinemann skizziert die Verfahrensweise in wenigen Sätzen: „Auf seine Machtmaschine aber, die durch Ämterpatronage betrieben wurde, konnte sich der CDU-Chef schon Ende der Achtzigerjahre verlassen. Er hängte sich persönlich ans Telefon und ließ skrupellos seine Beziehung spielen, um einflussreiche Helfer zu gewinnen und Kritiker auszuschalten. Über die Hälfte aller Parteidelegierten und Bundestagsabgeordneten der CDU, schätzte Ralf Dahrendorf, waren dem Kanzler für persönliche Förderung und Gefälligkeiten verbunden. Er konnte Ämter in Aussicht stellen und Straßenbauprojekte für den Wahlkreis – er hatte etwas zu bieten.“[37] So nutzte Kohl die unterschiedlichsten Einflussformen, die sich ihm als Partei-Vorsitzendem oder Bundeskanzler boten. „In seiner Kanzlerschaft hat Kohl die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre von 20 (1982) auf 33 (1992) erhöht und dann – unter dem Druck einer kritischen Öffentlichkeit – allmählich wieder auf 27 gesenkt. Diese Position war sozusagen die Wurst, die er uns ständig vor die Nase hielt,“[38] schreibt Friedbert Pflüger in seinem Buch „Ehrenwort“, indem er mit dem „System Kohl“ und der damit verbundenen Personalpolitik abrechnet. Aber es waren nicht nur Posten, mit denen er seine Leute köderte, sondern auch sein Wissen. „’Es ist unglaublich’, staunte ein Parteifreund, ‚was der alles weiß, was dem alles zugetragen wird.’ Dieses Wissen benutzt er als Waffe. Er hatte seine Informationen zu einem bedrohlichen Machtschatz aufgetürmt. Er vergaß nichts, er vergab nichts.“[39] Es verwundert nicht, dass fast alle Kohl Mitarbeiter eine Eigenschaft gemeinsam haben: „Sie sind abhängig von ihm, ihm ergeben, zugänglich.“[40] Diese Abhängigkeit förderte Kohl, indem er Konkurrenzsituationen unter seinen Mitarbeitern schuf. Dafür nutzte er auch häufig das Telefon, um, ohne dass die Mitarbeiter davon etwas wussten, immer auf dem neuesten Stand zu sein. „Rivalität unter engen Mitarbeitern und Mitstreitern vergrößerte die Abhängigkeit von ihm, erweiterte seinen politischen Manövrierraum und verschaffte ihm eine Schlichterrolle.“[41]

Und viele dieser Menschen, die später einmal seine Mitarbeiter werden sollten, kannte Kohl schon lange. Während seiner gesamten Zeit als Politiker hielt er Ausschau nach fähigen Personen, die ihm später nützlich sein könnten. Als überzeugter Parteisoldat suchte Kohl vor allem in der CDU nach fähigen Köpfen:

„Das Konrad-Adenauer-Haus wurde unter Kohl zur wirklichen Parteizentrale; man hielt in allen CDU-Gliederungen Ausschau nach jungen Leuten, die der Partei, aber später auch dem Regierungsapparat des Kanzlerparteichefs von Nutzen sein konnten. Viele Karrieren, die während der Ära Kohl ins Kanzleramt und in die Ministerien führten, begannen dank dieser Personalpolitik in jenen Jahren, als Kohl noch nicht Kanzler war. Auch das gehörte zum System Kohl. Der konservative Journalist Herbert Kremp hat das Ineinandergreifen von Partei- und Staatsapparat unter Kohl jüngst so charakterisiert: ,Modern war die Organisation, alt die Treue, das Leben, die Vergabe, der Entzug.’“[42]

Klaus Dreher schildert in seiner Kohl-Biographie einen typischen Werdegang von späteren Kohl-Mitarbeitern: „Im allgemeinen kamen Nachwuchstalente von der Bonner Universität, an der sie im Fach der Politischen Wissenschaft früher bei Professor Karl-Dietrich Bracher, danach bei Hans-Peter Schwarz promovierten und währenddessen im Ring Christlich- Demokratischer Studenten aktiv waren. Gelang es ihnen, im Verband den Vorsitz zu erobern, wurden sie in den CDU-Bundesvorstand kooptiert, machten mit einigen provozierenden Bemerkungen auf sich aufmerksam und wechselten als Redenschreiber ins Kanzleramt. In der Regel war dann der weitere Aufstieg vorgezeichnet.“[43] Doch nicht nur über die Partei machten viele Menschen unter Kohl Karriere. Für seine Regierungen zeigte sich die Fraktion als ergiebigstes Nachwuchsreservoir.[44]

Als Ergebnis dieser Personalpolitik stand eine riesige Machtfülle, die er sich durch Abhängigkeit der Leute „erkaufte“. Deswegen war es auch ein fester Bestandteil des Systems, dass seine Personalpolitik öffentlich wurde, bzw. die Leute wussten, wem sie ihre Berufung zu verdanken hatten. Schon in seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz zwang Kohl Ministerpräsident Peter Altmeier dazu, dass jede Ernennungsurkunde von Kohl gegenzeichnet werden musste. „Aus Kohls Sicht wusste damit jeder Landrat, jeder Schulmeister und jeder, der von der Regierung als Beamter ernannt wurde, wem er seine Berufung zu verdanken hatte. So nutzte er ein administratives Instrument, um über politische Mehrheitsverhältnisse zu informieren.“[45] Durch diese Abhängigkeiten, die später auch auf Bundesebene und in den verschiedensten Bereichen fortgeführt wurde, entstand eine Situation, in der man ohne Kohls Segen in der Partei nichts werden konnte. „Kohls Machtstellung ist so unumstritten, dass niemand die Chance hat, nur aufgrund seiner Qualifikation und seines persönlichen politischen Gewichts in den Kreis der Präsidiumsmitglieder vorzudringen.“[46] Entscheidend war eindeutig Kohls Wort und Einfluss. Das Präsidium der CDU war somit ganz auf die Machtsicherung Kohls ausgerichtet.[47] Dass in der Bundesregierung unter dem Kanzler Kohl niemand etwas gegen seinen Willen werden konnte, liegt in der Natur der Sache.

Allgemeine Kriterien der Personalpolitik

In der Literatur lassen sich viele Hinweise auf Kriterien finden, nach denen Kohl sich seine jeweiligen politischen Mannschaften zusammenstellte. Dabei fällt auf, dass es ein Kriterium gibt, was immer wieder genannt wird: Loyalität[48]. Kohl praktiziert eine Personalpolitik, die sich weniger an Sachzwängen orientierte. Stattdessen setzte er auf bedingungslose Loyalität, indem er Personen an sich zog und einband. So schob er, wie im vorangegangen Abschnitt schon geschildert, jungen aufstrebenden Politikern interessante Posten innerhalb seines Machtgeflechts zu und sicherte sich dadurch deren Loyalität.[49]

Schwan spricht dabei von „starken, gefühlsbetonten Komponenten“, ohne die eine enge Zusammenarbeit mit Kohl kaum denkbar wäre. „Loyalität, Vertrauen, Verlässlichkeit und Treue beruhen auf Gegenseitigkeit.“[50] Kohl selbst bestätigt diese Sicht in seinen Erinnerungen: „Ich war nie ein Anhänger von Parteibuchbeamten, bei denen nicht nach Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Loyalität gefragt wird, und diese Meinung hat sich im Lauf meines politischen Lebens wesentlich verstärkt.“[51]

Dabei beruhte für Kohl diese Loyalität auf Gegenseitigkeit.[52] Hierzu gibt es allerdings widersprüchliche Angaben in der Literatur, und auch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Kohl sich häufig mit engen Mitarbeitern[53] überwarf. Langguth schreibt dazu: „Wenn es ihm politisch opportun erscheint, kann sich Kohl von heute auf morgen von seinen besten Freunden trennen – auch jetzt noch.“[54] Im Widerspruch dazu steht die Aussage von Schwan, der Kohl ein hohes Maß an Kontinuität attestiert: „Kohl unterhält in Partei und Regierung keineswegs Taubenschläge, wo Leute rein- und rausfliegen. Er handelt nur, wenn es sein muss, aber dann oft unkonventionell.“[55]