Mit offenen Augen - Beatrix Dargel - E-Book

Mit offenen Augen E-Book

Beatrix Dargel

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Beschreibung

Ein alter Zeitschriftenartikel war mir in die Finger geraten. Ein Bericht über eine, wahrscheinlich längst vergessene Kulturveranstaltung. Ich hatte Eindrücke und O-Töne gesammelt, ein paar Fotos gemacht und mich in meine Schreibstube verzogen. Immerhin war der Abgabetermin nahe. Dann noch dreimal darübergelesen, Wörter gezählt und hier und da ein wenig gekürzt. Am Montag darauf lag das gedruckte Ergebnis im Briefkasten. Und im Kalender warteten bereits die nächsten Termine. Einige hundert kleine oder größere Texte sind in den vergangenen Jahren so, oder so ähnlich entstanden. Über Pflanzentaufen, Konzertabende, Flugmodellbauprojekte und Kindertage. Über große und kleine Erfinder, bekannte und fast vergessene Persönlichkeiten. Und über die Motivation, etwas besonderes zu erschaffen und das Gefühl, ein kleines oder großes Projekt abgeschlossen zu haben. Es wäre schade, wenn all die Beobachtungen und Geschichten einfach so vergessen würden. Deshalb dieses Buch.

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Seitenzahl: 273

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Anstelle eines Vorworts

Ein alter Zeitschriftenartikel war mir in die Finger geraten. Ein Bericht über eine, wahrscheinlich längst vergessene Kulturveranstaltung. Ich hatte Eindrücke und O-Töne gesammelt, ein paar Fotos gemacht und mich in meine Schreibstube verzogen. Immerhin war der Abgabetermin nahe. Dann dreimal „drübergelesen“, Wörter gezählt und noch ein wenig gekürzt. Am Montag darauf lag das gedruckte Ergebnis im Briefkasten.

Und im Kalender warteten bereits die nächsten Termine. Einige hundert kleine oder größere Texte sind in den vergangenen Jahren so, oder so ähnlich entstanden. Über Pflanzentaufen, Konzertabende, Flugmodellbauprojekte und Kindertage. Über große und kleine Erfinder, bekannte und fast vergessene Persönlichkeiten. Und über die Motivation, etwas besonderes zu erschaffen und das Gefühl, ein kleines oder großes Projekt abgeschlossen zu haben.

Es wäre schade, wenn all die Beobachtungen und Geschichten einfach so vergessen würden. Deshalb dieses Buch.

Beatrix Dargel im November 2023

Inhalt

Bayern und Bier - 500 Jahre Reinheitsgebot

Sommermärchen mit Hut

Silberne Rose Bayern 2011

Reparieren ist wie Rätsel lösen

Nichts zu sehen!

Pack die Badehose ein!

Gas Bag – Der Dampfplauderer

Zu, aus und vorbei

Zu Besuch im Koboldland

Natur wird Kunst

Reise um die Erde und das Pfeifen der Pfeilfrösche

Spargelnachlese 2014

„Aster, Phlox, Paeonia“ 2015

Grünes Paradies und Dschungelhölle

Von Arkadien bis Atlantropa

Geschichten vom Glas

Von einem, der auszog Holzfahrräder zu bauen

Vom Holz zum Kraftpapier

Fernsteuern mit Funk - eine kleine Zeitreise

Zum Mond und darüber hinaus

Fernschreiber in Aktion – Im Museumsdepot

Vom Messen der immerwährenden Vergänglichkeit

Skyranger - Der Traum vom selbst gebauten Ultraleichtflugzeug

Skyranger UL - Der lange Weg in die Lüfte

Skyranger - Unser Selbstbauprojekt geht in die Luft

Hol’s der Teufel, Habicht, Hütter & Co

Fliegende Spürnasen

Ich sehe was, was Du nicht siehst …

Gemeinsam und sicher im Luftraum fliegen

Otto Lilienthal - Ingenieur, Flugzeugbauer, Flieger

Der erste fliegende Bayer - Alois Wolfmüller

Fliegerbauen und „Luftschlacht“

Zum Geburtstag auf dem Luftwege

Voll Wolke 7 - leicht und schwerelos

Unterwegs auf unsichtbaren Luftstraßen

Vom Wellblech und dem Reisen durch die Lüfte

„Feriengast“ am Flugplatz

Origami-Regenbogen-Schmetterlinge

Große originale Gnubbelnasen und Giraffen mit gaaanz laaangem Hals

Flüchtige Augenblicke

Schildkröten, Hasen und andere Tiere

Eintauchen, Auftauchen und über Wasser halten

Geschichte und Zukunft des Geldes

Feuerberge ganz nah

Mit dem 160-er Besen zur kleinen Hexe

Bayern und Bier - 500 Jahre Reinheitsgebot

Bier und Bayern. Das gehört seit Urzeiten zusammen. Schon gleich am Eingang der Ausstellung wird diese scheinbar eherne Wahrheit gehörig in Frage gestellt. Bis Ende Oktober ist die Bayerische Landesausstellung im Kloster Aldersbach noch zu sehen.

Eine weiße Wand. Darin, sicht- und fühlbar viele weiße Weingläser mit Stiel. Gleich daneben grüßt aus einer Vitrine der Heilige Urban, der Schutzherr der Winzer. Vollends verunsichert dann das Zitat von Geschichtsschreiber Johannes Aventinus, um das Jahr 1530:

„Das baierische Volk sitzt tag und nacht bey dem wein, schreit singt tanzt kart spielt.“

Man mag es kaum glauben, aber Bayern war bis ins 16./17. Jahrhundert ein Weinland. Die Tradition des Weinbaus geht an der Donau sogar bis ins 12. Jahrhundert zurück. Hier wurde der Heilige Urban, als Papst und Patron des Weinbaus, besonders verehrt. Die Trauben in einer Hand standen für die Hoffnung der Weinbauern auf eine reiche Weinlese.

Die Geschichtsforschung weiß: Bier hat im ersten Jahrtausend bayrischer Geschichte nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Es war ein landwirtschaftliches Nebenprodukt unter vielen. Spezielle Brauhäuser gab es damals noch nicht. Das Bier wurde in den bäuerlichen Küchen auf offenen Feuerstellen gekocht. Das Volksgetränk war auch in Bayern bis weit in das Spätmittelalter der Wein. Erst im 16. Jahrhundert begann sich das Blatt zu wenden. Ein Klimawandel ließ die Weinerträge schrumpfen, bei gleichzeitig steigender Bevölkerungszahl. Und genau in diese Zeit fielen die Verordnungen der bayrischen Herzöge. Neben der, heute als Bayrisches Reinheitsgebot weithin bekannten Zutatenregel, war es vor allem die Landesordnung von 1553, die die Bierqualität nachhaltig voranbrachte. Albrecht der V. beschränkte die Brauzeit auf die kühlen Monate zwischen Michaeli (29. September) und Georgi (23. April). Die Bierbrauer waren herausgefordert, ab März ein besonders kräftiges und haltbares Bier, das „Märzen“ zu brauen, welches bis lange in den Sommer haltbar war. Die herzogliche Bierpolitik zeigte recht bald Wirkung. Im ausgehenden 16. Jahrhundert wurden zahlreiche Brauereien gegründet. Das Brauwesen wurde zu einem angesehenen Handwerk. Herzog Wilhelm V. ließ das Bad- und Hennenhaus im Alten Hof München durch ein Hofbräuhaus ersetzen.

Herzogliche Ausnahme

Natürlich nimmt die Bayrische Landesordnung von 1516 einen gewichtigen Platz in der Ausstellung ein. Eine goldene Kordel hebt einen Vorhang und gibt den Blick auf ein aufgeschlagenes, leicht angegilbtes Buch mit alter Schrift frei. Ein Lesezeichen deutet auf die für das Bier und die Bayerische Befindlichkeit so wichtigen Sätze hin:

„Wir wollen auch sonderlichen, das füran allenthalben in unnsern Steten, Märckten und auf dem Lannde, zu kainem Pier merer Stückh, dann allain Gersten, Hopffen unnd Wasser, genommen und gepraucht sollen werden.“

Abgesehen davon, dass in dieser Rezeptur die für die Gärung entscheidende Hefe nicht erwähnt wurde, beschränkt die Vorschrift die Zutaten ausdrücklich auf Gerste.

Das Bierbrauen aus Weizen, dem Brotgetreide und Grundnahrungsmittel der Bevölkerung, war damit in Bayern verboten. Aber schon damals gab es keine Regel ohne Ausnahme. Zwei niederbayerische Familien hatten das herzogliche Privileg, Weißbier zu brauen. 1602 zog Maximilian I. dann das Weißbierprivileg an sich und in der Folgezeit entstand daraus die einträglichste Einnahmequelle der Wittelsbacher.

Gewürze

Auch eine andere Zutat, die im Bier zugelassen ist, nimmt in der Ausstellung weiten Raum ein. Der Hopfen war zu Beginn der Biergeschichte nur eins von unzähligen Gewürzen. Am Anfang, dann und wann wahrscheinlich dazu gedacht, um unerwünschte Aromen zu überdecken, wurden die abenteuerlichsten Zutaten dem Biersud zugesetzt. Neben heute noch bekannten genießbaren Zutaten kamen manchmal durchaus gesundheitsgefährdende Stoffe zum Einsatz. Auch diesen Praktiken schob die Verordnung von 1516 einen Riegel vor. Verschiedene Geruchsproben stellen die Alternativen in der Ausstellung vor. Die Entscheidung für den Hopfen ist wahrscheinlich auch auf die, schon von Hildegard von Bingen um 1160 dokumentierte Konservierungswirkung dieser Pflanze, zurückzuführen. Dass die Beschränkung auf den Hopfen keineswegs zu einem Einheitsgeschmack führen muss, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass es mehrere hunderte Hopfensorten gibt.

Kellerbier

Die Lagerfähigkeit des Bieres, gerade in der wärmeren Jahreszeit, war lange eine Herausforderung für Brauereien und Schankwirtschaften. Tiefe Keller boten gute Bedingungen. Häufig wurde mit Eis gekühlt. Vor 1871, der Erfindung der Lindeschen Kältemaschine, war die Eiskühlung eine sehr aufwändige Angelegenheit. Das Eis wurde im Winter mit Sägen und Äxten von zugefrorenen Teichen und Seen „geerntet“ und dann in den folgenden Monaten zur Kellerkühlung eingesetzt. Nach dem Siegeszug der Eismaschinen betrieb manche Brauerei mit dem Kunsteis ein kleines Nebengeschäft. Große Fotos und eine Originaleismaschine machen das Eiskapitel erlebbar.

Die Milchkanne

In einer Vitrine steht eine alte metallene Milchkanne mit Deckel und Holzgriff. Auf einem Foto von 1941 sind ein Großvater und sein Enkel zu sehen. Mit der Milchkanne gingen sie ins Ausflugslokal „Phantasie“ zum Bierholen. Der Weg war nicht weit, nur eine Strecke von vielleicht 800 Metern. Vor 75 Jahren war der Münchner Stadtteil Waldtrudering eine Gartenkolonie, noch mitten im Wald und unbefestigten Straßen. Und der Enkel begleitete seinen Großvater zum Bierholen, zwei bis drei Maß passten in eine Milchkanne. Die Milchkanne war ein praktisches Transportbehältnis auch für Bier. Der Siegeszug der Bierflaschen begann erst in den 1960er Jahren.

Bier to go

Getränke to go sind nicht unbedingt eine Erfindung der Jetztzeit. Ein wunderlich anmutendes Drahtgestell entpuppt sich als äußerst praktisch für den Biertransport. Drei Maßkrüge passten in das Tragegestell aus Eisendraht. Der Lehrling aus der Deggendorfer Wagnerei Nirschl musste bis 1960, täglich zur Brotzeit den frischen Gerstensaft, in einer der vielen Gassenschänken, holen. Dabei musste er noch nicht einmal in die Wirtschaft hinein gehen, da es meist ein Fenster zur Straßenseite gab, eine Durchreiche für die Getränke.

Alte Bekannte

Ein großes mehrstöckiges Modell eines Hauses kommt mir so bekannt vor. Das habe ich schon gesehen. Die Wände sind für den Betrachter aufgebrochen und zeigen die Aktivitäten im Inneren des Hauses. Die sorgfältige Ausführung der Figuren erinnert an ähnliche Modelle im Deutschen Museum. Und richtig, dieses Exponat ist eine Leihgabe aus München. Auf engstem Raum kann man die verschiedenen Arbeitsschritte beim Bierbrauen anschauen. Und als Gegenstück dazu bietet die Ausstellung, die in den Räumen einer alten Brauerei eingerichtet ist, viele Originalexponate. So kann man die kupfernen Sudkessel mit ihren Miniaturnachbildungen vergleichen.

Was wäre ein bayrisches Wirtshaus ohne Bier? Wenigstens hier sollten sich doch die alten Mythen bestätigen? Die Ausstellung lässt uns tief einblicken in die Geschichte der Wirtshäuser, in Arbeits- und Lebensbedingungen der Wirtsleute und Bedienungen. Regeln und Rituale werden lebendig. Nebenbei kann man lernen, dass der urbayrische Landhausstil gar nicht so uralt ist, wie man glauben mag.

Viele bekannte Details des beliebten Getränks stellt die Ausstellung in ein neues Licht. Manches Geheimnis rund um Hopfen und Malz erschließt sich dem Besucher, wenn er sich in die informativen Begleittexte vertieft. Und der eine oder andere Mythos lebt weiter am Stammtisch, bei einer Maß Bier.

Sommermärchen mit Hut

Zur nächsten Gartenparty heißt es: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat den schönsten Sommerhut im ganzen Land?

Wie wäre es zur nächsten Gartenparty „behütet“ zu kommen? Die Einladungen rechtzeitig verschicken, dann der Phantasie freien Lauf lassen und alles Mögliche was an Gräsern und Blumen im Garten wächst zu einer floralen Kopfbedeckung verarbeiten.

Anregungen zum Nacharbeiten können Sie sich in den nachfolgenden Beiträgen holen oder sich einfach an den verschiedenen Hutkreationen erfreuen.

Violettfarbene Blüten auf weißem Sommerhut

Als Ausgangsbasis wählte Kerstin Tannhäuser einen Fertighut, bei dem sie eine Seite hochklappte und diese mit Stachus-Blättern (Wollziest) beklebte. Um den Hut rundherum verläuft ein Drahtgeflecht mit Röhrchen für die bordeauxfarbenen Calla. Die anderen Pflanzen wie Phalenopsis (Orchideen), grüner Amaranthus (Amarant, Fuchsschwanz) und die rankenden Ceropegea (Leuchterblume) wurden mit floralem Kleber versiegelt. Ein Band mit innerem Draht durchschlingt das Drahtgeflecht und endet mit einer Perle. Noch ein weißes Band und die Pflanzen sind mit Drahtstückchen fixiert.

Kerstin Tannhäuser suchte etwas Sommerliches und dabei fiel ihre Wahl auf einen weißen Hut. Die floralen Schmuckelemente befinden sich nicht klassisch an der Hutrückseite sondern vorn seitlich.

Ausladender Gras-Sommer-Sonnen-Hut

Für Stephanie Rodenkirchen war es wichtig, dass Gräser mit dabei sind, die den Bezug zum Sommer herstellen und üppig musste der Hut sein. Ein Gerüst aus Aludraht bildet die Hutbasis, die Technik ist von Straußgerüsten bekannt. Der Aludraht wird „wie gestrickt“ oder gewebt, eine Öse mit Aludraht gebogen, die zweite umgeklappt und damit verhakt. „Es pickst und sticht nichts.“ Da der Aludraht flexibel ist, lässt sich das Kopfteil an die jeweilige Kopfgröße anpassen und auch die Hutplatte kann man biegen. Bei der Blütenauswahl beschränkte sich Stephanie Rodenkirchen auf wenige wie: Anthurien (Flamingoblume), Gloriosa (Ruhmeskrone), Phalenopsis (Orchideen) und Blätter von Xanadu (immergrüner Philodendron).

Hut in Tropfenform mit Pfauenfedern

Das Grundgerüst des exotischen Hutes von Anita Schwaiger besteht aus geknotetem violettem Aludraht mit Crashdraht bezogen, darauf dachziegelartig die Pfauenfedern mit Heißkleber fixiert. Pflanzenmaterial unter anderem: grüne Gräser, Typhablätter (Rohrkolben), Tillandsia usneoides (Lousiana-Moos), Ranken von Ceropegia woodii „String of Hearts“(Leuchterblume), Phalaenopsis (Orchideen) und Zantedeschia (Calla) von altrosa bis pink. Bei den Blüten dienen so genannte Diamantnadeln teilweise als Befestigung und als Schmuck.

Witziger Zwiebelturm-Hut

Karin Pressel wollte keinen fertigen Hut nehmen, sondern ihre gestalterische Idee humorvoll umsetzen. Deswegen wurde der Hut „so riesig, ausladend und mit Zwiebel“.„Floristik soll auch lustig sein, mit einem Augenzwinkern“. Das Hutgerüst ist aus Peddig-Rohr geflochten und daran kleine Steckmasseteile mit Draht befestigt. Der Blütenschmuck konzentriert sich an einer Hutseite an Unter- und Oberseite, mit dabei: Nelken in pink und Mininelken in violett, stacheliger Fruchtstand von Nigella (Jungfer im Grünen), Astrantia (Sterndolde), in grün Celosia (Hahnenkamm), Hortensien und Amaranthus (Fuchsschwanz). An den abfließenden Peddig-Rohr-Teilen sind orange Glöckchen von Sandersonia (Laternenblume, Goldglöckchen) aufgespießt, weiterhin die noch grünen Fruchtstände von Lonaria (Silberblatt) und Physalis (Lampionblume).

Hulahoop-Reifen für den Kopf

Peddig-Rohr in freundlichen leuchtenden Farben wählte Verena Stapf für ihren Hutschmuck. „Es hat Spaß gemacht einen eigenen Hut zu gestalten – ein Sommerhut zum Präsentieren und sich Wohlfühlen.“ Die Hutpassform war wichtig, der Hut sollte gut sitzen. Verena Stapf arbeitete Aludraht ein, so dass sich die Hutgröße an die jeweilige Trägerin anpassen lässt. Das Peddig-Rohr in grün und pink wurde mit grünem Zierdraht abgebunden. Die Phalaenopsis-Blütenzweige (Orchideen) stecken für längere Haltbarkeit im Reagenzglas. Verwendete grüne Pflanzen: Aspidistra-Blätter (Schusterpalme), Gräser, Crascedie (Trommelschlegel), Lonaria (Silberblatt) und Ranken von Ceropegia woodii „String of Hearts“ (Leuchterblume).

Großblütiger Blumen-Wiesen-Hut

Bei seiner Kopfbedeckung dachte Frank Wagner an Wiese und Blumen. Auf einer Waldlichtung schnitt er bis zu 50 Zentimeter langes Seegras und bündelte es in 30 bis 50 Grasteile. Vom gewählten Fertigstrohhut wurde ein Bereich ausgeschnitten und durch Drahtgitter ersetzt. Ähnlich wie beim Perückenmachen zog Frank Wagner die einzelnen Seegrasbündel seitlich durch das Drahtgerüst und befestigte so Lage für Lage, von unten nach oben. Dadurch entstand eine üppige „Haarpracht“ aus Gras. Den blumigen Abschluss bilden überwiegend große Wiesenmargeritten und weiße Bartnelken, vorher gut gewässert und die Stielenden gewachst. Silbergras verleiht der „Hutblumenwiese“ eine edle Note.

Flauschiger Seitenhut mit Nährwert

Den Kreativen verhilft manchmal der Zufall zu einer Hutidee. Simone Löhle stieg in ihrem Aufbewahrungsraum auf die Leiter und wollte eine Kiste vom Regal holen. Auf der Kiste ein Hut, der fiel herunter und beim Absteigen von der Leiter trat Simone Löhle den Hut zusammen, aus Versehen. So entstand die Idee des seitlich aufgesetzten Hutes, mit Haarklammern festgesteckt, im Stil des 19. Jahrhunderts und früher. Der „mit Tritt“ gefaltete Strohhut wurde ineinander gelegt, zusammen geklammert und genäht. Mit floralem Kleber flächendeckend gelegte graue Stachusblätter (Wollziest) bilden die samtweiche Hutumhüllung. Der Wulst innen wurde mit Seegrasbüscheln gefüllt, anschließend die verschiedenen Pflanzen eingeklebt, wie: Walderdbeeren, grüne Johannisbeeren, Wildmalven vom Wegesrand, weiße und getigerte Phalenopsis (Orchideen), Stachusblüten (Wollziest), kleine Rosen und Margeritten, geschlossene und leicht geöffnete Buschnelken. Simone Löhle: „Weich und flauschig sollte der Hut werden“.

Schwärmen Sie schon aus im Garten und halten Ausschau nach geeignetem floralem Hutschmuck? Vielleicht einen Hut zum Probieren gestalten und teilweise essbar mit kleinen Früchten. Und dann in den Spiegel oder Teich schauen und fragen: Spieglein, Spieglein.....

Der Spiegel wird die Antwort nach dem schönsten Hut bestimmt wissen und aus der Gartenparty wird ein „behütetes“, noch lange in bester Erinnerung bleibendes, Sommermärchen.

Silberne Rose Bayern 2011

Historisches Ambiente im Rosenschloss Schlachtegg

An der Donau in Gundelfingen, hinter hohen Mauern, steht das Rosenschloss Schlachtegg, der diesjährige Veranstaltungsort der Silbernen Rose Bayern 2011. Im süddeutschen Bildungszentrum für Floristen setzten sechs Teilnehmerinnen, davon 4 Floristmeisterinnen, mit viel Fantasie und Ideenreichtum die gestellten Aufgaben um.

Christina Hannewald aus München – Siegerin der Silbernen Rose Bayern

Die Landesmeisterschaft der bayerischen Floristen gewann mit 368 Punkten von 400 möglichen Punkten Christina Hannewald. Ihre beiden Helfer kommen aus der Meisterschule in Straubing, gemeinsam verbrachte Zeit verbindet und Monika Hornung reiste zum Termin aus Österreich an. Auch Felix Geiling-Rasmus, Gewinner des Alpe-Adria - Österreich Cup 2010 der Floristen, trug als Helfer zum Gelingen bei. Umgekehrt war Christina Hannewald zum Alpe-Adria-Wettbewerb die Helferin von Felix Geiling-Rasmus. Gegenseitige Hilfe und Austausch scheinen sich doch zu bewähren. Im Jahr 2012 wird Christina Hannewald für Bayern am Wettbewerb um die Goldene Rose teilnehmen.

Brautkranz mit Belugalinsen

Kranzartig war die Form der Kopfbedeckung des historischen Gewandes, diese nahm Christina Hannewald auf und setzte sie modern um. Zwei Steckmassekränze bilden das Grundgerüst, wobei die Plastikunterlagen entfernt und durch schwarz lackierte Modellbauplatten ersetzt wurden. Verbunden sind die Platten mit langen Nägeln, befestigt mit Styroporkleber. An den Nägeln hängt auch die Tragekette. Der Griff besteht aus Alurohr mit Samtband umwickelt. Im inneren und äußeren Steckmassering sind die Floralien eingesteckt, vorher gedrahtet, versiegelt und getapt. Pflanzen unter anderem: Tacca- und Calanchoeblüten, Gomphrena, Hortensien, von Fuchsien Knospen Blüten und Grün, aprikot bis rötliche Himbeeren, grüne Brombeerfruchtstände, Mohnkapseln und Nelken.

Gesteckte Halbkugel

Bei einem Spaziergang fielen Christina Hannewald die herunter gefallenen Ulmenfruchtstände auf, „toll in der Farbgebung und traumhaft schön“. Der florale Werkstoff steht bei ihr im Vordergrund, wurde eingesammelt und ziert nun das Äußere der Halbkugel, von oben nach unten zulaufend mit Holzleim verklebt. Die Innenseite der Halbkugel wurde Blatt vergoldet. Für die Pflanzen versah die Floristin eine Plexiglasscheibe mit Löchern, da hinein Reagenzröhrchen, zusätzlich mit Sekundenkleber fixiert. Am Boden der Styroporhalbkugel bringt, bei entsprechender Raumbeleuchtung, eine mit Batterie betriebene LED-Leuchte die veredelte Innenansicht und die Floralien besonders zur Geltung.

Andrea Geisberger aus Heldenstein – 2. Platz, mit 353 Punkten

Das gebundene Werkstück konnte mit freier Material- und Farbauswahl zusammengestellt werden. Informativ war die Begründung zum Strauß, Andrea Geisberger schrieb dazu: „Mein persönlicher Lieblingsstrauß... Erweckt den Eindruck, als ob er gerade von der Wiese gepflückt worden wäre. Obwohl er das bestimmt nicht ist. Ausgesuchte Werkstoffe werden zu einem transparenten duftigen Strauß gebunden. Einige Schätze vom Land, die ich gern bei Streifzügen durch die Natur entdecke, machen die Gestaltung meines Straußes besonders und einzigartig. Deshalb dürfen sie auf keinen Fall fehlen. Die Farbgebung kann je nach Jahreszeit variieren, jedoch sind Weiß-, Gelb- und Grüntöne ein Muss für den Sommeranfang. Sie symbolisieren Leichtigkeit, das helle Licht der Sonne und Lebendigkeit.“

Für den luftigen Strauß gab es volle Punktzahl - 100 Punkte. Auch der Brautschmuck in Zepterform erhielt die volle Punktzahl. Die kompakte überstreckte Kuppel wirkt ruhig und tritt nicht in Konkurenz mit dem historischen Gewand. Zartgelbe Nelken und Hypericum nehmen die Farbtöne braun und gelb des Kleides auf. Zwei Styrodurplatten wurden Blatt vergoldet, mit Klarlack versiegelt und Hypericum, mit selbst vergoldeten Stecknadeln, fest gesteckt.

Diana Fink aus Rennertshofen – 3. Platz, mit 341 Punkten

„Mein Lieblingsstrauß... „Schönheit in der Einfachheit zu finden“ empfinde ich als eine große Kunst. Nicht die großen, herrschaftlichen Blütenformen machen für mich das Besondere aus, sondern die kleinen, einfachen Werkstoffe aus der Natur.“

Schale aus Lakritzschnecken

Etwas machen, was man noch nicht irgendwo gesehen hat, das wollte Diana Fink und ließ sich inspirieren. Zuerst ging sie in einen Baumarkt und dann in ein Lebensmittelgeschäft, wo sie ihren pflanzlichen Werkstoff fand und etliche Lakritztüten kaufte. Die Styrophorschale wurde mit Sprühkleber behandelt, darauf kam als Trägermaterial Zeitungspapier und anschließend außen eine schwarze Lackierung. Dann begannen die Experimente zum Befestigen der Lakritzschnecken an der Styrophorschale. Ein Nachbar, KFZ-Mechaniker fand in seinem Keller einen Spezialkleber, der funktionierte. Rezept: die Lakritzschnecken vorsichtig im Backofen bei 100 Grad, 15 Minuten auf Backpapier erhitzen und dann mit Nachbars Spezialkleber die erste Schicht Lakritzschnecken ankleben, die 2. Schicht mit Stecknadeln befestigen, Klarlack zum Abschluss, Schale innen noch mit Schlagmetall und Zaponlack darüber. Aus sechs Rollen Wickeldraht entstand ein locker gecrashtes Geflecht für die Blüten in den Reagenzgläsern. Pflanzen: Gloriosa, Calla, Heuchera, Tillandsia, Typha, Holunder, lila Brokoli, Schokoladenblume, Bohnenranken und Ceropegia sandersonii.

Es war einmal...

Passend zu längst vergangenen Zeiten bestand eine Aufgabe darin einen Brautschmuck zu einem historischen Gewand zu fertigen. Annika Franz entdeckte auf einem verwilderten Grundstück, in einem alten Haus, an einem Türschloss einen Zierbeschlag, die Unterlage für ihren historischen Brautstrauß. Den zweckentfremdeten Zierbeschlag reinigte die Floristin mit einer Drahtbürste, bog ihn, Sprühkleber auf den Beschlag und mit Blattgold vergoldet. Der abfließende Strauß sollte zur historischen Kleiderzeit passen und nicht zu modern sein, deshalb sind auch Kräuter vertreten, die es teilweise früher bereits gab.

Zu einer Mittelalterhochzeit mit ähnlicher Pflanzenauswahl wird dieser Brautstrauß im September 2011eine Braut zieren, die Schwester von Annika Franz. Der „Brautstrauß zur Probe“ vom Wettbewerb gefiel der zukünftigen Braut und sie möchte den Strauß „genau so haben“.

Wettbewerb

Freitagabend und Samstagmorgen bauten die Teilnehmerinnen ihre teilweise aufwendigen Grundgerüste auf. Am Samstag fand dann der Wettbewerb ohne Publikum statt, anschließend Siegerehrung, Grillfest und Party für Teilnehmer, Helfer, Firmen, Freunde und Familie. Der Brautschmuck wurde an diesem Abend in den edlen Gewändern von den Mitgliedern des Historischen Vereins Gundelfingen präsentiert.

Am angenehm warmen und sonnigen Sonntag, den 26. Juni 2011 kam die Kür für die Wettbewerbsteilnehmerinnen - „Floraler Sonnenschirm“, Zeit 45 Minuten mit Publikumsbewertung. Die Vizemeisterin der Silbernen Rose Bayern 2011, Andrea Geisberger

Gewann den Publikumspreis. Da es Stimmenauszählung sehr knapp zuging, wurde ein weiterer Ehrenpreis vergeben, an Mino Kochi aus München.

Reparieren ist wie Rätsel lösen

Kaputte Dinge wandern nicht mehr so schnell in den Müll. Ein neuer Trend? Die Initiative Repair Café hilft, reparaturbedürftige Sachen wieder herzustellen.

Ein Selbstversuch

Wir sind umgeben von technischen Gerätschaften. Wie sehr sie unseren Alltag prägen merken wir häufig erst, wenn sie ihre Mitarbeit verweigern. Eine bunt gemischte Gemeinschaft nicht mehr funktionierender Elektro- und Elektronik-Gegenstände und ihre Besitzer haben sich an diesem Sonntag zum Repair Café in München eingefunden. Eine Stehlampe, Plattenspieler, ein 45 Jahre altes „stummes“ Tonbandgerät, ein übergroßer Toaster, der nicht mehr toastet und eine „nach Strom süchtige“ elektrische Zahnbürste. Allen gemeinsam ist, daß sie nicht mehr so, wie sie sollen funktionieren. Ein Hersteller- oder Servicebetrieb ist meistens nicht greifbar oder die Reparatur würde teurer werden als ein Neugerät.

Hilfe zur Selbsthilfe

Nicht selten ist eine Reparatur einfacher als gedacht. Solange nicht spezielle Ersatzteile oder Spezialwerkzeuge benötigt werden, genügen oft ein wenig handwerkliches Geschick und technisches Wissen. Das läßt sich erlernen. Die Initiative Repair Café hat es sich zum Ziel gesetzt, die Erfahrungen ehrenamtlicher Fachleute zu teilen, Werkzeuge und Ausrüstungen gemeinsam zu nutzen und Ratsuchenden bei der Reparatur zu helfen.

Reparieren spart Resourcen und schont den Geldbeutel. Es verschafft das gute Gefühl, ein Problem mit den eigenen Händen zu lösen oder es zumindest versucht zu haben.

Ich habe mein defektes Radio mitgebracht, eine wasserdichte Kunststoffente mit eingebautem Radio. Mit einem Knacken hatte sie meinen impulsiven Versuch des Ausschaltens quittiert. Ein typischer Kandidat zum Wegwerfen, aber vielleicht lässt sie sich ja retten.

Aufmerksam und mit ernstem Gesichtsausdruck beobachtet ein junger Mann im Raum wie die ehrenamtlichen Fachleute an den Tischen die defekten Geräte wieder instand setzen. Ein Gerät zum Reparieren hat er heute nicht dabei, er wollte erst einmal zusehen wie die anderen reparieren und wie der Ablauf ist.

Benjamin hatte in einer der letzten Fachzeitschriften für Computer und Technik über Repair Cafés gelesen und fand die Idee schön, dass man sein nicht mehr funktionierendes Gerät vielleicht nicht wegwerfen muss sondern noch einmal aufschraubt, unterstützt von einem der ein bischen geschickter ist als man selbst.

Die Bemerkung: „Du kriegst das nie hin.“ hatte ihn in Jugendtagen angestachelt einen Walkman zu reparieren. Eine Platine war gebrochen und mit gelöteten Kabelstücken erweckte er das Gerät wieder zum Leben.

Gelingt die Tonbandreparatur?

Manchmal sind viele Hände am kaputten Gerät zu Gange und auf den ersten Blick ist schwer zu erkennen wer Besucher und wer der helfende Fachmann ist.

Er ist zwar nicht vom Fach, aber ein bischen kennt sich Georg mit elektrischen Geräten aus und reparierte im Laufe der Jahre schon einiges selbst. Der ältere Herr brachte sein 45 Jahre altes Tonbandgerät mit. Auf der anderen Tischseite steht der jüngere Stefan und beugt sich über das offene Tonbandgerät. Das eigentliche Problem ist der Antrieb, der Riemen hat Spannung verloren, einige Lager sind etwas schwergängig. Da kann man etwas machen. Nach einiger Zeit ist leise Musik zu hören, ein erster Erfolg. Noch ist der Antrieb etwas zäh und „leiert“ ein wenig. Die beiden Männer stellen fest, dass sie nicht weit entfernt voneinander wohnen. Und so verabredeten sie sich zu einem nächsten Termin mit nachbarschaftlicher Hilfe.

Der Informationselektroniker Stefan hatte ebenso in der Computerzeitschrift vom Repair Café gelesen und sich gedacht „vielleicht gibt es sowas in München auch“. Wenn er Zeit hat, wird er beim nächsten Treffen als Reparateur wieder mit dabei sein.

Oft wird bei den Reparaturen die Frage nach Garantie oder Versicherung gestellt. Das Repair Café im HEi findet ganz informell, auf der Basis von nachbarschaftlicher Hilfe statt. Der Besitzer repariert nach Möglichkeit selbst, die ehrenamtlichen Fachleute stehen beratend zur Verfügung und übernehmen keinerlei Garantie. Die Benutzung der Werkzeuge im Hei in den verschiedenen Werkstätten, zum Beispiel beim Schweißen oder an der der CNC-Fräse erfolgt auf eigene Gefahr.

Aufruf: Nummer 23, die Radio-Ente

Der aufgeklappte Werkzeugkoffer steht in Griffweite und für besseres Licht sorgt eine Stirnlampe am Kopf von Karl-Heinz, einem gelernten Fernseh- und Nachrichtentechniker. Seit 50 Jahren repariert der Elektroingenieur im Betrieb und in seiner Freizeit, wobei im Betrieb immer weniger repariert wird.

Karl-Heinz kennt das Repair Café in München im HEi, dem Haus der Eigenarbeit, seit der Gründung 2012. Ein kaputtes Gerät ist wie eine Rätselaufgabe. Wie funktioniert es normalerweise? Welches Detail ist defekt? Komme ich an die Problemstelle heran? Läßt sich das fehlende Ersatzteil durch etwas ähnliches ersetzen? Moderne Geräte sind häufig nicht sehr servicefreundlich gestaltet. „Früher war es viel üblicher, dass Geräte zerlegbarer waren“. Manch Reparatur „ist heute fast nicht mehr möglich, alles miniaturisiert und integriert. Alles wird verklebt oder geklemmt oder eingepresst. Da kommt man fast nicht mehr dran. Ein kleiner Defekt läßt sich nicht richten, wenn man das Gehäuse nicht aufbekommt.“

Jetzt liegt sie da auf dem Tisch, meine Radio-Ente, die keinen Laut mehr von sich gibt. Das Kuststoffgehäuse ist knifflig zu öffnen. Dabei zahlt sich die Erfahrung von Karl-Heinz aus. Der Fehler ist dann schnell entdeckt, meine Bedienaktion hatte zwei Kabel überdehnt.

Benjamin verfolgt jeden Arbeitsschritt und ist später beim Löten die 3. Hand. Nach wenigen Minuten „schnattert“ meine Ente wieder. Nicht immer ist eine Reparatur so einfach.

Ich unterhalte mich mit Frau Dr. Elisabeth Redler (Leiterin des Hauses der Eigenarbeit in München bis Juni 2014) und erst seit kurzer Zeit im Ruhestand. Im Gespräch erfahre ich, dass das Repair Café nach einem holländischen Vorbild eingerichtet wurde und inzwischen bis zu 14 ehrenamtliche Helfer aktiv sind. Die Spenden wandern in einen allgemeinen Spendentopf. Aus dem Etat des HEi werden die Werkzeuge, Getränke für die Ehrenamtlichen und gelegentlich auch Fahrtkosten finanziert. Was ist der, jetzt ehrenamtlich tätigen, ehemaligen HEi-Leiterin, besonders wichtig? „Die Resonanz zu unserem Repair Café ist riesig, auch von den Medien. Wir wünschen uns, dass wir in München vielleicht auch andere anstiften könnten Repair Cafés einzurichten und dass daraus eine Bewegung entsteht die dann vielleicht auch Druck auf die Industrie ausübt. Die Idealvorstellung wäre, wenn in München vielleicht wechselnd von Stadtteil zu Stadtteil jeden Monat ein Repair Café wäre. Dann könnten nämlich die Leute sagen ok es fehlt ein Ersatzteil, ich besorge das bis zum nächsten Termin und dann bringe ich das zum nächsten Repair Café mit.“

Das Repair-Cafe in München wird vom HEi (haus der Eigenarbeit) vier mal im Jahr organisiert und Benjamin könnte sich vorstellen beim nächsten Repair Café als ehrenamtlicher Problem- und Rätsellöser mit dabei zu sein.

Kultur & Technik 2017

Nichts zu sehen!

Das »No Show Museum« zeigt Werke, die gestohlen oder zerstört wurden oder nie existiert haben.

Was tust du?« »Nichts!« Ich habe elf Arbeitstage, um mich mit der Manifestation des Nichts zu befassen und dann nichts abzuliefern. Klingt einfach. Doch bedauerlicherweise: Nichts ist in Wirklichkeit nicht nichts. Aus Wörtern sollen Sätze, aus Sätzen ein Artikel werden. Nichts ist also doch Arbeit. Gewünscht wird ein Beitrag über ein Museum der Leere oder des Nichts – ganz sicher ist sich die Redaktion da auch nicht und sie fragt sich wie ich: Gibt es das wirklich?

Im Internet jedenfalls: Hier finde ich es als das weltweit erste Museum des Nichts. Es wurde offiziell im Mai 2015 eröffnet. Das Museum widmet sich dem Nichts und seinen Erscheinungsformen in der Kunst. Noch bin ich misstrauisch, lebt doch ein Museum von dem, was es zeigen kann – und das kann ja dann schlecht nichts sein. Und doch scheint es das Museum auch in der realen Welt zu geben. Derzeit – so heißt es – tourt es durch Südamerika, eine Begehung von Ausstellungsräumen ist daher nicht möglich. Aber immerhin: Im Internet kann man sich durch drei Stockwerke bewegen.

Konzeptioneller Gründervater des »No Show Museum« ist der US-amerikanische Künstler Robert Smithson. Im Jahr 1966 entstanden erste Pläne für den Bau eines Museum der Leere (»Museum of the Void«). Seit dieser Zeit tragen weltweit um die 150 namhafte Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts zur Etablierung des Museums bei. In der Sammlung befinden sich cirka 500 Dokumente und Werke, u.a. »Nichts« von Marina Abramovic, Joseph Beuys, Marcel Duchamp, Yves Klein, Andy Warhol. Betrieben wird das Museum von der Society of Nothing (SON), Sitz in Johannesburg. Geleitet wird es zurzeit vom Schweizer Kurator und Künstler Andreas Heusser.

Die Mission des »No Show Museums« besteht darin, »Nichts« weltweit zugänglich zu machen. Seit 2015 befindet es sich mit einem umgebauten Bus auf Welttournee. Das mobile Museum präsentiert dabei wechselnde Sonderausstellungen. Es begann mit einer Europatournee unter dem Motto »Invisible Artworks« (2015). Thema der Nordamerikatournee war »Nothing is impossible« (2016) und seit 2017 fährt der Museumsbus durch Zentral-, Mittel- und Südamerika mit »¡No falta nada! (Nichts fehlt)«. »Gezeigt werden Werke, die gestohlen oder zerstört wurden oder nie existiert haben.«, erläutert Andreas Heusser das Konzept der Ausstellung. »In Europa wird das ›No Show Museum‹ erst 2018 wieder unterwegs sein, bevor es dann nach Asien weitergeht.«

Kein Reisegeld für die Autorin

Die Reise nach Südamerika war der Redaktion zu teuer. Daher muss ich mich mit der virtuellen Sammlung begnügen, die glücklicherweise im Internet für jedermann und jedefrau frei zugänglich ist. Bekannte und weniger bekannte Künstler sind hier mit ihren Arbeiten vertreten. Der virtuelle Museumsbesuch startet im 2. Obergeschoss. Hier befinden sich drei Themenräume: A: Schaulager, B: Nichts als Verweigerung, C: Nichts als Auslöschung, Die Kunst der Vernichtung.

Paradox of Praxis

Hier beeindruckt mich: Paradox of Praxis 1 (Sometimes Making Something Leads to Nothing). In einem Film aus dem Jahr 1997 von 4:57 Minuten, ist Francis Alÿs zu sehen, der einen Eisblock durch die Stadt schiebt. Wir können beobachten, wie der Eisblock immer kleiner wird, zu einem Puck wie beim Eishockey, dann zu einem Wasserfleck, der verschwindet. Wasser in allen Aggregatzuständen, fest, flüssig und gasförmig. Der belgische Künstler wurde 1959 in Antwerpen, Belgien, geboren. Er lebt und arbeitet in Mexico City.

Weiter geht es ins 1. OG. Im Raum A: »Nichts als Leere« lassen sich vor allem leere Räume besichtigen. Geheimnisvolleres lässt Raum B erwarten: »Nichts als Unsichtbarkeit«. Eine Auseinandersetzung der ausstellenden Künstler mit dem Unsichtbaren. Der chinesische Bildhauer Song Dong beispielsweise schreibt seit 1995 ein Tagebuch mit einem Kalligrafiepinsel auf einen Steinblock. Anstelle von Farbe verwendet er Wasser.

Reduktion, Lücke und Statement

Nächste Stationen sind die Themenräume: »Nichts als Reduktion«, »Nichts als Lücke« und »Nichts als Statement«. Die »Reduktion« illustriert besipielhaft der japanische Künstler Hiroshi Sugimoto. In alten amerikanischen Kinosälen fotagrafiert er schwarz-weiß. Die Leinwand erscheint als weiße Fläche.

Mit der Betrachtung der »Lücke« nähern wir uns dem philosophischen Aspekts des Nichts als dialektisches Prinzip. Das Nichts gibt es nur als Gegensatz zum Etwas, dem Nicht-Nichts. Genau wie es ein Loch nur gibt, weil es durch einen Rand begrenzt wird, gibt es das Nichts nur, weil irgendwo eben nicht nichts ist.

»Nichts« kann einfach ein Statement sein: Die Kunst des Nichtssagens. Rote, schmale Schrift in Großbuchstaben, leicht nach rechts fallend, berührt alle Ränder eines gelben Rechtecks, umrahmt von einem schmalen Streifen weiß. Das Gemälde Nothing. 1995, der britischen Künstlerin Sarah Morris, hat eine Größe von 152,4 x 254 cm.

Nichts-Kunst mobilisiert die Fantasie

Das »No Show Museum« fasziniert. Und es wirkt: An mehreren Tagen habe ich es für einige nicht gezählte Stunden besucht und stelle fest, dass »Nichts« enorm fantasieanregend ist. Inspiriert von den Kunstwerken plane ich für mich ein weiteres drittes Stockwerk. Nichts – das habe ich gelernt – ist mehr als nichts. Mit der Kunst des Nichtstuns werde ich mich demnächst mal näher befassen.

Pack die Badehose ein!

Schwimmen im Fluss - Die Ausstellung „Swim City“

Wie ist das? In der Mittagspause schwimmen und danach erfrischt zurück an den Arbeitsplatz? Oder den Weg zur Arbeit schwimmend zurücklegen? In der Großstadt?

Das geht. Alles was man gerade dabei hat, kommt in eine wasserdichte Packtasche, die mitschwimmt.

Das Flussschwimmen in den Schweizer Städten ist auf dem besten Wege zu einer wirklichen Massenbewegung zu werden und ist inzwischen ein kleiner Mosaikstein der Neuerfindung des öffentlichen Raumes. Die Wanderausstellung „Swim City“, des S AM, Schweizerisches Architekturmuseum Basel, ist bis zum 13. März 2020 im AIT-ArchitekturSalon Hamburg, zu sehen.

Innenstädte sind kommerziell attraktiv und Bewohner werden durch steigende Bodenpreise und Mieten an den Rand gedrängt. Da ist der öffentliche Raum umso wichtiger, weil er von allen kostenlos genutzt werden kann, nur sind diese Räume begrenzt und werden immer knapper. Und hier kommt der Fluss als öffentlicher Raum ins Spiel. In Basel ist der Flussraum tatsächlich der größte öffentliche Platz. Er ist breit und hat an Stelle von begehbaren Flächen eben Wasser, Platz zum Baden mitten in der Stadt und kostenlos. Alle Interessierten haben den gleichen Zugang zum Fluss, tragen die „selbe Kleidung“, nämlich Badesachen, soziale Unterschiede werden nicht sichtbar, ein inklusives Gefühl entsteht, ein kleines aber wichtiges Stück gesellschaftlicher Teilhabe. Wie auch an trockenen Stellen des öffentlichen Raumes lernen sich hier Leute kennen und kommen ins Gespräch. Stadtbewohner, die sich sonst vielleicht nicht begegnen würden.