Modi des (Über-)Lebens - Armin Nassehi - E-Book

Modi des (Über-)Lebens E-Book

Armin Nassehi

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Beschreibung

Der Grundkonflikt der Moderne, so Armin Nassehi in seinem Essay in Kursbuch 203, liegt in der "Positionsbestimmung" des Einzelnen. Oder anders ausgedrückt: "Wie findet der einzelne Mensch seinen Platz in einer Welt, deren Dynamik ganz offensichtlich solche Plätze nicht mehr einfach voraussetzen kann?" In der Corona-Krise hat jede und jeder von uns bemerkt, wie sehr der Alltag und damit die Selbstdefinition, -wahrnehmung und -identifikation von Kontinuitätsmechanismen abhängen: Gleichberechtigung hängt davon ab, dass Kinderbetreuungseinrichtungen geöffnet sind, der cash flow hängt von gesicherten Produktions- und Zulieferungsmechanismen ab. Weite Teile der Erwerbsarbeit davon, dass der Einzelne mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Angesichts dieser komplizierten und komplexen (Über-)Lebens-Modi stellt sich also die Frage: Passen wir denn überhaupt in diese Welt?

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Seitenzahl: 25

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Inhalt

Armin NassehiModi des (Über-)LebensPassen wir überhaupt in diese Welt?

Der Autor

Impressum

Armin NassehiModi des (Über-)LebensPassen wir überhaupt in diese Welt?

Um den gesellschaftlichen Grundkonflikt der Moderne zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Kritik der Moderne im Moment ihres Anfangs. In Deutschland wäre es vor allem die frühe Romantik, in Frankreich die Kritik an der Revolution etwa des Gegenaufklärers Joseph de Maistre. Die Grundmotive der Frühromantik kann man als eine Kritik an den Entzweiungen der Moderne paraphrasieren. Philosophisch, ästhetisch, religiös und im Naturverständnis kritisierte diese Bewegung um 1800 den Verlust von Einheit und suchte nach der Versöhnung des Entzweiten. Vor allem in Jena hat sich um 1800 um die Schlegel-Brüder, um Ludwig Tieck, Friedrich Wilhelm Schelling und Novalis eine Bewegung etabliert, die gegen die Differenzierungsprozesse der Moderne deren inneren Zusammenhang setzt, die Natur und Geist nicht als Gegensatz betrachtet, die eine Wiederbelebung des Religiösen gegen die Säkularisierung des Denkens setzt. All das ist nicht besonders tiefenscharf formuliert, aber es ist eines der wirkmächtigsten Motive der Modernitätskritik überhaupt gewesen: den Zusammenhang von Identität und Differenz zu denken, die Trennungen und Differenzierungen der Moderne auszuhalten, unterschiedliche Kontexte zu erleben, mit Perspektivendifferenz zu leben. Die frühromantische Grundidee ist daher nicht einfach eine rückwärtsgewandte Ideologie, sondern sie ist bereits eine Reaktion auf jene Modernisierungserfahrungen, in denen sich die Wissenschaften versachlichen und rationalisieren, der Staat zum Anstaltsstaat wird und sich die Frage nach der Vernunft von der Religion entfernt. Es ist der Versuch, die Welt als Einheit beschreibbar zu machen und den Ursprung aller Teile in einem aufheben zu wollen – und darin ist sie auf eine erstaunliche Art und Weise modern, was immer man darunter genau verstehen will.

Es genügt zunächst diese unscharfe Charakterisierung, um das Bezugsproblem solcher Kritik zu verstehen: Es ist eine Reaktion darauf, dass diese moderne Welt mit ihren Inkonsistenzen und Diskontinuitäten offensichtlich die vormalige, wohlgemerkt: angebliche, ursprüngliche Passung von Welt und Mensch, von Individuum und Gesellschaft, von Einzelnem und Gemeinsamem verloren habe. Ob es jemals eine solche Entsprechung gegeben hat, spielt bei dieser Diagnose keine Rolle – als Projektion hat es sie ohne Zweifel gegeben, im Rekurs auf einen Volksgedanken, auf die Einheit spendende Idee einer beseelten Natur, als Hoffen auf die Monarchie als einer Einheit spendenden Verbindung des Menschen mit einem Fatum in der Figur des Königs etwa bei Novalis, nicht zuletzt als Rechtfertigung einer ständischen Ordnung. Letzteres ist vielleicht die radikalste Kritik der Moderne: der Versuch, die Gesellschaft als Assoziation von Freien und Gleichen wenigstens zu denken gegen den Gedanken, dass dann diese Freien und Gleichen ihren je eigenen Platz verlieren.1