Mondenlicht – Sonnenlicht - Laszlo Böszörmenyi - E-Book

Mondenlicht – Sonnenlicht E-Book

Laszlo Böszörmenyi

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Beschreibung

Mondenlicht und Sonnenlicht stehen in diesem Buch für eine Wissenschaft, die das Denken vergessen hat, und für ein Denken, das sich seines eigenen spirituellen Ursprungs bewusst werden möchte. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Computertechnologie und den Verheißungen der Künstlichen Intelligenz. Denn in den Innovationen der Technik wird oft in verzerrter Form sichtbar, was eigentlich geistige Entwicklungsziele sind. Wie genau unterscheiden sich menschliches Denken und Computerprogramme? Wie kommt ein Algorithmus zustande – und wie entsteht Bewusstsein? Eine Beantwortung dieser Fragen gelingt nur in der meditativen Erfahrung der eigenen Denktätigkeit, ist der Autor überzeugt. Unterstützung findet er für seine Ideen nicht nur bei Rudolf Steiner und Georg Kühlewind sondern auch bei Tolstoi, Tolkien und anderen. Das Buch lädt in Zeiten der Überforderung durch die Computertechnik zu einer vertieften Orientierung ein, deren innerer Mitvollzug bereits den Beginn eines Wandels darstellt.

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Seitenzahl: 179

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ISBN E-Book: 978-3-95779-126-9ISBN print: 978-3-95779-125-2

Diesem E-Book liegt die 1. Auflage 2020 der Printausgabe zugrunde.

Alle Rechte vorbehalten, © 2020, Info3-Verlagsgesellschaft Brüll & Heisterkamp KG, Frankfurt am Mainwww.info3.de

E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

Satz: Ulrich Schmid, detepe, Aalen

Cover: Frank Schubert, Frankfurt am Main, unter Verwendung einer Zeichnung von Albrecht Dürer

Über dieses Buch

Mondenlicht und Sonnenlicht stehen in diesem Buch für eine Wissenschaft, die das Denken vergessen hat, und für ein Denken, das sich seines eigenen spirituellen Ursprungs bewusstwerden möchte.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Computertechnologie und den Verheißungen der Künstlichen Intelligenz. Denn in den Innovationen der Technik wird oft in verzerrter Form sichtbar, was eigentlich geistige Entwicklungsziele sind. Wie genau unterscheiden sich menschliches Denken und Computerprogramme? Wie kommt ein Algorithmus zustande – und wie entsteht Bewusstsein? Eine Beantwortung dieser Fragen gelingt nur in der meditativen Erfahrung der eigenen Denktätigkeit, ist der Autor überzeugt. Unterstützung findet er für seine Ideen nicht nur bei Rudolf Steiner und Georg Kühlewind sondern auch bei Tolstoi, Tolkien und anderen.

Das Buch lädt in Zeiten der Überforderung durch die Computertechnik zu einer vertieften Orientierung ein, deren innerer Mitvollzug bereits den Beginn eines Wandels darstellt.

Das ‚Verwachsen‘ von Menschen und Computern setzt den Trend der verfrühten Verkörperung von Inspirationen fort, die, zu ihrem Ursprung zurückgeführt, etwas ganz anderes bedeuten würden. Die Ideen der Erlösung, der Auferstehung, des ewigen Lebens sollten in uns reifen und greifen – stattdessen bauen wir Algorithmen und Kunststoffkörper.Laszlo Böszörmenyi

Über den Autor

Laszlo Böszörmenyi

wurde 1949 in Budapest geboren. Er hat 45 Jahre lang in der Informatikforschung gearbeitet. Von 1992 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2017 war er Professor für Informatik an der Universität Klagenfurt. Dort leitete er das Institut für Informationstechnologie. Er hat über 200 wissenschaftliche Schriften veröffentlicht und zahlreiche Forschungsprojekte geleitet.

Parallel zu akademischer Forschung und Lehre lernte Böszörmenyi die Anthroposophie und im Jahr 1978 den ebenfalls aus Ungarn stammenden Bewusstseinsforscher Georg Kühlewind kennen, woraus sich eine lebensprägende Begegnung entwickelte. Er ist heute als Vortragsredner und Seminarleiter zu anthroposophischen Themen, vornehmlich zu Fragen des Übungsweges tätig. Er hat mehrere kürzere Schriften zu diesem Thema veröffentlicht.

Ruth und Reinhard Kindt gewidmet

Inhalt

Vorwort

1. Sprache der Wissenschaft – Sprache Michaels

1.1 Qualitativ unterschiedliche Sprachen

1.2 Woher kommt die Kälte der naturwissenschaftlichen Denkweise?

1.3 Wieso sprechen wir überhaupt?

1.4 Wie hat das Sprechen angefangen?

1.5 Die Mächtigkeit der Sprache

1.6 Die Freiheit des Sprechens

1.7 Intentionen des Sprechens

1.8 Zeitgemäße Meditation

1.9 Wie steigt der Sinn eines Satzes herunter, wie steige ich zu ihm hinauf?

2. Die Sprache der Wissenschaft

2.1 Die Denkweise der Wissenschaft

2.2 Wie entstehen die Themen der Wissenschaft?

2.3 Warum verfärben sich die Blätter der Bäume im Herbst?

2.4 Der moderne „Wissenschaftsbetrieb“

2.5 Der unpersönliche Charakter der Wissenschaft

2.6 Ich und Ego

2.7 Wie sicher ist unser Denken, woher kommt die Mathematik?

2.8 Die verfrühte neue Schöpfung – die Entstehung der Technik

3. Die automatisierte Intelligenz – die Entstehung der Informatik

3.1 Die Erfindung des Computers

3.2 Die besonderen Eigenschaften des Computers

3.3 Wie „denkt“ die Maschine?

3.4 Was ist der Mehrwert des „maschinellen Denkens“?

3.5 Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

3.6 Warum verwenden wir statistische Verfahren?

3.7 Werden Computer unsere Gedanken lesen können?

3.8 Denkt das Gehirn meine Gedanken, oder bewegt mein Denken das Gehirn?

3.9 Wachsen Mensch und Computer zusammen?

3.10 Woher kommt die Faszination der Computerwelt?

4. Die Umkehr – vom Mondenlicht zum Sonnenlicht

4.1 Der Weg des Neuen, der Weg der Zukunft

4.2 Kann ich das?

4.3 Bilder des Untergangs, Bilder des Aufstiegs

4.4 Die Orientierung

Danksagung

Vorwort

Wir alle spüren, dass etwas nicht stimmt. Der Krisenzustand wird „normal“, irgendeine Krise gibt es immer. Wir suchen den Fehler bei anderen, bei der Politik, bei den wichtigen Menschen. Wir erkennen aber nur ungern an, dass das alles zutiefst mit dem aktuellen Zustand unseres eigenen Bewusstseins zusammenhängt. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir die Geschenke der Schöpfung mehr oder weniger verbraucht haben. Das gilt nicht nur für die Schätze der Erde, sondern auch für unsere eigenen geistigen Fähigkeiten. Wir erhalten keine Geschenke mehr – wir sind erwachsen. Eine Erneuerung kann nur von uns Menschen kommen. Wir müssten unser Leben, unseren Sinn ändern.

Das Bewusstsein des modernen Menschen wird durch die wissenschaftliche Denkweise dominiert – auch wenn uns irrationale Phänomene in der Politik und anderswo daran zweifeln lassen. Diese Denkweise ist das letzte Geschenk für die Menschheit, sie könnte uns in die Freiheit führen. Der nächste Schritt wäre, diese Denkweise umzuwandeln, in ihr Quellgebiet aufzusteigen. Dieser Schritt ist schwierig, weil wir dazu eine qualitativ neue Art des Erkennens erlernen müssten. Die wissenschaftliche Denkweise wird nur ihrer Produkte, der Vergangenheit ihrer eigenen Tätigkeit gewahr, nicht aber ihrer aktuellen Tätigkeit. Ziel wäre das Gewahrwerden der aktuellen, gegenwärtigen geistigen Tätigkeit. Der Weg dazu ist die zeitgemäße, vom Denken ausgehende Kontemplation oder Meditation.

Die gemeinsame Betrachtung der wissenschaftlichen Denkweise und ihrer Erweiterung in der Meditation entspricht in gewisser Weise meiner eigenen Biografie.

Ich war 45 Jahre lang in der Informatik-Forschung tätig, davon 25 Jahre als Professor der Informatik an der Universität Klagenfurt. Ich habe mich mit verschiedenen Themen der Kerninformatik beschäftigt (Rechnernetze, Betriebssysteme, Programmiersprachen und so weiter). In den letzten 15 Jahren arbeitete ich mit meiner Forschungsgruppe an der Analyse und Verarbeitung von Videoaufnahmen von chirurgischen (vor allem endoskopischen) Eingriffen. Ein paar Jahre lang habe ich mich auch mit Informatikgeschichte beschäftigt.

Seit 1978, nachdem ich Georg Kühlewind bei einer Tagung in Zürich kennengelernt hatte, gehören Übungen des spirituellen Schulungswegs zu meiner täglichen Praxis (also auch schon seit mehr als 40 Jahren). Diese Praxis konfrontiert mich täglich mit meiner eigenen Schwäche, macht mir aber auch jeden Tag bewusst, dass es keinen leichten, billigen Weg zur Freiheit gibt. Freiheit bedeutet nicht, dass ich alles machen darf, was mir einfällt, sondern dass ich in meinem Bewusstsein autonom bin und liebevoll handeln kann. Dazu muss ich meine schwache, in Gewohnheiten gefangene, egoistisch und mechanistisch gewordene Aufmerksamkeit heilen.

Meine Hauptbemühung in diesem Buch geht dahin zu zeigen, dass es nichts Böses gibt, was nicht als Gutes angefangen hätte – auch wenn dieser Anfang manchmal sehr schwer zu finden ist. Nicht bekämpfen müssen wir das Böse, sondern umwandeln, zurückverwandeln, zu seinen ursprünglichen Quellen zurückführen. Im allerersten Schritt in uns selbst. Das entspricht in gewisser Hinsicht dem Prinzip, Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen.

1. Sprache der Wissenschaft – Sprache Michaels

In den kurz vor seinem Tod aufgezeichneten Anthroposophischen Leitsätzen hat Rudolf Steiner in christlichen Metaphern eine neue, kommende Bewusstseinsverfassung charakterisiert. Darin heißt es unter anderem:

„Anthroposophie schätzt in rechter Art, was die naturwissenschaftliche Denkweise gelernt hat, seit vier bis fünf Jahrhunderten über die Welt zu sagen. Aber sie spricht außer dieser Sprache eben noch eine andere über das Wesen des Menschen, über die Entwicklung des Menschen und über das Werden des Kosmos; sie möchte die Christus-Michael-Sprache sprechen.“1

1.1 Qualitativ unterschiedliche Sprachen

Was ist diese „Christus-Michael-Sprache“, die die naturwissenschaftliche Denkweise nicht abtut, aber über sie hinausgeht? Es geht sicherlich nicht nur um die in diesem Zitat aufgezählten Themen: Für diese interessiert sich die akademische Wissenschaft auch. Es heißt, es gehe um eine neue Sprache, also auch um eine neue Herangehensweise. Vielleicht so, wie wenn jemand von Prosa in Gesang wechseln würde: Es geht um eine qualitativ neue Welt.

Die naturwissenschaftliche Denkweise ist uns modernen Menschen gegeben. Nicht gleich nach der Geburt, aber nach dem Erlernen der Muttersprache und nach dem Besuch einer Schule ist sie uns allen gegeben. Wir können sie verfeinern – etwa durch ein Universitätsstudium oder gar durch anschließende eigene Forschungstätigkeit – aber die Fähigkeit dazu ist schon vorher da. Die „Christus-Michael-Sprache“ ist im Gegensatz dazu offensichtlich etwas, was wir erst lernen müssten. Dieses Nicht-Gegeben-Sein ist keine nebensächliche Eigenschaft, oder gar „Pech“, sondern ein zentrales Merkmal. Wir sind frei, sie zu erlangen – oder auch nicht.

Die naturwissenschaftliche Denkweise ist klar, aber kalt und farblos, wie das Licht des Mondes. Wir alle können – mehr oder weniger – in klar konturierten Begriffen denken und entlang solcher Begriffe die innere und äußere Welt gliedern. Auch die Trennung in innere und äußere Welt wird erst durch diese Denkweise erzeugt. Befriedigen tut sie uns aber nicht. Es fehlen uns die Wärme und die Farben. Deshalb hängen wir an unsere Begriffe Gefühle an, die aber meistens wenig von der Welt aussagen und eher mit unserem eigenen Befinden zu tun haben. Wenn wir zum Beispiel „Wasser“ sagen, wissen wir einerseits die chemische Zusammensetzung, andererseits fühlen wir die Freude am Trinken und Baden, den Durst, wenn es uns an Wasser mangelt und so weiter. Das alles sagt aber nicht viel von der einmaligen Qualität, vom „Sosein“ des Wassers2.

Was genau Rudolf Steiner unter „Christus-Michael-Sprache“ versteht, kann ich natürlich nicht wissen, ich kann aber versuchen es herauszufinden. Er schreibt etwas später: „Man wird stets, ob denkend oder wollend, durch ein Sich-Versetzen ins Geistige an Michael herankommen müssen.“3 Ich kenne keine andere zeitgemäße Möglichkeit zu diesem „Sich-Versetzen ins Geistige“ als den Übungsweg, den Weg der Konzentration und Meditation (siehe später, insbesondere in Kapitel 1.8 und 1.9). Deshalb nehme ich an, dass diese Sprache auf dem Übungsweg zu erlernen ist und ihr Stil von Anfang an die richtige Ausdrucksform geistiger Übungen sein soll. Der Stil unserer Muttersprache bleibt ein Leben lang stark in uns verankert. Durch Kunst können wir uns neue Stile aneignen. Nicht nur barock oder romantisch sind Stile, jeder große Künstler hat seinen eigenen Stil; Bach und Vivaldi sind beide barock und trotzdem auch individuell. Durch eine qualitativ neue Sprache könnten wir einen noch radikal neueren Stil erlernen.

Hier liegt aber eine Schwierigkeit: Wie soll ich den Stil von Anfang an richtig erkennen, wenn ich die Sprache dazu erst lernen muss? Eine ähnliche Frage ist: Wie kann ich die richtige Orientierung für das Leben finden – bevor ich am Ziel bin? Ein guter Wanderer kann getrost unbekannte Pfade gehen, solange er die Orientierung nicht verliert. Woher weiß er das aber? Gibt es einen Kompass für den inneren Weg? Folgendes könnte helfen:

„Im Innern so verbunden sein mit dem intelligenten Inhalte, wie Michael es ist, bedeutet zugleich, die Anforderung erfüllen müssen, nichts von subjektiver Willkür, von Wunsch oder Begehren in diesen Inhalt hineinzubringen. Sonst wird ja Logik Willkür eines Wesens statt Ausdruck des Kosmos. Streng sein Wesen als Ausdruck des Weltwesens zu halten; alles, was sich im Innern als Eigenwesen regen will, auch in diesem Innern zu lassen: das betrachtet Michael als seine Tugend. Sein Sinn ist nach den großen Zusammenhängen des Kosmos gerichtet – davon spricht seine Miene; sein Wille, der an den Menschen herantritt, soll widerspiegeln, was er im Kosmos erschaut – , davon spricht seine Haltung, seine Geste. Michael ist in allem ernst, denn Ernst als Offenbarung eines Wesens ist der Spiegel des Kosmos aus diesem Wesen; Lächeln ist der Ausdruck dessen, was, von einem Wesen ausgehend, in die Welt hineinstrahlt.“4

Ernst bedeutet: ganz dabei sein, in voller Konzentration, voller Hingabe, voller Selbstlosigkeit. Und das Lächeln entspringt aus der Freude in der Begegnung mit anderen Wesen in voller Hingabe. Selbstlosigkeit und heiterer Ernst sind die wichtigsten Stilelemente dieses Weges. Wir heutige Erwachsene sind immer durch Egoität geprägt (das war nicht immer so, beim kleinen Kind ist es auch heute nicht so, siehe auch später, vor allem in Kapitel 2.6). Wenn ich anfange die Sprache Michaels zu lernen, bin ich notgedrungen egoistisch, weil ich nicht anders kann. In der vollständigen Konzentration oder Hingabe wird aber die Egoität durch den heiteren Ernst des selbstlosen Tuns abgelöst, ähnlich wie beim Spiel eines Kindes. Das ist die Orientierung auf dem Weg zu Michael. Ich kenne weder das Ziel noch den Weg; ich muss völlig neue Wege gehen. Solange ich versuche, jede „subjektive Willkür, Wunsch oder Begehren“ zumindest zu Zeiten der Übung auszuschließen, und wenn ich die Ehrlichkeit habe, es mir selbst einzugestehen, wenn es mir nicht gelingt, verliere ich meine Orientierung nicht. Wenn ich diese Ehrlichkeit nicht aufbringe, droht sogar die Gefahr, dass ich überhaupt die Fähigkeit zur Klarheit, zum klaren Denken verliere und die „Logik Willkür eines Wesens statt Ausdruck des Kosmos“ wird. Das wäre die totale Finsternis, aus der der Mensch nicht mehr herausfindet. Dann gibt es keine Wahrheit mehr, nur noch private Meinungen und Interessen: der Krieg eines jeden gegen jeden. Den führen wir ja schon längst, aber zumindest die Logik ist uns allen noch gemeinsam. Und die kalte Logik ist der Abglanz des warmen, gemeinsamen Lichtes, das von Michael vermittelt und „verwaltet“5 – nicht aber für sich behalten wird. Das Wesen, das dieses Licht für sich behalten will, nennt Steiner Ahriman:

„Nun hat Ahriman sich die Intellektualität in einer Zeit angeeignet, als er sie nicht in sich verinnerlichen konnte. Sie blieb eine Kraft in seinem Wesen, die mit Herz und Seele nichts zu tun hat. Als kalt-frostiger, seelenloser kosmischer Impuls strömt von Ahriman die Intellektualität aus. Und die Menschen, die von diesem Impuls ergriffen werden, entwickeln eine Logik, die in erbarmungs- und liebeloser Art für sich selbst zu sprechen scheint – in Wahrheit spricht eben Ahriman in ihr –, bei der sich nichts zeigt, was rechtes, inneres, herzlich-seelisches Verbundensein des Menschen ist mit dem, was er denkt, spricht, tut.“6

Das ist der Stil von Ahriman. Den kennen wir auch gut in uns selbst – wenn wir ehrlich sind. Auch er ist eine kosmische Kraft, die uns einmal dienlich war. Wir haben den Egoismus und das Lügen von ihm gelernt, und hätten wir das nicht gelernt, hätten wir uns aus dem Eingebettet-Sein in die geistige Welt nie herauslösen und den Weg der Freiheit nie antreten können. Nachdem wir dies aber erkannt haben, dürfen wir diesen „kalt-frostigen, seelenlosen“ Weg nicht mehr fortführen. Wir müssten die Umkehr vollziehen und uns der Christus-Michael Sprache widmen. Die Möglichkeit dazu wurde im Christentum in die Menschenseelen hineingelegt: „Und das Wort ward Fleisch und schlug in uns sein Zelt auf und wir haben seine Ausstrahlung erblickt, eine Ausstrahlung wie die des eingeborenen Sohnes des Vaters voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh. 1,147) Der Logos „hat sein Zelt in uns aufgeschlagen“ und wir sind auf keine Führung mehr angewiesen. Michael führt uns auch nicht: Er wartet auf uns. „Voller Gnade und Wahrheit.“

Die naturwissenschaftliche Denkweise sieht die Welt als eine stumme an, die nicht sprechen kann. Wenn ich den geistigen Übungsweg einschlage, dann geschieht das aus einer Ahnung und Hoffnung, dass die Welt nur deshalb stumm erscheint, weil ich sie – noch – nicht verstehe. Anstatt die Welt wie von außen mit einem kalten Licht zu beleuchten, suche ich, mit Hilfe des warmen Lichts meines Inneren mit dem Licht hinter der Welt in Verbindung zu kommen. Das ist wie Sonnenlicht aus dem Inneren des Menschen, das dem Sonnenlicht aus dem Inneren der Schöpfung entgegenstrahlt. Ich erkenne auf einmal, dass die fremde, stumme Welt mich „anlächelt“ – und damit meine Ängste vertreibt und in Liebe umwandelt.

Die Welt scheint uns tot und stumm zu sein. Aber das sind alle ausgesprochenen Sätze auch, solange sie nicht von jemandem verstanden und damit wieder zum Leben erweckt werden. Die „Christus-Michael-Sprache“ zu erlernen könnte bedeuten, hinter der toten Welt die lebendige, warme Quelle zu suchen, die sie ausgesprochen hat. Erkenntnis der naturwissenschaftlichen Denkweise ist wie ein Sezieren von Leichnamen in einem künstlich beleuchteten Keller. Die neue, sonnenhafte Erkenntnisart könnte die ewig lebendigen Wesen finden, deren Ausdrücke uns als Leichname erscheinen. So könnte das Erkennen zum Gespräch werden. Oder gar zum Gesang, wie es Hölderlin verheißen hat.8

Um Erdenbürger zu werden, müssen wir eine irdische Sprache erlernen. Um Himmelsbürger zu werden, müssten wir die „Christus-Michael-Sprache“ erlernen. Wie der Prozess des Sprechenlernens uns herunterführt vom Himmel auf die Erde und die irdische Welt gestaltet, ja erschafft (siehe später, Kapitel 1.5), so könnte uns das Erlernen der „Christus-Michael-Sprache“ hinaufheben zu einer neuen, himmlischen Welt und diese gestalten und erschaffen. „Die Kinder Gottes“ werden im Johannes-Evangelium als „aus Gott geboren“ bezeichnet. (Joh. 1,11) Wie das neugeborene Kind hier die irdische Sprache erlernen muss, so erlernen die Kinder Gottes nach ihrer „Geburt aus Gott“ die himmlische Sprache.

1.2 Woher kommt die Kälte der naturwissenschaftlichen Denkweise?

Steiner spricht von der „Art, was die naturwissenschaftliche Denkweise gelernt hat, seit vier bis fünf Jahrhunderten über die Welt zu sagen“. Warum gerade seit den letzten vier bis fünf (inzwischen sechs) Jahrhunderten? Etwas zuvor schreibt er in den Leitsätzen:

„Erst als die Gedanken ihre Prägung im physischen Leibe annahmen und sich das Bewusstsein nur auf diese Prägung erstreckte, trat die Möglichkeit der Freiheit ein. Das ist der Zustand, der mit dem fünfzehnten nachchristlichen Jahrhundert gegeben ist.“9

Diese „Prägung“ bedeutet, dass der lebendige – aber unbewusste – Prozess des Denkens das Gehirn berührt, an ihm abgebremst, abgetötet wird, und wir in diesem abgeschwächten Zustand nun dessen Inhalt – den fertigen Gedanken – wie in einem Blitzlicht verstehen können. Wie diese Berührung geschieht, wie ein rein geistiger Prozess (das lebendige Denken) ein physisches Organ (das Gehirn) „anstößt“, das erfahren wir nicht. Normalerweise haben wir von unserem Gehirn überhaupt keine unmittelbare Erfahrung, außer wenn es dort wehtut. Wir wissen aus Experimenten, dass unterschiedliche geistig-seelische Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns unterschiedliche Gehirnströme induzieren. Aber wie das geschieht, das wissen wir nicht, das ist Mysterium, Magie. Aus dieser Richtung werden wir es auch nicht erfahren. Was wir aber sehr wohl anstreben können, ist der umgekehrte Weg. Wenn wir so konzentriert denken lernen, dass wir den Prozess des Denkens erfahren, noch bevor der Inhalt da ist (etwa den Sinn des Satzes, bevor er in Worten formuliert ist), dann erfahren wir das Denken in seiner puren, geistigen Form, noch bevor es das Gehirn berührt. Darum nennt Steiner die Meditation einerseits „wortloses“, andererseits „gehirnunabhängiges“ Denken (siehe später, vor allem in Kapitel 3.8).

Die Jahrtausende dauernde Entwicklung bis zur Entstehung des gehirnabhängigen Denkens charakterisiert Steiner so:

„Er (der Mensch) empfand … den Inhalt der Ideen nicht als etwas Selbst-Gemachtes, sondern als etwas durch Eingebung aus der übersinnlichen Welt Erhaltenes … Man kann nun zurückgehen in Zeiten, in denen Gedanken unmittelbar im ,Ich‘ erlebt wurden. Da aber waren sie nicht schattenhaft, wie heute: sie waren nicht bloß lebend; sie waren beseelt und durchgeistigt. Das heißt aber: der Mensch dachte nicht Gedanken; sondern er erlebte die Wahrnehmung von konkreten geistigen Wesenheiten.“10

Er erklärt das so, dass das Erleben der Ideen mit der Zeit immer tiefer in die menschlichen Wesensglieder hinuntergestiegen ist, vom „Ich“ abwärts, über den Empfindungsleib und Lebensleib, bis zur Berührung des physischen Leibes11, des Gehirns. Können wir das heute nachvollziehen? Wenn, dann sicherlich nur auf dem umgekehrten Weg. Ausgehend von der gegebenen Art der Erfahrung der Gedanken können wir lernen, durch erhöhte Konzentration der Aufmerksamkeit die Ideen schon weiter oben „einzufangen“, bewusst zu machen. Je höher wir steigen, umso lebendiger und wesenhafter wird diese Erfahrung. Man könnte auch sagen: umso „wärmer“. Jetzt verstehen wir also, woher die Kälte des modernen Denkens kommt. Je weiter entfernt von seiner eigentlichen Quelle im „Ich“ erlebt, umso kälter und toter wirkt das Denken. Und je näher zur Quelle, umso wärmer, lichtvoller und mächtiger wird es. Die Entfremdung von der Quelle hat eine weitere Konsequenz: Es entstehen im Menschen Fragen; es entsteht die Wissenschaft.

Spätestens hier müsste uns ein (scheinbarer) Widerspruch auffallen. Wieso sollten wir die Gedanken gerade dann als unsere eigenen erleben, wenn sie nicht mehr „unmittelbar im ,Ich‘ erlebt“ werden? Die Antwort ist: Dieses „Ich“ ist nicht dasselbe wie das, was wir heute Ich nennen. Noch mehr: Gerade diese Entwicklung ist notwendig, damit unser heutiges Ich, das „kleine Ich“ entsteht und sich von der geistigen Welt abgrenzen kann, um dann von hier aus, von dem gegebenen Alltagsbewusstsein aus, als freies Wesen den Weg nach oben anzutreten. Bis zur Renaissance entwickelt sich das Bewusstsein der Menschheit zur „Pubertät“. Die „Reife“, die steht direkt vor uns. Reife würde bedeuten: Rückkehr aus Freiheit. Der verlorene Sohn – die Aufmerksamkeit – kehrt zu den Quellen zurück, aber diesmal frei und seiner selbst bewusst. Das ist der große „Kampf“ der Gegenwart. Die äußeren Geschehnisse arbeiten vorwiegend gegen diese Entwicklung und versuchen, unsere Aufmerksamkeit gefangen zu halten. Ohne unser Einverständnis ist das zwar nicht möglich; aber wir geben dieses Einverständnis allzu gern: manchmal durch Gewalt, viel häufiger, weil uns Genuss versprochen wird.

Die große geschichtliche Entwicklung des menschlichen Bewusstseins können wir kaum nachvollziehen. Glücklicherweise ist sie aber im Kleinen – in etwas veränderter Form – auch viel näher zu finden: in der Entwicklung des individuellen Menschen, insbesondere der Kinder. Fragen wir uns deshalb doch einmal: Wie lernen wir eigentlich sprechen, denken, wahrnehmen, fühlen?

1.3 Wieso sprechen wir überhaupt?

Wann spreche ich eigentlich? Im guten Fall, wenn ich etwas zu sagen habe. Im weniger guten Fall, wenn ich damit etwas erreichen will. Im schlechtesten Fall tue ich es einfach nur so, ich schwatze aus Gewohnheit. Wieso ist aber das Sprechen überhaupt nötig? Warum verstehen wir einander nicht unmittelbar? Kleine Kinder tun das – wie der Bewusstseinsforscher und Autor Georg Kühlewind es mehrfach gezeigt hat.12 Sonst könnten sie nie ihre erste Sprache (manchmal sogar gleichzeitig mehrere) erlernen. Sie verstehen die Eltern unmittelbar und verknüpfen dieses „Eine“, zum Beispiel die Aussage, den Sinn eines Satzes, mit den erklingenden Lauten. Kleine Kinder können in einem bestimmten Alter ganze Sätze verstehen, ohne die einzelnen Worte darin zu kennen. Anscheinend wird aber nach dem Erlernen der Muttersprache dieses Erlernte selbst zum Hindernis: Das direkte Verstehen geht dabei fast gänzlich verloren und wir verstehen einander nur noch durch die Vermittlung der Sprache. Manchmal können sich auch Erwachsene sprachlos, unmittelbar verstehen. Das nennt man meist Liebe.