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Der Knausgård des 18. Jahrhunderts – Rétif de la Bretonne. Reinhard Kaiser entdeckt für uns eines der schonungslosesten und großartigsten Memoirenwerke der Weltliteratur. Es ist ein ungeheures Unterfangen, das Rétif de la Bretonne in der Vorrede seines Buches ankündigt: »Ich gehe daran, Ihnen hier das ganze Leben eines Ihrer Mitmenschen vorzulegen, ohne etwas zu verschleiern, weder von seinen Gedanken, noch von seinen Taten. Der Mensch, dessen Seele ich hier anatomieren werde, konnte allerdings kein anderer sein als ich selbst.« Und er macht ernst – völlig ungeschminkt erzählt er alles, was ihn einst bewegte, alles, was er tat, und alles, was er dachte: Gutes wie Böses, Edles, Niederträchtiges, Verwerfliches, Peinliches, Obszönes, Widerliches, Naives, Lobenswertes. Alles. Und er schreibt damit eines der schonungslosesten, aber auch großartigsten Memoirenwerke aller Zeiten, ebenbürtig einem Samuel Pepys, Jean-Jacques Rousseau oder Giacomo Casanova. Von der Jugend auf dem Land über die Zeit in der Klosterschule bis in die Zeit als Drucker und Schriftsteller in Paris, wo er zum berühmtesten Beobachter der niederen Stände wird. Unzähligen Frauen begegnet der leicht entflammbare und triebhafte Rétif auf seinem Weg, und auf alle möglichen Weisen versucht er sich ihnen zu nähern. Er liefert ein ungemein reichhaltiges Zeitbild Frankreichs vor und während der Revolution – und eine Tiefenbohrung in die menschliche Psyche, wie es sie vorher noch nie gab und auch lange danach nicht mehr geben sollte. Der Klassiker zum Buchmessengastland Frankreich!
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Seitenzahl: 1022
Rétif de la Bretonne
Monsieur Nicolas oder Das enthüllte Menschenherz
Ausgewählt, aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Reinhard Kaiser
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Herausgebracht von ihm selbst
’Een ’ékástos mandáken komizai.
Suam quisque pellem portat.[1]
Ich gehe daran, Ihnen hier das ganze Leben eines Ihrer Mitmenschen vorzulegen, ohne etwas zu verschleiern, weder von seinen Gedanken noch von seinen Taten. Der Mensch, dessen Seele ich hier anatomieren werde, konnte allerdings kein anderer sein als ich selbst. Auch ohne Montaigne bisher gelesen zu haben, weiß ich, dass er gesagt hat: »Wenn man über sich selbst spricht, kommt man doch nie davon, ohne Schaden zu nehmen: Urteilt man ungünstig über sich, glauben die Leute, man habe noch längst nicht alles gesagt; und wenn man sich lobt, glauben sie einem kein Wort.«[2] Trotzdem halte ich an meinem Vorhaben fest: Ich schildere hier nicht mein Leben, sondern die Geschichte eines Menschen.
Es gibt zwei Vorbilder für mein Unterfangen: die Bekenntnisse des Bischofs von Hippo und diejenigen des Bürgers von Genf. Ich habe viel vom Charakter des Augustinus; weniger Ähnlichkeit habe ich mit J.-J. Rousseau. Aber nachahmen werde ich weder den einen noch den anderen. Ich kann beweisen, dass J.-J. Rousseau einen Roman geschrieben hat; und was Augustinus betrifft, so sind dessen Bekenntnisse in Wahrheit nur eine Rechtfertigungsschrift. Genauigkeit und Aufrichtigkeit sind für mein Vorhaben absolut notwendig, denn ich muss das Menschenherz an meinem eigenen Inneren anatomieren und in mir selbst die Tiefen des Ichs ergründen. Bekenntnisse lege ich hier eigentlich gar nicht ab, ich enthülle vielmehr die Triebfedern des menschlichen Herzens. Möge Nicolas-Edme verschwinden und allein der Mensch bleiben! … Und doch ist es Nicolas-Edme, der sich opfert und den Moralisten nicht seinen kranken Körper, sondern seine verderbte Seele übermacht, auf dass es ihnen gelinge, sie mit Nutzen vor den Augen ihres Jahrhunderts und künftiger Zeitalter zu sezieren. Ich werde auch dann wahrhaftig sein, wenn mich die Wahrheit der Verachtung aussetzt. Hier kommt es darauf an, sich allem zu stellen oder sich zu verkriechen; den Mittelweg einzuschlagen wäre schändlich.
Ich bin mit heftigen Leidenschaften zur Welt gekommen: Sie haben mich glücklich und unglücklich gemacht. Wenn man mich unter dem ersten Gesichtspunkt betrachtet, gab es nie einen Herrscher, nie einen Günstling des Schicksals, dem mehr Genüsse zuteilgeworden wären als mir. Wenn man hingegen die Entbehrungen und Schmerzen betrachtet, die ich erlitten habe – wer wäre da jemals heftiger zu beklagen gewesen als ich! Gehasst, verachtet, verfolgt, verraten, durch Armut unentwegt zu härtester Arbeit verurteilt, mit Schmach überhäuft, von nichtswürdigen Leuten herumkommandiert, von den Frauen in jeder Hinsicht unglücklich gemacht, lange Zeit verdammt, das Nötigste zu entbehren, um meine Freiheit zitternd und für mein Leben fürchtend, von schrecklichen Selbstmordgedanken heimgesucht, Freude oder vielmehr Trost nur noch in der Aussicht auf baldige Vergängnis findend – das war mein Los, und dieses schaurige Bild ist keine Übertreibung.
Lenkt man den Blick auf meine guten Eigenschaften, so wird man feststellen, dass ich immer genügsam, arbeitsam, sparsam und mitfühlend im Übermaß war; dass ich weder Spieler noch Trinker, noch Schlemmer war. Stets bescheiden, was mich selbst anging, errötete ich, wenn man mir mit Wertschätzung begegnete. Seither bin ich oft der strengste Zensor meiner Werke gewesen und manchmal auch der hellsichtigste, und oft habe ich den Lohn für meine Arbeit herabgesetzt mit den Worten: »So viel habe ich gar nicht verdient.«
Andererseits war ich jähzornig, roh, erfüllt von Wut und Ungeduld, hart und herrisch, opferte alles meinem rasenden Verlangen nach den Frauen und überließ mich, um dieses Verlangen zu befriedigen, sträflichen Exzessen; nahm keine Rücksicht auf Schamgefühl oder Anstand; überließ mich selbst und noch unbefleckte Seelen den scheußlichen Folgen der Ausschweifung, und stieß junge Mädchen, die sich ihm noch kaum genähert hatten, vollends in den Abgrund der Schande. Geizig bis zur Unmenschlichkeit, verweigerte ich manchmal ein winziges Sümmchen; verschwenderisch bis zur Verzagtheit, die sich widerstandslos ausnehmen lässt, finanzierte ich oft das Laster, erfüllt von schmählichem Stolz, versessen auf Lob und dabei so tuend, als würde ich es verachten; leichtsinnig und uneigennützig aus Trägheit; zynisch aus hochmütiger Einbildung hinsichtlich meiner Verdienste; gefallsüchtig bis zur Lächerlichkeit; eifersüchtig, missgünstig, scharfzüngig, extravagant, schamlos – gab es ein Laster, dem ich mich nicht überließ? Und doch habe ich manchmal dem Armen zuliebe auf das Notwendigste verzichtet; oft war ich den Leuten auch insgeheim gefällig; ich habe meinen Feinden gedient und beigestanden, ohne dass sie es je erfuhren; meinen Freunden war ich im Namen von Leuten zu Diensten, die an jene Freunde niemals gedacht haben, während ich lieber als Freund denn als Wohltäter dastehen wollte; einem Todkranken habe ich seine letzten Augenblicke gelindert, indem ich behauptete, man habe mich gebeten, eine Versöhnung herbeizuführen, die ich dann nachher wirklich noch zustande brachte; etlichen Straßenmädchen habe ich die Ehre gerettet und auch drei Frauen; ich habe die heftigsten Leidenschaften bezwungen; kränkendes Gerede habe ich zumeist in freundlichen Worten weitergegeben, um Feindschaften beizulegen. Aber es kam auch vor, dass ich aus Unachtsamkeit oder Leichtsinn Streit zwischen Freunden entfachte; ich habe mit treuherziger Miene gelogen; ich habe Frauen und junge Mädchen mit liederlichen Redensarten beleidigt …
Unbegreifliches Labyrinth des Menschenherzens! O Chaos, das alle Gegensätze in sich schließt, wer findet sich je in dir zurecht? Ich – in mir selbst! Und ich werde nichts verschleiern, mein Leser, weder die Laster noch die Verbrechen, noch die Schandtaten, noch die Obszönitäten! Ja, alles werde ich gestehen, bis hin zu den heimlichen Gründen, die mich veranlassen, meine Geschichte aufzuschreiben. Dieses Verdienst zumindest möchte ich haben – Staunen zu erregen durch ein Übermaß an Aufrichtigkeit! Ach, mein Leserfreund (denn Sie werden mich lieben, wenn Sie mich lesen – und vielleicht werden Sie mich sogar schätzen, trotz meiner Fehler), gedulden Sie sich! Lassen Sie mir Gerechtigkeit widerfahren und urteilen Sie über mich erst, wenn Sie das Ganze gelesen haben. Ich übergebe Ihnen hier ein Buch der Naturgeschichte, das mich über Buffon stellt; ein philosophisches Werk, das mir einen Platz neben Rousseau und Voltaire und neben Montesquieu verschafft. Ich werde Ihnen das Leben eines natürlichen Menschen erzählen, der nur eines fürchtet – die Lüge. Ich hinterlasse dieses Muster den künftigen Geschlechtern. Es nachzuahmen ist nicht leicht! Zwanzigmal bin ich daran verzagt.
Mein erster Beweggrund war es, mich in Szene zu setzen. Verwöhnt von einigen Erfolgen, die mir allerlei Geschmeichel eingetragen hatten, hielt ich mich für eine Persönlichkeit … Dieser Irrtum währte sechs Monate. Als ich wieder zur Vernunft gekommen war, zog ich aus meiner zeitweiligen Verblendung immerhin den Nutzen, dass sie mir die Idee zu einem ebenso weitläufigen wie hilfreichen und philosophischen Werk eingab, dessen Gegenstand nur ich selbst sein konnte. Wie hätte ich denn auch bei dem Vorhaben, die Triebfedern des menschlichen Herzens zu enthüllen, die Beweggründe, die irgendeinen anderen leiten, darstellen sollen? In jedem Augenblick hätte ich mich irren können! Und wie hätte ich, ohne je sicher zu sein, dass meine Schlüsse zutreffen, das Vertrauen anderer gewinnen können?
Indem ich nun aber aufschreibe, was ich getan habe, indem ich Rechenschaft ablege von dem, was ich gefühlt habe, indem ich meine Beweggründe einer strengen Prüfung unterziehe, indem ich mich also gleichsam selbst seziere, wird es mir mit dieser schmerzhaften Zergliederung vielleicht gelingen, meiner Nation ein höchst nützliches Buch vorzulegen, mein Zeitalter zu erleuchten und einer Nachwelt von Nutzen zu sein, in der es vielleicht keinen Menschen mit so viel Mut zur Wahrheit mehr gibt – denn ich lebe in einem Zeitalter, das reich ist an außerordentlichen Menschen und Geschehnissen, die mich immer wieder in Begeisterung versetzen. Außerdem weist mein Leben sehr viele gewöhnliche, allgemeine Züge auf, so dass sich jeder darin wiederfinden kann; zugleich aber auch außergewöhnliche, fremdartige Züge, die geeignet sind, durch Erstaunen und Überraschung die Neugier wachzuhalten. Aber (noch einmal sei es gesagt) ich muss mich peinlich genau an die Wahrheit halten. Jene, die mich kennen, mögen mir widersprechen; aber sie sollen ihre Namen nennen, wenn sie eine Erklärung oder Rechtfertigung bekommen wollen.
Ich liefere in Monsieur Nicolas auch die Geschichte meiner bisherigen Werke und den Schlüssel zu ihnen: Alle Abenteuer, von denen ich dort berichte, haben eine wahre Grundlage. Manchmal bedurfte es jedoch einer gewissen Verschleierung, sowohl bei meinen eigenen Abenteuern als auch bei denen, die von anderen stammen. Hier jedoch soll nun die Wahrheit vom Flitter des Fabelhaften befreit werden und die Fiktion sie nicht länger verhüllen.
1734–1746
Sunt et queis virtus contigit ante diem;
Ingenium coeleste suis velocius annis
Surgit, et ignavae fert male damna morae.
Ovid, Ars amatoria I, v. 184–186.[3]
Freund der Wahrheit, fürchte dich nicht, dies zu lesen! Weder wirst du durch Flitter betrogen, noch über die Tatsachen getäuscht werden. Romane, deren wahrhafte Fundamente das Phantasieren doch nie ausschlossen, habe ich genug geschrieben. Nun dürstet es mich nach der reinen Wahrheit, und die werde ich dir vorlegen, denn nur durch sie kann dieses Werk von Nutzen sein.
Ich erblickte das Licht der Welt am 22. November 1734[4], in dem Dorf Sacy oder lateinisch: Saxiacus – von saxum, Stein, wie Antoine Foudriat, der Pfarrer des Ortes, immer sagte. Tatsächlich ist das ganze Gebiet meiner Heimat mit Kalkstein gespickt, der sich bei der Bearbeitung eines Bodens leicht ablöst, dessen Muttererdschicht nur zwei oder drei Zoll dick ist.
Mein Vater hat zweimal geheiratet: zuerst Marie Dondène, von der er sieben Kinder hatte; später dann Barbe Ferlet de Bertrô.[5] Von ihr hatte er ebenfalls sieben Kinder, unter denen ich das erste bin. Mir wurde von Edme-Nicolas, dem ältesten Sohn aus der ersten Ehe, der Name meines Großvaters mütterlicherseits, Nicolas Ferlet, gegeben. Und Anne, das älteste von allen Kindern, gab mir in Vertretung von Anne-Marguerite Simon, meiner verstorbenen Großmutter väterlicherseits, deren Namen. Der greise Großvater konnte wegen des schlechten Wetters nicht nach Sacy kommen. Ich bekam also den Namen Nicolas-Anne-Edme, denn mein Vater wollte, dass sein Name der letzte sei. Bei der Eintragung in das Kirchenbuch jedoch ließ Jacques Bérault, der Schulmeister, den Namen Anne weg. Er wurde auch später nicht nachgetragen, obwohl er während der Zeremonie bei den Anrufungen genannt worden war. Mein Vater bestimmte, dass Nicolas mein Rufname sein sollte. Es ist ein sehr schöner Name, aus zwei griechischen Wörtern gebildet – Nike (Sieg) und Laos (Volk): Er bedeutet also Sieger oder Herrscher über die Völker.
Meine Mutter vereinigte in sich zu gleichen Teilen geistige Regsamkeit, Herzensgüte und leibliche Schönheit. Obwohl blond, war sie lebhaft bis zum Übermut. Aber sie wusste sich zu zügeln, so dass Sanftmut und Liebenswürdigkeit sie nie verließen. Mein Vater wusste sich ebenfalls zu mäßigen: Er war jähzornig und zeigte sich doch als äußerst sanftmütiger Mann. Bei der Arbeit und allen nützlichen Beschäftigungen war er jedoch stets voller Eifer. So wurde ich zu drei Teilen aus Feuer und zu einem Teil aus den anderen Elementen geformt. Darauf lassen jedenfalls die heftigen Leidenschaften schließen, die in mir allesamt eine unvorstellbare Kraft erlangten – Liebe, Kühnheit, Furcht, Ungeduld, Zorn, Empörung, Fleiß, Mitgefühl. Ich wurde ohne Zweifel in einer heißen Umarmung gezeugt, aus der mir die Grundlage meiner Wesensart erwuchs. Hätten sich lasterhafte Anlagen beigemischt, so wäre aus mir ein Ungeheuer geworden. Aber meine angeborene Treuherzigkeit ist ein Beweis für die Herzensreinheit meiner Eltern. Um mein Blut und meinen Charakter vollends zu erhitzen, bekam ich die temperamentvollste Frau der ganzen Gegend zur Amme (denn meine Mutter konnte mich nicht stillen; mein Vater war dagegen und sicherlich aus gutem Grund). Die gute Lolive Lemoine entwöhnte ihre schon kräftige Tochter Nannette, als sie mich nahm. Aber diese liebenswürdige Frau konnte dem Verlangen ihres Mannes, der sich ihrer seit achtzehn Monaten enthalten hatte, nicht mehr lange widerstehen. Daher hielt man es für nötig, mich mit sechs Monaten abzustillen. Mein Temperament hat darunter gelitten, aber ich bin meiner Amme deshalb nicht böse. Sie hat mich immer so zärtlich geliebt, dass es undankbar wäre, wenn ich es meiner zweiten Mutter gegenüber an schuldigem Respekt fehlen ließe!
Schon in meinem ersten Jahr trug man mich zur Christmette – es war eine abergläubische Idee meiner Schwestern, die mir hierdurch unverzüglich den Schutz des Jesuskindes verschaffen wollten. Sie taten es in guter Absicht, denn sie liebten mich wegen meiner Schönheit.
Ich war neun Monate alt, als man mich am Sonntag nach dem Fest des Schutzheiligen unserer Gemeinde, Mitte August, zu Monsieur Collet mitnahm, dem Notar in Vermenton, einem Freund meines Vaters. Es heißt, damals hätten sich zwei kleine Mädchen, das eine fünf, das andere dreieinhalb Jahre alt, heftig darum gestritten, welches von beiden meine Frau werden dürfte. Später hat man mir gesagt, wie sie hießen, und das war nun tatsächlich höchst sonderbar! Geheiratet habe ich weder die eine noch die andere, aber ich habe beide glühend verehrt.[6]
Die erste Begebenheit aus meiner Kindheit, die mir in Erinnerung geblieben ist, führt an das Ende meines zweiten Lebensjahres zurück. Ich war ungeduldig, weil man mich nackt und ungewickelt liegengelassen hatte, und ließ meinen Zorn schließlich an dem Toilettenspiegel aus, in dem meine Schwester Margot mir mein verzerrtes Gesicht zeigte: Mit dem Griff eines Tafelmessers zertrümmerte ich ihn. Die Sprünge im Glas machten mich noch hässlicher, aber in den Scherben vervielfachten sich die Dinge. Ich glaubte, eine Welt hinter dem Spiegel zu sehen! Dieser Anblick unterbrach den Fluss meiner Tränen, und ich erlebte mein erstes Erstaunen, meine erste Verwunderung, meine erste Spiegelung. Ich wurde nicht bestraft; meine Mutter begnügte sich damit, ihren erst kürzlich gekauften Toilettenspiegel zu beweinen.
Die zweite Begebenheit trug sich sechs Monate später zu. Anne, meine Schwester und Patin, hatte nach Vermenton geheiratet. An dem Tag, als sie in das Haus ihres Mannes zog und wir ihr das Geleit gaben, hatte mich jemand bis zu der kleinen Mühle auf dem Arm getragen. Tags darauf nutzte ich den ersten unbewachten Augenblick, um mich noch einmal auf den Weg zu machen. Ich ging und ging … Eine Frau aus dem Dorf, die gute Claudine Sirop, begegnete mir unterhalb der Côte-des-Prés, eines Hügels in der Nähe der kleinen Mühle. Als sie ein Kind, das kaum laufen konnte, ganz allein auf dem Weg sah, glaubte sie, eine oder zwei von meinen Schwestern seien in unserem Weingarten. Sie rief nach ihnen. Da aber niemand antwortete, kam sie zu mir und sagte: »Nanu, wo gehen Sie denn hin, Monsieur Nicolas?«
»Ich geh meine Schwester Anne besuchen, in Vermenton, bei ihrem Mann, der sie geküsst hat.«
»Ganz allein, mein Kleiner?«
»Ja.«
»Kommen Sie lieber mit mir zurück, mein Herzchen. Die großen Wagen könnten Sie überfahren.«
Sie nahm meine Hand und wollte mich mit zurücknehmen. Ich wehrte mich und rief: »Bringen Sie mich nach Vermenton!«
Aber gegen eine Hand, die stärker war als meine, kam ich nicht an. Um mich zu bändigen, packte mich Mutter Sirop in ihre Kiepe und trug mich davon. Ich schimpfte und nahm mir vor, sie bei meinen Eltern anzuschwärzen und zu sagen, sie habe mich geschlagen. Als wir dann bei uns waren, erzählte sie, was gewesen war. Alle bedankten sich überschwänglich bei ihr. Ich hingegen nannte sie Böse Frau! – und brachte meine Anschuldigung vor. (Was für ein Ausmaß an Verdorbenheit, schon damals! Diese wohlüberlegte Rachsucht! Zum Glück hat eine andere Leidenschaft sie inzwischen erstickt!)
»Wie bitte, Freundchen?! Ich hätte Sie geschlagen?«
Ich bekam meine Strafe. Alle nannten mich einen Lügner. Ich schmollte, wagte meiner Angeklagten nicht ins Gesicht zu sehen, weinte und spielte das verwöhnte Kind, das behauptet, man habe es geschlagen, während man ihm doch nur widersprochen hatte. Dieses Erlebnis verleidete mir dank der Umsicht meiner Eltern das Verleumden.
Ich weiß noch, wie mich die Lobsprüche, mit denen man mein Gesicht bedachte, verblüfften. Für solches Lob war ich aber nur empfänglich, wenn ihm die Liebenswürdigkeit der Person, die es mir spendete, entsprach, vor allem, wenn es von einem Mädchen kam. Seit frühesten Kindertagen fühlte ich mich instinktiv zum anderen Geschlecht hingezogen, während mich verheiratete Frauen und der ständige Ärger im Haushalt mit dem äußersten Widerwillen erfüllten! Ich zog die Mädchen vor, deren Farbe ins Rosige ging. Thomas Piôt, der Partner meines Vaters im Zehnthof für das damalige Bistum und Kapitel von Auxerre, hatte vier große Töchter: Marie, die zweite, hatte eine schöne Farbe; Madeleine, die dritte, war weiß und mollig; Nannette, die letzte, hatte hübsche, regelmäßige Züge. Ich gab Marie den Vorzug, die außerdem ein rot geblümtes Schultertuch aus Baumwolle besaß, das ihren strahlenden Teint noch hervorhob. Als ich älter geworden war, hätte mir Madeleine wohl besser gefallen als ihre Schwester. Im besten Mannesalter lief ich hageren, mageren Frauen wie Agathe nach, der ältesten der vier Schwestern … Aber kehren wir zu der rosigen Marie Piôt zurück.
Sonntags, sobald ich gegessen hatte, machte ich mich davon, zu meiner Schönen – weniger wegen der Leckereien als wegen der sehr lebhaften Zärtlichkeiten, mit denen mich Marie überhäufte, und um mich von ihr auf dem Arm zum Vespergottesdienst tragen zu lassen. Ich halte es für meine Pflicht, diese Zärtlichkeiten hier näher zu bezeichnen, die nicht nur meinen Sitten, sondern auch meiner Gesundheit abträglich waren, weil sie aus der Erinnerung, bevor die Kräfte wirklich entwickelt waren, meine hitzige Phantasie immer wieder zu sehr anfeuerten. Marie küsste mich auf die Wangen und meine stets einladenden Lippen. Sie ging noch weiter, obgleich alles, was sie tat, in der größten Unschuld geschah: Sie schob ihre Hand unter mein Röckchen und machte sich ein Vergnügen daraus, mich durch Kitzeln zu reizen. Schließlich ging sie sogar noch weiter und verschlang mich mit ihren Küssen…[a] Ich wiederhole es, Marie war genauso unschuldig wie ich. Aber sie überließ sich einem blinden Drang. Sie hatte mitbekommen, wie ihre Schwestern und alle anderen Mädchen an mir Gefallen gefunden hatten, und der Vorzug, den sie bei mir erlangte, schmeichelte ihr so sehr, dass ihre Neigung zur Leidenschaft wurde. Mein fein geschnittenes, mädchenhaftes Gesicht gefiel ungemein in einem Land, wo das Blut wegen der sumpfigen Luft, die man dort in früherer Zeit atmen musste, schwer und träge fließt. Ich war hier ein Phänomen! Wenn Marie mich auf dem Arm zur Kirche trug, umringten sie die hübschesten Mädchen, und alle, eine nach der anderen, wollten mich abküssen. Ich erinnere mich noch an die Worte, die eines Tages ein großer Junge an meine Trägerin richtete: »Marie! … Wenn man sieht, wie Sie dieses hübsche Kind lieben, ahnt man schon, was für eine gute Mutter und Frau Sie mal sein werden. Ich möchte wetten, dass Sie auch so eins haben wollen! Ich würde es genauso wollen, und ich wäre auch gern der, der es Ihnen macht!«
Marie errötete und senkte die Augen. Im nächsten Moment sah sie wieder auf und folgte jenem Jean Nôlin so lange mit den Blicken, wie sie ihn sehen konnte. Er hat sie dann später auch geheiratet, und ich war bei der Hochzeit.
Eine vierte Begebenheit aus demselben Jahr beweist vollends, wie gefährlich die Freiheiten, die zwei Eheleute sich erlauben, für Kinder sein können – und dies schon in einem Alter, wo die ahnungslosen Wesen noch gar nichts verstehen. Eines Tages war ich bei einem Mann namens Cornevin, der kurz vorher Nannette Bêlin geheiratet hatte, ein hübsches Mädchen. Sie bewohnten ein kleines Haus, das ihnen mein Vater vermietet hatte. Der Mann richtete Rebstecken her, und jedes Mal, wenn er einen angespitzt hatte, kam er, umarmte seine Frau und nahm sich andere Freiheiten heraus, die mich in ein unbedarftes Staunen versetzten. Dabei muss ich so komisch dreingeblickt haben, dass mich die junge Frau jedes Mal, wenn ihr Mann sie streichelte, ansah und und in Lachen ausbrach. Ich lachte mit, worauf ihr Gelächter noch lauter wurde. Der Mann sagte sonderbare Sachen zu ihr, die mir missfielen – bestimmt wegen ihrer Frechheit oder vielleicht noch mehr aus jenem Eifersuchtsgefühl, das von Natur aus zwischen männlichen Wesen herrscht und das bei den Menschen schon zutage tritt, bevor die Manneskraft entwickelt ist. Der Hass, den dieser Cornevin damals in mir weckte, ist noch heute da. Bei einer dreisteren Zärtlichkeit ging ich schließlich verdrossen davon. Das Lachen der jungen Frau fand ich bezaubernd. Aber der Mann schien mir so hässlich, dass ich gar nicht verstand, wie Nannette seine Zärtlichkeiten aushalten und erwidern konnte. Die Bilder dieser schlüpfrigen Szene sind nie verblasst und hatten schon in meiner zartesten Jugend eine schlimme Wirkung auf meine kaum entwickelten Sinne.
Die fünfte Begebenheit aus meiner frühen Kindheit ist von anderer Art: nur eine kleine Betrügerei, um die versprochene Belohnung dafür zu bekommen, dass ich nachts nicht ins Bett machte. Ich schlief im Zimmer meines Vaters zwischen zwei Schränken unter einem großen, achteckigen Bild der Jungfrau Maria mit ihrem Sohn. Als es mir passierte, erwachte ich von den Geräuschen, die die Drescher beim Lichtholen machten. In meiner Verzweifelung über dieses unangenehme, demütigende Missgeschick kam mir die Idee, meinen Platz mit meiner Körperwärme zu trocknen. Der nächste Tag war ja noch fern! Es gelang! Beim Aufstehen wurde ich mit Lob überhäuft. Bescheiden nahm ich es entgegen, wagte aber nicht, an die für mein gutes Betragen in Aussicht gestellte Belohnung zu erinnern. Eine meiner Schwestern tat es für mich. Ich bekam Johannisbeergelee, das ich so gern aß. Ich griff nach der Schnitte. Aber dann fiel mir ein, dass die Jungfrau Maria immer weinte, wenn ich die Unwahrheit sagte – meine Augen wanderten zu dem Bild hinüber, und ich glaubte sie weinen zu sehen! Ich nahm die schon angebissene Schnitte wieder aus dem Mund und bot sie meiner Schwester Margot an. Sie lehnte ab. Alle wundern sich! Sie glauben, ich sei krank. Sie stellen mir Fragen. Ich erröte, senke den Blick und zeige auf die Jungfrau: »Sie weint!«, sage ich schluchzend.
Meine Mutter verstand mich. Sie umarmte mich und wollte, dass ich die Schnitte äße – zur Belohnung dafür, dass ich die Wahrheit gesagt hätte. Doch die nachteiligen Folgen meiner Einfalt blieben nicht aus. Meine Schwestern lachten darüber. Sie tuschelten. Aber ich hatte ein gutes Gehör. Ich hörte, wie eine von ihnen meine Schwester Margot, die fast genauso einfältig war wie ich, fragte: »Kann denn ein bemaltes Stück Leinwand weinen?« Mit einem Blick erkannte ich, dass die bemalte Leinwand die Jungfrau Maria war. Später sah ich immer genau hin, wenn meine Schwestern mir sagten, sie würde lachen oder weinen. Ich sah, dass es nichts damit auf sich hatte, und so verlor ich den Glauben, noch bevor ich zur Vernunft gelangt war. Trotzdem sprachen die Tatsachen für meinen Glauben. Vor jener Bemerkung hatte ich die Jungfrau nämlich immer weinen gesehen, wenn ich gelogen hatte. Doch auch nachher sprachen die Tatsachen für mich, denn nun klagte die Jungfrau nie mehr, egal, wie sehr ich log. Hätte man der Abscheu vor dem Lügen, die man mir einflößen wollte, eine andere Grundlage gegeben, wäre sie anfangs vielleicht weniger wirksam gewesen, dafür aber dauerhafter.
Meine unmäßige Angst vor Hunden (sie ist derart stark, dass mich der Anblick dieser Tiere noch heute zum Zittern bringt) hat ihre Ursache in dem sechsten Erlebnis meiner frühen Kindheit. Ich spielte vor unserer Scheune mit einem großen Hofhund namens Jupiter, und ich muss ihm wohl irgendwie weh getan haben, während ich mich mit ihm im Stroh balgte. Er biss mich tief in die Wade, wo der Strumpf sie nicht mehr bedeckte. Im selben Augenblick stürmte ein tollwütiger Hund, verfolgt von Leuten aus dem Dorf, in unseren Hof und versteckte sich hinter einem großen Kükenkäfig. Mein Vater, aufgeschreckt von dem Geschrei, kam mit seinem Gewehr nach draußen, zielte auf den kranken Hund und schoss ihn tot. Ich erschrak und stieß einen Schrei aus. Alle kommen gelaufen, sehen mich voller Blut … Mein Vater erblasst! … Er selbst untersucht mich. Die Wunde am Bein beruhigt ihn ganz und gar nicht. Der Arzt erscheint. Man stelle sich das Entsetzen vor! Er erklärt, ich sei von einem Hund gebissen worden! Schon halten alle mich für verloren. Aber man fragt mich doch aus. »Der da hat mich gebissen, heimtückisch!«, sage ich und zeige auf Jupiter, mit dem ich immer wie mit einem Kumpel umging. Ich erklärte auch, wie es geschehen war. Mein Vater und meine Mutter beruhigten sich ein wenig. Unser Hund bekam zu essen und zu trinken, aber man sperrte ihn ein, um zu sehen, wie es mit ihm weitergehen würde. Er wurde dicker. Ich spürte die Aufregung um mich herum. Ich sah, wie Jupiter eingesperrt blieb. Es hieß, man wolle sehen, ob er nicht tollwütig würde. Ich hatte den großen schwarzen Hund gesehen, wie er sich blutend am Boden wälzte – dazu das Entsetzen, der Schrecken auf allen Gesichtern! Dieses Bild, zusammen mit dem, was der Arzt sagte, den ich sehr viel besser verstand, als die anderen ahnten, muss einen tiefen Eindruck in meinem Kopf hinterlassen haben!
Meine Angst vor Hunden und die Schauder, die mich nachts überkamen, hatten die gleiche Ursache: die heftige Erschütterung meiner Vorstellungskraft. Sie wurde vor allem nachts, wenn sie an äußeren Gegenständen keinen Halt mehr fand, empfindlich und hitzig und stellte mir gruselige Bilder vor Augen, die mir gerade die Zeit zum Ausruhen besonders anstrengend machten. Die religiösen Wahrheiten, die mir allzu früh eingepflanzt wurden, waren eine zweite Ursache für dieses Durcheinander. Sobald das Licht gelöscht war, sah ich vor mir grausige Gestalten mit Hörnern auf dem Kopf, die scheußliche Fratzen schnitten! Ich schrie auf vor lauter Schrecken und weckte meine Mutter.
»Was ist denn, Nicolas?«
»Ich habe Angst.«
»Das ist doch sonderbar!«, sagte mein Vater. »Was hat der Junge? Er wird nicht überleben!«
»Als ich klein war«, sagte meine Mutter, »habe ich mich genauso gefürchtet wie er, sobald ich im Dunkeln lag.«
Das alles hörte ich, und schon das bloße Reden beruhigte mich. Da sah ich nun plötzlich Prozessionen – Priester, jeder in seinem Pluviale. Die Teufel nahmen Reißaus. Ich liebte diese frommen Visionen … Ich vermute, meine älteren Schwestern, vor allem Margot, die jüngste und dümmste von ihnen, erzählten mir Geschichten von Teufeln, oder erzählten sie sich untereinander, wenn ich dabei war. Aber ich kann mich auf keine besinnen, obwohl ich mich an die Träume erinnere, die wie ein Widerschein davon waren. Was beweist, dass auch solche Eindrücke in uns haften bleiben, die uns zuteilwerden, bevor der Verstand sich entwickelt.
Ich erinnere mich, dass mein Vertrauen zu Frauen und Mädchen damals vollkommen war. Für mich waren nur sie gutartige Wesen, mitfühlend, unfähig, mich zu täuschen und zu verspotten. Ironie war nämlich eine rhetorische Figur, mit der man mich jederzeit in Wut versetzen konnte. Kurz, in meinen Augen waren die Frauen herrliche Geschöpfe, denen nichts ferner lag, als mir etwas Böses zu tun, die mich vielmehr nach Kräften mit allem erdenklichen Guten bedachten. Genau die entgegengesetzte Vorstellung hatte ich von den Männern, meinen Vater ausgenommen. Ich fand sie hart, streng, spöttisch, bösartig: Sie machten mir Angst. Ich floh vor ihnen fast mit dem gleichen Entsetzen, das mir Hunde einjagten. Aus welchem Grund? Sie nahmen mich ernst. Sie hielten mich für vernünftig und ließen mir nichts durchgehen. Später machte mich die einsame Lage von La Bretonne[7] so scheu wie die kleinen Katzen, die in einem Versteck großgezogen werden. Mein Stolz und das Unvermögen, das ich an mir wahrnahm, entfernten mich noch mehr von den Männern. Und schließlich erschreckten mich meine beiden älteren Brüder[8], die damals das Priesterseminar besuchten, mit ihrer jansenistischen Strenge.
Nach dem Plan, den ich hier verfolge, darf ich nichts auslassen, was irgendwie Eindruck auf mich gemacht hat: Das gilt auch für die Begebenheit, von der ich nun berichten möchte. Sie steigerte meinen Hass auf die Männer und lieferte mir den ersten Beweis dafür, dass auch Erwachsene irren und ungerecht sein können. Was für eine schreckliche Entdeckung! Kinder sollten sie nicht machen müssen, bevor sich nicht ihr Verstand vollständig entwickelt hat. Mir flößte sie Misstrauen statt des blinden Vertrauens ein, das ich bisher in die Klugheit von Leuten gesetzt hatte, die älter waren als ich. Ein frommer Irrtum! Und die erste Gewissheit, die mir abhandenkam!
Es geschah gegen Ende meines fünften Lebensjahres, im Oktober oder November. Ich ging mit meiner Schwester Margot in die Schule des Lehrers Jacques Bérault, dessen Haar nicht nur rot, sondern auch gekräuselt war. Er arbeitete während des Unterrichts – das heißt, er spaltete Weidenruten oder schnitt Rebstecken zurecht, während die jüngsten Kinder das lateinische Syllabarium lasen, das er auswendig kannte. Wenn sie etwas falsch buchstabierten, ließ er sie es wiederholen, ohne in ihr Buch zu schauen. Ich kam beim Pater noster – Vater unser an die Reihe und hielt mich an den alten Gebrauch, wonach man den meisten Konsonanten einen Vokal voranstellt, was die Wörter sehr entstellt. Ich buchstabierte n-o-s-t-e-r und las dann enneossetèerre. Ich begann zu weinen und glaubte, Magister Jacques wolle sich über mich lustig machen, als ich noster sagen sollte. Das wiederum machte ihn ärgerlich.
Mit meinem Daumen musste ich wohl zwei Aufstriche in dem Wort tuum weggekratzt haben, so dass nur noch ein Aufstrich von dem zweiten u und zwei Aufstriche von dem m übrig blieben. Ein schwarzes Fleckchen, das von dem verschwundenen Aufstrich des u übrig geblieben war, bildete einen Punkt über dem anderen, so dass dort ganz deutlich die beiden Wörter tu in zu lesen waren, und so buchstabierte ich sie auch – zwanzigmal hintereinander. Der Lehrer ließ nicht locker. Meine Schwester und alle meine Kameraden flüsterten mir zu: tu-um – aber ich sah klar und deutlich vor mir tu in, und mir wäre es wie eine Lüge vorgekommen, wenn ich etwas anderes gesagt hätte. Dann machte der Lehrer seinen Fehler: Er verlor die Geduld und schlug mich mit dem Stock, ohne einen Blick in mein Buch zu werfen. Erst nachher sah er genauer hin, und seine Verwunderung entging mir nicht. Er verließ für einen Moment das Klassenzimmer. Alle Schüler sahen sich das fatale Wort an, und alle sagten, Magister Jacques habe unrecht. Meine Schwester Margot weinte, und ich, der ich zum ersten Mal in meinem Leben den Stock zu spüren bekommen hatte, musste feststellen, dass diese Schläge heftig brannten – selbst im Winter! Ich schluchzte. Edmond Rameau und seine Schwester Madelon, die mir schon damals feindlich gesinnt waren, zeigten mir in einem anderen Syllabarium, dass es tuum heißen müsse. Und alle, die das Pater noster auswendig kannten, lachten über sie: »Wenn der kleine Monsieur Nicolas, statt zu lesen, sein Gedächtnis benutzt hätte, hätte er gesagt sanctificetur nomen tuum!«[9] Der Lehrer kam zurück, aber er erklärte mir nichts, wie es seine Pflicht gewesen wäre. Von da an hielt ich ihn für dümmer als alle seine Schüler.
Dieser Vorfall trug dazu bei, dass ich zum ersten Mal in Pension gegeben wurde – zu meiner Schwester Anne nach Vermenton. Miché Linard, ihr Mann, war ein eigenartiger, seltsamer Mensch. Der Schaden, den er meinem Charakter zufügte, indem er unbesonnen über meinen Vater und meine Mutter sprach, war zweifellos nicht wiedergutzumachen. Ich, der ich meine Eltern als Gottheiten ohne Fehl und Tadel ansah, musste hören, wie jemand ihnen Schwächen nachsagte. Miché, dieser Schwätzer, machte sich einen Spaß daraus, vor mir und trotz der Zeichen, die ihm seine Frau machte, Verleumdungen hervorzukramen, die ich hier nicht wiedergeben werde. Trotzdem gefiel es mir ganz gut bei meiner Schwester, denn bei diesem ersten Aufenthalt war ich noch nicht völlig menschenscheu geworden. Ich besuchte die Schule des Monsieur Convers, der viel mehr wusste als Magister Jacques. Die Freundlichkeit meiner Schwester, die Zärtlichkeiten, die mir wegen meiner Liebenswürdigkeit überall zuteilwurden, besonders im Haus des Notars und Richters Collet, der ein alter Freund meines Vaters war und mehrere bezaubernde Töchter hatte, machten mir die Tage in Vermenton zu den schönsten meiner ganzen Kindheit. Ein zweiter, späterer Aufenthalt dort verlief dann allerdings ganz anders.
Eine nicht besonders wichtige Begebenheit aus der Zeit nach meiner Rückkehr von Vermenton zeigt immerhin meine sehr ausgeprägte körperliche Empfindlichkeit. Meine Schwester Margot kam eines Tages auf den Gedanken, mich beim Anziehen zu kitzeln, worauf ich in eine tiefe Ohnmacht fiel. Man vermutete, sie habe mir einen Schlag versetzt. Ich beteuerte, es treffe sie keine Schuld, aber man glaubte mir nicht. Auf Drängen der älteren Schwestern, Marie, Marianne und Madeleine, alle drei große Tugendwächterinnen, sollte der Pfarrer Margots vermeintliche Lüge mittels der Beichte aufdecken, denn auf dem Land dient die Beichte zu allen möglichen Zwecken. Aber das junge Mädchen konnte sich von den Vorwürfen reinwaschen, was meine Eltern nur noch besorgter machte. Unter sich sagten sie: »Er wird uns nicht lange erhalten bleiben.«
Auch wenn Margot sich in diesem Falle durch die Beichte vollständig rechtfertigen konnte, weiß ich doch nicht, wie sie sich bei einer anderen, eigentlich unfassbaren Unbesonnenheit aus der Affäre gezogen hat, die im Grunde aber doch ihre Unschuld beweist. Eines Tages führte sie mich und Marie-Louison, ein Mädchen ungefähr in meinem Alter, in ein Feld, wo der Hanf sehr hoch stand, und dort disposuit nos ignorantissime, quemquem nostrum sedentem e regione, dicendo: »Hem! coite!« Maria-Ludovicella, pro sua intelligentia, obediebat; ast ego nec voluntatem, neque facultatem habebam, et nihil nisi conatus inertes efficiebam. Erubuit tandem Margaritella, et nos dimisit integros, fando: »Stulti vos, abite!«[10] Ich habe nie begriffen, was die damals dreizehn Jahre alte Margot eigentlich vorhatte. Sicherlich wird ihr irgendein Junge etwas erzählt haben, oder sie hatte eine Szene mitangesehen, wie ich sie schon beschrieben habe. – Da sage noch einer, die Unschuld lebe auf dem Dorfe! Überall wo Männer und Frauen einander begegnen, machen sich Gärung und Sittenverfall breit.
Meine erste Freundschaft schloss ich, als ich sechs Jahre alt war … Du köstliche Empfindung, für die ich stets genauso empfänglich war wie für die Liebe! Ach, könntest du doch die Liebe in meinem Herzen überdauern, so wie du ihr vorangegangen bist! Mein erster Freund war ein Junge aus der Nachbarschaft, am gleichen Tag geboren wie ich, und auch er hieß Edme oder, wie man in dieser Gegend sagt, M’lo Bérault.
Die Verbundenheit mit ihm war bei mir ungeheuer stark! Ich spürte aber auch, dass er dieses Gefühl nur lau erwiderte und dass seine taube Seele nicht so empfindsam und feinfühlig war wie die meine. Das schmerzte mich, und um ihn für mich einzunehmen, machte ich ihm Geschenke: ein schwächliches Mittel, das bei undankbaren Freunden genauso wenig bewirkt wie bei undankbaren Frauen, diesen nichtswürdigen Attrappen ihres Geschlechts! Ich begann, die Einsamkeit zu lieben, infolge einer Gefühlsregung, die ich heute benennen kann: Stolz! Ich hatte das Gefühl, ich könnte aus eigener Kraft nicht glänzen. Ich kannte nicht den Wert meiner Schönheit in einem Land, wo man die der Blumen nicht wahrnimmt und Tiere nur nach ihrer Kraft und ihrem Nutzen beurteilt. Und hatte mir nicht die meine in Sacy bloß Unannehmlichkeiten eingetragen? Ich fühlte mich schwach, ahnungslos, unfähig. Ich war das Spielzeug der großen Mädchen, die mich küssten, um sich zu amüsieren, oder vielmehr, um die großen Jungen anzustacheln. Die aber konnte ich nicht ausstehen, mit ihrer spöttischen Art und ihrer Bosheit. Alle Männer schienen mir verstockt. Die alten Leute beiderlei Geschlechts mochte ich ganz gern, weil sie mich lobten, weil sie sich vernünftig mit mir unterhielten und sich nie über mich lustig machten.
Die Gesellschaft meines Schulkameraden jedoch war etwas Köstliches! Mit ihm fühlte ich mich im Einklang und genoss den Zauber der Gleichheit. Ich tat, als spräche ich mit ihm von Mann zu Mann, und ahmte nach, was mir mein Vater manchmal über seinen Umgang mit den Kameraden seiner Kindheit erzählte. Hätte er mir nur von irgendwelchen unmoralischen Großtaten erzählt, wie es manche Eltern taten, so wäre mein Charakter für immer verdorben und mein Urteilsvermögen beschädigt worden…
Ich weiß nicht, wo ich von Höhlen hatte reden hören, oder ob wir von Natur aus ein Vergnügen an solchen Schlupfwinkeln haben, aber in der Nähe meines Vaterhauses gab es eine kleine Tongrube, an der ich Gefallen fand. Ich baute dort eine Art Sitzbank, schleppte allerhand Krimskrams von meiner Mutter und meinen Schwestern herbei und richtete mit meinen Spielzeuggerätschaften einen kleinen Haushalt ein, wobei ich auch den Betstuhl und das zugehörige Kruzifix nicht vergaß. Als alles nach meinem Geschmack hergerichtet war, nahm ich M’lo Berault bei der Hand und führte ihn hin. Ich wollte sein Staunen und seine Dankbarkeit genießen, als ich ihm erklärte, ich würde ihm die Hälfte des Eigentums an meiner Höhle überlassen. Er war nicht sonderlich beeindruckt oder überrascht, aber der Platz als solcher gefiel ihm wegen der Kühle. Wir verabredeten, jeden Tag herzukommen, ohne irgendwem etwas davon zu erzählen. Ich war außer mir vor Freude! Ich machte mir ein Vergnügen daraus, M’lo jeden Tag etwas zu essen mitzubringen. Die Gerichte waren nicht kostspielig und auch nicht schwer zu beschaffen. Die Kleinbauern aßen nur Graubrot. Bei uns zu Hause hingegen gab es Weißbrot, und für M’lot war das ein Genuss. Mal tat ich Nüsse dazu, mal rohe, mal geröstete Erbsen, wie man sie am ersten Sonntag in der Fastenzeit isst, manchmal auch Linsen, und an den Tagen, an denen Brot gebacken wurde, Pfannkuchen oder Fladen. Diese Letzteren vor allem schmeckten uns köstlich! Manchmal schenkte mir meine Amme, die viele Bienen hatte, etwas Honig, ein andermal Traubenmarmelade, Rosinen, Haselnüsse. Ich brachte alles mit in unsere Höhle, und Edmlot, indem wir uns die Sachen teilten, verdoppelte mir das Vergnügen beim Verspeisen dieser Leckereien. (Genauso habe ich mir später die Freuden der Liebe verdoppelt, indem ich meinem Freund Loiseau[11] davon erzählte.) Ich verband mich mit ihm durch meine Gaben und war sehr zufrieden.
Eines Tages aßen wir rohe Erbsen und warfen die, die von Würmern angefressen waren, auf die Erde, die in die Grube gerutscht war. Am nächsten Tag und die ganze Woche über regnete es, was uns daran hinderte, unseren Schlupfwinkel aufzusuchen. Als es nach acht Tagen wieder schön geworden war, kehrten wir zurück und – o Wunder! – fanden dort ein Feld mit lauter aufgegangenen Erbsen! Unsere Überraschung war so groß wie unsere Freude, und die war größer, als wir es je erlebt hatten, besonders, als wir an einer Erbse, die nicht ganz mit Erde bedeckt war, erkannten, dass es eine von unseren wurmstichigen war. »Sind das unsere Erbsen?«, fragten wir uns voller Verwunderung. Pflanzen, die durch unser Zutun entstanden waren! Das war eine Art von Vaterschaft: was für ein Ruhm! Ein Armeegeneral nach einem glanzvollen Sieg hätte keine höhere Meinung von sich haben können. Wir betrachteten unsere erste Hervorbringung mit einer trunkenen Freude, die nicht nachließ. Das war unser Feld, unser Garten, unser Beet, unser Gemüsefeld, unser Landgut, unser Königreich. Wir spürten das ohnmächtige Verlangen, es mit einem Zaun zu umgeben … So entsteht der Sinn für das Privateigentum, Ursache so vieler Laster und so vielen Unheils unter den unglücklichen Sterblichen! Es war unmöglich, dass er nicht entstand. Jeden Tag besahen wir unser Feld. Jedes Blatt, das sich neu bildete, ließ unser Dasein heller strahlen. Dieses Glück war zu viel – ich konnte es nicht für mich behalten.
»Papa«, sagte ich eines Abends, »ich habe Erbsen gesät, und die wachsen nun, als hätten Sie selbst sie gesät!«
»Oho! Umso besser! Wenn es mit unserem Feld nichts wird, dann können wir uns mit deinem behelfen.«
»Aber es gehört mir nicht allein. Eine Hälfte gehört Edmlot Bérault!«
»Dann teilen wir eben die Ernte.«
Was für eine Freude! Im tiefsten Grunde meines Herzens wünschte ich mir, dass aus dem Feld meines Vaters nichts würde, damit meines aushelfen könnte. Denn von nun an bestand für mich der einzig wahre Ruhm darin, nützlich zu sein, und der Richtigkeit dieser Anschauung verdanke ich alles, was ich später geleistet habe.
Etwas später – nach zwei weiteren Regentagen – fanden wir unsere Erbsen in Blüte stehen: neues Entzücken! Alles ließ uns staunen! Alles war außerordentlich und eine Lust für uns … Die Schoten bildeten sich. Sie füllten sich.
Die Zeit der Ernte rückte heran, als ich eines Tages, nachdem ich M’lo nirgendwo gefunden hatte, allein zu unserer Domäne ging. Großer Gott, was für eine Wüstenei! Was für eine Zerstörung! Die Erbsen waren abgerissen! Die Schoten, frisch geöffnet, hatte anscheinend ein Schlemmer geleert, der sich daraus sein Mittagsmahl bereitet hatte, denn auf dem Boden sah ich Graubrotkrümel. Es fehlte nicht viel, und ich wäre in Ohnmacht gefallen. Mit Tränen in den Augen und schweren Herzens fasste ich mich … Ah! wenn ich erwachsen und ein König gewesen wäre – was für einen grausamen Krieg hätte ich gegen die Räuber geführt, die mir die Ernte des ersten von mir selbst bestellten Feldes entrissen hatten!
Von der Schule läutete es. Ich ging hin. Ich sah M’lo, die Augen auf sein Buch geheftet, aber ich war zu arglos, Verdacht zu schöpfen. Erst zehn Jahre später erfuhr ich die Wahrheit … Dieses unselige Abenteuer heilte mich für lange Zeit vom Wahn des Privateigentums. Er erlosch vollständig in mir, um dann viel später noch einmal zu erwachen.
Es war kurz vor meinem siebten Geburtstag. Da wurde ich Zeuge eines Vorgangs, der viele überraschen wird und einmal mehr beweist, dass die Menschen, wenn sie zahlreich beisammenleben, auf dem Land fast genauso leicht ins Verderben geraten wie in der Stadt – jenes Verderben noch gar nicht eingerechnet, das von der Stadt auf das Land übergreift, wenn die Dienstboten beiderlei Geschlechts und die Milizsoldaten in ihre Dörfer zurückkehren, nachdem sie in der Ferne verlottert sind.
Ein Dutzend Jungen, doppelt so alt wie ich, also in der Pubertät, veranstalteten am helllichten Tage beim Untertor (das nach Osten hinaus nannte sich Obertor), diese Jungen also veranstalteten eine Ausstellung, die ich hier nicht näher beschreiben kann…[b]
Ich würde auf dieses Erlebnis nicht ohne gewichtigen Grund zu sprechen kommen. Aber wird man am Ende der Jugendjahre von der Natur selbst über die körperliche Seite der Liebe unterrichtet, oder geschieht dies nur durch das, was man um sich herum sieht und hört? Ich glaube, die Natur würde sich mehr Zeit nehmen, und sie würde sich durch Träume mitteilen. Ein einziges Wort genügt ja schon, und auch wenn die Eltern allein und ohne Bedienstete auf dem Lande lebten, würde dieses Wort in jedem Fall ausgesprochen werden.
Was aber soll man tun, wenn Aufklärung unumgänglich ist? Man sollte die Natur nachahmen, die die Einsichten nach und nach vermittelt, so wie die Kräfte sich einstellen. – Aber wenn diese Einsichten durch Zufall und willkürlich vermittelt werden, soll man dann mit den Kindern darüber sprechen? – Ja, und zwar, um sie mit den körperlichen Folgen zu erschrecken. Ein weiser Freund bewahrte mich zwischen meinem einundzwanzigsten und meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr vor der Ausschweifung, indem er mich erschreckte. Und wenn es gelingt, bei der Jugend die erste Explosion hinauszuzögern, ist alles gewonnen, denn die Gefahr erwächst vor allem aus dem Missverhältnis zwischen den Körperkräften und den vorzeitigen Begierden. Um vorschnelle Erkenntnisse zu verzögern, müssten die Eltern auf dem Lande, wie früher, ihre Kinder vom Tisch fernhalten, sobald Fremde daran Platz nehmen. Sie müssten sie unter ihrer Aufsicht mit Landarbeit und dem Hüten der Herden beschäftigen, was aber heute nur noch am Scioto[12] möglich ist. Den Eltern in den großen Städten bleibt wohl nur das schwache Mittel, ihre Kinder selbst zu unterrichten und ihnen mit dem Gift auch das Gegengift zu verabreichen.
Schließlich ging mein siebtes Jahr zu Ende. Ich war noch immer mit M’lo Bérault befreundet und hegte nicht den geringsten Verdacht wegen seiner Unredlichkeit oder vielmehr Naschhaftigkeit, die ihn dazu gebracht hatte, die Ernte von unserem gemeinsamen Feld ganz allein zu vertilgen.
Eines Tages, als ich ihn zur Schule abholen wollte, sagte seine Mutter zu uns: »Meine Kinder, heute seid ihr sieben Jahre alt geworden, denn ihr seid beide am gleichen Tag und fast um die gleiche Stunde geboren. Jetzt seid ihr in dem Alter, wo ihr sündigen könnt und eure Unschuld verliert. Bisher konntet ihr noch nicht sündigen, weil euch der Verstand fehlte, ab jetzt aber müsst ihr beide ganz brav sein.«
M’lo hörte diese Lektion, die doch durchaus nützlich klang, stumpfsinnig an. Ich hingegen erschrak! Ich war zwar entzückt, sieben Jahre alt und ein vernünftiges Wesen geworden zu sein. Aber die Idee der Sünde, mit der mich meine Mutter in ihren Reden immer erschreckte, machte mir großen Kummer! Ich verließ das Haus der Mutter Bérault mit Tränen in den Augen. Ergriffen vom Respekt vor meinem neuen Verstand, blickte ich ganz bescheiden und zerknirscht drein, wie ein Mädchen, das zum ersten Mal zur Kommunion geht. Wir liefen zur Schule. Dort legte ich ein Betragen von beispielhafter Bravheit an den Tag – ich, der sonst immer ein bisschen zappelig war. Magister Jacques bemerkte es und fragte mich lachend: »Was ist denn los, Monsieur Nicolas?«
»Ich bin ab heute sieben, Monsieur. Ich kann jetzt sündigen und mich gegen Gott vergehen! Wenn ich bloß wüsste, was ich dagegen tun soll.«
»Ganz einfach, Sie brauchen nur immer Ihre Pflicht zu tun.«
Diese schwammige Antwort stellte mich zufrieden, und mir scheint sogar, es war die einzige gute, die mir der Magister Jacques je gegeben hat.
Nach dem Unterricht gingen wir hinaus. Ich dachte nur noch an den Vorteil meiner sieben Jahre, dass ich nun kein unverständiges Kind mehr war, denn ich schrieb meinem neuen Alter eine wirkliche Kraft zu. So wurde ich denn vor lauter Begeisterung Dichter. Ich nahm die Hand von M’lo und die eines anderen Kameraden, seines Cousins Etienne Dumont, der zwei Monate älter war, und gemeinsam sangen wir meine ersten Verse:
Tra-la-la, ihr Lieben!
Von nun an sind wir sieben!
Ich überbrachte diese Neuigkeit meinen Schwestern. Meine überschwängliche Freude erstaunte sie, weil sie deren Ursache nicht ahnten, die in nichts anderem bestand als dem Verlangen, groß zu werden und ein Mann zu sein. Mein Vater und meine Mutter wollten es genauer wissen. Sie erkundigten sich danach, wie man mich über mein Alter unterrichtet hatte, und nutzten die Gelegenheit, mir einige Lehren zu erteilen, die ich mit vollkommen verständiger Miene anhörte. Ich hörte sogar heraus, dass sie mit dem, was mir Mutter Bérault gesagt hatte, nicht ganz einverstanden waren. Aber die Gründe, die sie nannten, gingen über meinen Horizont.
Ein Jahr war vergangen seit unserem Umzug nach dem Hofgut La Bretonne. Ich war ungefähr neun, und die natürlichen Anlagen, deren Wirkung ich schon seit der frühen Kindheit verspürte, machten sich mit zunehmendem Alter immer deutlicher bemerkbar. Wenn ich an dieser Stelle noch nicht darauf zu sprechen käme, würde man mir das wohl noch abnehmen, zumindest für eine gewisse Zeit. Eine Leidenschaft, die vornehmste von allen, schwelte in meiner Brust und ließ bisweilen Funken sprühen, bevor noch die körperlichen Fähigkeiten darauf reagieren konnten. Sie war eine Auswirkung des körperlichen Wachstums und daher unbezwinglich. Außerdem verwandelte sie sich nun in einen schmerzhaften Drang, wie ihn Eunuchen gewöhnlich verspüren. Es war diese ohnmächtige Leidenschaft, die mich auch scheu machte. Ich war schön. Das goldbraune Haar, das ich damals hatte, lockte sich und gab mir das Aussehen von Engeln, wie sie der heiteren Phantasie italienischer Maler entsprungen sind. Mein feingeschnittenes Gesicht wurde durch eine Adlernase, durch die Schönheit meiner Augen und die Frische meiner Lippen geadelt, die mir so viel Glück gebracht haben. Ich war blass und weiß wie eine Lilie, schlank und zartgliedrig in einem Land, wo die Leute wohlbeleibt sind, was mir angeblich einen Anflug von Pfiffigkeit verlieh.
Noch heute erinnert man sich daran, wie mich die großen Jungen damals hänselten, die es nicht leiden konnten, dass die Mädchen einen schönen Knaben so freimütig küssten wie ein kleines Kind: »Er hat ein Mädchen am Hals!« Nur zu gut gelang es ihnen, mir Scham einzuflößen! Die Mädchen aber, die dies durchschauten, fanden nur desto mehr Gefallen an ihrem Treiben. Eines Sonntags, nach der Messe, fand ich mich plötzlich umringt von Reine Miné, Jeanne und Madeleine Champeaux, Agathe Tilhien, Madelon Blondin, Marie Menant, Mathron oder Marthe Bérault, Ursule Ledme, Nannon Fouard, der älteren Schwester von Marie – kurz, von allen Mädchen im heiratsfähigen Alter. Sie küssten mich eine nach der anderen, auf die Wangen, auf den Mund, und einige ließen dabei sogar ein leises Schmatzen hören. Mein Widerstand vervielfachte nur ihre Attacken und machte sie noch kühner. Ich litt und hatte doch zugleich meinen Spaß daran. Und als sie von mir abließen, riefen die großen Jungen: »Er hat zehn Mädchen am Hals!« Dieses spöttische Geschrei beschämte mich, und ich machte mich aus dem Staub.
Seit diesem Tag konnte ich nicht mehr ausgehen, ohne dass die Jungen mir nachliefen, um mir ein Mädchen an den Hals zu hängen. (Da sie selbst es wegen der Eltern und dem Pfarrer nicht wagten, die Mädchen zu küssen, machten sie sich einen Spaß daraus, zuzusehen, wie sich die Mädchen mit mir abgaben.) Ich nahm Reißaus. Die Mädchen liefen mir nach. So wurde es bald üblich in Sacy, den kleinen Monsieur Nicolas mit Gewalt zu küssen, was mich sehr kränkte und mir den letzten Rest von Vertrauen in die Menschheit raubte. Aber der Zwang, dem ich da unterworfen war, und die Zärtlichkeiten in aller Öffentlichkeit, die meine natürliche Schamhaftigkeit empörten, zögerten zweifellos doch auch den Ausbruch des Vulkans heraus, der mich verschlungen hätte. So brachten mich Zwang und Spott von dem ab, wonach es mich von Natur aus verlangte.
Bisweilen bewegte ich in meinem kleinen Kopf weit vorauseilende Ideen! Und doch muss es überraschen, dass ich mir vorstellte, es könnte mir Freude machen, ein Mädchen gegen seinen Willen zu küssen, ihm solche Furcht einzujagen, dass es weglief, und es dann zu verfolgen. Ich hatte das Gefühl, dies sei meine eigentliche Rolle, und ich brannte darauf, sie zu spielen. Meine Schönheit machte mich nicht etwa stolz, sie schien mir vielmehr das Zeichen einer erniedrigenden Verweichlichung zu sein, das Gegenteil von jener männlichen Haltung, die mir, wie ich glaubte, den Respekt der Mädchen verschaffen würde. Eine Anekdote aus jener Zeit mag diese merkwürdig anmutende Vorstellung veranschaulichen.
Zu uns kam oft eine Kurzwarenhändlerin aus Noyers mit einem großen Weidenkorb, in dem sie ihre Sachen präsentierte, eine Madame Geneviève. Ihren Wagen kutschierte ein Mann, der nicht ihr Ehemann war (was mir zum ersten Mal eine Vorstellung von Sittenverderbnis eingab): ein dicker, starker, obendrein pockennarbiger Kerl aus der Franche-Comté mit stolzer Miene, den Hut schräg auf dem Kopf. Sein Aussehen gefiel mir. Mir schien, so müsste ein Mann aussehen, und auch ich wollte das. Ich malte mir aus, wie die Mädchen bei solch imposanter Hässlichkeit vor mir weglaufen würden, und bebte vor Vergnügen bei diesem Gedanken. Denn man brauchte sich nur anzusehen, wie meine Schwestern und die beiden Dienstmädchen vor dem furchterregenden Mann aus der Franche-Comté Reißaus nahmen und wie er sie trotzdem immer fing! Ich bemerkte die Ängstlichkeit auf ihren Gesichtern, wenn er sie festhielt: Das war ein Held, ein schrecklicher Sieger! Wie gut mir diese Rolle an ihm gefiel! Betrübt verglich ich sie mit der meinen. »Ach, wenn ich erst pockennarbig bin!«, rief ich und bekundete vor aller Welt mein Verlangen, die Blattern zu bekommen, um nachher auszusehen wie dieser Mann. Und alle lachten mich aus, denn er war einer der hässlichsten Leute, die man zu Gesicht bekommen konnte, aber groß und breit – ein Klotz. Außerdem gefiel er Madame Geneviève, die auch mir keineswegs missfiel: ein Grund mehr, ihn um sein Glück zu beneiden – hässlich sein und geliebt werden!
Nach und nach gewannen mein Vorstellungen von den Frauen an Klarheit. Ich spürte, dass nur sie liebenswürdig waren. Lieber wäre es mir allerdings gewesen, wenn ich sie geküsst hätte und nicht sie mich. Diese zweite Rolle missfiel mir. Doch die erste zu übernehmen, wäre für einen kleinen Jungen von neun Jahren lächerlich gewesen. Während meine Eltern sich also in vollkommener Sicherheit wähnten und überzeugt waren, ihr Hippolyt[13] könne die Frauen nicht ausstehen; während sich das Gerücht von meiner Abneigung gegen das schöne Geschlecht wegen der vielen Leute, die mein Vater bei sich empfing, in der Nachbarschaft immer weiter verbreitete und man den kleinen Monsieur Nicolas für einen Narziss zu halten begann, kreisten dessen Gedanken, sobald er allein war, bei Nacht und am Tage, um nichts anderes als dieses Geschlecht, vor dem er zu fliehen schien! Die Mädchen, die sich mit der größten Sorgfalt zurechtmachten, gefielen ihm selbstverständlich am besten. Und da der Körperteil, der sich am wenigsten leicht sauber halten lässt, jener ist, der den Boden berührt, waren es die Schuhe, denen er unwillkürlich seine größte Aufmerksamkeit widmete. Die schon genannten Mädchen, Agathe Thilien, Reine Miné und vor allem Madeleine Champeaux, waren damals die elegantesten. Ihre gepflegten, sorgfältig ausgesuchten Schuhe hatten statt der Schnüre Schleifen, die in Sacy noch nicht üblich waren, vorzugsweise blau oder rosa, je nach der Farbe des Rocks. Ich dachte an diese Mädchen voller Rührung. Ich begehrte – ich wusste nicht was, aber ich begehrte etwas. Etwas, bei dem es darum ging, sie zu unterwerfen.
Etwa um diese Zeit erblickte ich in Sacy ein Fräulein. Sie trug feine, farbige Schuhe wie in der Stadt, die Schnallen mit Glasperlen besetzt, und außerdem war sie eine bezaubernde Person! Ich war hingerissen und hielt sie anfangs für die entzückende Colette, die mich, als ich noch klein war, in Vermenton mit Zärtlichkeiten überhäuft hatte. Doch dann hörte ich, sie sei ein Fräulein aus Noyers, eine Verwandte des Herrn Pfarrers namens Suzanne Colas … Mit ihren zarten, frischen Reizen kam sie mir vor wie eine Fee, denn von Göttinnen wusste ich noch nichts. Ich träumte nur noch von ihr. Mademoiselle Colas ließ mich meinen robusten Schönheiten aus Sacy untreu werden, zweifellos, weil ich selbst zierlich und schwach war und deshalb den Eindruck hatte, bei ihr würde mir das Unterwerfen leichter fallen. Suzanne verschwand wieder und geriet in Vergessenheit. Aber den Zauber, der mich an die Mädchen fesselte, hatte sie noch verstärkt und den tiefen Eindruck vorbereitet, den eines Tages eine himmlische Frau auf mich machen sollte!
Ich bezweifele, dass die so frühzeitig entwickelten kleinen Negerjungen, die mit neun oder zehn Jahren schon Vater werden können, früher anfangen, die Frauen zu begehren, als ich es tat. Man wird bald sehen, dass auch ich diese Kraft besaß, und es ist dies nicht das am wenigsten verblüffende und uninteressanteste Phänomen in meinem Leben.
Aber die Vorliebe für schöne Füße, die bei mir so stark war, dass sie mein Begehren unweigerlich erregte und mich sogar über alles Hässliche hinwegsehen ließ – hat sie ihre Ursache im Körperlichen oder im Seelischen? Bei allen, die sie hegen, ist sie überaus stark – aber was liegt ihr zugrunde? Etwa ihre Beziehung zur Leichtfüßigkeit? Zur Anmut und Wonne des Tanzes? Die künstliche Vorliebe für Schuhe ist nur der Abglanz des Vergnügens an schönen Füßen, die ja selbst den Tieren Eleganz verleihen. Irgendwann gewöhnt man sich daran, die Hülle für die Sache selbst zu nehmen. So war die Leidenschaft, die ich schon in meiner Kindheit für feine Schuhe hegte, eine künstliche Vorliebe, die auf einer natürlichen beruhte. Die Vorliebe für kleine Füße hat ihre Ursache aber allein im Körperlichen, worauf auch das Sprichwort hinweist: Parvus pes, barathrum grande![14] – wobei die Erleichterung, die dieses Letztere bietet, der Fortpflanzung zustattenkommt. Ich will versuchen, mich in der Fußnote verständlicher auszudrücken…[c]
Wenn ich ein Haus betrat und dort die Festtagsschuhe nebeneinander aufgestellt sah, wie es der Brauch ist, bekam ich Herzklopfen vor lauter Freude: Ich wurde rot, ich senkte den Blick wie vor den Mädchen selbst. Erfüllt von dieser heftigen Vorliebe und den wollüstigen Gedanken, die bei einem Zehnjährigen eigentlich nicht vorstellbar sind, floh ich – von einer unwillkürlichen Scham getrieben, die der Schamhaftigkeit dieser jungen Personen sehr ähnlich war – die Mädchen, die ich, gleich einem zweiten Anakreon, bis in ihren seelenlosen Aufputz anbetete!
Zwei alte Männer, Monsieur Restif aus Noyers, der Großvater der Restifs in Grenoble, und mein Onkel Droin aus den Dörfern am Fluss[15], sahen mich beim geringsten Lob, das mir zuteilwurde, die großen Augen mit ihren langen Wimpern niederschlagen und sagten, von meiner äußeren Erscheinung getäuscht, zu meinen Eltern: »Aber Ihr Sohn benimmt sich ja wie ein zaghaftes Mädchen – sind Sie sich sicher, dass er ein Junge ist?«
Ich glaube, die Männer, die es am heftigsten zu den Frauen zieht, verspüren in ihrer unreifen Jugend allesamt die gleiche Befangenheit, die gleiche Scham, die gleichen künstlichen Vorlieben: weil sie schon fühlen, was die anderen noch nicht empfinden. Genauso muss man das schamhafteste Mädchen, das besonders leicht errötet, für dasjenige halten, das am ehesten geneigt ist, sich den Freuden der Liebe zu überlassen. Eine Beobachtung wird bestätigen, welches der wahre Grund der Ohnmacht war, die mich vor den schönen Mädchen fliehen ließ, nämlich diese: Ich ging weder den alten noch den hässlichen Mädchen aus dem Weg und wurde auch nicht rot vor ihnen, weil ich vielleicht schlecht angezogen war oder irgendetwas falsch machte. Oft kam es den Hässlichsten aus Sacy in den Sinn, mir nachzustellen, und ich blieb. Sie zeigten sich darüber verwundert, und alle Welt zog daraus den Schluss, ich würde die Alten und Hässlichen lieben. Ich habe gehört, wie selbst mein Vater sich über meinen sonderbaren Geschmack wunderte und fürchtete, er könnte völlig verderben, vor allem nachdem ich durch mein Betragen Anlass zu einigen Klagen gegeben hatte: Denn ich wollte alles anfassen, alles verbessern und verdarb doch das meiste; was mir den wenig ehrenhaften Spitznamen Murkser eintrug. Eines Tages ließ mein Vater mich durch unseren Pflugknecht Germain nach den Gründen für mein sonderbares Betragen fragen. »Nein«, erwiderte ich, »ich liebe nicht die Hässlichen; aber ich habe auch keine Angst vor ihnen.« Dies beruhigte Edme Restif.
Drei oder vier Jahre zuvor hatten die unverdienten Prügel, die mir der Magister Jacques verabreicht hatte, meinen Vater und meine Mutter bewogen, mich in Vermenton bei meiner Schwester Anne in Pension zu geben. Nun wollten sie mich zum zweiten Mal dort unterbringen – aus mehreren Gründen. Auch deshalb, weil mein ältester Bruder in Vermenton zum Vikar ernannt worden war. Meine Eltern ahnten nicht, wie sehr der Parteigeist die Schüler jansenistischer Priester davon abbringt, sich um die eigenen leiblichen Eltern zu kümmern. Sie fassten ihren Entschluss am 6. Dezember. Er wurde aber erst am 29. Juni 1745 in die Tat umgesetzt, an dem in Sacy der Schulunterricht aufhört, um erst nach der Weinlese wieder zu beginnen.
Der Platz, wo es mir in meinem Exil am wenigsten missfiel, war die Schule – wegen der Jungen in meinem Alter, mit denen ich es dort zu tun hatte. Obwohl ich inzwischen sehr schüchtern war, vergnügte ich mich manchmal mit den jungen Viards, von denen einer Maler werden wollte, und mit den Boudards, den Neffen der Mutter meiner Schwestern aus der ersten Ehe. Diese Kameraden nahmen mich zu Monsieur Collet mit, dem Notar und Richter, der außerdem ein alter Freund meines Vaters war. Damals gab es vier oder fünf Mädchen in diesem Haus, von denen eine, die so hieß wie ich – Colette –, mir besonders freundlich begegnete. Sie schlug sich auf meine Seite, wenn andere sich über meine bäurische Art lustig machten oder meine Naivität ins Lächerliche zogen. Als ich dann wieder nach Sacy zurückkehrte, dachte ich oft an Colette. Die Erinnerung an sie war noch lieblicher als ihre Gegenwart, und ihr geliebtes Bild verschönte mir lange Zeit meine Träume. Zwei- oder dreimal bin ich, solange die schöne Jahreszeit noch währte, sogar auf den Gipfel des kargen Terrapion-Hügels gestiegen, um einen Blick auf den Ort zu werfen, der mir vor kurzem noch so unliebsam gewesen war, und voller Rührung zu sagen: »Dort lebt sie, Mademoiselle Colette, die gute Freundin meines Vaters und meiner Mutter.« Aber nichts auf der Welt hätte mich dazu gebracht, hinabzusteigen und Vermenton noch einmal zu betreten. Mich plagte die vage Befürchtung, man würde mich dort festhalten.
Bei der Rückkehr in mein Dorf (zu der zweifellos Mademoiselle Colette meine Eltern bewogen hatte) glaubte man, der Aufenthalt in der Fremde habe mich abgehärtet. Aber es dauerte nicht lange, da zeigte sich, dass ich nur noch schüchterner geworden war, und die Mädchen begannen von neuem, mir nachzulaufen. Die Gefahr ging jedoch nicht von meinen arglosen Landsmänninnen aus, sondern von einer Fremden. Schon hier, obwohl ich noch so jung bin, steht mir das außergewöhnlichste Abenteuer meines Lebens bevor – für sich genommen und in Anbetracht seiner Folgen!