Monster's Ball - Shawn Ayahuasca Vega - E-Book

Monster's Ball E-Book

Shawn Ayahuasca Vega

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Beschreibung

Die Zeitebenen, sie sind oft derart verflochten und gedreht, dann existiert kein Gestern, kein Heute, kein Morgen, alles scheint ein Ganzes. zeit? Zeit ist eine Illusion. Während einer langen Reise verwischen die Grenzen der Zeit und Geschichten von dem kleinen Hundemädchen Tiffany, den Elefanten des Staatszirkus der DDR und den eigenen Krokodilen und Riesenschlangen werden ebenso gegenwärtig, wie dunkle Geschehnisse im Teutoburger Wald, in Waterloo, Orleans, Spanien, Peru und Amazonien. Sie führen in entscheidende Lebensphasen u.a. von Varus, Napoleon, Jeanne d‘Arc, Pizarro, Orellana und springen zurück in das Jetzt, in reizvolle Lanschaften, zu Treffen mit Walen vor Afrika. Greifbar ist das Nicht-Alltägliche, das Wiedersehen nach Jahrzehnten mit Elefantin Jana in Amiens, ist die Begegnung mit Lynn in der staubigen Hitze der Extremadura und die unvergessliche Zeit zusammen in Andalusien. Die Episoden wechseln in den Zeiten, sind ein wilder, harter Trip durch Realität und Fantasie, sie erzählen von Apokalypsen, verlorenen Nächten, von Freisein, Schönheit und Glück, von Monstern und Schwarzen Feen. Könnt ihr innehalten, den Augenblick von Zeit befreien? Seid ihr offen, hinter der Sinne Illusionen zu blicken, über den Horizont des Sichtbaren? Dann atmet ruhig und formt die Hände vor dem Antlitz zu einer fragilen Schale. Spürt ihr den warmen Hauch? Seht ihr, wie das Glitzern im Halo sich zu einer Galaxie ordnet? Nur leise, leise...Und unter dem Lichtband wird eine Sphäre klarer. Seht! Dort ...

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Für Tiffany

Die Zeitebenen, sie sind oft derart verflochten und gedreht, dann existiert kein Gestern, kein Heute, kein Morgen, alles scheint ein Ganzes. Zeit? Zeit ist eine Illusion.

Inhalt

Monster´s Ball,

Part 1

Welten

Aufbruch

Monster´s Ball,

Part 2

Transit

Flussufer

Monster`s Ball,

Part 3

Besuch

Andalucia

Krieger

Monster´s Ball,

Part 4

Eden

Hitze

Monster´s Ball,

Part 5

Träume

Collateral

Elysium

Monster´s Ball,

Part 6

Fotos

Anmerkungen,

Quellen

Denkst du wirklich, du kannst Himmel von Hölle unterscheiden?

Blaue Weiten von Schmerz?

Ein grünes Feld von eiskalten Stahl?

Ein ehrliches Lächeln von einem gleichgültigen?

Glaubst du wirklich dass du unterscheiden kannst?

Denn, waren sie nicht stets bemüht

deine Helden gegen Geister zu tauschen?

Heiße Luft für eine kühle Brise.

Schwachen Trost für ein Wechselgeld.

Und hast du je einen Statistenpart im Krieg

gegen eine Hauptrolle in einem Käfig eingetauscht?

Wir sind nur verlorene Seelen,

die in einem Goldfischglas treiben,

Jahr für Jahr über den gleichen Boden laufen

und stets die gleichen Ängste finden.

Und dann, eines Tages, stellen wir fest dass Jahre vergangen sind.

Also rennen wir nun in stiller Verzweiflung der Sonne hinterher um sie einzuholen.

Doch sie sinkt, um nach ihrer Runde wieder hinter uns aufzugehen.

Die Sonne ist dieselbe, irgendwie, doch wir sind älter, kurzatmiger

und einen Tag näher dem Tod.

Jedes Jahr erscheint kürzer, niemals finden wir die Zeit.

Pläne, die scheiterten, aus denen nichts wurde

oder ein nur halbvoll gekritzeltes Blatt.

Roger Waters

Monster´s Ball, Part 1

Könnt ihr innehalten, den Augenblick von Zeit befreien? Seid ihr offen, hinter der Sinne Illusionen zu blicken, über den Horizont des Sichtbaren hinaus? Dann atmet ruhig und formt die Hände vor dem Antlitz zu einer fragilen Schale. Spürt ihr den warmen Hauch? Seht ihr, wie das Glitzern im Halo sich zu einer Galaxie ordnet? Nur leise, leise. Und unter dem Lichtband wird eine Sphäre klarer…

Seht!

Dort…

Es hatte eine Schlacht getobt, wieder einmal, und wie stets in tiefer Nacht, im Schutz ihrer Dunkelheit.

Auf einem Sternenmeer reisend, streift der Mond sein Licht über Bäume und Unterholz am Waldesrand und taucht den Schauplatz in kaltes Stahlblau. Die Wiese verbirgt das Geheimnis unter einem friedlich im Windhauch wogenden und diffus schimmernden Schleier aus Nebel, zu seiner Mitte hin leuchtender, als würde er der umliegenden Landschaft unnötiges Licht absaugen und im Zentrum bündeln wie ein Crazy Diamond.

Ganz nahe, ausgewichen in schwarze Schatten dichter Tannen und darum bedacht diesen Schutz nicht zu verlassen, als ob das schwache Hell sie töten könnte, sie, die Unbesiegbaren, dort hatten sich beide zuerst gegenüber gestanden und genau gemustert, um Schwächen und Stärken des anderen zu finden. Und dann waren sie aufeinander losgegangen, mit jener unerbittlichen, aggressiven Gewalt, wie sie jede ihrer Schlachten austrugen. Ihr Adersaft rann dampfend am zuckenden Fleisch hinab, spritzte zuerst in zähen Tropfen auf das weiche Moos, um darauf im Tanz der Leiber als Regen das frische Grün zu bluten.

Später, als der Atem knapp wurde, ließen sie voneinander ab und schritten mit gebeugten Körpern, langsam und lautlos, rückwärts auf Abstand, wenig nur, aber tiefer in des Unlichtes finsterer Tarnung. Dort lehnen sie keuchend an den toten Bäumen mit den kahlen, knorrigen Ästen, beobachten den Gegner misstrauisch mit den gelben Augen, rot von Blut unterlaufen, und lecken ihre tränenden Wunden.

In die Stille hinein fragt das schuppige Monster: „Glaubst wirklich dran, ihn fangen und zerren zu können, auf deine Seite, hä? Willst mich besiegen, nee, mehr, vernichten wohl.“ Erhitzter Atem steigt mit den Worten auf in der Kühle der Nacht.

„Hab ihn noch nich aufgegebn.“, kommt es knapp von der Schwarzen Fee zurück und der fahle Schein des blassen, blauen Flammenhaares zeichnet ihre sehnige Knochengestalt und das Ungesicht mit den tiefliegenden, funkelnden Augen im Dämmerlicht.

„Ähhh! Unterscheiden uns kaum, wir zwei. Ein jeder bietet die helle Seite als Zuflucht ihm. Sind beide Gaukler.“, erwiderte das Monster mit den Klauen, dem schmalen, langen Kopf und dem säbelzahnigen Maul.

„Nee, Wesentliches wie ne tiefe Schlucht uns trennt. Ich zeich Licht und dessn Schattentanz im Hier und Jetzt, du allein Schatten und nen winzichn Funkn am End. Du und ich? Is nich viel gemeinsam, nee.“

„Geschwätz! Was du zauberst, Illusionen sinds, mit Schmerzen, aneinander gereiht wie schwarze Perlen auf ner Schnur und großzügig in den Gaben, bevor er sich überrumpelt am Ende in Schrecken verliert. Ich bring das Licht nach langer Odyssee durch die Finsternis deiner boshaftigen Scheinwelt.“, das Monster stellt die Beine breiter und krümmte leicht den Rücken. Mit der Bewegung gleitet ein Mondstrahl auf den Körper und entflammt ein Funkeln auf den Schuppen.

„Dein Pfad isn Tunnel, dein Angebot auf Hoffnung für Erlösung wenich mehr als das Strahln von ner Kerze drin. Aber wahr, sein Verlöschn is unser beider Wolln, ja, aber jeder mit eigner Kunst, eignem Taktieren. Sind so aufm Wech Gegner und dereinst am Ziel vereint.“, antwortete die Schwarze Fee, senkt den breiten Kopf tiefer, hebt drohend den knochigen Schwanz und zuckt mit dem mächtigen Dorn.

„Wohl wahr, zwei Seelen in einem Herz. Unsere Körper, verschmelzen werden sie tun, am Ende und dann verwehn, zusammen mit ihm. Bleiben einander aber vertraut verbunden schon auf seiner Lebensreise, im ewig ewigen Kampf.“

Und nun fallen beide erneut übereinander her, beginnen sich weiter zu zerfleischen, so wie immer, wie stets in verlorenen Nächten. Das Monster packt die Schwarze Fee, schlägt die Krallen in deren Leib und die Reißzähne in den dürren Hals. Die Schwarze Fee umschlingt das Monster, schlitzt mit spitzen Fingern dessen Rücken und bohrt ihren Schwanz wie ein Skorpion in den Schuppenkörper.

Obgleich so verschieden, gehören sie doch zusammen und wie ein Leib sehen sie nun auch aus. Im kühlen Tann, im Schatten des Mondlichtes, verschmelzen sie beim Ringen und Verstümmeln stöhnend zu einem Dämon der Nacht und die Hitze der schweißnassen nackten Körper vermengt mit jener des Atems zu einer wirbelnden Wolke, steigt als Spirale zwischen den Wipfeln der Bäume auf und verliert sich im Sternenmeer. Blut verlässt zerfetzte Adern in den Wunden, fließt in schwarzen Bächen durch weiches Moos, vereint sich wieder träge zwischen Steinen, faulendem Holz und schleimenden Schnecken und strömt gerinnend in die Senke im Wiesengrund. Dort, verborgen und behütet von dem wallenden Nebel, verfärbt es in dessen trübem Weiß und zeugt einen purpurnen See.

Es ist wie in jeder Nacht, wenn die Schlacht der Unbesiegbaren tobt.

Und sie sterben nur wenn er es will.

Euch geht es nicht um unser Wohl, das lässt euch völlig kalt

und hinter eurem Lächeln steckt die Fratze der Gewalt.

Das Recht, dass ihr euch angemaßt heißt nicht Gerechtigkeit.

Gesetzte panzern eure Welt, doch nicht für alle Zeit.

Noch täuscht ihr viele, doch ihr seid von einigen durchschaut

und irgendwann da kommt der Tag wo euch kein Mensch mehr traut.

Ihr haltet uns in Finsternis, doch wir entzünden Licht.

Ihr habt die Macht - noch habt ihr sie,

Unsere Liebe habt ihr nicht.

Georg Danzer

Welten

Draußen tanzen große wollene Bäusche der verblühenden uralten Weide, die sich in ihrer Mächtigkeit wie ein eigenes Universum in der Landschaft und von anderen Bäume abhebt, über die Wiesen. Wie Schneeflocken bedecken sie kleine Tannen und Sträucher, wirbeln sanft in Nischen, dort wo sich leichter Morgenwind verfängt, bilden Kreisel oder luftige Wolkengebilde. Die Sonne scheint, es wird endlich wärmer. Mit Verzögerung ist der Frühling über das Land am Meer gekommen, aber die Natur weiß im Kreislauf der Jahreszeiten damit umzugehen, hat eilig nach den ersten hellen Tagen frisches Grün über die Welt gezaubert.

Er ist spät aufgestanden, wie so oft, wenn keine Ruhe in die Gedanken kommen wollte. Schwer zu besiegen, diese Filme im Kopf. Endlich eingeschlafen, spulen sie erneut ab, wecken am Tag mühevoll verdrängte Erinnerungen, verwandeln sich gerne in Albträume, komponieren nie bewältigten Schmerz zu verstörenden Clips, rufen herbei die Dämonen der Vergangenheit, treiben mit einem Horrortrip in finsterste Abgründe der Seele und sind mit diesen Tricks erfolgreich im Besiegen der Ruhe. Der Schlaf bringt keine Erholung, er zerstört das Licht des neuen Tages bereits im Ansatz und wirkt nach, bis weit über das Erwachen. Sonnenschein und Natur bieten ihre Wunder dar und damit Linderung für die Seele, wenn man dafür offen ist.

Viele Veränderungen waren in den vergangenen Jahren über ihn hereingebrochen. Tiefklaffende Wunden, Schnitte, wie von rostigen Messern und stumpfen Sägen in die Seele gerissen, weder vernarbt, noch überhaupt heilbar. Und nach dem Ende eng verbundener Leben, dem Aufgebenmüssen seiner Berufung, dem Abschied von seinen Pfleglingen, dem Bruch mit dem geliebten und gelebten Traum so und nicht anders das Hiersein zu akzeptieren, den verrinnenden Freundschaften und gescheiteren Beziehungen, entsteht die Frage nach einem Sinn. Er ist nicht der einzige Mensch auf dieser Welt, welcher Derartiges erleben musste, aber, jeder trägt es anders und er gehört zu denen, die es nie vergessen, nie mit einer dicken Schicht aus Ablenkung und Verdrängung begraben. Alles ist anders, mit den Geschehnissen wandelte sich die Welt und die Sichtweise auf sie. Die Gedanken gehen in eine neue Richtung. Was einmal war wird nie mehr so sein.

Die Jahre der Jugend liegen irgendwo, fern im Strudel der Vergangenheit, und er ist in der Phase, in welcher andere längst ihre Erfüllung in schmalzigen Musicals, simplen Filmen, in trauter Zwistigkeit oder beim Töpfern und Gärtnern gefunden haben, in welcher Banken und Behörden glauben an baldigen Ruhestand - welch Zyniker erfand eigentlich dies Pseudonym für ein Abstellgleis? - erinnern zu müssen. Als ob ihn das auch nur im Geringsten interessieren würde. Ausgerechnet Banken, Versicherungen und Paragrafenanbeter fühlen sich berechtigt, auf den beginnenden Schlussakkord des Lebens hinzuweisen - mit dem toten Lächeln laienhafter Freundlichkeit und dumpfen Standardtexten, auf das die Marionette die Hinterlist und das eigentliche Ziel nicht bemerke. Er lässt sich nicht die Richtung zeigen, hat die Fäden längst gekappt, tanzt nicht mit im bunten Reigen Selbstbetrug. Er erfüllt nicht was sie von ihm erwarten, ignoriert sie, ist keine Handpuppe in Menschengestalt mit einer Hand im Arsch, welche den Takt vorgibt. Zuviel erlebt hat er auf der Wanderung, als dass er Respekt haben könnte vor Wichtigtuern, egal auf wessen Stuhl sie zu thronen glauben, oder vor Beamten und Politikern, die in Eigennutz und Überheblichkeit längst erfolgreich vergessen haben, für wen sie eigentlich tätig sind und wer ihren Job über Gebühr bezahlt. Scheiß auf den Urinstinkt von Gerechtigkeit, wenn doch die Krone von Gottes Schöpfung Gier, Geld und Gesetze erfand. Bei einem Zweigebein, welches überzeugt ist, in der Maskerade seines Anzuges Seriosität auszustrahlen und in der Kaste höher zu stehen, da denkt er stets an den Weißclown im Zirkus - obgleich dieser einer ehrlichen Zunft angehört - und kann, mit dem Bild vor Augen, Lächeln und Bemerkungen selten unterdrücken. Warum nur überlassen wir jenen bereitwillig die Hoheit über Moral, die selbst keine kennen?

FarleyMo

Auf einer fremden Ebene der Zeit, in einer Welt mit anderer Sicht auf das Universum, unfassbar die Dimensionen, so fern, kollabierte nach den Feuergarben, Verwüstungen und Verseuchungen das Leben. Eis schmolz, Meere fluteten das Land und formten aus Gebirgen weit verstreute Inselgruppen. Für die Natur war diese Katastrophe nur eine von vielen vorherigen, sie ließ sich nicht besiegen, erschuf sich neu, wuchert wild und blüht auf. Die wenigen Überlebenden des riesigen Staates, durch Zufall entkommen und herausgerissen aus den gewohnten Bequemlichkeiten, abgenabelt von jeglicher Technologie, kämpften in der postapokalyptischen Morgendämmerung um reines Überleben. Herabgestuft auf den Anfang ihrer Evolution zwang die Umwelt zum Erlernen einfachster Fähigkeiten, welche ihnen die Vergangenheit nie abgeforderte.

Gefangen im alltäglichen Kampf verloren Generationen ihre Geschichte und Erkenntnisse. Die Metropolen waren ausgelöscht und die Ruinen verschlang die Allianz aus Urwald, Meer und Zeit. Unzählige Sonnenwenden nach dem Untergang ist die Erinnerung daran nur noch eine Legende, welche an den Lagerfeuern erzählt und immer farbiger ausschmückt wird. Die kleine Ansiedlung besteht aus ein paar windschiefen Hütten an einem breiten Strand, dessen Ufer in unergründliche Meerestiefe abfallen. Ihre Bewohner leben von schlichten Gärten, dem Wald und dem Fischfang. Das Meer ist übervoll an Leben, nach dem Ende der Ausbeutung entfaltete es sich frei. Doch alles Dasein wurde von den Höllenfeuern gebrandmarkt und reichte die Veränderungen mit den Genen nicht allein in der eigenen Generationenkette weiter, sondern auch an andere Mitleben. Es ist Aufgabe der Natur, in dem Chaos für Ordnung zu sorgen. Sie wird einen Weg finden, irgendwann, nach Auslese und Experimenten. Das erkannten auch die Bewohner des Dorfes und sie sind gewöhnt an Fehlgeburten, Missbildungen, Krankheiten und einen frühen Tod. War es je anders?

In einer Hütte aus Felssteinen und Baumstämmen, nahe am Kliff, sitzt FarleyMo an einem grob gezimmerten Tisch mit Blick auf das Meer. Im Raum lagern in Regalen und gestapelten Körben seine Schätze. Die Gemeinschaft belächelt ihn deshalb, nutzt doch das Zeug weder zum Überleben, noch zum Tauschen. Aber, sie alle lauschen gerne seinen Wundererzählungen von der Vormalszeit, über welche der Alte mehr weiß, als irgendwer auf den drei Eilanden der bekannten Welt. Verstehen jedoch können sie dessen Spleen nicht. Was nützt es, mehr und mehr vom Vormals zu erfragen? Die mageren Antworten füllen keinen Bauch. Trotzdem achten sie ihn und bringen Funde der versunkenen Zeit in sein Haus. Vor allem die Kinder sind es, welche, obgleich wegen der Gefahren verboten, immer wieder in den geheimnisvollen Resten der von den Vorvorderen geschaffenen Bauten am anderen Ende der Insel spielen, dabei manchmal seltsame Dinge auskramen und stolz zum Alten tragen. Stets schilt er wegen ihrer Tat und legt ihnen doch etwas aus dem Garten in die Schmutzhände und wenn die Kinder ausdauernd betteln, als Beigabe eine Geschichte von der Damalszeit in die Ohren.

Heute liegt ein kleiner Stapel Papier, eher ein Schatten seines Selbst, bearbeitet von Epochen und Umständen, vergilbt und brüchig wie ausgeglühte Pflanzenreste in der Asche, vor FarleyMo. Erst gestern entdeckte er ihn in einem Behälter aus Wundermaterial. Das Papier überstand die Unbilden aller Geschehen ungewöhnlich gut. Der alte Mann besitzt viele Behältnisse, deren Inhalt nur Gebrösel oder eine pampige Masse war. Behutsam pustet er unrettbare Reste beiseite und pinselt dabei mit einem Büschel Tierhaare weiter. Wie erhofft, werden die einzelnen Lagen zur Mitte beständiger und er kann große Fragmente retten. Das erste Blatt trägt nur Zahlen, vielleicht als Hilfe für eine Sortierung, doch die nächsten zeichnen eine Art Gespräch auf.

Wind streift vom Meer ruhig auf das Land und durch das luftige Haus. Das erfrischt angenehm, denn es ist wieder heiß und schwül. Der Alte trocknet die feuchten Hände, schiebt die Kostbarkeiten näher zum Fenster und beginnt zu entziffern.

♦ ♦ ♦

Als Bewerter im Wirken für die Lenker haben wir den Auftrag, deine Sicht auf die Maschine und ihren Einfluss auf die Gemeinen Konsumenten zu erfragen und für die Vollstrecker und Bewahrer zukünftiger Generationen zu archivieren. Die Lenker können sich Abweichler und Rebellen nicht erklären. Vielleicht legst du den anderen beteiligten Bewertern und mir deine Sicht des Überlebens jenseits der Maschine und ohne ihre Sorgsamkeit dar? Wir haben diese Zusammenkunft mühsam bei den Bestrafern erbitten müssen und dein Entgegenkommen auf unsere Fragen ist für das gesprochene Urteil über dich belanglos. Du weißt, deine Finalisierung ist bestätigt, man streitet nur über das Danach deines Körpers. Hartliner wünschen ein schnelles Recyceln, die Pathologicer fordern die Zerkleinerung mit Endplastination, ihr besonderes Interesse gilt natürlich deinem Gehirn.

Der Körper ist nur das Boot auf der Lebensreise und über die Seele haben sie keine Macht. Sollen sie streiten.

Wir sehen, du bist bereit zu einem Gespräch. Das freut uns, standest du doch derlei Kommunikation eher abweisend gegenüber.

Vor unendlichen Sonnenumläufen, zu Anbeginn der Evolution, geschah bei unseren Urahnen etwas Wunderbares: sie lernten zu sprechen. Und sie erfanden Sprachen um sich auszudrücken, sie wollten sich mitteilen und unterhalten, farbiger als nur mit Mimik. Heute wird viel geredet, nichts gesagt und man versteht einander nicht mehr.

Was denkst du, weshalb ist das so?

Das naturgegebene Gefühl für Gut und Böse, für Recht und Unrecht, wird im Bewusstsein gelöscht und die Illusion Sicherheit fördert passives Verhalten. Belangloses, vorgeführt von den Medien der Maschine, wird breit getreten und tot geredet. Für Wichtiges, Tiefgründiges, da fehlt Zeit, da fehlt Interesse. Das Denken, das Nachdenken entschlummert im kuscheligen Nest Wohlstand. Und dieser ist höher, als andere Gemeinschaften und Generationen je genießen konnten und können…

Wohlstand und Sicherheit sind wichtige Errungenschaften der Maschine.

Sollte man nicht fragen, woher der Wohlstand stammt? Die ausgeworfenen Angelhaken, bestückt mit dem Happen Konsumrausch für alle, ob Groß und Klein, ist erfolgreich im Produzieren von gierigen Konsumenten. Die pausenlose Rundumbeschallung erzielt Wirkung. Man kann ohne schlechtes Gewissen geilen Geiz zelebrieren, ohne Scham alles billigst mit Wertscheinen erwerben, völlig gleich auf wessen Elend, Leid und Folter produziert wurde. Das sind eben die Verlierer, die Knechte der modernen Gesellschaft, auf deren Leichenbergen die Konsumenten, gleich welcher Geschlechtervariante, stolz das eigene Glashaus errichten. Und während sie dort nach verrichtetem Tageswerk im Laufrad und ewig gleichen Rhythmus auf der Stelle strampeln, grübeln sie nach, über das, was noch gebraucht wird zum unerreichten Glück. Dann findet sich schnell, dass was sie haben, ist ihnen zu wenig. Sie brauchen mehr und davon viel, ganz viel. Bescheidenheit? Verzicht? Bei den Gedanken krümmt sich das schwächliche Rückgrat vor Lachen. Wozu? Und warum ich? Es gibt keine Grenzen, kein Genug. Als Teil vom Ganzen wird ein Konsumidiot niemals satt.

Doch das sind Entscheidungen jedes Einzel! Es kann anders handeln. Oder willst du behaupten, die Maschine trägt dafür die Verantwortung?

Gier ist die Triebfeder im Herdenleben, sie schmiert die Zahnräder der Maschine und wird bereits dem Nachwuchs anerzogen. Schnell verfliegt einmal in jungen Jahren pubertär herausgeschriener Protest gegen empfundenes Unrecht. Plötzlich will es auch ein dickes Stück materieller Glückseligkeit, egal welch anderes Leben dafür missbraucht oder gemordet wird. Und es ist so einfach, die eigenen Hände werden nicht einmal von Blut besudelt… Alles liegt perfekt sauber und steril in den Tempeln der Monopolisten. Bald sind die genormt Geformten dem Egoismus zugeneigt. Was schert eigenes Geschwätz von gestern? Jetzt hat der Nachwuchs auch ein Status-Mobil, eine Wohneinheitlichkeit und mehr, da rutscht anderer Leben Leid irgendwo in den Gehirnwindungen ins Nichts. Beim Löschen von Bedenken helfen die hypnotisierenden Farben der Ablenkungsgewerke und die süßen Wunderpillen der sinnlosesten Begehrlichkeiten für ein von der Maschine durchorganisiertes Wandeln.

♦ ♦ ♦

Die Hitze plagt Körper und Konzentration. FarleyMo unterbricht das Lesen und schaut durch das offene Fenster hinaus auf das Meer. In der Ferne sind die Konturen eines Nachbareilandes zu erkennen, nur mühsam und gefahrvoll mit einem Floß erreichbar. Fast träge enden heute lange, flache Wellen am Strand. Links verdeckt ein breiter Mangrovenwald die Küste bis zum Kap. Dort, am Horizont, zeichnen sich kantige Reste von Bauten ab. Sie ragen nur knapp aus dem Wasser und das Baumwurzelgeflecht scheint ein Versinken verhindern zu wollen. Auf Trockenland liegt, verborgen unter Hügeln und dichtem Dschungel, ein wahres Labyrinth. Es gibt Zugänge in das unterirdische Geheimnis, doch die unüberschaubaren Gänge und Räume sind geborsten, Tropfsteine wuchern und Stufen verlieren sich in gefluteten Schächten. Niemand traut sich tief in die Totwelt. Welch ein Unterschied zum blauen Meer und der Wärme der Sonne, denkt er, spürt kommende Schläfrigkeit und schließt kurz die Augen.

…Gleichmäßig zertreten schwere Kampfstiefel die Stille. Die Laute verteilen sich in unendlichen Fluren und zeugen pulsierenden Widerhall. Von zwei gepanzerten Vollstreckern, unmöglich auszumachen, ob Leben oder Materie, wird ein Mann durch sparsam beleuchtete Gänge des Labyrinthes eskortiert, seine Hände sind in massiven Schellen fixiert. Vor einer Wand stoppen sie kurz, dann gleitet eine Tür lautlos beiseite. Der geöffnete Raum ist klein, fensterlos, sein rostiges Braun matt von einer Lichtquelle erhellt. An einem schlichten Tisch sitzen reglos drei Männer in enganliegenden Mänteln in glänzendem Schwarz mit einem Symbol am Ärmel, einer trägt zusätzlich ein silbernes Dreieck am Oberarm. Ihre blassen Gesichter sind unter den Kapuzen deutlich erkennbar, sie zeigen keine Mimik, nur die Augen wenden sich den Eintretenden zu. Ruhig beobachten sie, wie der Gefangene ihnen gegenüber auf den Stuhl gedrängt wird und seine Handschellen mit einem kurzen Klicken an den Armlehnen gesichert werden. Mit einem Schließen der Augen signalisiert der Mann in der Mitte den Vollstreckern den Raum zu verlassen, die Tür gleitet hinten ihnen zu. Ein Uniformierter stellt einen Gegenstand auf den Tisch und berührt ihn kurz, ein anderer öffnet eine Mappe…

Old Farley schreckt hoch. Er atmet tief durch. Du wirst alt, sagt er sich, nickst schon mitten am Tage ein. Doch dieser kurze, verwirrende Traum…? Nachdenklich reibt er Augen und Stirn, beugt sich über das Blatt und liest weiter.

♦ ♦ ♦

So einfach ist es nicht. Oft verhandeln Lenker, Bewerter und Bestrafer über Änderungen bei den Programmierungen. Gewöhnlich erdulden Gemeine Konsumenten die Updates und die Masse ist der Maschine treu ergeben, auch wenn sie gerne unablässig mäkelt. Bis auf geringe Ausnahmen drängt jedes Einzel vorwärts, mit Völle im Bauch, Kälte im Herzen, Leere im Kopf und blind auf einem Auge - ganz wie gewünscht. Es ist so leicht durchschaubar… In einer deiner früheren Aussagen in Gegenwart eines Archivar sagtest du, die Maschine sorgt mit einem Trommelfeuer der Manipulation durch Politik und Medien dafür, dass das Denken des Konsumenten in die gewünschte Richtung drängt, in die vorbereitete Allee mit den Theaterkulissen. Warum lauscht die Masse unbeirrt den Verkündungen und glaubt daran?

Es ist bequem nicht nachzudenken, nicht wägen zu müssen, was könnte richtig sein. Von klein an unter Dauerbeschallung von Verkündungen, sind sie überzeugt von deren Wahrheit, haben vergessen, dass aus einem anderen Blickwinkel gesehen, die Wahrheit eine andere sein kann, dass alles einen Gegenpol besitzt. So entstand ein Dasein aus Schein und Betrug und die Masse der Grauen Konsumenten bildet die Basis für die Existenz der Maschine. Sie alle hätten es jederzeit in der Hand die Situation zu ändern, denn sie, die unzähligen Gleichgültigen, die Egoisten, die Mitläufer, all jene, die wegsehen, wenn Unrecht und Gewalt an ihresgleichen, an Mitgeschöpfen und an der Natur verbrochen wird, sie selbst fetten Zahnräder, Wellen und Gelenke mit ranzigem Öl und halten die Maschine am Laufen. Sie allein heben Maschinisten nebst treuer Lakaien auf das Podest von Selbstgefallen und Gier und lassen die Götzen ungestraft agieren.

Lenker und Bewerter sind bestrebt Gutes zu verteilen. Denkst du, alle Gemeinen Konsumenten sind einfältig und jedes Einzel weiß nicht was es tut?

Diese riesige Maschine, die alles und jeden kontrollieren will, sie ist emsig bemüht mit einem engmaschigen Netzt auch den geringsten Abweichler zu Keschern, ihm eine Nummer einzubrennen und das Gesicht zu nehmen. Sie hat ein krankes Hirn und duldet niemanden, der nicht nach ihrem Willen funktioniert. Und wirklich, nicht nur erfindungsreich, auch erfolgreich ist sie mit den Methoden, so plump sie auch daher stolpern, mit zwielichtigen Sprechblasen von Gerechtigkeit und Gleichheit und mit dem gebetsmühlenartigen Wiederholen von Phrasen, wie die Welt zu sehen ist. Stets gepaart mit der Erinnerung daran, dass sie und nur sie, die Maschine, das Gewaltmonopol besitzt und dies auch gerne von bereitwilligen Vollstreckern, schwer bewaffnet, gepanzert und vermummt, vorführen lässt. Die Masse zuckt mit den schwachen Schultern.

Unsere Welt folgt den Gesetzen der Natur… Bei allen Mitgeschöpfen ist stets einer der Lenker… Manche führen, manche folgen. Das hat sich bewährt und nur die Maschine treibt die Entwicklungen der Moderne voran…

Wo wird sie enden? Die Maschinisten greifen in die Natur aller Daseinsformen ein, erheben sich über die Evolution, spielen Schöpfer, manipulieren Erbanlagen und behaupten alles unter Kontrolle zu haben. Aber die Natur lässt sich nicht beherrschen, sie findet Wege, um abzustrafen. Sie existierte Unendlichkeiten ohne uns, sie hat die längeren Erfahrungen im Umgang mit Bedrohungen. Nach den Implosionen von Gesellschaftsexperimenten und dem Zerfall von Staaten und Mauern, wurde eine sterile Umwelt mit Pseudodemokratie geschaffen. Abhängig von gezeugten Wundern, wandeln die Konsumenten durch unterjochte Natur. Die Gene konnten bei dem Tempo nicht mithalten, die Ermahnungen mit vielfältigsten Erkrankungen, als Erinnerung an die Vernunft, bleiben unbeachtet. Fühlen und Denken sind vorausgeeilt. Die Masse lebt in wuchernden Gemeinschaften, mutiert zu Egoisten und ist sogar für die eigene Species gesichtslos und beliebig austauschbar. Die Chance, ein Dasein in Würde zu führen, wurde verspielt. In der scheinbar heilen Welt funktionieren Konsumenten wie ein Uhrwerk und hinterfragen nichts. Und sie duldeten, dass sich einige zu Lenkern aufschwangen und die riesige Maschine errichteten. Nur wenige Abweichler, gleichermaßen gefürchtet von Gemeinen Konsumenten und Lenkern und verfolgt von Betrafern, widersetzen sich bedingungslosen Gehorsam. Die Gesellschaft nähert sich dem Zenit und steht vor dem Big Crunch.

Aber jedes Einzel, es kann wählen und hat sich doch für die Maschine entschieden. Eben weil sie das Dasein erleichtert und von Zweifeln befreit.

Ja, sie glauben frei zu sein. Verklagen und denunzieren gerne, wegen falschen Parkens eines Status-Mobiles, wegen eines das Vorschriftsmaß überschreitenden Pflanzenlebens und ähnlicher Verbrechen, ziehen aus Eigennutz bedenkenlos andere über den Tisch und haben Mitgeschöpfen gegenüber jedes Gefühl von Respekt und Achtung verloren. Und dabei pochen sie wortreich übereifrig auf den Schutz ihrer Daten…

…mit Punktekarten diverser Monopolisten in der Tasche, deren eigentlichem Sinn es nicht versteht. Oder, viel besser: der daseinswichtigen Symbiose mit dem stets neuesten Communicator und der Verbreitung seines Angesichtes nebst wichtiger Unwichtigkeiten an alle Klick-Befreundeten. Das Programm ist erfolgreich, Bewahrer und Bestrafer sind voll des Lobes, weil der Maschine nichts verborgen bleibt.

Die Dimensionen zu verstehen verweigert der Konsument, es ist ihm gleich. Die Maschine hat ihre eigenen Kreaturen ausgespien und mit Genomik…

♦ ♦ ♦

Die Tür öffnet sich knarrend, der Leser unterbricht die Lektüre und blickt über die Schulter. Seine Frau Enola tritt mit einem Gast ein. FarleyMo kennt den Mann vom letzten Tauschhandel mit den anderen Inseln, die Welt ist klein und übersichtlich. Der Fremdländer grüßt freundlich und das Paar sieht sein Erstaunen und die Neugier zu den gesammelten Relikten.

Jener bemerkt die Blicke. “Ja, darum geht es. Deshalb erbat ich ein Reden. Als Unterweiser auf unserem Trockenland bemühe ich mich, den Kindern gesammelte Erfahrungen des Jetzt zu lehren, auch die Schrift und das Umgehen mit Zahlen. Aber weiter möchte ich gehen, über die Vorvorderen erzählen, von der Zeit, weit, weit vor dem Untergang. Dort liegen doch unsere Wurzeln, dort ist doch aller Ursprung? Sind wir Nachkommen der Allwissenden? Nur du bist weise in den Geheimnissen des Vormals.“

FarleyMo mustert interessiert den Gast, beide sind gleich alt. „Sei dir gewiss, die Vorvorderen waren unsere Ahnen. Viele aus meiner Familie suchten interessiert nach dem Geschehen vor unserem Sein. Ich lernte das Lesen der alten Zeichen von meinem Vater, dieser von seinem und dieser von seinem, eine lange Folge... Alle beschäftigten sich mit den Funden der Vormalszeit. Ich führe es weiter, besitze aber mehr Rätsel als Antworten...Wissend? Ja, wissend waren sie wohl, doch viel mehr unvernünftig.“

„Es fällt schwer, dies zu glauben. Ich sehe die Überbleibsel ihrer Häuser, habe mich mehrfach verlaufen in den feuchten Gewölben. Die Mauern sind stark, mächtiges Bauen müssen sie getragen haben. Dinge, so seltsam wie jene in deinem Haus habe ich erblickt. Wenn die Vorvorderen solche Mächte besaßen, wieso konnten sie sich nicht wehren, duldeten den Zerfall des Paradieses?“

„Sie schufen eine Welt nach ihrem Sinn, erlangten Wissen, welches wir nicht verstehen. Aber sie selbst sorgten für den Untergang, sie selbst.“

Der Fremdländer blickt erschrocken auf: “Du meinst die Vorvorderen haben die Welt ausgelöscht? Nicht die Kräfte der Natur? Aber warum sollten sie das getan haben?“

„Sie hatten sich die Natur unterworfen, konnten Kranksein so aufhalten und heilen, das sie ein vieles älter wurden als wir. Wenn unser Herz im Pochen verstummt, da hatten die Vorvorderen die Mitte des Lebens noch vor sich. Und sie kannten keine zu früh oder tot geborenen Kinder, keine Missbildungen, kein Siechtum und inneres Verfaulen. Ich glaub auch nicht, das die schauerlichen Wesen im Wasser von allein entstanden. Nein, auch ihre Vormaligen wurden verseucht. Das haben sie uns hinterlassen, mit ihrem ewigen Hunger. Nie konnten sie genug bekommen, die Gier zerfraß ihr Denken, Gier nach Macht und Reichsein. Sie wurden nie satt und sie spielten mit Kräften, die sie zu beherrschen meinten. Sie, sie lösten das Untergehen aus.“

„Du fandest all dies Unglaubliche bei deinem Suchen?“

„Viele ihrer Zeichen habe ich gelesen und daraus ein Aufzeichnen des Gewesen begonnen. Lücken gibt es, ja. So viele wie Sterne am Dunkelhimmel. Aber manches ist klar. Um ihr Leben im Paradies zu führen, waren die Vorvorderen nicht kleinlich, berauschten sich auf Schaden anderer Leben, auch ihresgleichen Leben, untereinander oder in Ländern weit entfernt auf der Welt. Denn Trockenland, es war vormals unendlich größer. Eine ihrer Lebensnotwendigkeit, sie nennen es Energie, brach aus, verseuchte und erhitzte die Welt. Die trug damals auch ein wahrhaftes Wunder: Ein Trocken aus Bergen von erstarrtem Wasser. Das belebte und flutete bewohntes Trockenland. Wohl auch böse Kämpfe gab es, Metzeleien untereinander, um Macht und Überleben. Alles zusammen löschte das Vorvergangene aus.“

„Warum haben sie sich gemetzelt? War nicht genug Paradies da für alle?“

Old Farley kratzt sich am Kopf: „Paradies? Ich weiß nicht. Ja, wäre wohl genug gewesen, für sicheres Dasein. Doch sie wollten nicht zufrieden sein. Tauschten und teilten ungerne und wenn, dann bloß für Macht als Gegenstück.“

„Unsere Wurzeln selbst, so sagst du, sie haben uns kurzes Sein und Krankheitunheil hinterlassen? Warum taten sie es, warum trugen sie Hass auf das Voraus im Herzen?“

„Sie haben es nicht gemacht, um dich oder mich zu strafen, sie haben nicht nachgedacht. Was nach ihnen kommt, war ihnen egal. Ich meine, sie werden lamentiert haben, als die Natur sich gegen sie wendete und sie nichts Heilendes fanden. Da segelten sie nun in den Himmel, bis weit hinter die Sterne…“

„Die Geschichten habe ich auch gehört, so sind sie wahr?“

„Ja, sie flogen zu anderen Welten da oben. Die Vorvorderen sprechen von anderen Sternen, von Reisen dorthin. Sie erzählen von Parallelwelten, die gleichzeitig neben unsere im Sein sind. Und das es nur ein Weniges von Unbeschreiblichem ist, was wir am Dunkelhimmel sehen. Da sind Welten, belebt wir unsere. Mir verwirren die Niederzeichnungen darüber stets den Kopf. Ich frage mich, wenn sie Können hatten, um zu den Sternen zu reisen, warum nutzten sie es nicht auch dort, wo ihre Wurzeln waren?“

„Ist es wahr, mit den Sternenflügen, wie glücklich mussten sie doch sein!“

„Ich glaube, ihnen fehlte die Gabe zum Glücklichsein. Die Leben waren ungleich. Ungleich an Farbe, ungleich an Besitz und ungleich an Wissen. Aber Leben, die anders denken, haben es nie leicht. Siehe, auch über mich zerreißt ihr euch die Mäuler. Wir aber leben frei. Vormals wollten die Mächtigsten nicht, das die Unteren viel denken. Und die dagegen aufbegehrten, die haben sie gemetzelt. Gerade entziffere ich ein solches Niederschreiben. Es ist unvollständig, endet durch den Zerfall der Blätter, aber es bestätigt dies. Allein die Gier trieb sie in das Weltverderben.“

„So sind wir sicher, ganz sicher Kinder von Überlebenden des Unterganges?“

„Das sind wir. Ja. Es können nur wenige Leben der Auslöschung entflohen sein. Und es ist wohl mehr Unheil geschehen nach der Katastrophe, ein Weitersterben, neue Gemetzel um Überbleibsel und fremde Kranksein. Doch von da an gibt es keine Zeichen mehr, der Anfang schlummert im Tiefdunkel. Irgendwie fand aber das Leben einen Weg bis zu uns. Wer aber vermag zu sagen, wohin er weiter führt? Ich glaube, irgendwann in der Zeitferne enden auch unsere Nachkommen wieder im Nichts und alles beginnt von vorn. Kommen und Vergehen. Ein ewiges Treiben im Kreis.“

Der Besucher schüttelt den Kopf und zuckt die Schultern, ist überfordert vom Gehörten. Er weiß, die gesamte Rückreise wird ihn das Gehörte nicht loslassen. Enola hat die ganze Zeit geschwiegen und gebannt gelauscht, obgleich sie die Worte ihres Mannes so gut kennt. Und oft genug findet sie sich im Traum in einer riesigen Stadt und nach dem Erwachen martert sie den Kopf, woher die Fantasie ihr diese klaren Bilder zeichnet. Die Stimme des Fremdländers unterbricht ihre Gedanken. Ob er FarleyMo und seine Frau auf seinem Eiland wird begrüßen können, damit dort alle mehr vom Vormals erfahren können, möchte er mit einer Verbeugung wissen, zum nächsten vollen Mond würden sie ihnen ein Floß senden, für gute Essen, gute Schlafstätten und sichere Heimbringung sorgen. Er bekommt seine erhoffte Zusage, die Drei verabschieden sich und nachdem Enola mit dem Besucher den Raum verlassen hat, widmet sich der Alte wieder dem Niederschreiben.

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…und Verkündungen auf Gier konditioniert. Unrecht empfinden sie nur, wenn sich bei einer Reise in entfernte Gebiete üble Krankheiten in den eigenen Leib schlichen, das Ziel nicht exakt den synchronisierten Werten entspricht, wenn fremde Natur mit unangemessenem Klima aufwartet und mit Wasserleben das Meer kontaminiert. Das ist unakzeptabel und es widerspricht der Erwartung, dass mit einem Reiseticket auch die Garantie für Unversehrtheit des eigenen Organismus erworben wurde.

Das ist ein Kuriosum, welches den Maschinisten immer häufiger Kopfzerbrechen bereitet… Es gibt sich auch ungehalten, wenn Ungenauigkeiten bei den Zeiteinheiten entstehen, Unpünktlichkeiten mag das Einzel nicht. Da gerät die Welt aus dem Gleichgewicht, da stehen die Scharen ausnahmsweise gerade und klappern mit den weißgebleichten Zähnen, da klagen sie emsig.

Die Evolution kehrt sich um, die Maschine regelt und der Verstand bildet sich zurück. Es gibt keine naturgegebene Garantie für Gesundheit und langes Leben. Das Dasein ist von Geburt an ein Risiko, eine Abenteuertour mit ungewissen Ausgang und keine der wunderbaren Versicherungen wird dies verhindern! Den Abweichlern ist unerklärlich, wie der Gemeine Konsument vergessen konnte, das mit jedem Produkt jemand Werte sammeln will, das Lenker, Wertscheindepots, Versicherungen, Krankheitenverwalter und Konsummonopolisten nur solange seine Freunde sind, wie sie Gewinn absaugen können und das Recht, wenn auch von der Maschine in Paragraphen gestaffelt, nicht Recht sein muss und Auslegungssache oder abhängig von Kaste und Besitz bleibt. Mit weit aufgerissenen Augen, ob all der psychedelischen Farbenpracht glänzender Seifenblasen in den beidseitig gelegenen Pappmachepalästen und im Gleichschritt dem Ebenbild hinterher, hat jedoch längst leise der letzte Akt der Geleiteten eingesetzt, der Moment, an dem der Geist für immer in der Dunkelheit des Deliriums versinkt. Dann ist es vollbracht. Spätestens jetzt ist der Graue Konsument ein Schräubchen im Räderwerk der Maschine, hat damit endgültig die Freiheit verloren, aber das Recht gewonnen, auf andere herabzusehen, auf andere Dasein, andere Sichtweisen jenseits der Maschine.

Ihr Rebellen werdet es nie verstehen…

Ich bin kein Rebell. Ich bin ein Abweichler, der für sich allein steht und sich Ideale und Freiheit nicht nehmen lässt. Ich gehöre keiner Armee an.

Für die Bestrafer ist es unbedeutend, ob einzeln oder gemeinsam. Gedanken sind nicht frei. Darum betreibt die Maschine auch großen Aufwand für eine Kontrolle über die freie Zeit jedes Einzel.

Das Ergebnis ist beklemmend. Lenker und Maschinisten bieten die allgegenwärtige Droge Ablenkung und mit den genormten Produkten einer aufgeblähten Unterhaltungsindustrie hinreichend Varianten, um den schwierigen Weg des Denkens entspannt zu verlassen. Wunder werden am Fließband hergestellt. Die Masse lebt, um zu roboten und die größte Aufregung sind die bunten bewegten Bilder, überall verteilt in ihrer Wohnstatt. Stumpfsinnige Action, belanglose Geschichten, naivster Fantasieklamauk, grottenüble Billigstserien, in denen ungelenke Dublikanten durch die Szenerie stümpern oder Einfaltspinsel und prollige Freaks vorgeführt werden. Peinliche Spieleshows, stets gleiches Gerede mit stets gleichen Selbstdarstellern, Zusammengehörigkeitsfeste schunkelnder Konsumentengruppen unter frei erhältlichem Drogeneinfluss und Gesangseinlagen von typengleichen Grinsemasken mit genormten Melodien und Texten. Die Liste ist endlos: Spaßmacher zum Fremdschämen, ausgelaugte Castingshows mit Bewertergötzen aus der Reste-Puppenkiste muffigen Entertainments und zur Bloßstellung und Selbstauflösung bereite Kandidaten. Profillose Möchtegernstars vom Karussell der Austauschbaren mit grenzwertigen Eigenschaften auf allen Kanälen. Und weil die Maschine die Grauen Konsumenten von Essenfertigung befreien konnte, beziehen sie doch allzu gerne den in schummrigen Laboren produzierten Mix aus synthetischen und unbekannten Stoffen, erinnern unzählige Essenbereitungsshows mit drolligen Hologrammen an dies Mühsal vergangener Epochen.

Ich gebe zu…Selbst mir ist Vieles unerträglich und das Flackern eines Feuerscheites interessanter. Jedoch kann jedes Einzel entscheiden, wie weit es sich löschen lassen will. Die Maschine bietet nur an und ist bemüht auch die Lücken zu füllen, wo für bewegte Bilder keine Zeit ist. Dort bringt sie reine Wohlklänge in die Lebensbereiche, mit abwechslungsreichen Akustiken.

Der triste Alltag wird überkübelt mit Dauerschleifen einfallslosen Gesanges, mühelos aus einem Automaten gezogen, von Notenmördern, die sich in Unwissenheit der urtümlichen Wortbedeutung aus versunkener Zeiten oder in Eigenverblendung Rocker nennen und schlicht auf der Ebene des billigen Einheitsliedes mittröten. Der Dauerton einer Vollstrecker-Sirene ist melodiöser und weniger nervend. Virtuose Beherrscher von Noten und Worten wurden zu einem Nischendasein verbannt, von Maschine und Konsumenten gleichermaßen argwöhnisch beobachtet. Denn, auf Belanglosigkeit trainiert, weiß die Masse nicht mehr, dass Ruhe zwischen den Noten die Melodie formt, dass Worte erfunden wurden, um etwas auszudrücken und das mit jederzeitiger Abrufbarkeit über modernste Techniken die Qualität der Musik auf die geringste Klangebene herabgestuft und um den ursprünglichen Sound beraubt wurde. Doch übersättigt und technikhörig degenerierte das Empfinden dafür.

Es kommt der Maschine auch keinesfalls auf Kunst an. Um belanglos in die Ohren rieselnde Ablenkung geht es, Fahrstuhlmusik, das erfüllt den Konsumenten. Für Mehrinteressenten ist das Neuigkeitencenter zuständig. Neuigkeiten zu jeder Zeit, aus allen Winkeln der Welten.

Neuigkeiten, klar. Ausgesucht und vorentschieden. Auf seriös ausstaffierte Animationen präsentieren gleichlautende Informationen und mit Propheten und Weisen aus dem Prunksaal mit der Glaskugel wird Dargestelltes untermauert, um endgültig zu erklären, was die wirkliche Wahrheit ist. Mit Informationen über Ereignisse um Reinblüter und Andersbeschaffer, mit gewissenlosen Detailaufnahmen von Blutströmen als Geschehensbeweis, mit wilden Spekulationen und ungesicherten Informationen im anreißerischen Slang manipulieren die Verkünder aller Ablenkungs-Kanäle ihre Existenzberechtigungen. Neuigkeiten jederzeit, da ist man hektisch auf der Jagd nach stetig Neuem, hechelt dem Sensationellen hinterher, allein um den Konsumenten im Massagesessel einen wohligen Grusel über den Nacken zu jagen. Als ob manches Gerede und Maskengesicht dafür nicht ausreichen würden. Die Ware Wahrheit. Ein bodenloser Morast mit üblen Geruch, aber bunt schillernd und wenn nicht live, so doch in perfekter Bildqualität und jederzeit allerorten abrufbar. Unter derartiger Berieselung beginnt die Metamorphose. Der Konsument hat den Köder Orientierungshilfe gefressen, hat gelernt was Wirklichkeit ist und wie er sein Dasein ausrichten muss. So sprießt langsam wieder das Fell unter den Markenklamotten und der aufrechte Gang fällt schwerer und schwerer. Damit… se tz t die…R ück…w.....

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Weitere Worte sind nicht entzifferbar, die Blätter lösen sich auf. FarleyMo blickt wieder auf das Meer. Die Wellen sind wilder, tragen Schaumkronen und er versinkt in Gedanken, bis die Sonne das Meer berührt und Enola ihn mit einem Kuss zum Essen holt.

Auf einer Ebene der Zeit, in einem vertrautem Universum, in einer Welt mit Sicht auf die Sterne der Milchstraße, unfassbar die Dimensionen, so fern, entsteht eine Maschine und von Anbeginn präsentiert sie unverhohlen ihr lachendes Fratzengesicht. Viele, sehr viele, unzählige kalte Winter nach der Morgendämmerung.

Der Nachbarshund streift durch die Wiese, weißer Flausch in frischem Grün. Er wirbelt die filigranen Samenbäusche auf. Sicher kontrolliert er, ob sich zu nächtlicher Zeit wieder freche Rehe in sein Territorium geschlichen hatten, wohl wissend dass der kleine Gutsherr dann im weichen Bett seiner Zweibeiner tief im Traumland auf Jagd geht. Der Hund wuselt weiter, überprüft seinen Grenzzaun auf einen erfolgten Durchbruch.

Lächelnd hat er die unerwartet aufgetauchte Fellnase durch das Fenster beobachtet und wird natürlich an Tiffany erinnert. Aber er ist noch zu sehr in vorigen Gedanken verfangen und muss lächeln, über seinen Vergleich mit dem Zirkusclown und fragt sich, warum ausgerechnet er anders empfindet, anders über das Leben denkt. Er versteht den von Zeitgenossen eingeschlagenen Weg in die totale Abhängigkeit, in die freiwillig gewählte Schizophrenie und Gefangenschaft einfach nicht.

Warum sterben die meisten lange vor ihrem Tod? Warum verfangen sie sich auf Bahnen, die in ewigen Kreisen um die Schwerkraft der Gewohnheit ziehen? Warum drehen so viele wie eine Eistänzerin ihre Pirouetten um sich selbst? Warum tanzen sie im Reigen zu vorgegebener Musik in vorgegebener Richtung?

In endloser Reihe stellen sie sich als von Geburt an vorgeformte Produkte irgendwann willenlos auf die blitzblanken Förderbänder, lamentieren dabei über den Stress des Lebens und beäugen misstrauisch und missmutig Verweigerer der vorgegebenen Ordnung wie gefährliche Exoten in cleanen Hochsicherheitstrakten eines Zoos. So mancher mag sie auch dorthin verwünschen, diese Aliens. Sicher hinter Mauern und Gittern verwahrt, wo mit großen Schlüsselbunden rasselnde Schließer sie befriedigt grinsend durch Gucklöcher und Panzerglas kontrollieren. Wäre nicht eben neu die Reaktion, auch heute hier und dort gut gepflegter Brauch, basierend auf Ideen aus grauer Zeit vor unserer Zeit.

Die Abtrünnigen in ihrem Reservat jedoch schauen entspannt der Menge zu, wie sie auf dem Band vorbeirollt, in schmierige Auffangtrichter purzelt und in den schleimigen Eingeweiden der Maschine durchgewalkt wird. Ohne je zu hinterfragen, ist die Mehrzahl mit geschlossenen Lichtern und ohne Zwang in die Falle getappt, hält sich selbst für individuell und ist trotz Faschingskostümierung Modetrend und Zeitgeist, nur die gewünschte ruhiggestellte graue Masse, die nach Windungen und Spiralen als Einheitsbrei aus dem Fleischwolf quillt. Welcome to the machine.

Science Fiction Szenarien mit geklonten Hominiden aus Tanks sind dagegen so aufregend, wie frisch gestrichener Farbe beim Trocknen zuzusehen.

Zugegeben, es ist schwer bei all den Regeln und Gesetzen ein Leben zu führen, das man selbst noch akzeptieren kann. Mit Oberflächlichkeiten und Konsumwahn aber wird er sich nicht verschwenden und damit verleben. Er war stets Außenseiter, soweit er zurück schaut in verwehte Jahre und er lebt gut damit. Auch, weil wunderbare Farben, strahlend wie Leuchtfeuer, im übermächtigen Grau existieren. Weil er gelegentlich Exoten, von denen die Einheitsfarbe abperlt wie Regentropfen eines Tropengewitters von einem Lotosblatt, auf ihren Wanderungen begegnet. Weil seine eigene Bahn manchmal jene von Aliens kreuzt, die auch von außen auf Förderband und Maschine blicken.

Früh schlug er einen anderen Pfad als den ausgetretenen Wechsel ein. Unter der Tarnkappe freundlich inhaltsleerer Worte, mit lächerlichen Brosamen und unbedeutenden Zugeständnissen umschlichen sie auch ihn, die Seelenfischer, stets bemüht seine Helden auszutauschen. Auch er musste unterscheiden lernen, Himmel von Hölle, blaue Weiten von Schmerz, eine warme Sommerwiese von eiskalten Stahl, ein ehrliches Lächeln von einem gleichgültigen.

Aber, es gibt keinen Pakt zwischen ihm und der Maschine. Und wie seine Helden, wird er sich einem verbrecherischen Missbrauch niemals beugen.

Notiz

Das Grundübel unserer Demokratie liegt daran, dass sie keine ist. Das Volk, nomineller Herr und Souverän, hat in Wirklichkeit nichts zu sagen…Jeder Deutsche hat die Freiheit, Gesetzen zu gehorchen, denen er niemals zugestimmt hat; er darf die Erhabenheit des Grundgesetzes bewundern, dessen Geltung er nie legitimiert hat; er ist frei, Politiker zu huldigen, die kein Bürger je gewählt hat, und sie üppig zu versorgen – mit Steuergeldern, über deren Verwendung er niemals befragt wurde.

aus „Die Deutschlandakte“, Verfassungsrechtler Prof. von Arnim

Das Leben ist der Himmel, das Leben ist die Hölle.

Du baust dein Glück auf Sand - dann kommt die Welle.

An jedem deiner Tage kann der Wind sich drehen.

Woran wirst du dich erinnern?

Woran willst du dich erinnern?

Und dann schaust du zurück auf das was wirklich bleibt.

Wir haben nicht unendlich viel Zeit, sag mir was wirklich bleibt.

Und dann schaust du zurück auf die Schatten und das Glück

Mal fühlst du dich als Fremder am schönsten Ort der Welt.

Mal bist du einfach glücklich wenn nur der Regen fällt.

Die Zeit nimmt weiter ihren Lauf, sie zieht dich runter, zieht dich rauf.

Aber, woran willst du dich erinnern?

Was hat uns hierher gebracht?

Was hat uns zu uns gemacht?

Was ist das was wirklich bleibt?

Ich will mich an dich erinnern.

Und dann schau ich zurück.

Zurück, auf die Schatten und das Glück

Erzähl mir was wirklich bleibt.

Christina Stürmer

Aufbruch

Mit all diesen Gedanken im Kopf, mit den Rückblenden, den Zweifeln, dem Wissen um ungerechtes Handeln und falsche Entscheidungen, den Nächten, in welchen ein Schaf nach dem anderen in einen bodenlosen Schlund neben seinem Bett stürzte, und der Sicht auf die Endlichkeit des Weges, sieht er dem Tanz der Weidensamen zu. Der Blick streifte über die Wiese, hin zu dem Storchennest an ihrem Rande. Vor einigen Tagen kamen sie aus Afrika, um wie jedes Jahr ihre Jungen in dem alten, mächtigen Horst aufzuziehen. Emsig bastelt das Paar an dem meterhohen Rad aus Reisig, fügt geschickt Zweige ein, beseitigt die Schäden der Winterstürme und bereitet es für die Eiablage vor. Die Menschen in den nahen kleinen Häusern warten stets auf die treuen Sommergäste und das imposante Flugbild, wenn die Störche im Tiefflug über die Dächer auf die umliegenden Wiesen schweben, ist ein vertrauter Anblick.

In der Hand eine Tasse Kaffee, verlässt er den alten Caravan, das letzte Überbleibsel des vergangenen Lebens und übervoll mit Erinnerungen an eine einst wunderbare Zeit. So lange ist es nicht her, da standen auf dieser kleinen Lichtung, von drei Seiten dicht von Bäumen und Sträuchern begrenzt, der Tierwagen und das Sommergehege der Krokodile. Sein Weg führt ihn zur freien Seite, zur sandigen Zufahrt auf das Gelände und weiter in Richtung Storchen-Sommerlager. Wie immer öffnet sich ein sorgsam gehütetes Fach und ein Film beginnt im Kopf zu laufen, so klar, so deutlich, dass er das Jetzt aus den Augen verliert.