Montag oder Dienstag - Virginia Woolf - E-Book

Montag oder Dienstag E-Book

Virginia Woolf

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  • Herausgeber: C. H. Beck
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Virginia Woolf (1882-1941) gilt als eine der wichtigsten Autorinnen der Moderne, ihre Romane gehören zum Kanon der Weltliteratur. Ihre eindrucksvolle Kurzprosa aber ist immer noch zu entdecken. Zu ihren Lebzeiten veröffentlichte sie nur eine einzige Sammlung von acht liebevoll komponierten Geschichten unter dem Titel "Monday or Tuesday". In Auswahl und Abfolge ist die nun vorliegende Neuübersetzung von Antje Rávik Strubel dieser Erstausgabe nachempfunden. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete Virginia Woolf 1917 den Verlag "The Hogarth Press". Dort veröffentlichte sie 1921 den mit der Handpresse gedruckten Band "Monday or Tuesday", der mit Holzschnitten ihrer Schwester Vanessa Bell illustriert wurde. Die in dieser Sammlung enthaltenen Geschichten sind ausdrucksstarke, oftmals "impressionistische" Studien. Die intensive Betrachtung einer Schnecke, die unter einem farbigen Blütenmeer entlangkriecht, eines Reihers, der hoch in den Lüften schwebt, eines Kronleuchters, der im Licht zu flüssigem Grün zerfließt, oder auch nur einer Stelle an der Wand im Schein des Kaminfeuers löst eine faszinierende Vielfalt von Eindrücken, Assoziationen und Perspektivwechsel aus. Bereits in diesen frühen Erzählungen setzt Woolf überzeugend das Stilmittel des Bewusstseinsstroms ein, der ihre berühmten späteren Romane wie z.B. "Mrs Dalloway" kennzeichnet – die Geschichten sind somit erste wichtige Fingerübungen einer Schriftstellerin von Weltrang.

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Virginia Woolf

MONTAG ODER DIENSTAG

Illustriert mit Holzschnitten von Vanessa Bell

Übersetzt und mit einem Nachwort versehenvon Antje Rávik Strubel

C.H.BECK textura

Zum Buch

Virginia Woolf (1882–1941) gilt als eine der wichtigsten Autorinnen der Moderne, ihre Romane gehören zum Kanon der Weltliteratur. Ihre eindrucksvolle Kurzprosa aber ist immer noch zu entdecken. Für Woolf war sie ein wichtiges Experimentierfeld, in dem sie Stilmittel erprobte, die sie später in ihren berühmten Romanen umsetzte. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete sie 1917 den Verlag «The Hogarth Press». Dort veröffentlichte sie 1921 den mit der Handpresse gedruckten Band «Monday or Tuesday», der mit vier Holzschnitten ihrer Schwester Vanessa Bell illustriert wurde. Es handelt sich dabei um die einzige Sammlung von Kurzgeschichten, die zu Woolfs Lebzeiten veröffentlicht wurde. Die nun vorliegende Neuübersetzung von Antje Rávik Strubel ist in Auswahl und Reihenfolge dieser Erstausgabe nachempfunden.

Über die Autorin, die Illustratorin und die Übersetzerin

Virginia Woolf (1882–1941) gehörte der legendären «Bloomsbury Group» an und zählt heute neben James Joyce und Marcel Proust zu den wichtigsten Stimmen der modernen Literatur. Zu ihren bekanntesten Werken zählen «Mrs Dalloway», «Die Wellen» und der feministische Essay «Ein Zimmer für sich allein».

Vanessa Bell (1879–1961), Virginia Woolfs ältere Schwester und ebenfalls Mitglied der «Bloomsbury Group», war Malerin und Designerin. Sie gestaltete zahlreiche Buchumschläge für die literarischen Werke ihrer Schwester und fertigte Illustrationen dazu an – der vorliegende Band «Montag oder Dienstag» ist ein Beispiel dafür.

Antje Rávik Strubel lebt als Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Englischen und Schwedischen in Potsdam. Zuletzt erschien ihr Roman «Blaue Frau». Von Virginia Woolf übersetzte sie bereits die Werke «Ein Zimmer für sich allein» und «Drei Guineen».

Inhalt

MONTAG ODER DIENSTAG

Ein Geisterhaus

Eine Gesellschaft

Montag oder Dienstag

Ein ungeschriebener Roman

Das Streichquartett

Blau und Grün

Grün

Blau

Kew Gardens

Die Stelle an der Wand

NACHWORT

Im Detail die Welt (Von Antje Rávik Strubel)

MONTAG ODER DIENSTAG

Ein Geisterhaus

Zu welcher Stunde man auch erwachte, immer fiel eine Tür zu. Sie gingen von Zimmer zu Zimmer, Hand in Hand, hier etwas anhebend, dort etwas öffnend, sich vergewissernd – ein geisterhaftes Paar.

«Hier haben wir ihn zurückgelassen», sagte sie. Und er fügte hinzu: «Ach, aber hier auch!» «Er ist oben», murmelte sie. «Und im Garten», flüsterte er. «Leise», sagten sie, «sonst wecken wir sie auf.»

Aber ihr habt uns nicht geweckt. Oh nein. «Sie suchen danach; sie ziehen die Gardine vor», sagte man sich vielleicht und las dann eine oder zwei Seiten weiter. «Jetzt haben sie ihn gefunden», war man sich sicher, den Bleistift am Seitenrand innehaltend. Und dann, des Lesens müde, erhob man sich vielleicht und sah selbst nach, das Haus völlig leer, die Türen offen, nur die Ringeltauben blubberten zufrieden, und das Summen der Dreschmaschine drang von der Farm herüber. «Warum kam ich hier herein? Was wollte ich finden?» Meine Hände waren leer. «Dann ist er vielleicht oben?» Die Äpfel waren auf dem Speicher. Und so wieder hinunter, der Garten still wie zuvor, nur das Buch war ins Gras gerutscht.

Aber sie hatten ihn im Salon gefunden. Nicht, dass sie je zu sehen waren. Die Fensterscheiben spiegelten die Äpfel wider, die Rosen; alle Blätter waren grün im Glas. Wenn sie sich durch den Salon bewegten, drehte nur der Apfel seine gelbe Seite nach oben. Dennoch, im nächsten Augenblick, als die Tür geöffnet wurde, war über den Boden verteilt, an die Wände gehängt, von der Decke baumelnd – was? Meine Hände waren leer. Der Schatten einer Drossel querte den Teppich; aus den tiefsten Quellen der Stille zog die Ringeltaube geräuschvoll ihre Blubberblasen. «In Sicherheit, in Sicherheit, in Sicherheit», schlug der Puls des Hauses leise. «Der Schatz vergraben; das Zimmer …», der Puls stockte. Oh, war das der vergrabene Schatz?

Einen Augenblick später war das Licht verblasst. Dann draußen im Garten? Aber die Bäume umsponnen einen wandernden Sonnenstrahl mit Dunkelheit. So fein, so ausgesucht, kühl unter die Oberfläche gesunken, brannte der Strahl, den ich suchte, immer hinter dem Glas. Tod war das Glas, Tod lag zwischen uns, holte zuerst die Frau, vor Hunderten von Jahren, verließ das Haus, verschloss alle Fenster, die Zimmer wurden verdunkelt. Er ließ ihn zurück, ließ sie zurück, ging nach Norden, nach Osten, sah die Sterne am südlichen Himmel wandern, suchte das Haus, fand es unterhalb der Hügel liegen. «In Sicherheit, in Sicherheit, in Sicherheit», schlug der Puls des Hauses froh, «der Schatz der eure.»

Der Wind heult durch die Allee. Bäume biegen und beugen sich hierhin und dorthin. Mondstrahlen spritzen und schwappen wild im Regen. Aber der Strahl der Lampe fällt ganz gerade aus dem Fenster. Die Kerze brennt still und starr. Durch das Haus wandernd, die Fenster öffnend, flüsternd, um uns nicht zu wecken, sucht das geisterhafte Paar seine Freude.

«Hier schliefen wir», sagt sie. Und er fügt hinzu: «Küsse ohne Zahl.» «Aufwachen am Morgen –» «Silber zwischen den Bäumen –» «Oben –» «Im Garten –» «Am Anfang des Sommers –» «Im Schnee des Winters –» Die Türen fallen weit entfernt zu, sanft klopfend wie ein Herz, das schlägt.

Näher kommen sie, verharren an der Tür. Der Wind lässt nach, der Regen rinnt silbern das Glas hinab. Unsere Augen werden dunkel, wir hören keine Schritte neben uns, sehen keine Dame ihren geisterhaften Umhang ausbreiten. Seine Hände schirmen die Lampe ab. «Schau», haucht er. «Tief schlafend. Liebe auf den Lippen.»

Vorgebeugt, ihre silberne Lampe über uns haltend, schauen sie lange und tief. Lange verweilen sie. Der Wind weht stetig, die Flamme flackert leicht. Strahlen wilden Mondlichts kreuzen Boden und Wand und, sich treffend, sprenkeln die geneigten Gesichter, die nachdenklichen Gesichter, die Gesichter, die die Schläfer erkunden und ihre verborgene Freude suchen.

«In Sicherheit, in Sicherheit, in Sicherheit», schlägt das Herz des Hauses stolz. «Lange Jahre –», seufzt er. «Wieder hast du mich gefunden.» «Hier», murmelt sie, «schlafend, lesend im Garten, lachend, Äpfel über den Speicher rollend. Hier ließen wir unseren Schatz zurück –» Vorgebeugt, hebt ihr Licht die Lider über meinen Augen. «In Sicherheit! In Sicherheit! In Sicherheit!», schlägt das Herz des Hauses wild. Erwachend rufe ich: «Ach, das ist euer vergrabener Schatz? Das Licht im Herzen.»