Das düstere Geheimnis - Carola Blackwood - E-Book

Das düstere Geheimnis E-Book

Carola Blackwood

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Beschreibung

Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so fantastisch... Es musste ihr gelingen, ihre schädlichen Kräfte erneut zum Einsatz zu bringen, sonst wäre alle ihre bisherige Mühe umsonst gewesen! Maja, von Natur aus kräftig – auch mental – machte Anstalten, sich jeden Tag mehr zu erholen. Die Phasen des Wachseins verlängerten sich bereits dramatisch, und ihre Aufmerksamkeit verbesserte sich besorgniserregend. Die Besucherin erhob sich, machte zwei Schritte zum Bett, in dem Maja sich bereits wieder anschickte, aus ihren verrückten Träumen aufzuwachen, beugte sich über ihr Opfer und legte ihm ihre beiden Handflächen wie üblich seitlich ans Gesicht, dabei Schläfen, Ohren und einen Teil der Wangen bedeckend und begann ihren eigenartigen Singsang in einer Sprache, die vermutlich niemand außer ihr verstehen konnte. »Sie dürfen den Kopf nicht hängen lassen! Dazu besteht absolut kein Grund!« Der sympathische, noch junge Oberarzt – dem Aussehen nach hielt er ihn für einen Inder oder Pakistani – bemühte sich sehr, ein gewisses Maß an Optimismus zu verbreiten. Das war auch bitter nötig, denn er selbst schätzte die Lage für ziemlich schwierig ein. Den jämmerlichen Anblick, den jene Frau bot, die er in absehbarer Zeit zu heiraten gedachte, würde der erfolgreiche junge Ingenieur Bernd Hoferrichter nie mehr in seinem ganzen Leben vergessen können: Durch den Aufprall wie ein weggeworfenes Lumpenbündel am Rande der Fahrbahn, in einer Blutlache liegend, das Gesicht zwar unversehrt, aber die Arme wie abwehrend vom Oberkörper abgespreizt, ein Bein ausgestreckt, der Fuß in unnatürlicher Weise abgewinkelt, das andere gerade liegend, jedoch mit zertrümmertem Schienbein. In diesem Zustand hatte er Maja Steinmetz vorgefunden, als er am Abend nach Hause gefahren war, wo beide zusammen in einer schicken Wohnung in München-Großhadern lebten. Ihr Fahrrad war weiter weg geschleudert worden und lag verbogen und zerbeult im Straßengraben. Die Menge an Blut rund um ihren Kopf und in den schulterlangen blonden Haaren hatte ihn furchtbar erschreckt. Dass es von einer grässlich anzuschauenden Wunde am Hinterkopf stammte, erfuhr er erst von den Sanitätern, die er herbeigerufen hatte, nachdem der Unfallverursacher es offenbar vorgezogen hatte, feige das Weite zu suchen. Auch der Notarzt hatte wütend den Kopf geschüttelt. Es gehöre schon ein gewaltiges Ausmaß an Verantwortungslosigkeit dazu, eine Radfahrerin über den Haufen zu fahren – und dann einfach abzuhauen und die Schwerverletzte hilflos ihrem Schicksal zu überlassen, meinte er, nachdem er festgestellt hatte, dass sie zumindest noch Lebenszeichen aufwies. »Sie muss so schnell wie möglich in den OP. Ich denke, Sie möchten mitkommen?«, hatte er sich erkundigt. Das hatte Bernd Hoferrichter natürlich getan und etliche Stunden bangend vor dem Operationssaal verbracht. Er hoffte inständig, dass man sie am Leben erhalten konnte.

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Moonlight Romance – 11 –

Das düstere Geheimnis

Wird sie zum Opfer einer tödlichen Intrige?

Carola Blackwood

Es musste ihr gelingen, ihre schädlichen Kräfte erneut zum Einsatz zu bringen, sonst wäre alle ihre bisherige Mühe umsonst gewesen! Maja, von Natur aus kräftig – auch mental – machte Anstalten, sich jeden Tag mehr zu erholen. Die Phasen des Wachseins verlängerten sich bereits dramatisch, und ihre Aufmerksamkeit verbesserte sich besorgniserregend. Die Besucherin erhob sich, machte zwei Schritte zum Bett, in dem Maja sich bereits wieder anschickte, aus ihren verrückten Träumen aufzuwachen, beugte sich über ihr Opfer und legte ihm ihre beiden Handflächen wie üblich seitlich ans Gesicht, dabei Schläfen, Ohren und einen Teil der Wangen bedeckend und begann ihren eigenartigen Singsang in einer Sprache, die vermutlich niemand außer ihr verstehen konnte.

»Sie dürfen den Kopf nicht hängen lassen! Dazu besteht absolut kein Grund!«

Der sympathische, noch junge Oberarzt – dem Aussehen nach hielt er ihn für einen Inder oder Pakistani – bemühte sich sehr, ein gewisses Maß an Optimismus zu verbreiten. Das war auch bitter nötig, denn er selbst schätzte die Lage für ziemlich schwierig ein.

Den jämmerlichen Anblick, den jene Frau bot, die er in absehbarer Zeit zu heiraten gedachte, würde der erfolgreiche junge Ingenieur Bernd Hoferrichter nie mehr in seinem ganzen Leben vergessen können: Durch den Aufprall wie ein weggeworfenes Lumpenbündel am Rande der Fahrbahn, in einer Blutlache liegend, das Gesicht zwar unversehrt, aber die Arme wie abwehrend vom Oberkörper abgespreizt, ein Bein ausgestreckt, der Fuß in unnatürlicher Weise abgewinkelt, das andere gerade liegend, jedoch mit zertrümmertem Schienbein.

In diesem Zustand hatte er Maja Steinmetz vorgefunden, als er am Abend nach Hause gefahren war, wo beide zusammen in einer schicken Wohnung in München-Großhadern lebten. Ihr Fahrrad war weiter weg geschleudert worden und lag verbogen und zerbeult im Straßengraben. Die Menge an Blut rund um ihren Kopf und in den schulterlangen blonden Haaren hatte ihn furchtbar erschreckt. Dass es von einer grässlich anzuschauenden Wunde am Hinterkopf stammte, erfuhr er erst von den Sanitätern, die er herbeigerufen hatte, nachdem der Unfallverursacher es offenbar vorgezogen hatte, feige das Weite zu suchen.

Auch der Notarzt hatte wütend den Kopf geschüttelt. Es gehöre schon ein gewaltiges Ausmaß an Verantwortungslosigkeit dazu, eine Radfahrerin über den Haufen zu fahren – und dann einfach abzuhauen und die Schwerverletzte hilflos ihrem Schicksal zu überlassen, meinte er, nachdem er festgestellt hatte, dass sie zumindest noch Lebenszeichen aufwies.

»Sie muss so schnell wie möglich in den OP. Ich denke, Sie möchten mitkommen?«, hatte er sich erkundigt. Das hatte Bernd Hoferrichter natürlich getan und etliche Stunden bangend vor dem Operationssaal verbracht. Er hoffte inständig, dass man sie am Leben erhalten konnte.

»Die Brüche und Prellungen an Armen, Beinen und Rippen werden gut verheilen – so viel kann man jetzt schon sagen. Aber am meisten hat uns die Kopfverletzung Sorgen bereitet – und sie tut es immer noch!«, hatte ihn der Chefarzt anschließend noch persönlich instruiert. »Wenn auch nicht in der Weise, die Sie vermutlich befürchten!«

Er, ein anerkannter Spezialist für Hirnverletzungen, war vorsichtshalber von dem Ärzteteam hinzugezogen worden, als klar zu sein schien, dass es sich wohl um eine kompliziertere Sache und nicht nur um eine simple Gehirnerschütterung handelte.

»Die Patientin scheint von der Motorhaube des Wagens erfasst worden zu sein, wodurch sie zur Seite und an den Straßenrand geschleudert wurde. Daher stammen die Brüche und Verletzungen und auch das Trauma am Hinterkopf, als sie auf dem Asphalt aufschlug.

Dennoch musste ich feststellen«, erörterte der Chefarzt ein wenig umständlich, »dass die Kopfverletzungen der Patientin bei weitem nicht so gravierend sind, wie zuerst von den Kollegen und mir angenommen!

Ich gestehe, wir können bisher nicht erklären, woher die massiven Beeinträchtigungen der jungen Frau stammen! Ihr Gehirn wurde nämlich weit weniger in Mitleidenschaft gezogen, als von uns befürchtet! Für die Ausfälle haben daher bisher weder ich, noch meine Kollegen eine schlüssige Erklärung.

Wir müssen abwarten und hoffen, dass die an sich robuste Verfassung der Patientin sich durchsetzt und dass bald mit einer Besserung zu rechnen ist. Sobald sie aus ihrer Bewusstlosigkeit aufwacht, werden wir weiter sehen!«

Dass es demnach noch eine ganze Weile dauern könne, bis man ein endgültiges Urteil abgeben konnte, machte ihm schwer zu schaffen.

Die ersten Wochen war sie fast ständig bewusstlos. Seit kurzem hatte sich das zwar geändert, aber selbst während der kurzen Wachzustände sprach sie kaum ein Wort, reagierte auf nichts Gesprochenes – nur auf Musik oder das Pfeifen von Vögeln – und, was für ihn am schmerzlichsten zu verkraften war: Sie erkannte ihn offenbar nicht mehr!

Weder mit einem Augenzwinkern, noch mit der kleinsten Veränderung ihrer Mimik brachte sie zum Ausdruck, ihn auch nur ansatzweise wahrzunehmen.

»Ich könnte glatt ein Stuhl oder Tisch sein«, klagte Bernd seinen Freunden und Bekannten. »Maja behandelt mich wie irgendein Möbelstück!«

Arbeitskollegen, Verwandte, Freunde und die behandelnden Klinikärzte versuchten, ihn aufzumuntern. Letztere, indem sie ihn umgehend über winzigste Schrittchen einer angeblichen Besserung informierten, so oft er seine Liebste besuchte – was in aller Regel jeden Tag war.

»Egal, ob und wie sie darauf reagiert, Sie müssen ständig auf sie einreden, in ruhigem Ton und vor allem ganz gelassen! Am besten erzählen Sie ihr heitere Begebenheiten oder sprechen über Dinge, welche Sie mit ihr gemeinsam erlebt haben! Auch schöne Zukunftspläne, die Sie mit ihr möglicherweise geschmiedet haben, sind gut geeignet, die Erinnerung erneut wachzurufen.

Irgendwann wird Ihre Stimme gewiss zu ihr durchdringen und sie wird sich wieder an Sie erinnern!«

So ermahnte ihn insbesondere jedes Mal die Stationsschwester, eine Frau in mittleren Jahren, die große Erfahrung in der Pflege und Betreuung von Hirnverletzten besaß. Bernd nahm sich das durchaus zu Herzen, weil es ihm einleuchtete, dass dies zu Majas Gesundung beitragen konnte.

Die andere Sache, worüber ihm die Krankenschwester berichtete, nahm er hingegen nicht für wichtig. Dass jeden Vormittag – wenn er in seiner Firma an seinem Arbeitsplatz saß – eine junge attraktive Frau an seiner Statt an Majas Bett saß, interessierte ihn nicht besonders.

Obwohl er es natürlich nett von dieser Freundin fand, dass sie sich ebenfalls jeden Tag die Zeit nahm, um Maja zu besuchen. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Lehrerkollegin …

*

Maja Steinmetz, die junge Münchner Lehrerin, der die große Sorge ihres Verlobten Bernd Hoferrichters galt, lag wie leblos in ihrem Klinikbett in einem Einzelzimmer des Klinikums Großhadern, in das man sie nach ihrem Unfall verbracht hatte.

Die Augen geschlossen und vollkommen bewegungslos vermittelte sie den Eindruck von tiefer Bewusstlosigkeit. In Wahrheit war sie seit einiger Zeit wieder wach und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

Von dem Mann, der ihr Verlobter war und der seit Stunden an ihrem Bett saß, nahm sie keinerlei Notiz. Für sie schien er ein Fremder zu sein, der zufällig neben ihr saß, aber nicht das Geringste mit ihr zu tun hatte.

In ihrer ganz eigenen Welt gefangen, befand sich Maja auch nicht im Krankenhaus, ja nicht einmal in ihrer Heimatstadt München, sondern in Österreich, und zwar in der Stadt Kufstein. Mit Sorge und zugleich Bedauern blickte Maja Steinmetz im Augenblick auf ihr Handy.

Die Besorgnis galt ihrer Tante und ihr Bedauern bezog sich einerseits auf ihren allem Anschein nach verpatzten Bergurlaub, sowie auf die Tatsache, dass ihr Verlobter Bernd Hoferrichter, Ingenieur bei einer der weltweit bekanntesten Elektrofirmen Deutschlands, vermutlich wenig Verständnis für ihre spontane Entscheidung zeigen würde. Aber sie hielt es nun einmal für ihre Pflicht …

Seufzend klappte die hübsche schlanke junge Frau mit dem blonden Pferdeschwanz und den großen blaugrünen Augen ihr Handy zu, kehrte in den Speisesaal des Kufsteiner Hotels zurück und informierte Bernd und das befreundete Paar, welche beim Abendessen saßen, über die Sachlage.

Tatsächlich war es noch schlimmer gewesen, als von Maja vermutet!

Ihr Verlobter, ein gut aussehender schwarzhaariger Hüne, Anfang dreißig, mit blauen Augen, hatte sich nachher zwar halbherzig für seine Vorhaltungen entschuldigt, aber ihr doch irgendwie spöttisch »Viel Erfolg als Krankenschwester!« gewünscht.

Majas Laune wurde dadurch keineswegs verbessert; konnte sie doch daraus ersehen, dass ihr Verlobter nach wie vor sauer war über ihren Entschluss. Er tat gerade so, als wäre es ihr leicht gefallen, den so lange schon geplanten Wanderurlaub in Österreich von Hütte zu Hütte sausen zu lassen.

Die Freunde Peter Daubner und Tina Maurer äußerten sich kaum. Wobei sie sich bei dem Wenigen, das sie von sich gaben, allerdings immerhin darum bemühten, zumindest halbwegs Verständnis aufzubringen.

Sichtlich enttäuscht war Peter; was Tina anbetraf, war Maja sich keineswegs so sicher. Die rassige Rothaarige tat zwar besorgt und verständnisvoll – aber Maja wurde trotzdem das Gefühl nicht los, als wäre ihre Freundin gar nicht so besonders traurig darüber, dass sie nun mit den beiden Männern alleine Urlaub machen konnte …

Aber der Reihe nach.

Zu viert hatten sie sich in einem Hotel in Kufstein getroffen. Von dort aus sollte es am nächsten Morgen mit Rucksack, Bundhosen und Wanderstiefeln losgehen; am Hintersteiner See vorbei und hoch zur Ellmauer Halt im Kaisergebirge, dann, nach einer ausgedehnten Rast, Abstieg nach Ellmau und anschließend gemächlicher Fußweg ins reizende Örtchen nach Sankt Johann, von wo aus man am nächsten Tag das Kitzbühler Horn ansteuern wollte. Am folgenden Morgen war dann geplant, von Hochfilzen aus das Birnhorn der Leoganger Steinberge zu besteigen.

Weiters war ein Aufstieg von Saalfelden aus zur Schönfeldspitze im Steinernen Meer vorgesehen, um in Maria Alm zwei ganze »faule« Rasttage einzulegen, ehe man sich den Hochkönig vornehmen wollte, auf dessen knapp dreitausend Meter hohem Gipfel auch Ende Juli noch Schnee lag. Aber das kannte man ja auch von der Zugspitze und es bedeutete für die vier reichlich erfahrenen Berggeher kein Problem.

Als man sich auf das gemeinsame Urlaubsziel geeinigt hatte, war Maja aufgefallen, dass Tina darüber nicht gerade hell begeistert gewesen war. Ihr hätte ein Urlaub am Meer in einem der zahlreichen mondänen Ferienorte um einiges mehr zugesagt. In einem schicken Hotel konnte man sich wenigstens in tollen Klamotten präsentieren – anders als das in Tiroler Berghütten und Pensionen möglich sein würde …

Aber es stand in diesem Fall drei zu eins. Um nicht als Spielverderberin dazustehen, hatte Tina leicht mürrisch in die »Bergvariante« eingewilligt.

Maja selbst hatte die Route ausgetüftelt und sich jede Menge Material besorgt, wozu nicht nur Wanderkarten, sondern auch Fahrpläne von Eisenbahn- und Busverbindungen gehörten. Zum größten Teil hatte sie auch die Quartiere schon vorbestellt. Endpunkt der zünftigen Wandertour – nur mit Rucksack! – sollten die Niederen Tauern sein, mit Besteigung des Moser Mandls und des Hochgollings. Nach zweitägigem Ausspannen in einer komfortablen Unterkunft in Schladming würde man nach gut zwei Wochen wieder mit dem Zug nach München zurückfahren.

»Glaubst du nicht, Schatz, dass ich selbst unheimlich enttäuscht bin, dass ich euch drei allein ziehen lassen muss? Ich war es doch, die den Vorschlag gemacht, alles ausgetüftelt und organisiert hat! Dass es jetzt leider so gekommen ist, ist doch nicht meine Schuld!«, hatte Maja versucht, sich vor Bernd und den anderen zu rechtfertigen.

Misstrauisch hatte der junge Mann mit dem millimeterkurzen Haarschnitt und dem flotten schwarzen Dreitagebart Majas offenbar »superwichtiges« Telefonat von Anfang an verfolgt. Hatten sie doch ausgemacht gehabt, die Handys während des Urlaubs auszuschalten …

Mehrmals hatte Bernd versucht, seiner Verlobten eine Beendigung der störenden Unterhaltung während des Abendessens im Hotel »Schwarzer Schwan« nahe zu legen.

Aber Maja, siebenundzwanzig und Lehrerin an einer Münchner Grundschule, war stattdessen kurzerhand aufgestanden und für längere Zeit aus dem Speisesaal verschwunden. Dass der Anrufer ihr Cousin Jens war, Student der Betriebswirtschaften im vierten Semester, hatten die Zurückgebliebenen noch mitbekommen.

Jens schien wieder mal ein für ihn unlösbares Problem zu haben und Bernd schwante nichts Gutes. Er kannte doch seine gutmütige Maja! Sie liebte den knapp einundzwanzigjährigen, blonden und gutaussehenden jungen Mann wie einen jüngeren Bruder und ließ dem verwöhnten, als Halbwaise aufgewachsenen Muttersöhnchen viel zu viel durchgehen.

Jens war es gewohnt, alle, die mit ihm zu tun hatten, um den Finger zu wickeln. Aufgrund seines Charmes und seines sympathischen Äußeren fand er immer jemanden, der ihm die Kastanien aus dem Feuer holte.

»Ich begreife nicht, weshalb Maja ihr Handy in den Ferien nicht einfach abschaltet«, nörgelte Bernd. »Dann wäre sie vor lästigen Anrufen und Anrufern verschont! Es gibt ja auch tatsächlich Eltern«, beklagte er sich bei den gemeinsamen Freunden Peter und dessen Lebensgefährtin Tina, »die glauben, Lehrer stünden ihnen auch im Urlaub für ausführliche Informationen zur Verfügung. Hin und wieder ist es auch das Schulamt, das in den Ferien »ganz dringend« irgendwelche Auskünfte zu Vorgängen benötigt, die anscheinend keinen Tag länger warten können! Habe ich alles schon erlebt!«

»Drum sage ich immer: Augen auf bei der Berufswahl!«, grinste Peter Daubner, ein mittelgroßer, gemütlicher Teddybären-Typ mit schütterem braunem Haar und leichtem Bauchansatz, dem privat niemand böse sein konnte. Er, Mitte Dreißig, war Sozius in einer der renommiertesten Anwaltskanzleien Münchens und in seinem Job als Anwalt in Familien- und Scheidungsangelegenheiten galt er gemeinhin als »scharfer Hund«, der verbissen für seine Klienten kämpfte.

Seine superschlanke Dauerfreundin, die rothaarige neunundzwanzigjährige Tina, der eine Modeboutique in der Prinzregentenstraße gehörte und mit der er seit drei Jahren zusammenlebte, lächelte spöttisch.

»Und vor allem Augen auf, wenn es um die Wahl der richtigen Partnerin geht!«, fügte sie mit maliziösem Lächeln hinzu.

Die beiden Männer starrten sie einen Augenblick lang sprachlos an. Was brachte Tina auf einmal dazu, ihrer langjährigen Freundin Maja in so hinterhältiger Weise in den Rücken zu fallen?

»Na, hör mal«, begann Peter aufgebracht. Ihm war ihr Ausrutscher offenbar peinlich, aber Bernd unterbrach ihn. »Ich verstehe schon, was Tina eigentlich sagen wollte! Majas überkorrekte Beamtenmentalität und ihr so genanntes »Gutmenschentum« gehen auch mir gelegentlich tierisch auf den Geist! In diesem Fall hat es zwar nichts mit ihrem Lehrerberuf zu tun. Aber mich ärgert, dass ihr Cousin Jens einfach so über ihre Freizeit verfügen möchte.

Ich gehe jede Wette ein, dass der Grund seines Anrufs wieder einmal irgendeine Aufgabe ist, die er ihr aufhalsen will. In diesem Fall betrifft es allerdings mich genauso mit; immerhin geht es um unseren gemeinsamen Urlaub, der etwas ganz Besonderes werden soll!

»Der Bursche will Maja wieder mal zu irgendetwas überreden – so viel habe ich bereits mitbekommen! Und wie sie geartet ist, wird sie nicht »nein« sagen. Dann werden wir nur zu dritt sein – und ich kann mich gute zwei Wochen lang wie das berühmte fünfte Rad am Wagen fühlen!«

»Ach, du Ärmster! Ich sehe schon, du hast es mit Maja nicht immer ganz leicht!«

Mitfühlend legte Tina dabei ihre Hand auf Bernds Rechte, wobei sie ihn betont mitleidig mit ihren mit schwarzen Kajalstrichen umrandeten grünen Katzenaugen anschmachtete.

Dieser wartete einen Moment, ehe er ihr seine Hand so unauffällig wie möglich entzog. In letzter Zeit hatte er bereits öfters bemerkt, dass Tina Maurer ganz bewusst seine körperliche Nähe suchte oder ihn wie unabsichtlich berührte – auch wenn absolut kein zwingender Anlass dazu bestand …

Nicht, dass es den flotten Ingenieur Bernd besonders gestört hätte! Von der auf ihre in etwas schriller Weise sehr attraktiven Tina ein wenig angehimmelt zu werden, schmeichelte durchaus seinem männlichen Ego.

Er wollte es bloß unter allen Umständen vermeiden, dass der gutmütige Peter Daubner, sein bester Freund seit Jugendtagen, etwas davon mitkriegte – und dann womöglich noch in den falschen Hals bekäme. Außerdem war die etwas überspannte Tina nicht unbedingt der Typ Frau, den er bevorzugte.

Inzwischen war Maja zum Tisch zurückgekehrt und hatte Bernds Befürchtungen in allen Punkten bestätigt, worüber er sich in den nächsten Minuten schrecklich aufregte. Als Kavalier fühlte Peter sich wiederum nach einer Weile verpflichtet, Maja sozusagen beizuspringen.

»Was hätte Jens, dieser grüne Junge, denn deiner Meinung nach sonst tun sollen, Bernd?«, fragte er schließlich, leicht genervt. »Er ist, wie ich höre, grade mal Anfang Zwanzig, mitten im BWL-Studium und offenbar mit der Situation vollkommen überfordert!