Mords-Trara - Monika Nebl - E-Book

Mords-Trara E-Book

Monika Nebl

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Beschreibung

Der Fall: Haustürbetrug und Mord … und mittendrin mal wieder die »Krimi-Minnie«, wie die Beamten der Wasserburger Polizei die Mayrhofer Minnie liebevoll-spöttisch nennen.

Im ersten Band der heiteren und spannenden Reihe macht sich die neugierige Lebenskünstlerin Minnie mit Ratschkatl und Ex-Polizist Gustl auf Mördersuche in den mittelalterlichen Gassen.
Was sie entdeckt, raubt Freund Alex den letzten Nerv …

Liest du gerne Bayernkrimis von Rita Falk, Eva Adam oder Friedrich Kalpenstein? Dann ist die pfiffige Krimi-Minnie genau dein Fall.
Also ab auf die Couch und Schmunzelmodus an!

Dich erwarten Spannung, Humor und eine witzig-prickelnde Beziehungskiste mit oberbayerischem Lokalkolorit!

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Table of Contents

Titelei

Impressum

Widmung

Zur Autorin

Zum Buch

Der Anfang alles Bösen

Von Boxern, Betrügern und der Kunst

Ein Mords-Gschiss

Blumenmädchen und Sexgott

Eis mit Grappa

Saturn im ersten Haus

In der Nacht sind alle Hunde schwarz

Vernissage auf High Heels

Krimi-Minnies zweiter Fall

Nachwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bairisch-hochdeutsches Glossar

Karte von Wasserburg

Weitere Veröffentlichungen

Monika Nebl

Mords-Trara

Krimi-Minnies erster Fall

Ein Wasserburg-am-Inn-Regionalkrimi

Impressum:

Copyright © 2020 Monika Nebl

c/o Verlag EyeDoo Publishing

Berger Str. 26, 83556 Griesstätt

www.eyedoo.biz

E-Book Ausgabe

Print- und Onlinegestaltung: Günter Nebl

Bildnachweis: © Lazartivan – stock.adobe.com

Bildnachweis: © K.-U. Häßler – stock.adobe.com

Bildnachweis: © Fotoatelier G. Nebl

Lektorat: Michael Reinelt

Korrektorat: Ursula Ammersbach

Diese Geschichte entstand ohne Hilfe von KI, sondern einfach nur mit viel Herzblut und Freude am Schreiben.Autorin und Verlag verbieten eine Nutzung des Textes zum Training und zur kommerziellen Verwendung durch KI.

Alle Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sowie realen Orten sind rein zufällig.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweiser Nachdruck sowie die elektronische Weitergabe und Übersetzung sind vorbehalten.

www.monika-nebl.de

Für den sanftesten Opa »Mach wat, Hans!« der Welt und die energische und emotionale »Ach-Omi«: Ihr wart ein wichtiger Teil meiner Kindheit!

Ich bedanke mich wieder einmal bei Michael und Ursi für ihre unglaublich wertvolle Korrekturarbeit und Kritik trotz der schweren Zeiten durch Corona sowie bei meinen Testleserinnen und -lesern, die hoffentlich alle unbeabsichtigten Ungereimtheiten aufgedeckt haben.

Mein Dank geht auch an Ilona für die Horoskope und Charakterisierungen sowie die spannende Wasserburgführung, an Sylvia, deren Figuren im Wasserburger Laden die Idee zu Minnies Hauptjob zündeten, und an Beate für die hilfreichen Töpfertipps.

Einen besonderen Einfluss auf das Buch und Minnies Geschichte hat mein Mann – diesmal nicht nur durch die Covererstellung: Lieber Schatz, ohne die Inspirationen durch dich im täglichen Leben wäre mir der Alex niemals so gelungen.

Zur Autorin

Bei einem kurzen Stopp in Wasserburg am Inn sagte die damalige Münchnerin spontan: »Hier würde ich so gerne leben!« Drei Jahre später war es so weit. Seit 2000 lebt Monika Nebl im nahen Einzugsgebiet und saust gerne mit der Vespa in die »nördlichste Stadt Italiens«, wo sie das Flair zwischen Mittelalter und Moderne genießt.

Die Autorin hat bereits über 25 Bücher veröffentlicht und ist dabei vielseitig unterwegs. Wasserburgs Gassen und Mauern dienen als mystische Vorlagen in ihren Fantasyromanen (geschrieben unter Pseudonym Ainoah Jace). Ihr Fernweh lindert sie mit ihren Romantikthrillern, deren Handlungen den Leser in andere Teile der Erde entführen (geschrieben unter Pseudonym Katie S. Farrell). Ihre Reisen und wie sich diese in ihre Bücher schmuggeln, beschreibt sie im Bildband »Geschichten im Gepäck«.

Und nach einigen Kurzgeschichten für zwei Anthologien mit den »Rosenheimer Autoren« war sie plötzlich da: die Lust, einen Lokalkrimi zu schreiben. Das war die Geburtsstunde der »Krimi-Minnie«, ihrer Freunde und des Verbrechens in Wasserburg …

Warum ein weiterer bayerischer Lokalkrimi?

Ich habe bisher Fantasy und Romantikthriller geschrieben und vermute: Meine Minnie hat mich einfach in ihren Bann gezogen. Außerdem ist Wasserburg als Schauplatz wie für einen Krimi gemacht.

Falls ein bairisches Wort (sparsam verwendet) nicht selbsterklärend ist, findet ihr im Anhang ein kleines alphabetisches Glossar, denn dieses Buch soll nicht nur Bayern Vergnügen bereiten. Wichtig ist mir, die bairische Sprache nicht zu »verhunzen«, ich habe mein Möglichstes getan. Auch liegt der Humor keineswegs auf der woanders häufig übertrieben dargestellten Charakterisierung eines »Null-acht-fuchzehn«-Bayern. Minnie und Co. sind (fast) normale Bewohner einer oberbayerischen Stadt.

Der Anfang alles Bösen

Die beiden Männer fuhren durch die bayerische Sommernacht, doch sie beachteten den Sternenhimmel über sich nicht. Das funkelnde Firmament lenkte sie keine Sekunde von ihren düsteren Gedanken ab.

Der Fahrer bog von der Autobahn ab und steuerte Rosenheim an. Er warf seinem Partner einen schnellen Blick zu, konnte aber im Dunklen dessen Gesicht nicht erkennen. Er wusste jedoch auch so, wie nervös der andere war. Er hasste es, mit unerfahrenen Neulingen zu arbeiten. Der Vorteil an diesem hier war, dass er Respekt hatte. Vor ihm. Diese Erfahrung war ihm bisher verwehrt geblieben. Nicht einmal seine Freundin hatte Respekt. Also bis zu dem Moment, als er ihr den Marsch geblasen hatte. Seitdem bekam sie ihre freche Goschn nicht mehr so leicht auf. Er hatte nie zuvor eine Frau geschlagen, aber das war es wert gewesen. Das Schweigen und der respektvolle Blick.

Und nun hatte er den Schisser, den größten Angsthasen der Firma am Hals. Er brauchte ihn. Auf das junge, hübsche Gesicht mit den arglos wirkenden blauen Augen fielen die Damen, besonders ältere, reihenweise herein. Und das brachte die Kohle.

»Jetzt hab dich nicht so! Es sind nur ein paar Tage, dann haben wir das Geld zusammen.«

»Ob das reicht? Kersthoff ist nicht für seine Geduld bekannt. Denk nur daran, was er diesem Italiener angetan hat, der nicht rechtzeitig Schutzgeld bezahlt hat.«

»Ja, aber wir gehören doch zu seinem Personal. Da werden wir wohl etwas Aufschub bekommen.«

Sein Beifahrer schwieg.

Der Fahrer setzte gereizt hinzu: »Du bist so ein Weichei, wir sind noch nicht mal in Verzug.«

»Der Italiener hätte auch noch zwei Tage Zeit gehabt.«

»Außerdem hab ich was gut beim Boss. Jetzt sei still, du nervst. In einer halben Stunde sind wir in Wasserburg. Neues Pflaster, neue Opfer.«

Der Schisser traute sich nicht mehr, auch nur ein Wort zu sagen. Seine Gedanken richteten sich auf das Zuhause, das er verlassen hatte. Abenteuer hatte er erleben wollen. Er konnte nicht klagen, denn jetzt steckte er tief in einem drin. Viel zu tief.

 

Von Boxern, Betrügern und der Kunst

Wasserburg am Inn im Juli

 

Es ist stockdunkel, als ich mit Herzrasen hochfahre. Ich sitze im Bett wie ein aufgeschreckter Hase. Mein Blick huscht durchs Zimmer, nachdem ich endlich den Lichtschalter gefunden habe. Was hat mich geweckt?

Die Müllabfuhr, die heute um halb sieben in der Altstadt unterwegs ist und von der ich den Eindruck habe, dass sie unter meinen Fenstern immer besonders lange ihren Rüttler betätigt? Was möglicherweise tatsächlich so ist. Denn meist klebt viel graue Masse – sprich künstlerisch nicht verwertbares Rohmaterial aus meiner Töpferei – in meiner Mülltonne.

Meine bebenden Finger ertasten das Handy auf dem Nachttisch. Natürlich rutscht es mir aus der Hand, aber ich erwische es, bevor es auf den Boden knallt. Erst fünf Uhr – also sind die Müllmänner schuldlos.

Ich lausche gespannt, mein Hals ist trocken, und das Schlucken fällt mir schwer. Das Gurren der Tauben auf dem Dach gegenüber klingt laut durch die sommerliche Morgendämmerung, noch lauter folgt die Kirchturmuhr von Sankt Jakob. Im Haus knarzt eine Stiege. Das ist nicht ungewöhnlich, denn die Stufen knarzen sogar, wenn keiner auf die schiefen Dinger tritt. Oder ist da jemand zu dieser Zeit unterwegs?

In meiner Altbauwohnung im vierten Stock eines schmalen Hauses zwischen anderen schmalen Häusern in Wasserburg am Inn wohnen nicht allzu viele Leute. Unter mir im dritten Stock wäre da die Frau Kreuzpointner, die fängt mit dem knarzenden Wandern so gegen fünf Uhr dreißig an. Weil sie das Kreuzweh nicht länger schlafen lässt. Das weiß ich, weil sie mir alles – jedes Wehwehchen – haarklein berichtet. Wenn ich sie ließe, sogar minütlich.

Im zweiten Stock sind neulich zwei Jungs eingezogen, die sich mit einer Eventfirma selbstständig gemacht haben. Davon gibt es einige in der Gegend. Und Wasserburg hat nicht wenige Events.

Lange dauert es nicht mehr, dann ist es Ende Juli: Zeit für das Weinfest und den Nachtflohmarkt. Und damit für jede Menge Besucher. Wasserburg wird überflutet, nicht mit Wasser wie beim Frühjahrshochwasser, sondern mit Flohmarktverrückten, die ihren Stand mit Laternen, Kerzen und Lampen aller Art erhellen. So können die vielen Gäste bis weit in die Nacht sehen, welcher Grusch aus dem urgroßelterlichen Keller präsentiert wird. Ich gehöre übrigens auch meist zu denen, die hinter einem Tischlein sitzen, aber ich mache meine eigene Flohmarktware. Und die geht an einem solchen Abend gut weg.

Wieder knarzt es. Ganz deutlich. Ist einer der Chuans schon auf dem Weg in die Frühschicht?

Die thailändische Familie Chuan wohnt im ersten Stock. Sie ist eine kleine Familie. Klein ist in diesem Fall zweideutig gemeint: Mutter, Vater, ein Kind, alle unter 1,60. Und stets gut gelaunt. Mein Freund Alex – über 1,80 groß – meinte mal, dass kleine Leute sich zwischen großen Problemen leichter durchwuseln und sich daher nicht aufregen müssen. Darauf folgte sein freches Grinsen, als er mich – auch nur 1,65 hoch gewachsen – von oben bis unten musterte. »Ich versteh eh nicht, warum du dich immer so aufregst, Minnie.«

Dabei ist das gar nicht wahr!

Ich bin klein und nicht aus der Ruhe zu bringen. Was für seine Aussage über die kleinen Leute spricht. Wenn ich allerdings nur »künstlerischen Müll« produziere oder es um fünf Uhr im Haus knarzt, rege ich mich tatsächlich auf. Und Minnie heiße ich nicht, weil ich so klein bin, sondern weil meine Mutter etwas seltsam ist.

Jetzt kommt das Knarzen von der Frau Kreuzpointner unter mir dazu. Meine Ohren werden länger, weil es schon sehr ungewöhnlich ist, dass sie zur Wohnungstür geht und diese öffnet.

»Hallo, ist da wer?«

Das gibt es nicht! Sie schreit durchs Treppenhaus. Um fünf Uhr früh! Ich stehe seufzend und immer noch ein bisserl zittrig auf und schaue auch ins Treppenhaus.

»Frau Kreuzpointner, was ist denn los?«

Ich versuche es ohne Schreien, sie jedoch plärrt zurück: »Mei, Minnie, da war einer vor meiner Tür. Vielleicht einer von den Sammlern gestern. Die wollten noch mal kommen, weil ich kein Geld dahatte.«

»Ja, aber doch ned mitten in der Nacht, Frau Kreuzpointner.«

»Ja, da hast du recht. Dann war das ein Einbrecher!«

»Auf jeden Fall ist er weg.«

Das ist sicher, weil ich eilige Schritte auf der Treppe und danach das Schlagen der Haustür gehört habe. Eigentlich sollte unten nachts zugesperrt sein. Möglicherweise hat einer gewartet, bis unser Molkereifachmann zur Frühschicht gegangen ist?

Ich beuge mich über das Geländer und sehe direkt in die weit aufgerissenen Augen meiner Unter-mir-Nachbarin.

»Frau Kreuzpointner, ich geh schnell runter und sperr ab, in Ordnung? Und dann schlafen wir beide noch ein bisserl.«

Sie nickt hektisch und sagt kein Wort, sie hat also wirklich Angst. Normalerweise ist sie nämlich nicht auf den Mund gefallen. Und sie hätte unter Garantie meine Strickjacke beziehungsweise den kurzen Jumpsuit, Alex nennt ihn neckend Spielanzug, darunter kommentiert. Aber nicht heute.

Als ich die Treppen hinuntertappe, geht die Beleuchtung im Innenhof aus. Unwillkürlich bleibe ich stehen. Und wenn doch noch einer da ist und lauert? Die Lichter der Stadt dringen nicht bis hierher vor. Vorsichtig schleiche ich vorwärts, die Hand an der Wand, bis ich den nächsten Lichtschalter erreiche. Mein Herz rast, nachdem es eben erst vom Galopp in einen ruhigen Trab übergegangen war. Dann wage ich mich weiter bis ins Erdgeschoss, immer mit misstrauischem Blick in die Runde. Uhu sein wäre jetzt nicht verkehrt, 360 Grad Kopfdrehung gibt einem Sicherheit. Ich sehe niemanden und sperre die Außentür zum Gehweg unter den Arkaden zu.

Frau Kreuzpointner wartet, bis ich bei ihr vorbeikomme. Mit einem Gähnen sage ich: »Gehen’s wieder ins Bett, es kann nichts passieren.«

»Danke, Minnie.«

»Gern geschehen«, erwidere ich höflich, auch wenn das ein bisschen gelogen ist. Bevor ich auf meiner Etage ankomme, fällt mir was ein.

»Frau Kreuzpointner, Sie geben aber keinem Fremden Geld mit oder lassen ihn in die Wohnung, gell?«

»Nein, nein, Minnie. Du kennst mich doch.«

Eben, denke ich und nehme mir vor, morgen ein Auge auf diese Sammler zu werfen.

Allerdings kommt mir am nächsten Tag erst einmal meine Arbeit dazwischen. Und danach ist es zu spät.

***

Einige sagen »Baazlerei« zu meinem Job. Natürlich nicht die Kunstverständigen, von denen es viel zu wenige in meinem direkten Umfeld gibt.

In Wirklichkeit bin ich Keramikerin und betreibe eine Töpferei im Erdgeschoss des Hauses, in dem ich lebe. Die Räumlichkeiten teile ich mir mit einem Haustierbedarfsgeschäft, dessen Chef Franz ein fauler Hund ist.

Ihm gehört der Bereich des Erdgeschosses, der unter den Arkaden Richtung Marienplatz liegt – wo auch die Kunden vorbeispazieren – und ich arbeite in meinem Atelier nach hinten hinaus zum Inn.

Nebenbei ist der Franz seit vergangenem Jahr zusätzlich unser Hausmeister, aber für diese Arbeit noch ungeeigneter als für den Verkauf.

Er kehrt im Sommer ab und zu und beseitigt im Winter Schnee durch Salzstreuen. Deshalb hatten wir des Öfteren ernsthaften Streit. Kann man nicht erst räumen und anschließend Splitt streuen? Das stählt die Muskeln und schont die Umwelt!

Ansonsten informiert er entsprechende Firmen, falls mal die Heizung ausfällt oder ein Rollo kaputtgeht. Er sperrt den Keller auf, wenn Öl geliefert wird. Das war es dann schon ziemlich. Denn Franz ist bereits mit einer lockeren Türklinke überfordert. Deren Reparatur übernehme meist ich, weil es mir in der Seele weh tut, wenn meine Mutter sogar dafür zahlen muss.

Mich wundert auch, dass er bei dem Bewegungsmangel und der kalorienreichen Lebensführung so dürr ist. Der Franz geht gern mal nach nebenan in die Eisdiele. Da sieht er nicht immer, wenn Kundschaft kommt. Also bin ich inzwischen ebenfalls in Hundeleinenverkaufsberatung und Bedienen der Kasse geübt.

Immerhin sind Hundeleinen, Futternäpfe und Co. zu gleichen Teilen mit meinen Töpferwerken im Schaufenster vertreten, was gar nicht so schlecht passt: Ich habe mich nämlich auf Tiere spezialisiert.

Ja, es existieren natürlich auch Tassen und Teller, Salatschüsseln und Co., auf deren Unterseite mein Logo, ein Wolpertinger, mit meinen Initialen M. M. steht. Berühmte Initialen, die in meinem Fall Minnie Mayrhofer bedeuten. Eigentlich müsste es A. M. heißen, für Arminia Mayrhofer. Arminia, die starke Heldenhafte. Aber so stark, wie meine Mutter das gerne hätte, bin ich nicht. Und weil ich so vielseitig bin und entsprechend töpfere, ist der Wolpertinger eben mein Logo.

Was ein Wolpertinger ist? Na, DAS urbayerische Viecherl neben dem Tatzelwurm, dem Drachenähnlichen.

Ein Wolpertinger ist sehr flexibel, was manch einer fälschlicherweise dem Bayern abspricht. Er kann Hasen- oder Fuchsohren haben. Also der Wolpertinger, nicht der Bayer. Er besitzt Flügel oder ein Hasenschwanzerl, manchmal auch Fischschuppen und ein Rehbockgeweih.

Meiner auf dem Logo ist die niedliche Variante mit den Hasenohren und dem kleinen Geweih eines jungen Hirsches.

Ironischerweise ist meine Mutter die Hauseigentümerin, sie hätte mir sehr wohl die bessere Hälfte des Ladens geben können. Sie betrachtet es stattdessen als ihre mütterliche Pflicht, der sie leider nur zu gerne in allen Bereichen nachkommt, mich zu einer »vernünftigen«, sprich einträglichen Arbeit zu zwingen. Ich leide an chronischem Geldmangel, weshalb sie nichts von meinem Job hält. Meinen Jobs – Plural. Denn ich bin nebenbei Autorin, Spülhilfe im Eiscafé und manchmal springe ich als Stadtführerin ein.

Ab und zu bekomme ich lukrative Aufträge und darf zum Beispiel den Lieblingswuffi einer Dame nachformen. Das bringt Geld und meistens Spaß.

Aktuell töpfere ich den Boxer der Frau Wegner, allerdings verzweifle ich an den Lefzen des Sabberhundes. Dabei sinniere ich über die kuriosen Wirren des Schicksals.

Meine Mutter Traudl hat einen ebenso brotlosen Job wie ich, sie ist Sterndeuterin. Mein Vater hat sich aus dem Staub gemacht, als ich unterwegs war, deshalb hat sie sich klug verheiratet. Ich sage Traudl – nicht Mutter oder Mama – seit ich denken kann, weil sie es sich immer verbeten hat. Einen triftigen Grund gibt es nicht, außer man akzeptiert, dass diese Bezeichnung eine Frau schlagartig altern lässt.

Jetzt ist Traudl wieder geschieden. Sie hat ihren reichen Autohausbesitzer aber nicht an seine Sekretärin oder eine Schickimickimaus verloren. Nein, hier eine weitere Kuriosität: Eine andere Sterndeuterin hat ihr den BMW-Fuzzi weggeschnappt. Deren Deutungen haben ihm angeblich besser gepasst. Ich bin mal bösartig und mache das D-Körbchen der Dame im Vergleich zum B-Körbchen meiner Mutter mitverantwortlich.

Traudl lebt fröhlich von einer großartigen Abfindung, zu der das Haus in Wasserburg gehört. Schmal, jedoch beste Lage.

Ich könnte mich doch auch klug verheiraten, ist ihr Vorschlag. Könnte ich tatsächlich. Ich liebe meinen Freund Alex, obwohl ich keine Banker mag.

Wahrscheinlich weil das der Job war, den meine Mutter für mich ausgesucht und in dem ich es zwei Monate ausgehalten hatte. Dann habe ich hingeschmissen. Kostümchen und Zahlen sind nicht mein Ding.

Witzigerweise hat sich Alex, der stellvertretende Filialleiter, erst für mich interessiert, als ich ausgestiegen war. Meine Überlegung war, dass es ihm vorher peinlich gewesen wäre. Da spricht dagegen, dass er mich immer wieder einlädt, an beruflichen Events teilzunehmen. Ab und zu begleite ich ihn, weil es mir echt Spaß macht, Leute ein bisserl aufzumischen. Und nachdem Alex mich da selten schimpft, vermute ich, es steckt auch ein winziger rebellischer Nichtbanker in ihm, trotz der Anzüge und Krawatten.

Ich stehe eben an der Kasse des nichtanwesenden Franz – der war doch gerade noch da? – und kassiere Hundeleckerli ab, da sehe ich, wie aus der Tür zu unserem Innenhof zwei junge Männer kommen. Sind das die Sammler der Frau Kreuzpointner? Einer ist groß und dünn, der andere etwas kleiner mit einer Schirmmütze, unter der blondes Haar hervorlugt.

Sie tragen ein T-Shirt mit Aufdruck einer Schutzorganisation »Ursprünglicher Wald«. Die beiden habe ich nie zuvor gesehen, obwohl ich die Wasserburger in Feuerwehr, Trachtenverein, Johanniter und Co. kenne. Die Organisation ist mir auch neu.

Rasch verabschiede ich mich von dem Kunden und sause hinaus und hinter den Männern her.

»Hallo, Moment mal«, rufe ich. Sie ignorieren mich, aber ihre Schritte werden schneller.

»Hey! Waldschützer, wartet doch mal kurz.«

Sie zögern, dann bleibt der Große stehen, der Kleinere geht flott weiter. Der Höflichere der beiden ist jünger als ich, etwa Anfang zwanzig. Blonde Haare, hellblaue Augen, blasses hübsches Gesicht. »Meinst du mich?«

»Ja, ich hab gesehen, dass ihr aus meinem Hausgang gekommen seid. Sammelt ihr für diesen Waldschutzverband?«

Er nickt und hält mir ein Kärtchen hin. Eingeschweißt, mit Stempel, ein Name ist jedoch nicht darauf.

»Aha, euch und eure Organisation kenne ich gar nicht, woher seid ihr denn?«

Er zögert kurz, antwortet aber dann freundlich: »Aus der Nähe von Kiefersfelden. Die Wälder in den Alpen müssen vor den Wanderern und Skifahrern geschützt werden. Es braucht Geld für Aufforstung und Absperrungen.«

»Ja, das mag sein. Allerdings ist Wasserburg ja nicht grad nah an Kiefersfelden.«

»Wir sind viel unterwegs.«

»Macht ihr das hauptberuflich?«

Sein Blick wird misstrauisch und folgt seinem Kollegen, der eben ums Eck Richtung Brucktor verschwindet.

»Hat er es eilig?«, frage ich mit unschuldigem Augenaufschlag. Den beherrsche ich, doch der junge Mann ist immun.

»Ja, und ich eigentlich auch.«

Was keine Antwort auf meine erste Frage ist.

»Oh das tut mir leid. Ich interessiere mich halt für eure Aktion. Habt ihr bei meiner Nachbarin gesammelt?«

»Die Dame im dritten Stock? Ja, die hat uns netterweise zehn Euro gegeben, schau.«

Er zeigt mir eine Liste, in der der Betrag und die Unterschrift von der Frau Kreuzpointner abzulesen sind. Na gut, da kann man wohl nix dagegen haben.

Ich nicke freundlich. »Na dann einen schönen Tag.«

Er bittet mich nicht um eine Spende, trotz meines Interesses. Das macht mich doch ein bisserl misstrauisch. Nach kurzem Zögern sperre ich den Laden ab, nachdem ich das Schild »Bin gleich zurück« hingehängt habe, und folge der Schirmmütze in großem Abstand.

Im Schatten des Brucktors warte ich, bis er seinen Kollegen eingeholt hat und mit ihm in Richtung Parkhaus eilt. Schnell überquere auch ich die Rote Brücke.

Als ich das Parkhaus erreiche und mich gerade hinter der Statue des Heiligen Nepomuk vor der Bootsanlegestelle befinde, höre ich das typische Quietschen von Reifen auf dem Parkhausboden.

Gleich darauf fahren die beiden Sammler in einem roten – warum eigentlich kein grüner? – Saab an mir vorbei. Das Kennzeichen hat mit Kiefersfelden nichts zu tun. Es lautet BGL, also Berchtesgadener Land. Na gut, die haben sicher ebenfalls ihre Wanderer- und Wintersportlerprobleme.

Nachdenklich schlendere ich zurück und probiere die vierte Lefzenvariante für den Sabberhund.

***

Mittags gönne ich mir einen veganen Burger, den ich mit in meine Wohnung nehme. Manchmal treffe ich mich mit meiner Mutter oder Alex in einem der guten Italiener in der Stadt. Alex hat jedoch heute ein Meeting und Traudl ein Date, von dem sie mir nichts verraten wollte. Aber das kommt noch, denn sie ist nicht gerade die große Schweigerin. Die Maxime lautet: Hast du ein Geheimnis, erzähl es nicht Traudl Mayrhofer! Und willst du, dass es besonders schnell die Runde macht, dann wende dich vertrauensvoll an die Kreuzpointnerin.

Ich speise auf meinem kleinen Balkon mit Blick auf den Inn und das Parkhaus. Danach hole ich meinen Laptop und klappe ihn auf. Seufzend überlege ich, welches Dokument ich öffnen will.

Ich müsste einen Artikel über eine Chorveranstaltung für die Zeitung fertigmachen, und meine Freundin Toni hat mir ihren Bericht über das Kindergartenjahr gegeben, den ich Korrektur lesen soll. Mein neues Projekt gewinnt, trotz schlechten Gewissens: die Science-Fiction-Story mit meinem Helden FastFlynn. Auch das ist eigentlich ein Zwangsunterfangen. Denn nur wenn ich für meinen Spezl Tom Science-Fiction schreibe, stellt er meine Fantasyromane in seinem Buchladen aus. Und die Fantasy ist neben dem Töpfern meine wahre Leidenschaft. Manchmal treffen sich diese Leidenschaften im Atelier: Da gibt es dann neben Wolpertingern auch Tatzelwürmer und allerlei Gestalten, die meine Fantasie entworfen hat und die meine Romane bevölkern. Damit würde ich gerne berühmt werden.

Ich erfinde und tippe etwa eine Stunde über den Mann, der in seiner Rakete Planeten rettet. In jedem Buch einen speziellen Planeten, inklusive Abenteuer und Lovestory. Letztere nur kurz, weil Tom das nicht so mag. Aber warum sollte ich mich nach allen Seiten verbiegen?

Es ist drei Uhr, der Sabberhund ruft: Ich hab nur eine gute Woche Zeit dafür, und er muss ja noch gebrannt, bemalt und nochmals gebrannt werden. Und das dauert.

Im Treppenhaus unterhält sich die Kreuzpointnerin mit der kleinen Frau Mei Lin Chuan, und mein Ohr hört das Wort Sammler und ein bisserl Panik heraus.

Als ich bei den Damen ankomme, schauen sie mich an – Verzweiflung im Blick.

»Ist was passiert?«, frage ich mit ungutem Gefühl, denn es kann gar nicht anders sein, wenn sogar Mei Lin so bedropst schaut. Sie ist Thailänderin und lächelt immer. Wirklich.

Jetzt sagt sie leise: »Frau Kreuzpointner ist wohl bestohlen worden.«

»Bitte sagen Sie nicht von den Sammlern?«

Die beiden nicken natürlich, und die Geschädigte meint eher niedergedrückt als zornig: »Du hattest ganz recht, Minnie. Ich hab ihnen zehn Euro gegeben.«

»Ja, ich hab den Kerl noch getroffen, und er hat mir den Betrag in der Liste gezeigt. Aber fehlt mehr?«

»Ich habe meinen Geldbeutel gleich wieder reingelegt. Der eine musste zur Toilette ...«

Ich stöhne auf. »Sie haben mir doch heute Nacht versprochen, dass Sie niemanden reinlassen.«

»Mei, wenn er aufs Klo muss. Bis Kiefersfelden hätt er es nicht ausgehalten.«

»Berchtesgaden. Die haben gelogen. Das Autokennzeichen war aus Berchtesgaden. Und im Parkhaus gibt es Toiletten. Was fehlt denn jetzt?«

»Meine Bankkarte und 200 Euro.«

»Wir ham die Bank schon angrufn«, sagt Mei Lin in ihrem putzigen thailändischen Bairisch.

Ich nicke und weiß genau, was kommt. Deswegen bin ich schneller. »Ja, ich rufe den Gustl an.«

Der Romberger Gustav oder Gustl – in Bayern nennt man den Nachnamen wie bei den Chinesen zuerst – ist ein Ex-Bulle, sprich ehemaliger Wasserburger Polizist im Ruhestand und ein Original. Sein Name ist Programm, denn Gustav bedeutet »Stütze im Kampf«. Warum ich eine solche gelegentlich nötig habe, folgt bald. Gustl kennt alles und jeden und pflegt noch Kontakt zu den Kollegen. Und er ist meistens erreichbar, weil er immer irgendwo im Café sitzt und ratscht. So auch jetzt.

»Ich komm gleich mal rüber«, meint er netterweise. »Mein Haferl ist schon fast leer.«

Keine zehn Minuten später ist er da.

Gemütlich, wie er eben ist, interviewt er die Damen. Dann richtet sich der Blick aus wiefen braunen Augen auf mich.

»Weißt du mehr, Minnie?«

»Das Kennzeichen ihres Autos, wenn du magst.«

Er fängt an zu lachen. »Wo hast du denn das her?«

»Mei, die kamen mir halt spanisch vor.«

In Bayern kommt einem Seltsames spanisch vor. Ich hab mal gehört, dass es den Spaniern dafür chinesisch und den Engländern griechisch vorkommt. Je nachdem welche Sprache man sprechen oder lesen kann. Oder eben nicht.

»Und du bist ihnen hinterher?«

Ich nicke. »Aber sags ned dem Alex.«

Der schimpft nämlich dann wieder den halben Abend, weil ich mich durch meine Neugier in Gefahr bringe. Dabei ist das echt nur ein- oder zweimal passiert. Ehrlich!

»Freilich ned«, gelobt der Gustl.

Mein strenger Blick richtet sich auf die Nachbarinnen, die mir ebenfalls hoch und heilig Schweigen zusichern.

Der Gustl telefoniert geschwind mit seinen ehemaligen Kollegen, und natürlich bekomme ich einen Termin zum Protokollaufnehmen und zur Personenbeschreibung. Am besten zügig.

Ich vereinbare in zwei Stunden, sonst wird das mit den Lefzen nichts. Zumindest geht mir Version fünf gut von der Hand. Endlich ist der Hund soweit. Seit Tagen habe ich ihn gut befeuchtet in Plastikfolie und Putzlumpen gewickelt. Nun raue ich die Flächen etwas an und setze die Lefzen mithilfe von vorher angerührtem Schlicker an den Korpus.

Die Ohren waren kein Problem. Das Stummelschwanzerl ist auch schon dran, nur angedeutet, weil es eben nur ein Stummel ist. Leider hat auch dieser Hund eine kupierte Rute. Meine Kundin meinte, das sei legal, denn sonst gäbe es ja eine solche Zucht nicht. Diese Begründung steht auf wackligen Beinen und ist noch dazu eine schmerzhafte Angelegenheit für den Hund. Völlig unsinnig, wenn ihr mich fragt. Jetzt ist das Tier komplett und kommt in den Ofen, wo es nun einige Tage langsam gebrannt wird, bevor ich es bemale. Das ist immer ein Moment, in dem ich Blut und Wasser schwitze. Die Gefahr, dass das Objekt trotz des Hohlraums explodiert, ist nicht gerade klein. Doch in den nächsten Tagen höre ich keinen Kanonendonner im Haus, offensichtlich habe ich genau genug gearbeitet. Und das Glück ist auf meiner Seite.

***

In Wasserburg gibt es keine weiten Wege. Ich überquere die Straße und marschiere in der prallen Sonne über den Marienplatz – es hat bestimmt 33 Grad. Gestern hatten wir 37. Das war nicht lustig, in der Eisdiele den Abwasch zu machen. Ohne Klimaanlage, aber zwischen nach hinten heizenden Kühltheken, puh. Ein weiterer meiner Jobs übrigens.

Die Salzsenderzeile entlang, dann nach der Hofstatt rechts in eine kühle Gasse abgebogen, und schon stehe ich vor der Polizeiinspektion. Ich muss mich am Tresen im Eingangsbereich nicht mehr ausweisen, der Diensthabende kennt mich nur zu gut.

Ich weiß auch nicht, warum ich immer über irgendwelche illegalen Sachen oder Leichen stolpere.

---ENDE DER LESEPROBE---