Most Wanted Enemy - Annika Martin - E-Book

Most Wanted Enemy E-Book

Annika Martin

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Beschreibung

Plötzlich verheiratet ...

Francine fällt aus allen Wolken, als sie herausfindet, dass sie verheiratet ist - ausgerechnet mit Benny, ihrem ehemaligen Arbeitskollegen, mit dem sie verfeindet war. Doch da gab es diese eine Nacht in Las Vegas vor zehn Jahren, in der sie beide viel zu viel getrunken haben ... Als sie Benny ausfindig macht, um ihn um die Scheidung zu bitten, ist von dem unfreundlichen Nerd von damals nicht mehr viel übrig: Benny ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, Milliardär und verboten gut aussehend. Er willigt ein, die Scheidungspapiere zu unterschreiben, aber nur unter einer Bedingung: Francine soll für die nächsten drei Wochen seine perfekte Ehefrau spielen.

Band 6 der MOST-WANTED-Reihe von New-York-Times-Bestseller-Autorin Annika Martin

"Annika Martin erschafft chaotische, liebenswerte und humorvolle Charaktere und Geschichten voller Witz und Gefühl." THAT'S WHAT I'M TALKING ABOUT

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Seitenzahl: 377

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

1

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Annika Martin bei LYX

Impressum

ANNIKA MARTIN

Most Wanted Enemy

Roman

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch

Francine fällt aus allen Wolken, als sie herausfindet, dass sie verheiratet ist – ausgerechnet mit Benny, ihrem ehemaligen Arbeitskollegen und verschworenen Feind. Doch da gab es diese eine Nacht in Las Vegas vor zehn Jahren, in der sie beide viel zu viel getrunken haben … Als sie Benny ausfindig macht, um ihn um die Scheidung zu bitten, ist von dem unfreundlichen Nerd von damals nicht mehr viel übrig: Benny ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, Milliardär und verboten gut aussehend. Er willigt ein, die Scheidungspapiere zu unterschreiben, aber nur unter einer Bedingung: Francine soll für die nächsten drei Wochen seine perfekte Ehefrau spielen.

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

1

Francine

Ich mache gerade in der Ecke einer der großen Trainingsräume im Gotham-Metropolitan-Ballet-Komplex meine Aufwärmübungen, als der legendäre Choreograf Dusty Sevigny hereingestürmt kommt.

Er bleibt vor mir stehen, seine buschigen Augenbrauen so tief herabgezogen, dass man darunter kaum seine Augen sieht.

»Sie sollen sich in Rosemarys Büro melden«, sagt er mit seinem starken russischen Akzent und deutet mit dem Kopf auf den Bereich, wo das Unterstützungspersonal der Truppe sich abrackert.

Sevigny ist schwer zu durchschauen mit seinen Augenbrauen, seiner Einstein-Frisur und seinem stürmischen Künstlergehabe, aber es lässt sich zweifellos sagen, dass er verärgert ist.

»Sofort?«, frage ich unsicher. Die Aufforderung ist seltsam, wenn man bedenkt, dass wir jede Sekunde Training bei dem Stück Plamya brauchen, seiner großen Comeback-Show. Sagen wir einfach, dass der halsbrecherische Takt viele Tänzer ins Stolpern bringt. An einer Stelle finden sich dreißig Arabesken.

»Unverzüglich«, sagt er.

Ich setze eine strahlende Miene auf. »Bin schon weg!«

Und schon hat er den Raum wieder verlassen.

Meine Tänzerkollegen haben sich überall auf dem Parkett niedergelassen, polstern ihre Ballettschuhe aus und massieren sich die Muskeln in Vorbereitung auf unsere fünfstündige Probe, aber jetzt ruhen aller Augen auf mir.

Ich erhebe mich und gehe mit hämmerndem Herzen auf die Tür zu, vorbei an einer entsetzten Gruppe von Kollegen, die offensichtlich denken, dass ich in Schwierigkeiten stecke.

Da sind sie nicht die Einzigen.

Ich lege eine Hand auf meinen Mundwinkel und souffliere: »Sevigny ist von ihrer Leistung so beeindruckt, das gibt es gar nicht!«

Die Leute bedenken mich mit einem mitfühlenden Lächeln.

Ich versuche einen aufmunternden Spruch, der die schlimme Sache, die gerade passiert, ins Lächerliche zieht, macht man ja so, ist jedoch nicht besonders effektiv. Ich gehe an ihnen vorbei, aber ich bin noch nicht fertig. Ich drehe mich um, laufe rückwärts und füge hinzu: »Er schickt sie ins Büro, damit sie sich einen riesigen Bonus abholen kann und einen gewaltigen Blumenstrauß!«

Irgendjemand schnaubt.

Ich drehe mich um, trete durch die Tür und eile die Treppe hinunter.

Die Verwaltung des riesigen, frisch renovierten Gebäudes befindet sich in einem auf Hochglanz gewienerten gekachelten Flur hinter Gründerzeittüren mit gewelltem Milchglas. Auf den Türen stehen Worte wie »Verwaltung« und »Eintrittskarten«. Es wirkt wie eine Kulisse zu einem Film noir.

Was könnte der Anlass sein? Was konnte nicht warten, bis die Probe vorüber ist?

Es fühlt sich jedenfalls übel an. Wie ein gerade zerplatzender Traum.

Ich bin als zweite Solistin für diese Aufführung ausgewählt worden, das war die größte Ehre meines Lebens. Nur die Primaballerina und der erste Solist haben wichtigere Rollen. Gleich nach unserer Premiere hier werden wir zu einer Europatournee aufbrechen, zu der drei Abendauftritte in meinem Traumtheater gehören: Teatro Romano de Mérida in Spanien, einem magischen Ort, umringt von uralten Marmorsäulen und Statuen.

Rosemarys Schreibtisch scheint genau wie ihre Bürotür in einen Film noir zu gehören, doch Rosemary selbst ist sehr modern, eine von vielen hippen und weltgewandten Frauen von über fünfzig, die in der New Yorker Tanzwelt hinter den Kulissen arbeiten. Sie war in den Achtzigern selbst Tänzerin. Wenn ich es nicht aus Gesprächen mit ihr wüsste, würde ihr Aussehen es mir verraten – eine ehemalige Tänzerin kann ich immer daran erkennen, wie sie sich bewegt.

»Mr Sevigny hat gesagt, ich solle mich bei Ihnen melden?«, frage ich.

Ihr Gesichtsausdruck wird grimmig, und sie seufzt. »Stimmt. Nehmen Sie Platz. Wir haben ein Problem. Es ist …« Sie schüttelt den Kopf und tippt etwas auf ihrer Tastatur. »Es ist … nicht gut. Es geht um die Visa.«

»Visa?«, wiederhole ich und zermartere mir das Hirn, was dahinterstecken könnte. Mein Pass ist noch für mindestens ein ganzes Jahr gültig, daran kann es also nicht liegen. »Was ist mit den Visa?«

Sie hebt einen Finger. Ich soll warten, während sie auf weitere Tasten drückt.

Ich schaue auf den schwarzen Bildschirm meines Handys und mache mir nicht die Mühe, ihn zum Leben zu erwecken. Ich werde ohnehin nicht in der Lage sein, irgendetwas zu verstehen, nicht solange mein Puls in meinen Ohren rauscht. Was ist los? Es muss etwas Ernstes sein, wenn man mich auffordert, die Probe zu versäumen. In diesem Stadium ist jede Trainingseinheit entscheidend und kostbar.

»Also gut.« Rosemary späht mich über ihre strenge Lesebrille hinweg an. »Drei von den fünfzehn Ländern, durch die unsere Tournee uns führen wird, haben Ihre Visa-Anträge abgelehnt.«

»Abgelehnt?« Mein Herz hämmert. »Warum?«

Sie sieht mich jetzt direkt an. »Für EU-Visa müssen Sie Ihren Familienstand korrekt angeben. Sie haben in Ihren Anträgen geschrieben, Sie seien ledig. Seien nie verheiratet gewesen.«

Ich nicke. »Das ist richtig. Das ist korrekt.«

Sie sieht mich an, als versuche sie herauszufinden, ob ich lüge. »Sind Sie sich da sicher?«

»Selbstverständlich.«

Sie schaut wieder auf den Bildschirm. »Nach den Unterlagen der Sozialversicherung ist Ihr Familienstand verheiratet.«

»Wie bitte?«, frage ich. »Da muss ein Irrtum vorliegen. Ich bin nicht verheiratet. Bin es nie gewesen.«

»Der Sozialversicherung nach sind Sie seit neun Jahren verheiratet, und die Diskrepanz führt dazu, dass man Sie gekennzeichnet und abgelehnt hat. Die Behörden sind heutzutage sehr penibel bei solchen Sachen. Terrorismus und so weiter.«

»Da muss eine Verwechslung vorliegen. Vielleicht hat jemand meine Sozialversicherungsnummer benutzt oder irgendetwas.« Ich versuche es mit einem Lächeln. »Ich meine, ich würde es doch wissen, wenn ich verheiratet wäre, richtig?«

Sie liest meine Sozialversicherungsnummer vor, und ich bestätige, dass sie korrekt ist. Stirnrunzelnd schaut sie auf ihren Bildschirm.

»Mit wem soll ich denn verheiratet sein?«, frage ich.

Sie schüttelt den Kopf. »Da steht nur Ihr Familienstand. Verheiratet.«

»Können Sie das nicht klarstellen?«, frage ich. Das Tourneebüro der Truppe regelt solche Sachen normalerweise.

Rosemary setzt mich davon in Kenntnis, dass nur ich eine so persönliche Angelegenheit regeln kann. Ich werde eine notariell beglaubigte eidesstattliche Erklärung in Bezug auf meinen Familienstand benötigen, die ich persönlich bei einem Justizbeamten der Stadt New York am Obersten Gerichtshof des Bundesstaates New York abholen soll.

»Ich gehe gleich morgen früh hin«, sage ich, erpicht darauf, zur Probe zurückzukehren.

»Nein, hören Sie«, sagt Rosemary, und ihr Ton wird sanfter. »Verwechslung hin oder her, wenn wir das nicht klären können, können wir Sie nicht mitnehmen. Im Moment sind Sie jemand, den wir in drei unserer Gastgeberländer nicht mitbringen können.«

»Aber ich bin nicht verheiratet! Es ist offensichtlich ein Tippfehler oder so etwas.«

»Ich weiß, das verstehe ich, aber wir müssen das unbedingt klären. Daneen wird heute an Ihrer Stelle tanzen.«

»Was?«, stoße ich hervor.

»Sie müssen diese Angelegenheit zu Ihrer obersten Priorität machen. Sie haben einen Monat Zeit, um diese eidesstattliche Erklärung zu besorgen. Ich habe mit meinen Kontaktpersonen gesprochen, und das wird mir genug Zeit geben, um diese Visa in Ordnung zu bringen. Sie halten sie offen; sie müssen nur die eidesstattliche Erklärung sehen, und dann werden sie Ihnen die mögliche Freigabe geben.«

Ich kann mein Gesicht kaum spüren. Ich werde vielleicht nicht mitfahren? Nach alldem werde ich vielleicht nicht mitfahren? »Wir können doch einfach ›verheiratet‹ als meinen Familienstand angeben und uns dann um das Problem kümmern, wenn ich zurück bin?«

»Dafür ist es zu spät«, antwortet Rosemary. »Es ist eine große Sache, wenn man seine Unterschrift auf dieser Art von offiziellem Dokument unter falsche Angaben setzt. Jetzt müssen Sie beweisen, dass die Information korrekt ist.« Sie gibt mir die Adresse des Obersten Gerichtshofes des Bundesstaates New York. Das Gericht schließt um sechzehn Uhr dreißig.

»Ich kümmere mich darum«, sage ich.

»Melden Sie sich, sobald Sie zurück sind. Wir müssen wissen, ob Sie das auf die Reihe kriegen können. Wenn Sie die Sache nicht regeln können, hat es keinen Sinn …«

Keinen Sinn, mit der Truppe zu proben. Sie braucht den Satz nicht zu beenden. »Ich werde Ihnen diese eidesstattliche Erklärung besorgen. Ich werde alles tun, was notwendig ist. Und ich werde Sie über jeden Schritt auf dem Laufenden halten. Die Sache wird sich aufklären. Das können Sie auch Mr Sevigny sagen.«

Vor dreißig Minuten war das schlimmste Problem in meinem Leben meine Knieverletzung und die Frage, ob ich mein Knie zuerst kühle und dann wärme oder umgekehrt.

Und jetzt drohen all meine kostbarsten Träume zu zerplatzen.

2

Francine

Nicht mal eine Stunde später sitze ich gesetzwidriger Weise auf dem Beifahrersitz von Noelles Post-Transporter, während wir die Canal Street entlangbrausen. Sie hat darauf bestanden, herzukommen und mich abzuholen, als ich angerufen habe. Sie will mit mir zu dem Verwaltungsbeamten gehen.

»Du denkst wirklich, du kannst einen Verwaltungsbeamten beeinflussen?«, frage ich. »Nur weil du Briefträgerin bist?«

»Ich würde nicht sagen, dass ich Einfluss habe«, sagt sie. »Eher so etwas wie eine innere Verbindung. Das sind meine Leute. Und ich bin gut darin, auf den Punkt zu kommen.«

Ich halte mich gut fest, als sie um eine Ecke biegt.

»Willst du damit sagen, ich komme nicht auf den Punkt?«

Sie schenkt mir ein schnelles Grinsen, umfährt geschickt einen Hindernisparcours aus Lieferwagen und in der zweiten Reihe parkenden Autos, während sie grimmig auf die Hupe schlägt. »Du inszenierst die Fakten manchmal, Francine, wohingegen ein Angestellter der Regierung das ganze Wann, Was, Wo und Warum schlicht und ohne Drama präsentiert haben will.«

»Willst du damit sagen, ich sei eine Drama-Queen?«, frage ich.

Sie zuckt die Achseln und biegt um eine weitere Ecke. »Das Gericht ist im nächsten Häuserblock.«

Ich nicke, und es folgt dieses Schweigen, das mich an nichts anderes denken lässt als an die vernichtende Aussicht, bei dieser Tournee nicht dabei zu sein.

»Wir werden das in Ordnung bringen«, sagt Noelle.

»Ich schwebe buchstäblich seit Monaten auf Wolke sieben«, entgegne ich. »Und ich war so vorsichtig. Ich habe nie zum Spaß Rad geschlagen. Bin über keine Pfütze gesprungen. Wann immer ich auch nur einen Fußgängerüberweg betrete, halte ich zwanghaft Ausschau nach zu schnell fahrenden Motorrädern und Fußgängern, die am Handy kleben. Wer hätte gedacht, dass mich irgendein bizarrer bürokratischer Schnitzer zu Fall bringt? Als ob ich verheiratet wäre!«

»Du bist definitiv die letzte Person, von der ich mir jemals vorstellen würde, dass sie heiratet. Du wärst eher der Typ für eine Bemerkung wie ›zum Teufel mit diesem Stück Papier!‹«, stellt sie fest.

»Wenn und falls ich mich verliebe, werde ich kein Stück Papier brauchen, um den Deal zu zementieren«, erkläre ich. »Womit ich natürlich keine unserer verheirateten Freundinnen beleidigen will. Selbst wenn sie mit Milliardären verheiratet sind«, füge ich hinzu und versuche, das Wort nicht mit dem ganzen Abscheu der Welt auszusprechen.

Noelle schnaubt. »Sag mir, wie du wirklich zu Milliardären stehst.«

Ich lache. »Du weißt, wie ich zu Milliardären stehe.«

»Ja, aber ich will es aus deinem Mund hören«, neckt Noelle mich.

Ich strahle sie an, dankbar dafür, dass sie mich auf den Arm nimmt und von meinen Problemen ablenkt. Was auch immer passiert, meine Mädels von Nummer 341 auf der 45. Straße West sind für mich da. »Du bist so eine gute Freundin.«

Sie legt eine Hand auf meinen Ärmel. »Das gebe ich gern zurück.«

Es erweist sich als wunderbar, Noelle bei mir zu haben. Sie bekommt einen Parkplatz ganz vorn in der Mitte, der für offizielle Fahrzeuge reserviert ist. Dann bringt sie mich in die genau richtige Etage, ohne auch nur auf den Wegweiser des Gebäudes zu schauen, während ich das Ding eine Stunde lang hätte studieren müssen. Sie stellt sich gut gelaunt in die Schlange.

Als wir vorn ankommen, habe ich wirklich das Gefühl, dass zwischen ihr und dem Verwaltungsbeamten ein ganz eigenes Verständnis besteht. Der Angestellte ist ein Mann mit grau meliertem Haar und dicken Brillengläsern.

»Pinoy?«, frage ich ihn.

Er sieht mich verwundert an.

»Vergessen Sie’s«, sage ich. Noelle wirft mir einen Blick zu, der deutlich sagt, ich solle nicht vom Thema abschweifen, dann erklärt sie blitzschnell die Lage und skizziert die Situation, als sei das ganze unser Puzzle, das wir zusammen hinkriegen müssen, als gehörten wir zur selben Mannschaft, als sei es niemandes Schuld.

»Man hat Sie als verheiratet aufgeführt …«, sagt er und tippt auf die Tasten.

»Sie können sich vorstellen, wie geschockt ich war, das zu hören. Es ist so was von verrückt!«, berichte ich ihm, während ich in meiner Handtasche stöbere. »Ich bin mir nicht einmal sicher, wie ich zum Thema Ehe im Allgemeinen stehe. Ich habe da noch keine Entscheidung getroffen. Natürlich sehe ich einige Vorteile …«

Noelle räuspert sich, und ich überreiche ihm meine zahlreichen Ausweispapiere. Der Angestellte tippt einige Kommandos in die Tastatur.

»Waren Sie vor neun Jahren in Las Vegas oder haben dort eine Weile verbracht?«, fragt er.

Ich versteife mich. »Ich habe einen Sommer lang dort gelebt«, antworte ich. »Ich schätze, das war vor neun Jahren.«

Er dreht sich um, schnappt sich einen Bogen Papier aus einem Drucker und schiebt ihn über den Schreibtisch. »Kommt Ihnen das hier bekannt vor? Ist das Ihre Unterschrift?«

Ich blinzle, während mein Geist die Worte interpretiert. Es ist eine Heiratsurkunde aus Nevada. Mein Name steht darauf. Und ja, es ist meine Unterschrift.

Ich überfliege die andere Spalte.

Wo der Name meines Ehemannes steht.

Benjamin Stearnes.

Ich starre auf die Buchstaben, während mein Herz rast. Benny.

Ich sehe ihn vor mir, als wäre es erst gestern gewesen. Sein sandfarbenes gewelltes Haar auf einer Seite verwuschelt, weil er sich hektisch mit den Fingern hindurchfährt. Sein intensiver Blick durch für sein Gesicht zu riesige Brillengläser – besagte Intensität, die in den meisten Fällen von seinem gewaltigen Ärger über mich herrührt. Ich stelle mir vor, wie er mit seinen ruckartigen, unkoordinierten Bewegungen einen Stapel Papiere vom Spieltisch nimmt. Er ist eher schlaksig als anmutig. Und diese Lippen – so ausdrucksvoll und schön, selbst wenn sie für gewöhnlich missbilligend verzogen sind.

»Was denken Sie?«, fragt der Angestellte.

»Da muss ein Irrtum vorliegen«, antworte ich.

»Sieht das hier wie Ihre Unterschrift aus?«, fragt er.

»Es sieht wie meine Unterschrift aus«, bestätige ich.

»Kennen Sie Benjamin Stearnes?«

Ich spüre, wie meine Wangen vor Scham heiß werden, wie es immer passiert, wenn ich an Benny denke. Ich kann auch spüren, dass Noelles Blick sich in mein Gesicht bohrt.

»Weißt du, wer das ist, Francine?«, erkundigt sie sich.

»Na ja, ich habe ihn mal gekannt«, entgegne ich. »Aber ich erinnere mich nicht daran, ihn geheiratet zu haben. Ich denke, ich würde mich daran erinnern. Es hätte eine Hochzeit gegeben. Blumen. Ein Kleid, vorzugsweise eine anständige Abendrobe …«

»Seid ihr zwei zusammen gewesen oder so etwas?«, fragt Noelle, bevor ich das Ganze näher erläutern kann.

»Nein, nicht wirklich.«

Sie kneift die Augen zusammen. »Nicht wirklich?«

Sie will mehr, aber ich weiß nicht, ob ich es ihr geben kann. Ich habe keine Ahnung, wie ich charakterisieren soll, was Benny und ich waren. »Wir haben zusammen gearbeitet. Wir waren eher Arbeitskollegen als irgendetwas anderes.«

»Hören Sie«, schaltet der Angestellte sich ein. »Ich kann Ihnen keine notariell beglaubigte Erklärung ausstellen, die Sie als ledig ausweist, bis ich einen Beweis dafür habe, dass diese Ehe ungültig ist. Und es tut mir leid, aber ich kann ehrlich gesagt nichts finden, das für mich darauf hindeutet, dass dies kein rechtsgültiges juristisches Dokument ist.«

»Ich brauche ganz schnell für eine Auslandsreise eine eidesstattliche Erklärung, die meinen ledigen Status bestätigt«, flehe ich.

»Dann werden Sie einen Beweis dafür finden müssen, dass dieses Dokument ungültig ist«, sagt der Angestellte. »Mein Vorschlag wären Scheidungspapiere. Laden Sie Scheidungspapiere herunter, spüren Sie diesen Typen auf, und lassen Sie sie unterschreiben. Wenn Sie mir das zeigen, werde ich Ihnen Ihre eidesstattliche Erklärung geben.«

»Wie lange wird das dauern?«, frage ich.

»Das kann ich hier ausstellen, aber um einen Richter dazu zu bewegen, Ihr Scheidungsurteil zu unterzeichnen, wenn das Ihr Wunsch ist, das könnte einige Wochen in Anspruch nehmen. Vorausgesetzt, es gibt keine Streitfragen.«

»Benny ist … wahrscheinlich nicht mein größter Fan«, flüstere ich, während ich beobachte, wie meine Welt zusammenbricht.

»Sei nicht verrückt. Alle lieben dich.« Noelle zupft an meinem Ärmel. »Komm mit.«

»Ich weiß nicht einmal, wo ich ihn finden kann …«, fahre ich fort.

Jemand brummt hinter uns etwas Unverständliches. Ich merke, dass Noelle und der Angestellte Blicke tauschen.

»Komm, lass uns nach einer Lösung suchen, während er sich um den nächsten Kunden kümmert.« Sie zieht mich aus dem großen Raum, der sich jetzt stickig anfühlt. Wir setzen uns im Flur auf Plastikstühle. Ich starre verwundert auf das Papier.

»Hör mal, das funktioniert trotzdem«, beteuert Noelle. »Wir wissen, wie wir das Problem beheben können. Du musst ihn sofort finden und dir diese Unterschrift geben lassen, und dann hoffen wir auf einen Richter, der die Sache sofort über die Bühne bringen kann. Das lässt sich machen!«

»Mir bleibt nur ein Monat«, sage ich, »oder sie werden sich eine andere zweite Solistin suchen!«

»Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht auf die Reihe kriegen sollten«, sagt sie. »Stimmt’s?« Sie umarmt mich leicht. Ich bin mir sicher, dass es sich für sie so anfühlt, als würde sie eine große Mumie umarmen.

Benjamin Stearnes?

»Das schaffen wir!«, verspricht sie. Süße Noelle. Immer so positiv. Es war ihr positives Denken, das unser Gebäude vor dem Abriss gerettet hat.

Aber sie kennt Benny nicht.

»Er wird nicht gerade begeistert sein, mich zu sehen«, brumme ich.

»Wer wäre nicht begeistert, dich zu sehen?«, erwidert Noelle.

»Benny zum Beispiel.«

»Also war er dein Kollege?«

»Er war der verantwortliche Techniker bei der Show, in der ich getanzt habe. Ein totaler Nerd, mürrisch und eine soziale Null, und ich war damals ein außer Kontrolle geratener charismatischer Schmetterling und … es war seltsam zwischen uns.«

»Ihr habt euch nicht gut verstanden?«, hakt Noelle nach.

Ich denke eine Weile darüber nach und beobachte all die Leute, die durch den Flur zu ihren verschiedenen Gerichtsterminen gehen. »Tatsächlich war ich in ihn verknallt. Es war eine dieser seltsamen Schwärmereien. Ich meine, er war total nicht mein Typ damals. Und er hat meine Zuneigung definitiv nicht erwidert. Er hat sich wirklich, wirklich über mich geärgert. Ich schätze, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, daher habe ich richtig Gas gegeben. Irgendwie so, als würde man in einen Bienenstock piksen. Es war eine Art Zwang. Ich war ein wenig fasziniert von ihm.«

»Ist es möglich, dass ihr in einer einzigen Nacht keine hasserfüllten Gegner wart?«, fragt sie.

Ich starre auf das Blatt Papier. »Ähm … möglich wäre das«, gebe ich zu.

»Schluck«, sagt Noelle und wartet auf mehr. »Erzähl.«

Ich zeichne mit dem Zeigefinger die feinen Linien des Plastikstuhls nach. »Es gab da eine kleine betrunkene Eskapade.«

»So etwas wie einen One-Night-Stand?«

»Nein, wir hatten keinen Sex. Es war mehr so, dass wir uns beide auf der Party am letzten Abend der Show total betrunken haben, und wir haben diese lustige, wilde Nacht miteinander verbracht. Benny hat diese wirklich witzige Version von Alejandro gesungen – die ganze Show war um Alejandro herum aufgebaut, diesen Song von Lady Gaga – und für mich war es das Wunderbarste überhaupt, als Benny das Lied gesungen hat, und dann gab es noch mehr Tequila. Und dann waren Benny und ich irgendwo anders, haben angeregte Gespräche geführt, und alles war spaßig und crazy und aufregend. Dann bin ich am nächsten Morgen in seinem Bett aufgewacht.«

»Aber ihr habt nicht …«

»Nein, ich war angezogen. Er lag auf dem Sofa. Aber ich habe versucht, ihn anzumachen. Es war so … uh! Er hatte wirklich gar kein Interesse!« Ich winde mich bei der Erinnerung daran, wie er mit sanfter Gewalt meine Hände von seiner Brust gezogen hat, als seien es riesige Kletten. »Ich war so gedemütigt, als ich mich daran erinnerte, was ich getan hatte! Die Show war ohnehin vorbei, und ich wollte definitiv nicht bleiben und abwarten, was er für sarkastische, genervte Dinge zu sagen haben würde. Oder schlimmer noch, ich wollte mir sein Mitleid und seine Abscheu nicht antun. Ich bin verschwunden, sobald ich aufgewacht bin.«

»Du bist gegangen?«

»Na, die Show war zu Ende, und ich fand die ganze Sache schrecklich demütigend! Ich habe sogar meinen Flug vorverlegt.«

»Ist es möglich, dass er dich gernhatte?«

»Auf keinen Fall. Benny interessierte sich nur für Computerspiele und Robotertechnik, und er hat sehr deutlich gemacht, dass ich ihn geärgert habe. Oder ihn genervt habe – das ist das Wort, das er verwenden würde. ›Dieser Router ist total nervig‹«, sage ich mit meiner verärgertsten Benny-Stimme. »›Dieser Router ist zu achtundneunzig Komma fünf Prozent pure Nervigkeit!‹«

»Komm schon, Nervensäge«, sagt Noelle und zieht mich von dem Stuhl hoch. »Ich muss zurück zu meiner Route, und du musst einen Ehemann finden.«

»Einen Ehemann«, wiederhole ich und folge ihr zu dem antiken Aufzug des Gerichtsgebäudes.

»Ich kann nicht glauben, dass du all diese Jahre verheiratet warst und es nicht einmal selbst gewusst hast! Das sieht dir derart ähnlich.« Sie drückt auf den Knopf nach unten und dreht sich zu mir um. »Aber auf eine sympathische Weise«, fügt sie angesichts meines Stirnrunzelns hinzu.

»Wenn ich überhaupt mit ihm verheiratet bin. Vielleicht findet irgendjemand so was ja komisch?«, sage ich hoffnungsvoll. »Vielleicht haben unsere Freunde aus der Show das arrangiert.«

»Ein ziemlich derber Scherz«, erwidert sie. »Gefälschte Dokumente einzureichen und so weiter.«

»Ich muss das in Ordnung bringen«, murmele ich. »Diese Tournee bedeutet mir alles.«

Verheiratet mit Benny!

Wir steigen aus dem Aufzug und verlassen das Gebäude. Der Gehsteig ist belebt, es ist Ende April, diese herrliche Zeit, bevor die Hitze anfängt, die Mülltonnen zu grillen.

»Du hast gedacht, er sei Filipino«, bemerkt sie. Sie weiß von meinem Trick, dass ich, wann immer ich jemanden sehe, den ich für einen Filipino halte, frage: »Pinoy?«, und wenn der Betreffende verwirrt wirkt, weiß ich, dass er kein Filipino ist, aber wenn der andere grinst und mich in ein Gespräch verwickelt, gibt es eine Verbindung und vielleicht sogar ein witziges Gespräch.

»Ich habe es für möglich gehalten«, entgegne ich.

»Ich hatte total vergessen, dass du mal in Vegas warst«, bemerkt Noelle, sobald wir in ihrem Posttransporter sitzen und uns auf den Rückweg machen. »Du redest nie darüber.«

»Es war nur ein einziger Sommer«, sage ich, während ich Benny googele. Mein Vierunddreißig-Monate-Vertrag mit der Nevada Met war ausgelaufen, und ich hatte ein Auge auf Gotham geworfen und auf einige der anderen Truppen hier, aber das Vortanzen fand erst im Winter statt, daher hatte ich einen Sommer Zeit, um zu arbeiten und Geld zu sparen. Beau Cirque Fantastique hat Leute gesucht, und sie haben wirklich gut bezahlt.«

»Ist das so etwas wie der Cirque du Soleil?«, fragt sie.

»Ja. Eine ballettlastige Version des Cirque. Mehr Springen, weniger Trapeze. Glamouröse Aufmachung mit kunstvoller Beleuchtung.« Ich scrolle durch die endlosen Benjamin Stearneses. »Das ist schlecht. Es gibt da draußen jede Menge Ben Stearneses! Wie ist das möglich, dass dieser Name so weit verbreitet ist?«

»In den USA leben 365 Millionen Menschen«, antwortet Noelle. »So ziemlich jeder Name ist weit verbreitet, wenn jemand nicht gerade Podunk Katzweiler heißt.«

»Wer würde sein Kind so nennen?«

»Das willst du gar nicht wissen.« Als Postbotin weiß Noelle solche Dinge.

»Vielleicht ist er ja immer noch in Vegas. Vielleicht finde ich ihn, wenn ich es auf Facebook versuche …« Ich google Ben Stearnes und Las Vegas auf Facebook. Ich finde einige, aber die Bilder sind falsch. Bei vielen der Konten ist gar kein Foto beigefügt. Was ist, wenn es sich bei einem von ihnen um Benny handelt? Er wäre genau der Typ Mann, der auf Facebook kein Foto veröffentlichen würde. Vielleicht ist er nicht einmal bei Facebook. Er war nie ein großer Fan von sozialer Interaktion.

»Steht auf der Heiratsurkunde nicht seine Sozialversicherungsnummer?«, fragt sie.

»Oh, richtig«, sage ich. »Wie suche ich damit?«

»Wir werden Willow darauf ansetzen«, schlägt Noelle vor. »Oder sogar Lizzie. Cookie Madness stellt ständig Leute ein. Sie hat wahrscheinlich einen Service, der Background-Checks erledigt.«

»Wie konnte das nur passieren? Es ist wahrscheinlich meine Schuld. Ich war damals superverrückt.«

»Mit einundzwanzig waren wir alle verrückt«, besänftigt sie mich. »Aber Mann! Du warst in einer dieser großen, glamourösen Vegas-Shows? Das ist unglaublich cool!«

»Ich war nur eine Backgroundtänzerin. Benny hatte den großen Job – er war für die gesamte Technik zuständig. Zu einer gewaltigen Lightshow, wie wir sie im Beau Cirque hatten, gehört eine Wahnsinnsmenge an Robotik und Computerisierung.«

»Denkst du, er könnte immer noch in der Theaterwelt sein?«, fragt Noelle. »Vielleicht ist er nach Los Angeles gezogen oder irgendetwas.«

»Ich weiß nicht. Er hat es gehasst, wenn man ihm gesagt hat, was er tun soll, hat es gehasst, für andere Leute zu arbeiten. Die meisten Leute hassen Bosse, aber Benny …« Ich ertappe mich bei einem Lächeln, als ich mich an seine mürrische Unbeholfenheit erinnere. »Benny hat Menschen im Allgemeinen gehasst.«

Allein der Gedanke daran, ihn zu berühren, erschien mir seltsam verboten, als hätte er ein intensives Kraftfeld um sich herum. Ein Kraftfeld, das ich niemals durchdringen könnte. Bis zu jener Nacht, in der ich mich wie eine sexsüchtige Idiotin aufgeführt habe.

»Mit Bestimmtheit weiß ich nur, dass er wahrscheinlich am Ende bei irgendeiner total technischen Beschäftigung gelandet ist. Und ich kann ihn mir definitiv nicht verheiratet vorstellen, mit einer Familie oder etwas Derartigem.«

»Na ja, Francine, nach dem Stück Papier zu urteilen, das du da hast, ist er mit dir verheiratet.«

»Nein, das ist nicht real.«

»Es ist real, und was noch hinzukommt, eine gegenwärtige Ehe ist die Art von Sache, die aufgeflogen wäre, wenn er sich um eine Heiratslizenz bemüht hätte. Genau wie im Fall deiner Visa. Er wird wahrscheinlich genauso überrascht sein wie du.«

Ich klammere mich daran fest, als gelte es um mein Leben, als sie um eine Ecke biegt.

»Denkst du nicht?«, ruft sie laut, um Presslufthämmer in der Nähe zu übertönen. »Vielleicht wird er überrascht sein. Vielleicht wird er es sogar witzig finden!«

Ich sitze da und schaue zu, wie die Gebäude vorbeiziehen. »Er wird es nicht witzig finden.«

3

Francine

Tabitha steht mit einem Krug, der bis zum Rand mit funkelnder pinkfarbener Flüssigkeit gefüllt ist, vor mir. Sie bedeutet mir, ihr mein Glas hinzuhalten. »Komm schon, Francine«, sagt sie.

»Ja, du trinkst für zwei Partys«, wirft Mia ein. »Das hier ist dein Junggesellinnenabschied und deine Brautgeschenkeparty.«

»Und deine Feier einer bevorstehenden Scheidung!«, ergänzt Tabitha. »Und Glückwünsche zu deinem One-Night-Stand und deiner Hochzeit in Vegas, an die du dich absolut nicht erinnern kannst.«

»Ähm, danke?«, erwidere ich. Ich halte ihr mein Glas hin. Ich erlaube ihr nur, einen Zentimeter hineinzuschütten, dann fülle ich den Rest mit kohlensäurehaltigem Wasser auf. Hot Pink Barbie, der Cocktail, ist Tabithas Markenzeichen, enthält Gott weiß was, und er schmeckt wie Bonbons. Ich vermeide Alkohol, wenn ich im Probenmodus bin. Dann bin ich gern hellwach.

Es klopft an der Tür, und Noelle springt auf, um sie zu öffnen. Die Neuigkeit über mein Ehegelübde hat sich schnell im Gebäude verbreitet, sogar bis zu denjenigen unserer Freunde, die bereits ausgezogen sind. Irgendwie bin ich froh darüber. Es lenkt mich von der Möglichkeit ab, dass mein Traum komplett den Bach runtergehen könnte.

Lizzie platzt herein und umklammert ihren Mantel und einen großen weißen Karton. »Wenn ich recht verstehe, sind Glückwünsche angebracht!«

Ich hebe eine Hand. »Bitte«, murmele ich. »Ich weiß nicht mal, was ich sagen soll.«

»Keine Sorge, wir werden deinen vermissten Vegas-Ehemann aufspüren!« Sie stellt die Schachtel auf den Couchtisch und öffnet den Deckel. Die Schachtel ist voller glasierter Kekse in der Form von Hochzeitsglocken. »Alles Gute zur Hochzeit! Und zur bevorstehenden Scheidung! Juhu!«

Antonio, unser hauseigenes heißes italienisches Model, kommt mit einem Sixpack Bier und einem Eightpack unter seinem Hemd hereinstolziert. »Nicht mehr zu haben«, sagt er traurig und fügt etwas auf Italienisch hinzu. Dann schlägt er sich dramatisch mit einer Hand auf die Brust. »Mir bricht das Herz, stellina!«

»Oh nein, es sind nur noch eine Million Mädchen übrig für deine pausenlosen Dates«, entgegne ich. »Was um alles in der Welt wirst du tun?«

Mia schnappt sich einen Keks. »Das Gute an Hot Pink Barbies ist, dass sie die Art von alkoholischen Drinks sind, die perfekt zu Keksen passen. Das muss man bei einem Drink wirklich zu schätzen wissen.«

»Ganz meine Meinung!« Tabitha grinst. »Ich weiß es sogar sehr zu schätzen.«

Lizzie stellt ihren Laptop auf den Küchentisch. »Okay, ich habe all meine Sachen für einen Background-Check mitgebracht. Du hast eine Sozialversicherungsnummer für mich?«

Ich schiebe ihr die Formulare über den Tisch und setze mich auf einen Stuhl ihr gegenüber.

Kelsey kommt und setzt sich neben mich. »Keine Sorge, wir werden das schon hinkriegen. Du wirst auf deine Tournee gehen.«

»Ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn ich es nicht kann«, sage ich.

»Nun, wenn du nicht auf Tournee gehst, wird zumindest dein Knie glücklich sein«, bemerkt Kelsey.

Ich werfe ihr einen bösen Blick zu. »Das Knie ist auch jetzt glücklich. Das Knie brennt darauf, auf Tournee zu gehen.«

»Ja, klar«, erwidert Kelsey. »Positiv gesehen hast du einen unerwarteten freien Tag!«

Kelsey ist ebenfalls Tänzerin. Sie tritt zusammen mit Mia in der großen Produktion Anything Goes auf. Kelsey weiß, wie brutal der Zeitplan einer Tänzerin sein kann – stundenlange Trainingseinheiten und Proben, ohne Pause zwischendurch. Sie weiß, was eine Knieverletzung bedeuten kann, aber nichts wird mich von meiner internationalen Tournee abhalten. Es sei denn, wir kriegen diesen Scheidungspapierkram nicht rechtzeitig auf die Reihe, doch ich gestatte mir nicht, an diese Möglichkeit zu denken.

Noelle erzählt allen, was ich über Benny gesagt habe und über seine schrulligen Angewohnheiten. Ich ergänze einige zusätzliche Details, was Benny betrifft. Seinen zornigen Blick, wenn ich mit den anderen Mitgliedern des Ensembles gelacht habe. Seine Verdrossenheit bei morgendlichen Meetings. Die verschiedenen Stufen von extremer Genervtheit, die er zur Schau gestellt hat. »Es gab den Zustand der nationalen Verteidigungsbereitschaft, die nukleare Stufe, die quantenmechanische, die Platinstufe, obwohl das jetzt nicht die richtige Reihenfolge der Extreme ist.«

»Du hattest Namen für seine verschiedenen Levels von Genervtheit?«, fragt Tabitha. »Hammer!«

»Wir brauchen ein Foto! War er süß?«, fragt Kelsey.

»Weiß ich nicht.«

»Wieso weißt du das nicht?«

»Ganz einfach, er war so …« So Benny, will ich erklären. »Er war einfach so ein perfekter Miesepeter und hat die Welt durch diese große Brille angefunkelt. Er hat einem keine Chance gegeben zu entscheiden, ob er süß ist, versteht ihr? Selbst seine Art zu sprechen – keine Nettigkeiten, einfach total abrupt und unhöflich. Und er hat sich mit null Anmut bewegt.«

»Unbeholfen?«, fragt Antonio.

»Nein, eher auf seltsame Weise effizient und ohne Anmut. Er hat hart und unheimlich schnell getippt, und wenn man auf den Computerbildschirm schaute, waren da all diese verrückten Zeilen von Codes, wie etwas von einem anderen Planeten. Wenn er seine roboterhaften kleinen Sachen korrigiert hat, sind seine Finger einfach über die Tastatur geflogen, nur Knöchel und harte Kanten.«

Ich schaue auf meinen Drink hinab und denke daran, wie er sich durch die Welt bewegt hat, voll schlaksiger Intensität. Aber dann hatte er auch etwas absolut Brillantes. Die Leute haben in ihm diesen Nerd gesehen, aber ich wusste, dass seine Distanz seiner Zielgerichtetheit entsprang, einer einzigartigen Leidenschaft, die alle anderen ausgeschlossen hat.

Ich konnte es nachempfinden. Die Fixierung auf etwas, das alles andere ausschloss, das ist genau die Art, wie ich seit dem zarten Alter von fünf Jahren lebe. So bringt man es an die Spitze der auf extremen Wettbewerb konzentrierten Ballettwelt.

Also habe ich viel Zeit damit verbracht, mich zu fragen, wie es wäre, mit ihm befreundet zu sein, mich zu fragen, wie es wäre, seine Geliebte zu sein. Ich konnte nicht anders. Irgendetwas an all dieser rauen Leidenschaft zog mich an.

»Gesichtszüge einigermaßen symmetrisch?«, dringt Mia in mich. »Haarfarbe?«

»Ähm … staubig braunes Haar, strubbelige Frisur, als sei er auf seiner Tastatur eingeschlafen und hätte dann nur noch fünf Minuten Zeit gehabt, sich frisch zu machen. Braune Haut, die in der Wüstensonne einen Bronzeton annimmt. Hellbraune Augen. Er hat dieses komplett sepiafarbene Erscheinungsbild und dazu ein tiefschwarzes Brillengestell, um einen besser anfunkeln zu können.«

»Buchstäblich anfunkeln?«, hakt Lizzie nach.

»Er hat sogar meine seltsamen T-Shirts gehasst.«

»Wie kann irgendjemand deine seltsamen T-Shirts hassen?«, fragt Kelsey.

»Da musst du Benny fragen. Oder vielleicht auch nicht.« Ich lächle bei der Erinnerung an das alles. »Am meisten hat er unsinnige T-Shirts gehasst. Dann hat er Dinge gesagt wie: ›Was soll das überhaupt heißen?‹ Und ich habe Dinge gesagt wie: ›Ich weiß, dass du es von ganzem Herzen haben willst.‹ Was immer er gehasst hat, ich habe so getan, als wolle er es unbedingt haben.«

»Ich wette, dass du das getan hast«, erwidert Tabitha.

»Die wenigen Male, die wir tatsächlich auf einer Wellenlänge waren, waren Gelegenheiten, bei denen er seine Genervtheit geäußert hat. Und wir hatten außerdem Kinder, mit denen wir angegeben haben, indem wir uns über ihre Genialität beklagten.«

»Moment mal, was?«, fragt Kelsey.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich versuchen soll, das zu erklären, aber jetzt starren mich alle an.

»Einer unserer wirklich fiesen Bühnenmanager hat ständig angegeben und dabei gejammert, also habe ich angefangen, mit meiner Tochter Monique zu prahlen, die ich angeblich hatte. ›Oh, ich war die ganze Nacht auf und habe gestrickt, während Monique für ihr Projekt in der dritten Klasse die Werke von Balzac ins Chinesische übersetzt hat. Sie war einfach nicht zufrieden mit den Übersetzungen auf dem Markt. Sie ist so ein wählerisches Kind!‹«

»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass du das getan hast«, sagt Noelle – sarkastisch.

»Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich nicht gefeuert worden bin. Aber es war total witzig, und wann immer die Leute sauer auf diesen idiotischen Bühnenmanager waren, haben sie sich bei mir nach Monique erkundigt. Natürlich hat Benny mich bei diesen Gelegenheiten nur angefunkelt. Es ist nicht so, als hätte er den Manager besser leiden können als der Rest von uns, er war einfach genervt. Und dann schien Benny eines Tages so wütend auf mich zu sein, als ich wieder angegeben und dabei gejammert habe …« Ich grinse bei der Erinnerung. »Ich habe Dinge gesagt wie: ›Es ist so schwer mit einem so genialen Kind wie Monique – die Menschen verstehen nicht, wie problematisch ein begabtes Kind sein kann. Allein das Französisch-Studium …‹ Und plötzlich wirft Benny ein: ›Mein Sohn Igor ist so kreativ, dass er nichts mit Französisch zu tun haben will, daher habe ich ihn für klingonische Sprachstudien angemeldet. Aber es ist so mühsam, ein so frühreifes Kind zu haben, das kein Interesse daran hat, der Herde zu folgen.‹ Wir waren alle total schockiert, weil er sich nie an unseren Gesprächen beteiligte. Und plötzlich erwiderte er meine Prahlerei mit gleicher Münze. Und es war eine gute Prahlerei.«

»Und vorher hat er nie mit dir geredet?«, fragt Kelsey.

»Nicht oft! Wir waren alle verblüfft, weil Mister Gesellschaftlich Unbeholfen Sinn für Humor hatte. Und es ist so weitergegangen. Wir hatten Prahl-Wettbewerbe. Ich fand es witzig, aber für ihn, denke ich, war es eher eine Ausweitung seiner extremen Unzufriedenheit mit mir.«

»Huh«, murmelt Antonio.

»Manchmal hat Benny mich angefunkelt, und dann habe ich meine erfundene Sorge darüber geäußert, dass Igor viktorianische Krankheiten haben könnte. Ich habe mich zum Beispiel nach Igors Skorbut erkundigt, und er hat dann Dinge gesagt wie: ›Wir sind nur dankbar dafür, dass Igors sehr milde Erkrankung nicht zu einem so tragischen Fall geworden ist wie Moniques Rachitis. Nichts für ungut natürlich, wir waren alle sehr besorgt.‹ Ich war verblüfft«, erzähle ich weiter. »Der chronisch genervte Benjamin Stearnes machte mit anderen zusammen Witze.«

Noelle kneift die Augen zusammen. »Also ging es bei eurer Kommunikation hauptsächlich darum, dass ihr imaginäre Kinder hattet, die miteinander konkurriert haben?«

Ich nicke.

Mia lässt sich auf das Sofa fallen. »Also wart ihr beide im Grunde Spinner mit einem verrückten Sinn für Humor. So verstehe ich es jedenfalls.«

»Das war so ziemlich unsere einzige Kommunikation! Obwohl es auch finstere Blicke und Gemurre gab«, berichte ich. »Und ich habe ihn bei dieser einen Gelegenheit zum Kaffee eingeladen, und er hat nur gesagt: ›Was?‹«

Mia reißt die Augen auf. »Du hast ihn zum Kaffee eingeladen?«

»Ich habe ihn einfach gemocht, keine Ahnung. Wir hatten ja diese witzige Sache mit Igor und Monique am Laufen. Wenn man bedenkt, dass er das komplette Gegenteil meines Typs war und mich nervig fand, weiß ich nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Ich bin eines Tages damit herausgeplatzt. Das hat sich ungefähr so angehört: ›Dieses Café bietet zwei Tassen zum Preis von einer an, willst du mitkommen?‹, und er hat ein Nein gestottert. Er konnte gar nicht schnell genug Nein sagen.«

»Also hast du ihn eingeladen, obwohl er das Gegenteil deines Typs war«, hakt Mia nach.

»Ja, ich konnte einfach nicht anders, und dann kam ich mir wie eine Idiotin vor. Die Anziehung, die er auf mich ausgeübt hat, war ohnehin merkwürdig. Und natürlich hätte ihm das die Möglichkeit genommen, die Männer zu kritisieren, mit denen ich ausgegangen bin, jedes Mal wenn sie aufgetaucht sind, um mich abzuholen.«

Ich berichte, dass Beau Cirque dieses billige Mietangebot für Arbeiter in seinem Apartment-Komplex hatte, daher haben wir alle dort gewohnt. Benny hat gern draußen im Garten gearbeitet, um einem Gebäude voller lauter Theaterleute zu entfliehen.

»Ich konnte mich immer darauf verlassen, dass er die Augen verdreht, wenn Männer mich abgeholt haben«, füge ich hinzu.

Ich habe die Aufmerksamkeit aller anderen im Raum. Normalerweise rede ich nie über meine Tage beim Beau Cirque, größtenteils wegen der Art, wie sie geendet haben: Ich habe Benny nämlich schamlos angemacht.

»Denkst du, dass er eifersüchtig auf deine anderen Dates war?«, fragt Tabitha.

»Nein, so war er einfach. Er hat diese kleinen Bemerkungen gemacht, wie: ›Jemand muss die Fabriken für Haarprodukte überprüfen, da hat ein Raubüberfall stattgefunden‹, oder ›Nettes Dummkopf-Hemd‹ und ich habe Dinge geantwortet wie: ›Ich liebe dieses Hemd, und wir werden einen fabelhaften Abend in der Stadt haben.‹«

»Ihr habt einander angestachelt«, bemerkt Tabitha.

»Ich schätze, ja.« Ich stupse das halb geschmolzene Eis in meinem Drink an. »Oder er war besonders vernichtend, wenn sie in Limousinen gekommen sind. Das hat sich so angehört: ›Oh, sieh mal, du wirst in einem fahrenden Minderwertigkeitskomplex abgeholt – ich meine in einer Limo.‹ Er hat mir mit seinen blöden Bemerkungen definitiv einige Dates ruiniert.«

»Stopp mal!«, sagt Lizzie.

»Was?«

Jetzt starren mich alle nur an.

»Du bist mit Männern in Limousinen ausgegangen?«, fragt Mia schockiert.

»Es war eine seltsame Zeit für mich«, verteidige ich mich.

»Tut mir leid, das haut mich einfach um«, kommentiert Mia. »Du denkst, reiche Männer wären die schlimmsten. Alle durch die Bank – Millionäre und ganz besonders Milliardäre. Tatsächlich meine ich mich zu erinnern, dass du letztes Jahr gesagt hast, Milliardäre seien die Geißel der Erde!«

Mein Gesicht wird heiß. Ich habe tatsächlich gesagt, dass Milliardäre die Geißel der Erde seien, was jetzt superpeinlich ist, da einige meiner Freundinnen etwas mit Milliardären am Laufen haben. »Ich hasse eure Milliardäre aber nicht«, verdeutliche ich meinen Standpunkt. »Nur alle anderen.«

Noelle schnaubt. »Das wird sie sehr interessieren.«

»Halt die Klappe«, sage ich. »Ich werde nicht hier sitzen und über eure Männer meckern.«

Mia wirft ein Kissen nach mir. »Erzähl es uns! Wo liegt das Problem bei Milliardären?«

»Na ja, ernsthaft!«, sage ich lachend. »Ich meine, eine Milliarde Dollar? So viel Geld musstest du verdienen? Das ist es, womit du deine Zeit verbracht hast?«

Noelle lacht und klatscht in die Hände.

»Hast du je etwas von Wohltätigkeit gehört?«, rede ich weiter. »Von einfacher, ehrlicher Arbeit? Arbeit mit deinen Händen? Aber« – ich drehe mich zu Noelle um – »du weißt, dass ich für Malcolm immer eine Ausnahme mache. Nach einem schwierigen Start ist er ganz offensichtlich einer von den Guten. Und na schön, das Gleiche gilt für Theo. Max. Rex. Die Milliardäre, die ihr euch ausgesucht habt, sind offensichtlich ganz große Klasse. Tatsächlich wäscht ihr guter Geschmack, den sie damit bewiesen haben, euch auszusuchen, sie ein wenig rein.«

»Aber nur ein wenig«, neckt Tabitha mich.

»Nur ein wenig«, bestätige ich.

Noelle grinst. »Arme Francine. Wann immer du den Blick abwendest, schnappt sich ein Milliardär eine deiner Freundinnen!«

»Das ist wahr! Ist es zu viel verlangt, dass sich eine meiner Freundinnen vielleicht einen Mann aussucht, dessen Vermögen sich auf Tausende beschränkt? Tausionäre! Tausionäre sind super! Sexy Barkeeper, heiße Musiker, verschwitzte Bauarbeiter, atemberaubende Tierärzte. Ich meine, hallo? Millionäre und Milliardäre, als ob.«

Alle lachen. »Deshalb lieben wir dich, Baby!«, sagt Mia.

Kelsey sagt: »Mir fällt es immer noch schwer, mir dich mit einem Mann in einer Limousine vorzustellen.«

»Ernsthaft, ich wusste nichts vom Leben! Ich war seit meinem zehnten Lebensjahr in strengen Ballett-Internaten.« Ich deute mit einer Babykarotte auf sie. »Während ihr alle zum Schulball, zu Footballspielen und zu Bierpartys gegangen seid oder Pyjamapartys gefeiert habt. Die einzige Musik, die ich auswendig kannte, ist vor zweihundert Jahren geschrieben worden, von Männern in gepuderten Perücken. Plötzlich stehe ich ganz allein in der Stadt der Sünde ohne einen Zehn-Stunden-Plan jeden Tag? Und ohne täglichen Körpergewichts-Check? Ich wollte endlich in Clubs gehen und mich mit glamourösen Männern treffen und essen, was immer ich wollte.«

»Wie Rumspringa«, bemerkt Lizzie. »Wenn Kinder der Amish in unsere Welt kommen und dann ganz viel Sex haben.«

»Ich schätze, ja«, pflichte ich ihr bei. »Und die Tänzer im Beau Cirque waren so hip und witzig, und ich wollte dazugehören, und plötzlich habe ich dazugehört. Es sei denn natürlich, ihr würdet Benny fragen. Schon wie er da saß und sich auf mich eingeschossen hatte, mit total finsterem und vorwurfsvollem Blick. Ich wusste, dass ich nur eine Wahl hatte: einknicken oder genau so heftig zurückschlagen.«

»Du weißt, dass er wahrscheinlich in dich verliebt war«, behauptet Mia. »Das weißt du doch, stimmt’s?«

»Nie und nimmer«, widerspreche ich. »Du hättest dabei sein sollen.«

»Du bist eine wunderschöne, lebhafte, eigensinnige Tänzerin. Er war ein verdrossener Außenseiter und verzweifelt in dich verliebt.«

»Ganz sicher nicht«, kontere ich.

»Der nerdige Lieblingsfeind, der sich nach dir verzehrt«, fährt sie fort.

»Ich verspreche dir, er hat nicht in diese Richtung gedacht. Sein ausschließlicher Fokus galt seinen kleinen Erfindungen und seinen schrulligen Beschäftigungen.«

»Und dir«, wirft Lizzie ein.

»Und dann betrinke ich mich wie eine Närrin und werfe mich ihm an den Hals. Weil ich es anscheinend liebe, von ihm zurückgewiesen zu werden.«

»Und vergiss nicht, dass du ihn geheiratet hast«, stellt Kelsey fest.

Ich schüttele den Kopf.

»Ich kann immer noch nicht darüber hinwegkommen, dass du in Limousinen gefahren bist«, bemerkt Mia.

Lizzie schaut vom Laptop auf, wo sie ihre Recherchen angestellt hat. »Du würdest eher einen schauderhaften Tod sterben, bevor du mit einem Milliardär ausgehen würdest, stimmt’s?«, fragt sie. »Hast du das nicht mal gesagt?«

»Ja, genau«, bestätige ich. »Ich würde lieber einen schauderhaften Tod sterben, als mit einem Milliardär auszugehen.«

Lizzie grinst breit. »Aber du würdest einen heiraten?«

»Wohl kaum!«, schnaube ich. »Noch einmal, nichts gegen eure Männer!«

»Würdest du einen schauerlichen Tod sterben, ehe du einen Milliardär heiraten würdest?«, fragt sie mich in einem ganz seltsamen Ton. »Einen schauerlichen und entsetzlichen Tod?«

Ich zucke die Achseln. »Was soll ich noch sagen?«

»Nun, Francine«, kräht Lizzie, »das hier ist nicht nur deine Brautgeschenkeparty und dein Junggesellinnenabschied, sondern ich fürchte, es ist auch deine Beerdigung.«

»Was meinst du damit?«, frage ich.

»Benjamin Frederic Stearnes, geboren in Detroit, Michigan …« Sie sieht mich mit einem gewaltigen Grinsen an.

»Genau, das ist er!«, sage ich. »Er kommt aus Detroit.«

»Hier ist das Forbes Magazine, eine Ausgabe von vor fünf Jahren: Tech-Unternehmer Benjamin Stearnes enthüllt seinen neuen Mikroroboter-Partikelfänger. Die Reduktion seiner Energiequelle ist ein signifikanter Vorteil für die winzigen Roboter, die dazu geschaffen werden, Feinstaub in der Produktion und im industriellen Umfeld zu eliminieren. Diese neue Innovation wird gewiss im Laufe der nächsten fünf bis zehn Jahre den Marktanteil des Milliarden-Dollar-Unternehmens zementieren.«

»Du bist so eine Lügnerin«, sage ich. »Das hast du erfunden!«

»Ich habe es nicht erfunden! Denkst du, ich könnte mir so etwas einfach aus den Fingern saugen?« Lizzie dreht den Laptop zu mir um.

Ich überfliege den Artikel. »Vielleicht gibt es noch einen Benjamin Stearnes aus Detroit.«

»Es könnte noch einen Benjamin Stearnes aus Detroit geben«, räumt Lizzie ein. »Aber keinen Benjamin Stearnes mit der Sozialversicherungsnummer deines Benjamin Stearnes’.«

»Nie und nimmer«, wende ich ein. »Ich muss ein Foto sehen. Das ist einfach … nie und nimmer. Der soll Benny sein?«

»Heilige Scheiße«, murmelt Tabitha und starrt auf ihr Handy. »Herzaugensmiley!«

»Was?« Mia geht hinüber und bettet das Kinn auf Tabithas Schulter. Ihre Augen weiten sich. »Schnappatmung!«

»Zeigt mal her!«, fordere ich sie auf.

Kelsey drängelt sich dazwischen. »Francine! Du hast Geheimnisse vor uns. Dein heimlicher milliardenschwerer Ehemann ist ein ziemlich prachtvoller Bursche. Er könnte sogar noch heißer sein als Antonio.«

»Stellina, du machst mich fertig«, sagt Antonio und greift sich ans Herz.

Ich strecke die Hand aus. »Komm schon, lass mich sehen.«

Tabitha verbirgt das Display vor mir und presst sich mit funkelnden Augen ihr Handy auf die Brust. »Francine, meine Freundin, ich werde dir jetzt deinen Ehemann präsentieren, den milliardenschweren Industriellen Benny Stearnes.«

Ich nehme das Handy mit einem Stöhnen entgegen.