Mr. Big - ernst - Robert Herbig - E-Book

Mr. Big - ernst E-Book

Robert Herbig

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Beschreibung

Wieder ist es der 13. April und kurz nach fünf Uhr, als Andreas das Zimmer seines Sohnes betritt, wie jedes Jahr in den letzten vier Jahren. Der erfolgreiche Unternehmer Carsten erkennt "What a wonderful world", bevor er jedoch eine unumkehrbare Entscheidung trifft. Abschiede tun immer weh, selbst wenn die, von der man sich verabschiedet, schon längst tot ist. In diesem Büchlein erzählt Robert Herbig alias "Mr. Big" viele beeindruckende Geschichten, die nicht nur in ihrer anscheinenden Leichtigkeit bestechen, sondern vor allem zum Nachsinnen anregen.

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Seitenzahl: 57

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MR. BIG

-

ERNST

 

KURZGESCHICHTENSAMMLUNG

VON

 

ROBERT HERBIG

 

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-436-5

MOBI ISBN 978-3-95865-437-2

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

 

Der ältere Mann und das Tattoo

Ich bin nicht fotogen!“

Dem älteren Mann klappt die Kinnlade herunter. Das junge Mädchen von 26 Jahren vor ihm, die Tochter der Gastgeberin, sagt es ohne Betonung.

„Du ... du hältst dich für nicht fotogen?“, fragt er verblüfft.

„Ich bin nicht fotogen.“

Sein Blick wandert vom ebenmäßig schönen Gesicht mit den geheimnisvollen Augen hinunter zu dem großzügig ausgestatteten Dekolleté und den beiden formvollendeten Halbkugeln. Das Tattoo in Form eines in sich gekehrten Engels auf der rechten Halbkugel zieht seinen Blick förmlich an. Wie oft hatte er ihn an diesem Abend schon angesehen?

„Wer hat dir das erzählt?“

„Was?“

„Dass du nicht fotogen bist?“

Sie seufzt. „Ich bin Fotografin. Eine ziemlich gute sogar. Ich weiß das einfach.“

Jochen, sein Freund aus Lübeck hat in dieser Nacht ein neues Hobby entdeckt. Fokussieren. Er sitzt der jungen Frau gegenüber und versucht seit einer Stunde, den Blitz seiner Digitalkamera auf ihr Gesicht einzurichten. Immer wenn er das tut, wird von seinem Blitzgerät ein schwacher Lichtstrahl auf das Motiv geworfen. Merkwürdigerweise nie auf das überaus reizvolle Gesicht seines Gegenübers, das von innen heraus zu strahlen scheint. Nein. Jedes Mal schafft es der Lichtstrahl, genau auf der entzückenden Halbkugel mit dem Engel zu landen.

„Hör mal, du bist doch eine wunderschöne, junge Frau und ...“

„Aber nicht fotogen.“

Jochen fokussiert. Wieder fällt der Blick des älteren Mannes auf den Engel.

„Das versteh ich nicht.“

Sie trinkt einen Schluck Weißwein. Dann schaut sie ihn an, als würde ein Lehrer seinem Schüler etwas erklären. „Ich weiß ja, dass ich gewisse körperliche Vorzüge habe ...“

Der Engel bewegt sich, Jochen fokussiert.

„... aber ich bin einfach nicht fotogen.“

Der ältere Mann schluckt heftig. Fast bedauert er es, Antialkoholiker zu sein. Wie gut würde wohl jetzt ein dreifacher Cognac tun? Es blitzt kurz hell auf. Jochen dreht das Fenster der Kamera zu ihr.

„Hier, was meinst du?“

Sie schaut mitleidig. „Ja, ganz nett ...“

Jochen strahlt.

„... für einen Amateur“, ergänzt sie.

Die Worte bereiten Jochen körperliche Schmerzen, er krümmt sich und fokussiert von neuem. Spot auf den Engel, kein Blitz. Dass ringsum Gespräche stattfinden, bekommen weder der ältere Mann noch Jochen richtig mit. Hier gilt es, eine Aufgabe zu lösen. Jochen will endlich ein fotogenes Ergebnis vorweisen, der ältere Mann will ..., ja, was eigentlich?

„Also, jetzt noch mal ...“ Blitz.

Irritiert schließt der ältere Mann kurz die Augen, „... ich finde, du bist sehr fotogen.“

„Schau mal, in Sepia.“ Jochen nervt.

Sie sagt gar nichts, nickt nur. Der ältere Mann versucht, die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Sie trinkt einen Schluck Wein, Jochen fokussiert. Der Engel bewegt sich ganz sanft.

„Du magst Fotografin sein, eine gute, meinetwegen. Ich bin ein Mann. Und ich sage dir, du bist fotogen. Sehr fotogen sogar. Das ist eine Tatsache und nichts auf der Welt wird mich vom Gegenteil überzeugen.“

„Man kann mich hübsch nennen, aber bisher hat es noch kein Fotograf geschafft, ein wirklich schönes Bild von mir zu machen.“

„Ha!“ Der ältere Mann schreit fast. Die anderen Gespräche am Tisch verstummen kurz. Selbst die junge Frau blickt jetzt ein wenig erstaunt.

Jochen fokussiert, der Engel räkelt sich auf der Halbkugel.

„Was?“ Die junge Frau macht jetzt ein verblüfftes Gesicht.

„Stimmst du mir zu, dass das ein Unterschied ist?“ Der ältere Mann fragt es herausfordernd.

„Ein Unterschied? Ich verstehe nicht.“ Sie trinkt einen Schluck Wein.

Jochen fokussiert, der Engel posiert. Zumindest sieht es für den älteren Mann so aus.

„Es ist ein Unterschied, ob jemand nicht fotogen ist, oder es noch niemand geschafft hat, eben diese Fotogenialität zu entdecken. Richtig?“

Jetzt kommt sie ins Grübeln.

Jochen fokussiert, diesmal genau zwischen die beiden Halbkugeln. Der Engel sieht aus, als würde er sich verstecken. Als Jochen den enttäuschten Blick des älteren Mannes bemerkt, dreht er die Kamera leicht nach links. Das schwache Licht wandert auf die rechte Halbkugel. Der Engel scheint erfreut, dass die Aufmerksamkeit wieder ihm gilt, der ältere Mann ist zufrieden.

„Ja, diese Logik hat schon irgendwas.“ Weder ein tiefer Schluck Weißwein.

„Also können wir uns darauf einigen? Du bist schön, du bist fotogen, nur hat es bisher noch niemand geschafft, diese Fotogenialität auch auf Bildern zu zeigen. Richtig?“

Jochen fokussiert. Auf ihr Gesicht. Blitz. Ihre Augen scheinen leicht nachzuglimmen. Möglicherweise ein Nachwirken des Blitzes. Oder des Weißweins.

„Das ist ... sehr interessant. Auf die Idee bin ich noch nie gekommen.“ Während sie sich nach vorne beugt und mehrere kleine Schlucke aus dem Glas nimmt, drückt sie die beiden Halbkugeln zusammen. Der Engel verschwindet fast zwischen der weichen Hautfalte. Der ältere Mann fühlt ein leichtes Schauern seinen Rücken hinunterlaufen. Jochen lässt sich das Motiv natürlich nicht entgehen. Er fokussiert, Blitz.

„Du findest mich also wirklich hübsch?“ Spielerisch hält sie ihr Glas zwischen zwei Fingern. Die Temperatur im Wohnzimmer steigt schlagartig an. Zumindest empfindet es der ältere Mann so. Kleine Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. Sie ist sechsundzwanzig, denkt er, ich neunundvierzig, da muss man einfach ehrlich sein.

„Natürlich bist du hübsch, das ist doch gar keine Frage. Nicht wahr, Jochen?“

„Hä?“ Jochen vergisst sogar, zu fokussieren.

Bevor er noch mehr sagen kann, bemerkt der ältere Mann, dass ringsum ein allgemeiner Aufbruch stattfindet.

„Wollt Ihr jetzt schon gehen? Bleib du doch wenigstens noch ein wenig.“ Sie sieht den älteren Mann jetzt fast enttäuscht an. Der Engel scheint abzuwarten, wie das Ganze weitergeht.

„Tut mir leid. Es ist schon fast vier Uhr und meine Frau schläft im Hotel. Er krächzt mehr, als er spricht.

Ringsum wird verabschiedet. Küsschen hier, Küsschen da, Komplimente an die Gastgeberin für den netten Abend. Der ältere Mann sieht, wie die junge Frau leicht schwankend aufsteht. Sie nimmt ihn in den Arm und drückt ihn heftig. Er fühlt die beiden Halbkugeln warm und angenehm weich an seinen Rippen. Der Engel scheint sich förmlich an ihn zu klammern. Dann küsst sie ihn sacht auf die Wange.

„Du bist so süß“, sagt sie verführerisch und schmiegt sich an ihn. Ein schwacher Duft steigt dem älteren Mann in die Nase. Der Engel war noch nie so nah und doch noch nie so weit. Er scheint auch enttäuscht. Irgendwie.

„Ich weiß.“

Christinas Abschied

Hallo Thomas.

Es ist vorbei! Ich werde für immer aus deinem Leben verschwinden. Und Sandra nehme ich mit. Nein, versuche nicht, uns zu finden. Es wird dir diesmal nicht gelingen!

Auf Nimmerwiedersehen,

Christina

PS: Es gibt eine Verspätung!

Eine halbe Stunde.