Mr. & Mrs. Rodríguez - Geklaut, verlobt, verheiratet - J.G. Rose - E-Book
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Mr. & Mrs. Rodríguez - Geklaut, verlobt, verheiratet E-Book

J.G. Rose

4,6

Beschreibung

Stell dir vor: Du stehst vor sechs gefährlichen Mafiosi auf einem Hocker... und weißt nicht, was sie von dir wollen. Das Leben der taffen, aufgeschlossenen Aria Robinson änderte sich schlagartig, als sie einem fremden Mann zu Hilfe eilen wollte. Diese Entscheidung bereute sie jedoch schnell, als es plötzlich nicht mehr um das Leben des Opfers, sondern um ihr eigenes ging. Nur kurze Zeit später stand sie auf einem Hocker und starrte sechs Männer an, von denen sie dachte, sie würden sie töten. Doch das, was sie von ihr wollten, hätte sich die 20-Jährige niemals zu träumen gewagt.

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Griesi

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

einfach gut geschrieben Macht neugierig auf das nächste Kapitel teilweise zum schmunzeln Es ist ein Buch und hat bestimmt nichts mit der Realität zu tun Teil 1 war gut
00
Schwarzerose89

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Was für ein spanender erster Teil und hoffe es geht bald weiter. An einigen Stellen musste ich lachen. Auf jeden Fall gibt es eine klare Lesempfehlung von mir.
00

Beliebtheit




MEINE LIEBEN LESER UND LESERINNEN,

In diesem Roman können potenziell triggernde Inhalte auftauchen. Auf der Seite → findet ihr eine Triggerwarnung. Diese enthalten natürlich Spoiler für das gesamte Buch.

Nun wünsche ich euch viel Spaß!

EureJ.G. Rose

Dieses Werk ist für meine Schwester, durch die ich das Schreiben angefangen habe und für all die Menschen, die mich unterstützt und mir den Mut gegeben haben, diesen großen Schritt zu gehen.

¡Hola mi amor!

Bevor es losgeht, habe ich nur eine einzige Frage an dich: Glaubst du, in diesem Buch werde ich dich manipulieren oder hat dich unsere Gesellschaft schon manipuliert?

~ Señor Rodríguez

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1: ARIA

KAPITEL 2: ARIA

KAPITEL 3: ARIA

KAPITEL 4: ARIA

KAPITEL 5: ARIA

KAPITEL 6: ARIA

KAPITEL 7: ARIA

KAPITEL 8: ARIA

KAPITEL 9: ARIA

KAPITEL 10: ARIA

KAPITEL 11: ARIA

KAPITEL 12: ARIA

KAPITEL 13: ARIA

KAPITEL 14: ARIA

KAPITEL 15: ARIA

KAPITEL 16: ARIA

KAPITEL 17: ARIA

KAPITEL 18: ARIA

KAPITEL 19: ARIA

KAPITEL 20: ARIA

KAPITEL 21: ARIA

KAPITEL 22: ARIA

KAPITEL 23: ARIA

KAPITEL 24: ARIA

KAPITEL 25: ARIA

KAPITEL 26: ARIA

KAPITEL 27: ARIA

KAPITEL 28: ARIA

KAPITEL 29: ARIA

KAPITEL 30: ARIA

KAPITEL 31: ARIA

EPILOG: ARIA

NACHWORT

Völlig unter Schock starrte ich in die Gasse, in der ein Mann am Boden lag, ein anderer auf ihm saß und brutal auf ihn einschlug. Mit Herzrasen schweifte mein Blick zu den zwei Gestalten, die daneben standen. Stumm und lässig sahen sie ihm dabei zu, wie er immer und immer wieder gnadenlos auf sein vor Schmerz stöhnendes Opfer einschlug. Ich presste die Lider zusammen, denn der nächste Schlag, den er einstecken musste, hallte bis zu mir.

Eilig überlegte ich mir, wie ich dem Mann helfen konnte. Bis die Polizei hier war, konnte es für ihn schon zu spät sein. Der Typ würde ihn umbringen, wenn er weiter auf ihn einprügelte. Erneut schallte ein quälerisches Ächzen aus der Gasse, bevor ich raues Gebrüll wahrnahm. Eigentlich sollte ich mich aus dem Staub machen, doch ich wusste, das hätte ich mir mein Leben lang nicht verziehen.

Ich erkannte nicht viel, außer dass sie groß und gut gebaut waren. Hinrennen und sie verjagen kam also nicht infrage.

Ich erstarrte, als einer der beiden stehenden Männer eine Waffe zog. Wild pochte mir das Herz im Brustkorb. So sehr, dass jeder Atemzug, der meine Brust dehnte, schmerzte.

»Seid ihr bescheuert?«, kreischte ich und sah beinahe, wie sich meine innere Königin gegen die Stirn schlug.

Wer hier wohl die Bescheuerte war? Verdammt!

Noch in derselben Sekunde bereute ich es, geschrien zu haben, denn die zwei, die standen, drehten sich in meine Richtung. Meine Lunge war nicht in der Lage, nach Luft zu schnappen, denn dafür saß der Schock zu tief. Ich war mir sicher, mir war mein Herz gerade bis zum Asphalt gerutscht.

Plötzlich wandte sich auch der Schläger zu mir. Starrten sie jetzt mich an?

Zögernd schaute ich über meine Schulter, da in mir der winzige Hoffnungsschimmer aufkam, dass sich irgendwer hinter mir befand. Doch wie erwartet, war niemand zu sehen.

Ein raues, tiefes Lachen drang aus der Gasse, welches mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

»Du bist aber mutig, pequeña.« Seine bloße Stimme machte mir bewusst, in was für massiven Schwierigkeiten ich jetzt steckte. Übelkeit, Herzrasen, eiskalter Schweiß und Zittern. Alles überkam mich. Erschlug mich schier und wollte mich zu Boden reißen.

»Lauf, Mädchen, lauf!«, hallte es mir erschöpft entgegen. Erschrocken fuhr ich zusammen, da ich wusste, es war derjenige, dem ich zu Hilfe kommen wollte. Die mächtige Panik, die sich in mir anbahnte, ließ mich schleichend rückwärts laufen.

»Holt sie.« Eine rauchige Stimme dröhnte in meinen Ohren. Meine Atmung hielt an, als ich registrierte, einer der stehenden Männer steuerte meine Richtung an. Als sich auch noch der andere Kerl, der auf dem Opfer saß, aufrichtete, zwang ich mich dazu, Luft zu holen, denn die würde ich jetzt bei meiner Flucht brauchen. Er hatte die andere dunkle Silhouette schnell eingeholt, weshalb ich die Augen aufriss.

»Scheiße.« Ein angsterfüllter Schrei verließ meine brennende Kehle, bevor ich automatisch losrannte.

»Bleib stehen, du entkommst uns sowieso nicht!«

Wenn er dachte, ich war so wahnsinnig, auf seine Worte zu hören, hatte er sich geschnitten.

So schnell ich konnte, sprintete ich zwischen den Gebäuden entlang und spürte, meine Knie waren weich wie Brei. Aus Sorge, sie würden mir tatsächlich folgen, wagte ich es, über meine Schulter hinwegzusehen.

»Fuck!«, schrie ich, weil sie im selben Augenblick in meine Richtung losstürmten.

Wohin ich sollte, wusste ich nicht, doch eines war mir klar, weit konnte ich nicht rennen, denn meine Ausdauer war nicht mehr die beste. Hektisch und außer Puste glitten meine Augen über die Straße.

»Verfluchte Scheiße«, knurrte ich, da ich kein potenzielles Schlupfloch fand. Hinter den geparkten Autos fanden sie mich sofort, weil sie überwiegend vereinzelt am Rand standen. Erneut sah ich nach hinten und erkannte sie zum Glück noch nicht.

Vor der nächsten schmalen Seitenstraße blieb ich stehen und schüttelte kaum merklich den Kopf, da dieser Einfall womöglich mein Todesurteil war. Doch durch die Gasse entkam ich vielleicht, wenn ich es schaffen würde, das andere Ende zu erreichen, sodass sie die falsche Straße nach mir durchkämmen würden.

Schlussendlich hoffte ich, in ihrer Dunkelheit Schutz zu finden, denn ich ging davon aus, sie dachten, ich würde das Weite suchen und mich nach Hilfe umschauen.

Mit meiner bebenden Hand griff ich in die hintere Hosentasche und holte mein Handy heraus, um mir Licht zu verschaffen. Da das Licht der Straßenlaternen nicht bis hierher reichte, war es nämlich noch finsterer als zuvor.

»Das darf nicht wahr sein«, hauchte ich verzweifelt und ließ meine zitternden Finger durch mein Haar fahren, während ich die mit Graffiti verzierte Mauer am Ende der schmalen Straße anstarrte. Eine Sackgasse.

»Siehst du sie, hermano?«, schrie einer von ihnen und verriet mir damit, dass sie in meiner Nähe waren.

Mir fehlte die Zeit und genau deshalb konnte ich nicht großartig darüber nachdenken, welche Möglichkeiten mir blieben. Mein Blick hielt an einem großen Müllcontainer, den ich skeptisch betrachtete.

»Ganz toll. Klischeehafter geht es doch nicht mehr«, flüsterte ich und dachte gestresst darüber nach, mich nicht hinter, sondern in ihm zu verkriechen. Er war meine einzige Hoffnung und genau deshalb stürmte ich auf ihn zu.

Doch noch bevor ich bei ihm ankam, fiel mir eine alte Holztür auf. Eine Tür, die ihnen durch das morsche Holz und den alten Mauern eventuell weniger auffallen würde.

Jackpot!

Schleunigst rauschte ich auf sie zu, schob die schwarzen Müllsäcke, die vor ihr lagen, beiseite und schaute ein letztes Mal zur Straße. Zeitgleich öffnete ich die knarrende Tür und hoffte, das Schicksal auf meiner Seite zu haben.

Ein muffiger Geruch umhüllte mich, als ich auf Zehenspitzen weiter in den Schuppen lief und ihn durchleuchtete. Diese Bruchbude schien mal eine Bar gewesen zu sein, denn ich erkannte einen Tresen. Da die meisten Menschen dahinter Schutz suchen würden, entschied ich mich dagegen und schaute mich weiter um. Meine Augen hielten an einer Zwischenwand, die ich kritisch begutachtete. Sollten sie den Schuppen entdecken, war ich ohnehin geliefert.

Als ich gedämmt Stimmen wahrnahm, wandte ich mich verängstigt um und musterte die heruntergekommene Holztür.

Worüber sie sprachen, verstand ich nicht, doch das war unwichtig, denn sie waren hier, ganz nah bei mir.

»Etwas anderes bleibt mir sowieso nicht übrig«, flüsterte ich und wandte mich wieder zur Zwischenwand, da ich nicht mehr raus konnte. Die Befürchtung, sie würden mich durch das Licht finden, ließ mich die Taschenlampe ausschalten. Stark schluckend streckte ich die Arme in die Dunkelheit und tastete mich nach vorne, während ich hoffte, gegen nichts zu laufen, das Lärm verursachen könnte. Als ich die feuchte Wand unter meinen Fingern spürte, machte ich einen großen Schritt, trat hinter sie und verkroch mich wie eine Maus ins letzte Eck.

Gequält schloss ich die Augen, lehnte mich an die Mauer und fühlte, wie sich alles in mir zusammenzog.

»Das alles kann doch nur ein Albtraum sein, oder?«, flüsterte ich mir selbst zu.

Nur einen Wimpernschlag später knallte die Tür mit einer Wucht auf, die meine Selbstbeherrschung auf die Probe stellte. Meine Hand presste ich mir auf den Mund, um ein Schreien zu unterdrücken. Gleichzeitig lauschte ich dem leisen Klappern meiner Zähne, das durch mein Zittern ausgelöst wurde.

»Das ist ein schlechter Scherz, oder?«, wisperte ich lautlos, als plötzlich Licht den Raum durchflutete. Entgeistert darüber, dass dieser Drecksschuppen Beleuchtung hatte, wimmerte ich und legte die Hände um mich herum, da mir eiskalt wurde.

»Zeig dich, Kleines!« Die Stimme, die sich in meine Gehörgänge brannte, ließ eine weitere eisige Luftströmung über meinen Nacken gleiten.

»Ich habe ja gedacht, wir finden dich hinter der Mülltonne.«

Ja, dass ihr mich unterschätzen würdet, hatte ich mir schon gedacht, du Arschloch!

Auf dem kahlen Betonboden erkannte ich ihre gigantischen Schatten, die mir ein Grauen durch den Körper jagten. Festgefahren betrachtete ich den Boden, bemerkte, wie sie immer weiter wuchsen, mir näher kamen und mich dabei immer kleiner werden ließen. Beim Betrachten ihrer Schatten fiel mir ein Besen, der quer über dem Boden lag, auf. Meine Lippen presste ich zusammen, denn das schien die einzige Waffe zu sein, die mir der Schuppen bieten konnte.

Leise schlich ich darauf zu, beugte mich runter und griff danach. Doch noch während ich mich umdrehte, blieb mir das Herz stehen, denn ich konnte sie im Augenwinkel sehen.

Zögernd, mit äußerster Vorsicht wandte ich mich um.

Holy Shit, was für Sahneschnitten!

Mit stockendem Atem musterte ich die zwei Männer, von denen einer besser aussah als der andere. Ihre gestylten Haare waren braun, passend zu ihrer schönen Haut, die ihre stechend blauen Augen erheblich zum Ausdruck brachten. Mein Blick hielt bei dem linken Mann in beiger Anzughose. Er war der Schläger, das verriet mir sein blutbespritztes weißes Hemd. Er war etwas größer als der rechte Kerl, der ganz in Schwarz gekleidet war.

Verdammt, was war denn nur mit mir los?

Die Mistkerle hatten vor, mich unter die Erde zu bringen, und ich dachte darüber nach, wie gut sie aussahen.

»Na, am Putzen?« Spöttisch musterte der Mann im schwarzen Hemd den Besen, bevor er geradewegs zu mir sah. Selbst wenn ich nicht wollte, blickte ich ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Letztendlich konnte ich das panische Lachen, welches meine trockene Kehle verließ, nicht zurückhalten.

Was war das denn für eine bescheuerte Frage? Der wollte mich doch verarschen!

Ich verstummte jedoch sofort, als der linke Mann seine Arme vor der Brust verschränkte. Süffisant und stumm nahmen sie mich in Augenschein, starrten mich winzig und jagten mir mit ihrem Schweigen noch mehr Angst ein. Hoffentlich waren die beiden auch nur Menschen mit einem Gewissen.

Als sie weiter auf mich zukamen, riss ich die Augen auf und schrak zusammen.

»Was haltet ihr davon, wenn ich verspreche, nichts gesehen zu haben?« Ich zuckte mit den Schultern, da ich den Gorillas nichts anderes bieten konnte.

Sie blieben stehen und schenkten mir damit einen Hoffnungsfunken, auch wenn mich das höhnische Grinsen, das ihren vollen Lippen schmeichelte, vermutlich angsterfüllt kreischen lassen sollte.

»Ich schwöre es«, bot ich weiter an und umgriff den Besenstiel kräftiger, denn ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie nicht auf meinen Vorschlag eingehen würden. Meine schwitzigen Hände rutschten den Holzstab auf und ab, während ich auf eine Reaktion der beiden wartete. Aber das einzige, das ich wahrnehmen konnte, war ein raues Wispern des Mannes in beiger Anzughose. Seine Augen nahm er währenddessen keine Sekunde von mir.

Sprachen sie sich jetzt ab, oder was?

»Ich verspreche es wirklich!«, sagte ich hektisch. Zeitgleich hielt ich meine improvisierte Waffe angriffsbereit, da sie ohne Vorwarnung weiterliefen und mich amüsiert ansahen. Mir war natürlich klar weshalb, denn ich hätte auch keine Angst vor mir und meinem Besen gehabt. Gegen die beiden hatte ich nicht die geringste Chance, das wusste ich und da spielte es keine Rolle, ob mit oder ohne Besen.

Instinktiv sah ich zu dem Kerl im weißen Hemd, denn ich hielt diesen für gefährlicher. Der Drecksack fing zu lachen an und legte den Kopf in den Nacken, da er offenbar vorausgesehen hatte, dass er mein erstes Opfer gewesen wäre.

»Das würde ich an deiner Stelle besser bleiben lassen!«, warnte ich ihn, da er fast bei mir angekommen war. Panisch blickte ich zu seinen Unterarmen, denn die kräftigen Adern, die sich durch seine Haut drängten, zogen meine Aufmerksamkeit wie von selbst auf sich.

»Ich warne dich nicht nochmal«, drohte ich ihm.

Erneut hörte ich sie leise lachen, weswegen ich hilflos den Kopf schüttelte.

»Gleich habt ihr nichts mehr zu lachen!« Entschlossen holte ich aus und presste die Lider zusammen. Mit voller Wucht schlug ich auf ihn ein und sah mein ganzes Leben mit einer Intensität an mir vorbeiziehen, die mir den Boden unter den Füßen wegreißen wollte.

Erst nachdem ich einen Widerstand spürte, sog ich meine Lunge wieder mit Luft voll. Und auch, wenn ich mich kaum traute, öffnete ich gehemmt die Augen, schloss sie jedoch wieder und schüttelte wild den Kopf. Der Anblick seiner tätowierten Hand um den Besenstiel flammte in meinem Gehirn auf wie ein brennendes Streichholz, das in Benzin geworfen wurde.

Mit einer Gewalt, die ich nicht in Worte fassen konnte, wurde mir der Besen aus der Hand gerissen. Es war pures Glück, dass ich nicht mit ihm in die Ecke geflogen war.

Jetzt gab ich den Löffel ab, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. In mir bestand nicht ein einziger Zweifel, dass dieser Prachtkerl mich mit bloßen Händen umbringen konnte. Dass diese machtvolle Hand sich um meinen Hals legen und mich erwürgen würde.

Als sie den letzten Abstand zwischen uns schlossen, neigte ich den Kopf. Die Männer waren mir derart nah, dass ihr Atem meine Haut streichelte. Es war kein zartes Streicheln. Ganz und gar nicht, denn ihr Atem war durch das Rennen aggressiv, stürmisch und bedrohlich.

Der Druck, der meinen Körper füllte, ließ mich hörbar einatmen und deshalb nahm ich ihn wahr. Den himmlischen, nicht zu aufdringlichen und doch dominanten Duft. Er stieg mir tief in die Nase und ließ mich sofort wissen, er musste schweineteuer sein. Das jagte mir noch mehr Angst ein, denn dieses Parfüm stellte den muffigen Geruch des Schuppens in den Schatten und strahlte Macht aus. Eine Macht, der ich niemals hätte begegnen dürfen.

»Einen Versuch war es wert, oder?«, murmelte ich und war mir sicher, er erkannte, dass ich zitterte wie Espenlaub. Sein Adamsapfel bewegte sich parallel mit seinem Mundwinkel, der nach oben zuckte. Aufgrund dessen schnellte mein Kopf wieder zu seinem Genossen. Da ich jedoch beiden Blicken nicht mehr standhalten konnte, senkte ich den Kopf, wobei meine Augen bei seinem Schritt innehielten. Ein teuflisches Grinsen legte sich auf meine Lippen, ehe ich eilig versuchte, es zu verbergen.

Das würde mit Sicherheit auch solche Prachtkerle umhauen, oder? Eine andere Wahl hatte ich momentan sowieso nicht ...

Bestimmt hob ich das Kinn und wollte die Belustigung darüber, dass ich den beiden gleich mein Knie in die Klöten rammen würde, doch nicht mehr verbergen.

Das Grinsen verging ihnen dadurch wohl flott. Erstaunen huschte über ihre Gesichter und ich verstand sie, denn wer würde in meiner Situation schon lächeln?

Selbst wenn ich höllische Furcht vor den beiden hatte, wollte ich sie vor ihnen verbergen. Sterben würde ich sowieso, also verließ ich diese Erde zumindest tapfer, stolz und meinem Charakter entsprechend.

Mir blieb nur ein einziger Versuch, wenigstens einem von ihnen kräftig in die Eier zu treten und dieser Tritt musste sitzen, sonst war ich verloren.

Schwungvoll und übergangslos zog ich das Bein zurück und betete zu Gott, dass ich ordentlich treffen würde. Mit Schmackes stieß ich mein Knie nach vorne, wobei ein bitterböses Lachen ertönte. Ich wusste sofort, es kam aus der Kehle des Schlimmeren. Die Brauen meines Opfers schossen in die Höhe, was mir verriet, er kannte das Ziel meines Knies ebenfalls. Doch noch bevor ich seine Kronjuwelen treffen konnte, spürte ich einen schmerzhaften Druck um den rechten Oberschenkel.

Zischend sah ich zu der tintenüberzogenen Hand, die mein Bein umgriff. »Arschloch!«

»Jetzt reicht es aber, Prinzessin!« Seine tiefe maskuline Stimme trieb eine Kälte durch meine Venen, die mich frösteln ließ. Plötzlich sah ich in seinen arktischen Augen nichts anderes als einen Anflug von Wut aufblitzen. Dennoch konnte ich meine angewiderte Miene durch das Wort Prinzessin nicht verbergen.

Völlig unerwartet fingen sie zu grölen an, was mich panisch zwischen den beiden hin und her sehen ließ.

Ich war mir sicher, die Kerle waren nicht mehr ganz dicht ...

»Habt ihr’s bald? Ich will nach Hause!« Langsam stoppte ihr Vergnügen. Aber ihr arrogantes Grinsen verging nicht, sodass ich nur den Kopf darüber schütteln konnte. In mir herrschte noch ein wenig Hoffnung, dass sie mich doch noch davonkommen lassen würden, und diese wollte ich nicht aufgeben.

Als das Arschloch kräftiger zupackte, brannten Tränen in meinen Augen, die ich gerade noch rechtzeitig zurückdrängen konnte, da ich an die Worte meines Vaters dachte.

Solchen Menschen darfst du niemals Angst zeigen, mein Schatz, sonst bist du verloren.

Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu sammeln und den Mut zu finden, meinen Kopf zu heben.

»Ich hätte ja gedacht, dass du mehr Kraft hast. Aber es scheint ja eher Luft zu sein, was da in deinen Armen steckt!«, kommentierte ich mit trockener Stimme und wusste, es war frech sowie lebensmüde. Lange konnte ich mich nicht auf ihn konzentrieren, denn plötzlich hatte ich das Gefühl, von innen heraus zu erfrieren. Ich wusste sofort, dass es an ihm lag. An dem Blick des anderen. Hektisch biss ich mir auf die Unterlippe. Eine schreckliche Angewohnheit, wenn ich nervös war oder Panik hatte.

Als der Druck um meinen Oberschenkel massiver wurde, spannte sich mein Körper unter seinen Fingern an.

»Geht doch!« Mit Mühe presste ich die Worte aus der Kehle und holte tief Luft, um die Tränen zu verbergen, die mir vor Qual aus den Augenwinkeln kullern wollten. Ich wollte nicht aufgeben. Noch nicht, selbst wenn ich kurz davor war, einzuknicken.

»Kommst du jetzt freiwillig mit?« Ich blickte zu dem Mann auf, der mir mehr Angst machte. Seine eisblauen Augen durchbohrten meine beinahe und brachten mein Herz so zum Rasen, dass ich jeden einzelnen Schlag bis zum Gaumen fühlte. Doch noch beim Betrachten bahnte sich ein neuer Einfall in mir an, der mich dazu brachte, wieder zum anderen zu sehen. Dieser war mir lieber. Im selben Atemzug stieg mir die Hitze zu Kopf, während meine Wangen glühten, denn ich wusste, dass das nun unangenehm wurde.

»Klar. Wer würde mit solchen Granaten nicht freiwillig mitgehen?« Verführerisch biss ich mir auf die Lippe und flirtete ein wenig mit ihnen, damit ich mich aus dem Staub machen konnte, sofern wir aus dem Schuppen waren.

Verblüfft musterte mich der Kerl in Schwarz, der seine Griffel nach wie vor auf mir hatte. Er machte den Anschein, meinen Worten Glauben zu schenken. Im Gegensatz zu dem Mann in beiger Anzughose. Dieser schien einer der schnelleren Sorte zu sein, denn sein dunkles, leises Lachen rauschte durch

den Raum. Kalte Schweißperlen rieselten über meinen Rücken, als ich mein Gesicht zu ihm drehte. Auch wenn mich allein der Gedanke, was ich gleich tun würde, zum Schwitzen brachte, wollte ich auch bei ihm alle Register ziehen.

Meine Lippen formte ich zu einem schmalen Lächeln und bekam genau die Reaktion von ihm, die ich mir erhofft hatte. Seine unheimlichen Augen schweiften zu meinem Mund, weshalb ich mein Vorhaben durchzog. Geschmeidig ließ ich meine Zunge über meine Unterlippe fahren, ehe ich sie zwischen meine Zähne klemmte. An seinem Adamsapfel erkannte ich, dass er schwer schluckte. Aber noch bevor ich beurteilen konnte, ob das gut oder schlecht war, qualmte mir wahrhaftig der Schädel.

Er schloss die Augen und presste die Lippen zu einer schmalen Linie, während seine Wangenknochen so angespannt waren, dass sein ohnehin markantes Gesicht noch kantiger wirkte. Am Versuch, seinen Spott zu kaschieren, war der Muskelprotz kläglich gescheitert und das schien er auch bemerkt zu haben, denn er drehte den Kopf zur Seite.

Da ich ihn nicht länger ansehen wollte, wandte ich mich beschämt an den rechten Anzugträger. Dieser versuchte nicht einmal, sein schelmisches Grinsen zu verbergen, weshalb ich prompt die Augen schloss. Dass ich mit Männern keinerlei Erfahrung hatte, hatte ich den beiden gerade sicher offengelegt. Ich verharrte in jeder Regung und war nicht mehr dazu fähig, Sauerstoff zu inhalieren, als plötzlich raue Fingerkuppenunter mein Kinn glitten.

Vorsichtig öffnete ich die Lider und wusste sofort, es war der Mann, dem ich den Besen überziehen wollte. Unwillkürlich und mit Bedacht drehte ich den Kopf zu ihm, wollte jedoch augenblicklich wieder wegsehen. Schreiend wegsehen und war doch aus unerklärlichen Gründen dazu gezwungen, in diese kaltherzigen und zugleich leeren Augen zu schauen. Gelassen musterte er mich und ließ seinen Daumen sanft über meine Wange fahren, was mich ruckartig den Kopf zurückziehen ließ. Da ich seine Reaktion gar nicht sehen wollte, blickte ich wieder zu seinem Begleiter und erkannte, dass sein Kiefer an Anspannung gewonnen hatte. Seine zusammengezogenen Augenbrauen ließen seinen Ausdruck düster wirken. Mit diesem Blick bedachte er aber nicht mich, sondern den Mann neben sich. Tief durchatmend tat ich ihm nach, erschrak jedoch im selben Moment. Vermutlich wich mir jegliche Farbe aus dem Gesicht, denn er hatte zuvor schon gefahrvoll gewirkt.

Doch nun hatte ich das Gefühl, ein wahres Monstrum baute sich vor mir auf.

Wieso hatten sich ihre Mienen verändert?

»Hast du doch Angst?«, hakte der Brutalo, der mir halb das Bein ausriss, nach, bevor ich mich fragte, ob ich um mein Leben flehen sollte. Aber die Tatsache, dass ich noch nicht tot war, obwohl ich meine freche Klappe nicht gehalten hatte, sorgte dafür, dass ich mich dagegen entschied.

Selbstbewusst hob ich den Kopf und setzte ein unverschämtes Lächeln auf. »Das hättet ihr wohl gerne! Aber da müsst ihr mehr haben, als so unglaublich sehenswerte Körper.«

Für einen kurzen Moment flammte Fassungslosigkeit in ihren Augen auf. Damit gaben sie mir das Gefühl, meine Worte waren ein Fehler gewesen. In dem Moment, in dem ich das klarstellen wollte, fing der Mann im weißen Hemd an, eine andere Sprache zu sprechen.

Als er verstummte, schien der andere etwas dagegen halten zu wollen. Sie wandten ihre Blicke einander zu, was ich wie ein Adler, der seine Beute beobachtete, im Auge behielt. Dabei stellte ich fest, dass sie aus irgendeinem Grund abgelenkt waren. Und das war meine Chance!

Ruckartig zog ich mein Bein aus seiner Hand und schien ihn damit überrascht zu haben. Ohne Zögern ließ ich mich auf meine wackeligen Knie ab, fühlte ihr Starren währenddessen deutlich auf mir, und doch reagierten sie nicht. Hastig krabbelte ich zwischen den Beinen des Schlimmeren hindurch und war nun froh darüber, dass er so groß war.

»Und Tschüss!«, rief ich, richtete mich auf und stürmte auf die Tür zu, während ich zu Gott betete, ihnen zu entkommen.

Hastig stieß ich die Tür auf, winkte ihnen mit der linken Hand und stürmte nach draußen. Sofort stieg mir frische Luft in die Nase, die ich so tief einatmete, dass sich meine Nasenflügel aufblähten. Der Triumph, ihnen entkommen zu sein, roch so unbeschreiblich gut. Doch die Freude hielt nur für eine Sekunde an.

»Nein!« Mein Brüllen schrillte zwischen den Mauern, als ich einen festen Griff um meinem Arm wahrnahm und herumgewirbelt wurde. Automatisch entfuhr mir ein stummes Oh.

Es war der Schlimmere. Heilige Maria, Mutter Gottes.

Vor diesem hatte ich definitiv mehr Bammel, denn er gab mir für einen Moment das Gefühl, einen Herzstillstand zu erleiden.

Seine Lippen formten sich zu einem schelmischen Schmunzeln und auch wenn es atemberaubend war, brachte es mich zum Erschaudern, da ich es für eine fiese Geste seinerseits hielt.

Ich wusste, meine Augen strahlten gerade Todesangst aus und ich zweifelte nicht daran, dass er genau das unterhaltsam fand. Ob ich ihm das Knie in die Eier jagen sollte, überlegte ich mir mit Sicherheit zweimal. Trotzdem kam ich zu dem Entschluss, ich sollte es versuchen. Ich war kurz davor gewesen, Zeuge eines Mordes zu werden und genau deshalb wollten sie jetzt nicht nur den Kerl umlegen, sondern auch mich. Bei dieser Erkenntnis riss ich die Augen erneut auf, während er seine leicht zusammenkniff.

»Was denn?«, fragte das Arschloch, sodass ich den Verdacht hegte, er wusste genau, welche Gedanken in meinem Kopf herumschwirrten.

Als er den Kopf zu seinem Begleiter drehte, der gerade aus dem Schuppen gelaufen kam, beschloss ich, mein Glück zu versuchen. Erneut zog ich das Bein zurück und nahm wahr, wie er blitzschnell wieder zu mir sah.

»Scheiße«, zischte ich leise und war kaum zum Ausholen gekommen, denn der Mistkerl war äußerst flink gewesen. Kraftvoll umgriff er meinen Oberschenkel, und zwar um einiges bestimmter als der andere.

»Lass mich los!«, fauchte ich.

»Gib mir dein Handy!«, brummte unerwartet der Typ in der schwarzen Anzughose. Kopfschüttelnd sah ich beide an, da das, falls sie mich mitschleppen sollten, meine letzte Option war und diese gab ich bestimmt nicht her.

»Ich habe keins, sonst hätte ich doch nicht geschrien, sondern die Polizei gerufen!« Um die Lüge zu unterstreichen, fixierte ich ihn und machte eine Kopfbewegung, die ihm zeigen sollte, dass er da selbst hätte drauf kommen können.

Sekunden bedachte er mich mit einem misstrauischen Blick und da ich diesem nicht lange standhalten konnte, drehte ich mein Gesicht zur Seite und musterte den, der mich weiter an sich zog. Erst jetzt und durch das Licht des Schuppens fiel mir auf, dass sich die beiden unheimlich ähnlich sahen.

»Seid ihr Brüder?«, fragte ich und ließ meine Augen zwischen ihnen hin und her pendeln, da ich wohl vergessen hatte, in welch brenzlicher Lage ich steckte. Verwirrt beäugten sie mich, fingen dann aber wieder zu schmunzeln an.

Eine Antwort bekam ich nicht, dafür jedoch eine Frage.

»Du hast kein Handy?« Schwer schluckend schüttelte ich den Kopf und spürte, dass sich, aus Sorge sie würden mich durchschauen, Schweißperlen auf meiner Stirn bildeten.

»Denkt ihr, ich wäre so bescheuert, euch anzulügen?« Mit einem Grinsen von einem zum anderen Ohr zeigten sie mir ihre vorbildhaften Zähne.

»Du bist alles andere als bescheuert«, bemerkte der Mann, der seine Finger noch immer auf mir hatte. Für einen winzigen Moment legte ich die Stirn in Falten, bis ich unwillkürlich zu lachen begann.

»Wie nett, dass dir das auffällt ...«, erwiderte ich und damit hatte die Panik in mir heute Nacht ihr Maximum erreicht. Ich war am Ende meiner Kräfte und fertig mit den Nerven und es wurde schlimmer, als ich den anderen Mann einen Schritt auf mich zukommen sah.

»Wo hast du es?« Die schattenhafte Miene, die über sein Gesicht huschte, brachte mein Herz dazu, einen Trommelwirbel zu starten.

»Was habe ich wo?«, spielte ich die Dumme.

»Versteckst du es da?«, wollte der Irre von mir wissen und nickte einmal auf meine Brüste zu. Sprachlos schaute ich zu ihm auf und stellte mir die Frage, wieso er nicht an meine Hosentaschen dachte. Scheinbar wünschte er sich das, damit er rein grabschen konnte. Diesen Zahn zog ich ihm direkt!

»Nö, da verstecke ich nur meinen Sockenvorrat«, entgegnete ich trocken, bevor ihnen alle Gesichtszüge entwichen. Dumm schauten sie aus der Wäsche, weshalb sich meine Lippen zu einem rotzfrechen Grinsen bildeten. Zwar war ich mir sicher, ich hatte gleich nichts mehr zu lachen, doch der Schock und die Verzweiflung ließen mich immer tiefer in die Scheiße sinken. Im Gegensatz zu mir schien der Kerl das gar nicht lustig zu finden, denn seine Augen sprühten Funken in meine Richtung. Er spannte seinen Körper so an, dass ich mir sicher war, er mutierte gleich zu einem Monster.

»Wenn du es mir nicht freiwillig gibst, hole ich es!« Bei seiner bedrohlichen Stimme raste mir ein Schauer über den Rücken. Die ernste Miene, die sein Gesicht zierte, machte mir meine Niederlage bewusst.

Seufzend griff ich in die Hosentasche und legte es ihm trotzig in die Hand, die er mir entgegenstreckte. »Hier!«

Kurz nach meinem Zischen quiekte ich, weil der Typ in der beigen Anzughose mich wie eine Einkaufstüte zwischen seinen muskulösen Arm und Oberkörper klemmte. Das maskuline Parfüm, das er trug, erzielte, dass er dabei unheimlich dominant wirkte. Eigentlich sollte ich es nicht wagen, mich zu bewegen, doch genau diese Tatsache brachte mich dazu, wild auf seinen Armen zu strampeln.

»Lass mich sofort runter, du Kackesel!« Mit meiner ganzen Kraft schlug ich auf ihn ein, ehe ich völlig verzweifelt in seinen Arm biss. So fest ich konnte, rammte ich die Zähne durch sein weißes Hemd, verkrampfte aber schlagartig, da ein ruchloses Lachen, als wäre er Luzifer persönlich, ertönte.

»Dios, das macht mich hart, pequeña.« So ein perverses Schwein!

Schlagartig verlor mein Kiefer an Stärke. Mein Gesicht begann wie Kohle zu glühen, während ich langsam den Kopf zu ihm drehte. Ich war mir sicher, mich verhört zu haben, aber als ich sein dämliches Grinsen sah, zweifelte ich doch daran, es falsch verstanden zu haben. Schockiert sah ich zu seiner Brust und registrierte, wie sie mit mir die Straße entlangliefen. Den Mund öffnete ich, da ich irgendetwas auf seinen unpassenden Kommentar erwidern wollte. Leider Gottes fiel mir jedoch absolut nichts ein und genau das schien ihn noch mehr zu amüsieren. Wenn sie wüssten, dass ich in dieser Hinsicht wirklich keinerlei Erfahrungen hatte, hätte er seinen Satz mit Sicherheit für sich behalten. Aufsparen und auf den Richtigen warten, hätte ich mir also schenken können, denn jetzt starb ich als Jungfrau Maria.

Erst nachdem ich die andere Gasse wieder erkannte, fiel mir auf, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, um das Weite zu suchen. »Bist du schwerhörig? Du sollst mich runterlassen!« Ich schrie und fing wieder zu zappeln an.

Sofort als wir sie erreicht hatten, hielt ich jedoch inne und betrachtete das Opfer, das reglos am Boden lag.

»Oh mein Gott«, hauchte ich, während wir dem Mann, der vermutlich nicht mehr am Leben war, immer näher kamen. Durch das Scheinwerferlicht erkannte ich sein blutverschmiertes Gesicht, welches mir verriet, mit welcher Brutalität der Kerl, der mich trug, zugeschlagen haben musste.

»Ist er tot?«, wisperte ich, als wir an ihm vorbeiliefen.

Nach einigen stillen Sekunden drehte ich den Kopf zu ihm und sollte eigentlich weiter gegen ihn ankämpfen, doch der Anblick des Opfers hatte mich betäubt. Stumm blickte er nach vorne und ignorierte meine Worte, weswegen ich benommen den Kopf schüttelte. Scheiße, wo war ich hier nur reingeraten?

Am Auto hob ich die Augenbraue an und entschied für mich, dass das die protzigste Karre war, die ich jemals gesehen hatte. Zwar kannte ich mich mit Autos nicht aus, aber um feststellen zu können, dass dieser Wagen mehr wert war als das Haus meiner Mutter, musste ich kein Experte sein.

Nachdem er die Autotür geöffnet hatte, hievte er mich wie ein Paket auf den Rücksitz. Mein Gesicht schoss nach rechts, da das andere Arschloch neben mir Platz nahm. Erst als die Fahrertür aufging und das Innenlicht des Wagens erneut aufflackerte, nahm ich eine Gestalt auf dem Beifahrersitz wahr.

Der dritte Mann ...

Anders als ich erwartet hatte, war dieser definitiv älter. Ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte fünfzig. Sein Gesicht hatte er zu mir nach hinten gedreht, weshalb mir schier das Blut in den Adern gefror. Seine braunen Augen, die mich an ein dunkles, tiefes Loch erinnerten, starrten finster in meine. Unter seinem rechten Auge hafteten zwei tätowierte Tränen, die meinen Puls ruckartig beschleunigten, denn ich ahnte, was sie zu bedeuten hatten.

Er war groß und genauso gut gebaut, wie die zwei Affen vor und neben mir. Mein Blick schweifte zu dem Gold, das unter seinem weißen Hemd schimmerte. Die Brauen zog ich zusammen, während ich die Kreuzkette musterte und nicht daran glaubte, dass dieser Mann irgendeinen Bezug zu Gott hatte. Seine Erscheinung war boshaft und seine Körperhaltung zeigte mir, dass er mir gegenüber abgeneigt war. Deshalb blickte ich eilig zu dem Macker neben mir, doch da sein Blick auf mir ruhte, rasten meine Augen schnurstracks nach vorne. Besser wurde es jedoch nicht, denn ich sah mechanisch in den Rückspiegel. Selbst jetzt, wo das Licht des Wagens erloschen war, erkannte ich das eiskalte Blau der Regenbogenhaut des Mannes in beiger Hose leuchten. Durch den Spiegel strahlte sie fast noch intensiver, weshalb ich wie von selbst die Autotür aufknallte.

Weit kam ich nicht, denn noch in derselben Sekunde donnerte mein Schrei durch den Innenraum des Wagens.

»Das solltest du nicht nochmal versuchen!«, zischte der Mistkerl neben mir, bevor das Zuknallen der Autotür mich die Augen schließen ließ.

Ich war gefangen. Gefangen und verloren.

Als der Wagen zu rollen begann, hielt ich ein Schluchzen zurück und legte meine zitternden Hände auf das Gesicht.

Wie lange ich mich vom Geschehen abschottete, wusste ich nicht, tippte aber auf Minuten.

Als ihre Worte schneller und aggressiver ihre Münder verließen, bemerkte ich, wie angespannt die Stimmung im Auto war. Ich nahm die Hände wieder von meinem Gesicht und musterte ihre ernsten Mienen. Sie sprachen Spanisch, das hörte ich nun deutlich heraus, obwohl ich die Sprache nicht beherrschte. Ob sie gerade planten, wo sie mich umbringen und vergraben würden?

Da ich nun sowieso so gut wie tot war und nichts mehr zu verlieren hatte, schaute ich in den Rückspiegel und musterte den Fahrer. Zum Glück sah er nicht zu mir, sonst hätte ich es mir anders überlegt.

»Die nächste Straße kannst du reinfahren, da wohne ich!« Das war zwar gelogen, aber von hieraus kam ich gut zu Fuß nach Hause.

Ruckartig bremste er, weshalb mein Oberkörper erst vorund dann gleich zurückstieß. Unvermittelt schoss mein Puls in die Höhe, da alle Augenpaare auf mir lagen.

»Hast du keine Angst vor uns?« Die rauchige Stimme des Beifahrers hörte sich warnend an. Ich war mir sicher, er wusste, dass ich mich vor ihnen fürchtete. Dennoch dachte ich wieder an Dads Worte.

Mit erhobenem Hauptes reckte ich das Kinn. »Nein.«

»Das war ein Fehler, Prinzessin«, raunte mein Sitznachbar, wobei die braunen Augen des Beifahrers mich betrachteten.

Mein Blut begann durch meinen Körper zu rasen, da er aus dem Nichts eine Waffe zog. Für einen Moment zuckte ich zusammen und starrte den Lauf der Pistole an. Doch ich konnte schnell wieder aufatmen, denn ich erkannte, dass sie noch gesichert war. Das Aufatmen ließ jedoch gleichzeitig die Frage in mir aufkommen, wieso er mich nicht abknallte.

War ihm nur der Wagen zu schade?

Wollten sie mich an einem abgelegenen Ort erschießen?

Allein die bloße Vorstellung ließ mich die Fingernägel in das kalte Leder der Rückbank bohren. Anhand ihrer Blicke war mir bewusst, sie warteten auf eine Reaktion meinerseits, doch ich war nach wie vor auf die Waffe fokussiert. Mit viel Glück konnte ich sie dem Mann, den ich für den Boss hielt, abnehmen, denn damit würde er nicht rechnen. Jedoch ging ich davon aus, dass die anderen Gauner ebenfalls Knarren bei sich trugen. Dementsprechend verwarf ich diesen Gedanken wieder.

»Jetzt auch nicht?« Prüfend hob der ältere Herr die Braue.

»Ich bin doch sowieso so gut wie tot, also wovor sollte ich noch Angst haben?«, murmelte ich.

Der Zug, der über sein Gesicht huschte, demonstrierte mir, dass ich recht hatte. Während er die Waffe wieder sinken ließ und wegsteckte, drehte er sich nach vorne. Die beiden anderen hingegen zeigten mir ihre Schadenfreude deutlich. Der Affe neben mir schüttelte grinsend den Kopf, ebenso wie der Fahrer, der mich durch den Rückspiegel inspizierte, bevor ich mich zur Seite drehte und mein Schicksal hinnahm.

Ich hatte es versucht, gekämpft und verloren.

Eine Stunde waren wir jetzt sicherlich schon gefahren. Seit rund zehn Minuten düsten wir eine Landstraße entlang, weswegen ich befürchtete, der Wald am Stadtrand war das Ziel der Kerle. Gleichzeitig verriet es mir, dass wir auf der anderen Seite New Yorks sein mussten. Wahrscheinlich gingen sie davon aus, hier würde keiner nach mir suchen und das Traurige daran war, sie lagen damit auch noch richtig.

Als wir auf ein riesiges Anwesen zufuhren, hielt ich die Luft an. Hohe Zäune sowie Mauern zierten das gigantische Gelände. Männer mit Waffen standen hinter einem Tor, das sofort für den Wagen geöffnet wurde.

Jesus, wie sollte ich hier wieder lebend rauskommen?

Als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte, fiel mir auf, dass auf der linken Seite des Tores ein Häuschen stand. Ein weiterer glatzköpfiger Sicherheitsmann saß darin, was ich aufgrund der Innenbeleuchtung ausmachen konnte. Mehr Licht erhellte das Grundstück, sodass ich kurzzeitig glaubte, die Sonne ging schon wieder auf. Zahlreiche Blumenbeete und Büsche zierten den Fahrweg zum Haus hoch.

Mein Blick schweifte durch die Frontscheibe, ehe mir auffiel, dass wir noch etwa dreihundert Meter von diesem Schloss entfernt waren. Es wirkte mächtig, sah jedoch freundlicher aus als die Kerle, mit denen ich im Wagen saß.

Der Fahrer fuhr um ein rundes Blumenbeet, das ein Kreisverkehr sein konnte, während ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit umsah. Da ich spürte, dass sie mich beobachteten, setzte ich eine neugierige Miene auf.

»Versuch es erst gar nicht«, warnte mich der Mann neben mir, was mich von selbst zum Fahrer sehen ließ, da ich seinen Gesichtsausdruck sehen wollte. Die Schatten seiner Augen sprachen ebenfalls eine Drohung aus, darum sah ich wieder eilig weg.

Etliche Protzer-Karren nahmen den Hof ein, weshalb das mulmige Gefühl in mir wuchs.

Der ältere Herr stieg aus. Als er die Tür zugeschlagen hatte, überkam mich das Gefühl, er hatte mir ein wenig Last von den Schultern genommen. Doch da die anderen beiden sitzen blieben, verschwand das beengende Gefühl nicht vollkommen. Nervös spielte ich mit den Ärmeln meines Pullovers.

»Das hier gleicht einer Irrenanstalt«, kommentierte ich das Anwesen, denn jetzt, wo ich es von Nahem betrachten konnte, sah es nicht mehr so freundlich aus. Eher wie ein Gebäude, in dem Menschen viel Leid und Unheil erfahren mussten.

»Ich habe mir schon gedacht, dass ihr aus einer Anstalt ausgebrochen seid«, murmelte ich und ignorierte die Tatsache, dass mein Magen zu rebellieren begann. Da mir bewusst wurde, welche Worte mir gerade über die Lippen gerutscht waren, drehte ich den Kopf verunsichert zu dem Mann, der neben mir saß. Ich erkannte, dass er seinen Mundwinkel nach oben zog, auch wenn seine Augen verdutzt aufblitzten. Durch seine Geste fuhr mein Puls wieder etwas runter, denn er schien meine Aussage nicht richtig wahrgenommen zu haben. Der Fahrer hingegen hatte meine Worte wohl richtig aufgeschnappt, denn er runzelte die Stirn. Ich zuckte mit den Schultern, um ihm eine stumme Antwort auf seine Miene zu geben.

Plötzlich öffneten sie die Türen, ehe der Fahrer mich aus dem Wagen zerrte. Sofort blickte ich zum Himmel, musterte die Sterne und fragte mich, ob einer von ihnen mein Dad war.

»Bitte pass auf mich auf«, flüsterte ich.

Er war Lieutenant und war bei einem Einsatz gestorben. Seitdem ich seinen Tod realisiert hatte, war ich generell abgehärtet und versuchte, an jeden seiner Ratschläge zu denken.

Während sie mich zum Gebäude zerrten, nahm ich ihre Hände an beiden Armen wahr. Am Eingang angekommen, nickte ein weiterer Securitymann den Kerlen zu und hielt mit seinem Blick letztlich bei mir.

»Noch nie eine entführte Frau gesehen, oder was?«, fragte ich. Dass ich ihm damit den Hinweis geben wollte, dass ich Hilfe suchte, schien ihn nicht sonderlich zu interessieren. Aus diesem Grund sah ich kopfschüttelnd nach vorne und staunte nicht schlecht, denn die Männer badeten scheinbar in Kohle.

Beige Marmorfliesen zierten das Foyer und leiteten meinen Blick direkt zu einer breiten Treppe, die in der Mitte der Eingangshalle nach oben führte. Ich hatte freie Sicht auf den ersten Stock und sichtete viele Türen. Durch die bloße Betrachtung des Foyers fühlte ich mich wie in einem Labyrinth, denn die Anzahl der Eingänge zu weiteren Korridoren konnte ich nicht so schnell zählen, wie wir liefen. Die Türen, an denen wir vorbeigelaufen waren, waren unfassbar edel verziert, jedoch nichts im Vergleich zu der Doppeltür, die wir ansteuerten. Ein großer brüllender Löwe aus Gold streckte sich über das dunkelbraune Holz.

»Habt ihr Sorge, ich könnte euch entkommen, wenn mich nur einer von euch festhält?«, hakte ich nach und wollte mich vor meiner Furcht, was sich dahinter verbarg, ablenken.

Den Spott in meiner Stimme hatten sie scheinbar gehört, da sie sich verwirrt über meinen Kopf hinweg ansahen. Anscheinend hatte es den beiden die Sprache verschlagen oder ich versteckte die Angst vor den beiden besser, als ich dachte. Und das war gut so, denn das konnte ich dazu nutzen, einen Ausgang aus dieser Residenz zu finden und die Biege zu machen. Das Problem war nur, dass ich schon jetzt nicht mehr wusste, wie ich zurück zum Ausgang gelangen würde. Gedankenlos rasten mir immer mehr Fragen durch den Kopf.

Wo würden sie mich hinbringen? Würde ich hier sterben?

Vor der Tür blieben wir stehen, weshalb meine Nervosität stieg. Zögernd blickte ich zu der Hand, die sich um den Knauf legte und heute Nacht einen Menschen umgebracht hatte.

Als der Fahrer den Raum öffnete, hob ich stockend den Kopf, da er mir andeutete, ihn zu betreten. Sekunden starrte ich in seine Augen und fragte mich, ob ich ihn anflehen sollte, mich gehen zu lassen. Aber das kalte Blau hielt mich davon ab.

Vorsichtig lief ich über die Türschwelle, bevor ich mich verdattert in dem großflächigen Raum umsah. Manch einer würde diesen wahrscheinlich als Bibliothek bezeichnen.

Große, dunkelbraune Bücherregale zierten die Wände. In der Mitte des Raumes stand eine Couch, die riesig und mit Sicherheit eine Sonderanfertigung war. Der Couchtisch davor bestand aus Marmor. Zwei Flaschen Scotch und ein Tablett mit mehreren Gläsern dazu sollten offenbar die Dekoration sein. Vier dunkelrote Sessel aus Leder standen neben der Couch. Hinter dem Sofa erblickte ich einen Billardtisch, bevor ich meine Augen zum Schreibtisch, der wie die Bücherregale aus dunklem Holz hergestellt war, schweifen ließ.

Tief durchatmend sah ich wieder zu den Wandregalen. Ich las für mein Leben gern und würde mich, ohne die zwei Arschlöcher hinter mir, sicher wohl in diesem Raum fühlen.

»Für die großen Leser hätte ich euch ja jetzt nicht gehalten.« Eingeschüchtert wandte ich mich um. Wieder musterten sie sich gegenseitig und da sie nichts erwiderten, mich schlugen oder töteten, fuhr ich fort. »Ich hätte mit einem Folterkeller gerechnet.« Verzweifelt lachte ich, denn gelogen war es nicht. Die Bücherei hier gefiel mir deutlich besser.

Kurz, nur für eine Sekunde, hoben sich ihre perfekt gezupften Augenbrauen. Als sie wieder ihre ernsten Mienen aufsetzten, wünschte ich mir wiederum, ich hätte nichts gesagt, denn je frecher ich war, desto mehr könnten sie mich quälen wollen. Meine schwitzenden Hände rieb ich mir an der Jeans ab, sah währenddessen, dass sie sich abwandten. Leicht zuckte ich zusammen, weil der Fahrer sich nochmal zu mir drehte. Verschwiegen lagen seine schauervollen Augen auf mir.

Ich wurde erst wieder von der bitteren Kälte, die mich durchfuhr, erlöst, als er den kleinen Spalt, durch den er mich gerade angesehen hatte, zuzog. Einen Moment lang starrte ich die Tür noch an, ehe ich mich hektisch umsah und eilig zu den Fenstern stürmte. Gequält wimmerte ich, da ich feststellte, sie waren verschlossen. Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen und verlor etwas an Mut. Trotzdem raufte ich mich zusammen und sah mich weiter um. Es gab nur einen Ausgang aus diesem Raum und aus diesem traute ich mich nicht raus, weil ich Sorge hatte, sie standen noch davor.

Tränen stiegen mir in die Augen, während ich mir meine bebenden Hände auf das Gesicht legte. Es hätte mir klar sein müssen, dass sie mich nicht in einen Raum steckten, in dem ich auch nur den Hauch einer Chance auf eine Flucht hatte.

Lange würden sie mich wahrscheinlich nicht aus den Augen lassen, weswegen ich daran dachte, mich wenigstens zu verstecken. Ich sah zum Schreibtisch, ahnte aber, unter ihm würden sie mich sofort vermuten, weshalb ich mich weiter umsah. Bis mir der Billardtisch ins Auge fiel. Unter diesem war nicht viel Platz und vielleicht würden sie aufgrund dessen nicht darunter nach mir suchen. Konnte ja sein, sie dachten, ich war zu groß. Aufgeben kam für mich nicht infrage, so viel stand fest! Eventuell hatte ich ja doch Glück und die drei waren nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. Das war bei diesem Haus zwar schwer vorstellbar, aber gut, eine andere Wahl hatte ich nicht.

Kurz blickte ich zum Bücherregal, ging darauf zu und suchte mir ein Buch aus, welches ich mit in mein Versteck nehmen konnte. Zur Beruhigung schnappte ich mir eine der Scotch Flaschen und ein Glas vom Couchtisch. Das Buch klemmte ich unter meinen Arm, damit meine linke Hand frei war und ich ein Kissen vom Sofa nehmen konnte. Mit weichen Knien lief ich zum Billardtisch und schob die Flasche, das Glas sowie das Kissen darunter. Nachdem ich selbst unter den Spieltisch gekrochen war, zog ich die Beine ein, denn darunter war es eng. Wenn sie mich nicht fanden und im Rest des Hauses suchen würden, schaffte ich es, vielleicht noch zu entkommen.

Mit stockendem Atem füllte ich das Glas mit Scotch und hoffte, es half mir, etwas runterzukommen.

Ich nahm einen Schluck und genoss für einen Augenblick das Brennen in meiner Kehle.

Eine Weile war vergangen, zumindest war ich bei dem Buch, das ich las, schon bei Seite sechsundfünfzig. Abgelenkt hatte es mich nicht wirklich, aber was sollte ich sonst tun?

Weinen? Nach Hilfe rufen?

Als ich verschiedene Stimmen wahrnahm, hielt ich inne und hatte das Gefühl, dass alles um mich herum zu einem Standbild mutierte. Das offene Buch legte ich zur Seite und stellte auch das Glas ab, von dem ich gerade einen Schluck runtergekippt hatte. Den Körper kugelte ich zusammen, sah stur nach vorne und betrachtete die hölzernen Füße der Ledercouch. Mein Puls war ins Unendliche geschossen, dabei schlug mir das Herz bis zum Gaumen.

Verängstigt schloss ich die Augen, da ich das Knarren der Tür wahrnahm. Innerlich bat ich Gott darum, diese Nacht zu überleben.

Wo zum Teufel ist sie?«

Die Wut, die den Raum einnahm, bescherte mir

eine Gänsehaut. Ich wusste sofort, es war der ältere Mann. Seine Stimme bebte und brachte mich dazu, mich mehr zusammenzurollen. Das Zittern, welches meinen Körper überfiel, war kaum im Zaum zu halten.

Sie suchten nach mir. Ihre Schritte verrieten sie, hallten im Raum und sorgten dafür, dass mein Herz schier explodierte.

»Findet sie!«, befahl der Fahrer.

Ich zuckte zusammen und konnte nicht in Worte fassen, wie sehr sich sein Brüllen in meine Ohren gedrängt hatte. Sie schallten in meinem Kopf wider wie ein unaufhörliches Echo. Zumindest solang, bis mir auffiel, wie viele stürmische Schritte im Raum donnerten. Es waren definitiv mehr als drei Personen, die auf seinen Befehl hörten.

Panisch riss ich die Augen auf, als ich plötzlich schwarze Sneaker im Blickfeld hatte. Wie paralysiert musterte ich sie und war mir sicher, diese Schuhe waren ein Vermögen wert. Jeden Schlag meines Herzens fühlte ich bis zu meinem Gaumen. Es fühlte sich widerlich an, das Klopfen im Hals zu spüren. Doch es zeigte mir, in welcher Situation ich steckte und auch, dass all das real war.

Ich wurde erst wieder von der Furcht erlöst, als ich die Schuhe nicht mehr erkannte. Tonlos schnappte ich nach Luft, ehe ich sie panisch aus meiner geweiteten Lunge schrie, da plötzlich ein Gesicht in meinem Sichtfeld auftauchte.

»Buh«, raunte der Mann, der mich scheinbar verarschen wollte. Grinsend sah er mich an, während ich mir die Seele aus dem Leib brüllte und feststellte, dass der Kerl zuvor nicht da gewesen war.

»Hau ab!«, kreischte ich wild und ließ meine Fäuste in seine Richtung sausen. Doch eigentlich fehlte mir die Kraft dazu, denn ich hatte das Gefühl, mir wurde eine Schlinge um den Hals gelegt.

Stürmisch krabbelte ich nach hinten, brüllte im selben Moment aber erneut, weil ich einen festen Griff um meinen Knöchel fühlte. Mit einem machtvollen Ruck wurde ich unter dem Billardtisch hervorgezogen.

Mein Atem stockte, bevor ich schnurstracks auf den Armen eines weiteren Mannes saß. Dieser kam mir ebenfalls nicht bekannt vor, doch seine Iriden wiesen das gleiche kalte Blau auf, welches mich an den eisigen Ozean erinnerte.

»Hat sie echt gelesen?« Eine belustigte Stimme durchströmte das Zimmer, was mich automatisch über die breite Schulter des Fremden sehen ließ.

Es war der Mistkerl, der buh geraunt hatte. In seiner Hand hielt er das Buch, welches ich gelesen hatte. Er wedelte damit, bis er sich erneut beugte und ein bitterböses Lachen den Raum füllte. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, erkannte ich in seiner Hand die Flasche Scotch, die mittlerweile halb leer war.

»Das darf ja wohl nicht wahr sein«, brachte derselbe Typ hervor. Und vermutlich wäre es besser gewesen, die Klappe zu halten, doch mein Kommentar rutschte mir über die Lippen, ohne dass ich es stoppen konnte. »Schade, dass ich sie nicht in der Hand habe. Die hätte ich dir jetzt gerne übergezogen, weil du deine Griffel auf meinem Arsch hast!«

Ich drehte den Kopf zu dem Arschloch, das mich hochhob und seine Finger auf meinem Hintern hatte.

Plötzlich nahm ich tiefes Gelächter wahr und auch die beiden Kerle, die ich auf dem Schirm hatte, fingen aus dem Nichts zu lachen an. Völlig unter Schock wandte ich den Kopf zur Seite und zuckte erschrocken zusammen, als ich weitere fünf Männer entdeckte. Drei davon waren dieselben aus dem Wagen, die mich hierher verschleppt hatten.

Der älteste Mann nahm auf dem Sofa Platz.

»Ich habe doch gesagt, ihr werdet es nicht glauben«, gab der bescheuerte Fahrer von sich, weshalb ich abrupt zu ihm sah.

Von Panik beherrscht wanderte mein Blick über die Kerle, die neben ihm standen. Unter anderen Umständen hätte ich mich sicherlich über diesen Anblick gefreut, denn jeder von ihnen sah heiß aus. Angsteinflößend, aber heiß. Irgendwie ließ mich dieser blöde Gedanke verzweifelt grinsen. Mir wäre sogar fast ein hoffnungsloses Lachen aus der Kehle gerutscht, da ich mich selbst für wahnsinnig hielt. So sehr ich auch versuchte, das Grinsen zu verstecken, gelang es mir einfach nicht.

»Lächelt sie?« Es war ein Wispern, das ich aufgreifen konnte. Überrascht hob der Prachtkerl die Braue und ahnte scheinbar nicht, dass ich aus Angst und Verzweiflung lächelte. Der Fahrer legte den Kopf in den Nacken, weswegen ich die Blutbahnen an seinem Hals, die hervortraten, mustern konnte.

»Stell sie ab«, ordnete der ältere Herr an und deutete dabei auf einen Hocker, der etwa drei Meter vor dem Sofa stand.

»Was soll ich denn da drauf?« Stirnrunzelnd betrachtete ich den Hocker. Eine Antwort bekam ich leider von keinem, was mein Blut schneller durch meine Venen schießen ließ. Das Arschloch gehorchte und stellte mich darauf ab.

»Hast du für mich vielleicht etwas Starkes?«, fragte ich wispernd, denn ich hatte das Gefühl, die Wirkung der halben Flasche Scotch, klang abrupt ab. Ratlos musterte ich den Mann, der mich verschmitzt ansah, bis er sich wortlos umdrehte. Nachdem er in einem der Sessel Platz genommen hatte, wandte ich mein Gesicht zu den anderen Kerlen. Sie hatten sich auf die große Couch gesetzt und studierten mich.

Immer noch hatte ich einen Funken Hoffnung, dass dies hier nur ein schrecklicher Albtraum war. Falls nicht, wollte ich nicht wissen, was diese Psychopathen mit mir vorhatten.

»Das ist doch mal ein schöner Anblick! Von hier oben sieht man euch ja noch besser.« Fassungslosigkeit huschte über ihre Züge und womöglich war es unpassend, aber ich konnte nicht anders, als über ihre unbezahlbaren Mienen zu lächeln.

Da ich jetzt doch der festen Überzeugung davon war, nur zu träumen, plapperte ich los. »Also nochmal vier mehr von euch, das nenne ich wirklich Jackpot.«

Vergnügt sah ich zu dem Fahrer, bevor ich zu dem Mann blickte, der mich Prinzessin genannt hatte.

»Hey«, fuhr ich fort und winkte meinen neuen Bekanntschaften. Nur da sie jetzt nochmal vier mehr waren, brauchten sie nicht glauben, ich hatte mehr Angst vor ihnen. Die drei vorher hatten mir schon gereicht, um mir einen Vorgeschmack dieses Empfindens zu geben. Was konnten sieben Männer mir schon antun, das die drei nicht allein konnten?

»Hola, mi hermosa«, wurde ich charmant begrüßt. Ihm gegenüber zog ich eine beeindruckte Miene. Immerhin einer mit etwas Anstand.

»Wir gefallen dir also?« Spitzbübisch sah der Buh-Kerl mich an. Die waren verrückt!

Ich stand auf diesem beschissenen Hocker, zitterte wie verrückt und der Typ nahm mein Gefasel ernst.

»Beschweren kann ich mich über diesen Anblick jedenfalls nicht«, erwiderte ich und setzte ein zuckersüßes Lächeln auf.

»So, jetzt war ich ein bisschen nett zu euch. Wäre jetzt einer von euch so freundlich, mich nach Hause zu fahren?«, sprach ich weiter und sah im selben Atemzug ihre strahlend weißen Zähne, da sie hämisch in Gelächter ausbrachen.

»Du denkst, du kommst hier wieder raus?« Ich hatte das Gefühl, der Fahrer forderte mich gerade heraus. Meine Lungenflügel sog ich bis zum Anschlag mit Luft voll und glaubte dabei, sie platzten gleich.

Keine Angst zeigen, Aria ...

»Du kannst darauf wetten, dass ich mich hier gleich aus dem Staub mache! Ich brauche vorher nur mein Handy, um mir ein Taxi zu rufen, weil du mich an den Arsch der Welt gefahren hast!« Er kniff minimal die Lider zusammen und starrte mich stur an, als wäre das seine Antwort. Die Männer um ihn herum fingen erneut leise zu prusten an.

»Du kommst hier nicht mehr raus.« Der Fahrer wollte mir die Erwiderung, die ich von seinen Augen ablesen konnte, also bestätigen. Hilflos beobachtete ich jede seiner Gesichtsregungen, aber sein Ausdruck blieb ernst. Nun war ich diejenige, die entmutigt zu kichern begann. Doch das flaue Gefühl in meinem Bauch sorgte dafür, dass es mir in der Kehle stecken blieb.

Toll! Jetzt fehlte nur noch der Hammer.

Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, verkauft an das Arschloch da hinten ...

Verdattert schauten sie mich an und zeigten mir erneut ihr atemberaubendes Lächeln, das mir eigentlich am Hintern vorbeigehen sollte. Ich sagte ja bereits, die Typen hatten nicht mehr alle Tassen im Schrank.

»An welches Arschloch denn?« Unvermittelt sanken meine Mundwinkel, mein Herz stand still. Eine Gänsehaut brauste über meine glühende Haut, bevor ich mir vorsichtig die Hand vor den Mund schob und den Atem anhielt.

Verdammte Scheiße! Hatte ich das laut gesagt?

»Bekommst du doch Angst?«, fragte derjenige, der mir vorher fast das Bein zerquetscht hatte. Es kam mir so vor, als würde es ihn stolz machen, dass ich mich vor ihnen fürchtete. Zumindest wollte er etwas von mir wissen, worauf er die Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit schon kannte. Immerhin stand man nicht jeden Tag auf einem Hocker vor sieben fremden Männern, ohne zu wissen, was sie von einem wollten.

»Nö, dafür schaut ihr zu nett aus«, log ich und wollte ihm die Genugtuung nicht geben. Abwartend musterte ich ihn und wartete aufmerksam auf eine Reaktion seinerseits. Alles, was ich schließlich bekam, war ein flüchtiges Schmunzeln.

»Wie heißt du?«, wollte plötzlich der Kerl wissen, der mich auf diesen blöden Hocker gestellt hatte, und ich konnte nicht anders, als die Brauen zu kräuseln.

»Sag du mir erst mal, was ich auf diesem Ding mache und wer ihr überhaupt seid, dann kriegst du vielleicht eine Antwort.« Ich war erschrocken über meinen patzigen Ton und so, wie es schien, waren die Kerle es wohl ebenfalls nicht gewohnt, dass jemand so mit ihnen sprach.

Ihre Blicke brannten auf meiner Haut und für den Hauch einer Sekunde überlegte ich mir, ob ich mich für den Trotz in meiner Stimme entschuldigen sollte. Doch meine innere Königin weigerte sich, da sie mich entführt hatten.

Stur sah ich den Kerl an und das war definitiv einer der schlimmsten Momente meines Lebens, denn das bitterkalte Blau seiner Augen war der reinste Horror für mich.

Zu den anderen sah ich nicht, da ich mich darauf konzentrieren musste, ihn anzusehen und dabei nicht umzukippen.

»Antworte!« Ungewollt schrak ich zusammen, als die drohende, tiefe Stimme des älteren Mannes ein Echo im Raum hinterließ. Zögernd wandte ich meinen Blick von ihm ab und

ließ ihn über die restlichen Männer in diesem Zimmer fahren. Seufzend und am Ende meiner Kräfte legte ich den Kopf in den Nacken. Ich hasste es, in solchen Situationen nachgeben zu müssen.

»Aria«, zischte ich.

Seine Lippen formten sich zu einem triumphierenden Grinsen, das ich ihm gerne aus dem Gesicht geprügelt hätte.

»Und du?«, fragte ich stattdessen und versuchte zu lächeln, was vermutlich eher gequält als freundlich aussah.

Ich musste wissen, wo ich hier gelandet war und was sie von mir wollten, damit ich Lucas morgen von diesem dämlichen Albtraum erzählen konnte. Während er mich spöttisch betrachtete, flog plötzlich die Tür auf.

»Oh mein Gott! Sie ist wunderschön!« Eine junge Frau, die etwa in meinem Alter sein müsste, strahlte mich an. Sie trug genau dasselbe kalte Blau in ihren Augen wie die Männer hier. Bei ihr wirkten sie im Gegensatz zu den anderen aber freundlich und aufgeschlossen.

Möglicherweise würde sie mich hier rausschaffen?

»Hey«, begrüßte sie mich und setzte dabei ein wunderschönes Grinsen auf.

Gerade als ich sie zurückgrüßen wollte, hörte ich den Alten plötzlich schreien. »Raus!«

Sie drehte ihren Kopf für eine Sekunde zur Couch, ehe sie wieder frech zu mir sah. »Hab keine Angst.«

Jetzt hielt ich auch sie für verrückt, denn sie hatte ja leicht reden und stand nicht auf diesem Hocker.

»Habe ich nicht«, flunkerte ich. Mein Herzrasen, das Schwitzen sowie das miese Gefühl in mir, bewiesen, ich hatte gelogen.

Leise kicherte sie, drehte sich um und verließ den Raum. Unruhig kaute ich auf meiner Unterlippe herum, denn die-Angst, die sie mir mit ihrer warmen Ausstrahlung etwas genommen hatte, tauchte prompt wieder in mir auf. So langsam aber sicher spürte ich immer deutlicher, meine Beine wollten nachgeben. Das Zittern wurde enormer, weshalb ich für eine Sekunde die Lider schloss. Als die Stimme des Fahrers den Raum befiel, sah ich zu ihm.

»Wie alt bist du, Aria?«

Für einen kurzen Augenblick musterte ich ihn verwirrt, schaute ihn aber dann erneut amüsiert an. Mein Lächeln starb durch seine stürmischen Augen jedoch schnell, auch wenn ich versuchte, die Worte der jungen Frau in Gedanken festzuhalten.

Hab keine Angst.

Ihre Worte ließen mich darüber nachdenken, dass ich womöglich doch wieder lebend hier rauskam. Die Augen des Fahrers glühten ungeduldig und er formte sie leicht zu Schlitzen, weswegen ich mich wieder auf seine Frage konzentrierte. Aus Impuls heraus wollte ich ihm eine Gegenfrage stellen.

»Fragt ihr die Menschen, die ihr umlegen wollt, vorher immer über ihr Leben aus?«

Plötzlich brachen sie in schallendes Gelächter aus. Selbst der ältere Mann legte feixend seinen Kopf in den Nacken.

Panisch schweifte mein Blick nochmal über alle. Angefangen bei dem Mann, der im roten Sessel saß. Prüfend nahm ich jeden von ihnen unter die Lupe und erst jetzt fiel mir das Tattoo auf, das sie alle am rechten Unterarm trugen.

Bebend schnappte ich nach Luft. Eine grauenhafte Vorahnung, wo ich hier gelandet sein könnte, bahnte sich in mir an. Die Übelkeit, die kräftiger in mir aufstieg, ließ das Brennen in meiner Brust qualvoll werden.

Wie hypnotisiert studierte ich die sauber gezogenen Linien. Ich war mir sicher, ich hatte die Schlange, die sich um einen Totenkopf schlang sowie den Löwen, der dahinter angriff und beides verschlingen wollte, schon mal irgendwo gesehen. Jede Gehirnzelle fing zu rattern an, wollte herausfinden, wo ich hier war. Wer diese Menschen waren, sodass mich die Antwort vielleicht beruhigte. Es lag mir nahezu auf der Zunge und ich ärgerte mich unheimlich darüber, dass ich nicht darauf kam.

»Wie alt du bist, wollte er wissen!«, murrte der Mann, den ich für den Boss hielt. Seine Stimme ließ mich wissen, ich sollte ihm antworten, doch einige Sekunden brauchte ich noch, da mich das Tattoo so fesselte.

»Zwanzig«, antwortete ich dann wie in Trance. Meine Stimme hörte sich weit entfernt an, als schwirrte ich in einer anderen Welt.

Konzentriert blendete ich selbst die Granaten vor mir aus. Aber nur wenige Sekunden später war ich nicht mehr dazu in der Lage zu atmen. Der Schock, der mir bis ins Knochenmark donnerte, ließ mich erstarren.

»Holy Shit.«

Ich hob meinen Kopf, starrte lähmend in die eisigen Augenpaare vor mir und krallte die Fingernägel fest in die Oberschenkel, wobei ich hoffte, Halt zu finden.

Der Name Rodríguez blitzte in meinem Kopf auf.

Prima, Aria! Wunderbar gemacht. Die Mafia also. Ich stand auf dem Hocker bei der verfluchten Mafia.

Mein Leib bebte an jeder Stelle, wo es nur möglich war. Selbst meine Zehen prallten zitternd gegen die Innenwände meiner Sneaker. Das Herzrasen, das ich noch vor wenigen Sekunden hatte, war ein Witz gegen mein jetziges Herzhämmern. Dass ich noch am Leben war, war ein verdammtes Wunder. Die Panik stand mir zu hundert Prozent ins Gesicht geschrieben, das verrieten mir ihre belustigten Grimassen.