Mrs. Medina - Ann Wadsworth - E-Book

Mrs. Medina E-Book

Ann Wadsworth

4,9

Beschreibung

Ein poetischer Roman über die Liebe, über Abschied und einen Neubeginn … "Am Tag nach unserer Ankunft teilte ich mir mit dieser Frau den Fahrstuhl im Hotel, eine lange, gemächliche Fahrt nach unten. Unsere Augen trafen sich, als ich einstieg, dann drehte ich mich um, und blickte nach vorn, wie man es im Fahrstuhl eben macht. Da war ein schwacher, vielschichtiger Duft, wenn ich mich recht entsinne, nichts Blumiges. Berauschend. Sie trug ein graues Kostüm, das sich eng an ihre hochaufragende Gestalt schmiegte, so wie es damals Mode war, darunter ein weißes hüftlanges Top. Kleine schimmernde Perlen. Ich erinnere mich an eine Art Aura, die sich um uns herabsenkte. Ich spürte, dass etwas im Begriff war zu geschehen, etwas Körperliches, glaube ich. Ich hatte keine Erfahrung mit derlei Gefühlen ..." Fünfundzwanzig Jahre nach dieser Begegnung, die sich während ihrer Hochzeitsreise ereignete, trifft Mrs. Medina, eine kultivierte Dame im Alter von neunundfünfzig Jahren, erneut eine Frau, die ihr nicht aus dem Sinn geht: Lennie, eine junge Blumenverkäuferin. Und diesmal lässt sie geschehen, was sie sich damals versagt hat ...

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FRAUEN IM SINN

 

Verlag Krug & Schadenberg

 

 

Literatur deutschsprachiger und internationaler

Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,

historische Romane, Erzählungen)

 

Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen

rund um das lesbische Leben

 

Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de.

Ann Wadsworth

Mrs.Medina

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch

von Andrea Krug

Die Übersetzerin dankt dem Deutschen Übersetzerfonds vielmals für die Gewährung eines Arbeitsstipendiums, das die Übersetzung dieses Romans außerordentlich beförderte.

Für Alice Robinson

1948–

ERSTER TEIL

In der Klinik

In der Klinik saß ich anfangs immer am Fenster und sah hinaus. Manchmal den ganzen Tag lang, oder fast den ganzen Tag. Da mein Zimmer zur Straße lag, gab es einiges für mich zu sehen, und ich entdeckte, dass sich nach einer Stunde oder so eine gewisse Regelmäßigkeit der Ereignisse einzustellen schien, eine Art Balance.

Ein Auto biegt um die Ecke, hält, setzt zurück, parkt. Eine Tür knallt zu. Eine Frau geht davon (sie ist groß, dünn, ihre Haut hat die sahnige Farbe von Cappuccino), und ihre Bahn wird von einem Mann ausgeglichen, der quer über die Straße geht, um sie einzuholen. Er winkt mit einem kleinen Päckchen, das in rotes Papier eingeschlagen ist. Sie treffen sich; sie reden miteinander. Sie küsst ihn auf die Wange. Dann setzen die beiden ihren Weg gemeinsam fort.

Während dieses Abenteuers hält ein Bus auf der Hauptverkehrsstraße, einen halben Block entfernt. Zwei Jungen, Mützen in der Hand, steigen in einem Wirbel von Beinen und fernen Rufen aus.

Eine Brise weht die Straße hinunter, hebt die Gardinen eines Zimmers in dem Backsteingebäude direkt gegenüber. Ein Stück alte Zeitung flattert und segelt über den Gehsteig. Ein Auto fährt vorbei, sein Auspuff undicht und knatternd. Ich höre ein kurzes Hämmern von Musik.

Zwei Frauen kommen die Straße herunter, beladen mit Einkaufstaschen; sie begegnen einer dritten. Sie bleiben stehen und reden miteinander. Setzen die Taschen ab. Sie lachen. Auf der anderen Straßenseite tritt eine weitere Frau aus einem Gebäude, sieht die Straße hinauf und hinunter und stemmt die Hände in die Hüften. Sie sieht in meine Richtung, setzt ihre Brille ab. (Sieht sie mich?) Graue Strähnen entwischen dem pinkfarbenen Schal, den sie sich um den Kopf geschlungen hat. Denkt sie an die Verrückten hier hinter den vergitterten Fenstern?

Ich verfolge diese Geschehnisse mit gleichgültiger Neugier und denke an Räder, Uhren, die Ordnung von Zifferblättern und Zahlen. Bin ich verrückt? War ich es?

Zu jener Zeit stand mein eigenes Leben in einer düsteren Ecke, still, doch mit einer gewissen Bedrohlichkeit, und wartete darauf, dass ich mich seinem Blick stellte. Ich versuchte, diesen Augenblick so lange wie möglich hinauszuzögern. Ich behielt die Augen auf der Straße und meine Hand auf der Uhr. (Die Straße war die Eule Avenue, in einem der eher bescheidenen Randbezirke von Boston.) Es heißt, dass unser Kosmos sich ins Chaos ausdehnt, aber in jener Straße erblickte ich die Bestätigung von Ordnung, solange ich nicht zu aufmerksam hinsah. Genau wie früher die unüberdachten Tribünen im Baseball-Stadion Fenway Park an einem heißen Juli-Nachmittag auf wundersame Weise farblich ausgewogen schienen – die roten Hemden, die weißen Hemden, das grüne Kleid, der nackte Oberkörper. Solange man nicht zu genau hinsah. Und ich musste mich hüten; wenn ich zu genau auf die Straße hinausblickte, dann sah ich vielleicht die hässlichen Tabakflecken auf den Zähnen der Frau mit dem pinkfarbenen Schal oder wie der Mann mit dem roten Päckchen sich um Mitternacht auf Zehenspitzen in das Zimmer seiner Tochter stahl und in ihr Bett glitt, in dem sie wartete, Schlaf vortäuschend, und sich wünschte, sie wäre tot.

Aus dem stillen Zentrum des Chaos beobachtete ich und versuchte geduldig zu lernen, wieder ein Leben zu leben.

Oberflächlich betrachtet war ein Großteil meines Lebens – von den letzten vier oder fünf Monaten abgesehen – so ausgewogen gewesen wie diese Straße. Ich vermute, das war die Krankheit, von der ich genesen sollte, aber ich stehe allzu offenkundigen Parallelen misstrauisch gegenüber. Ich war nicht dumm. Meine Erfahrungen gehörten jedenfalls zu der geregelten und überschaubaren Art wie, sagen wir, eine Reise durch die griechische Inselwelt, die nur fünfzehn Minuten je Insel veranschlagt, und alle sind angewiesen, spätestens um halb sechs wieder an Bord zu sein, bereit zum Ablegen. Ich glaube gern, dass einer der Gründe, aus denen ich mich zu Patrick hingezogen fühlte, darin lag, dass er so klare Vorstellungen davon hatte, was er wollte, was er mochte. Er hätte sich für eine der griechischen Inseln entschieden und die Reisegruppe gebeten, ihn dort zurückzulassen. Mit ihm zusammen musste ich nicht länger eigene Entschlüsse fassen. Nach seinem Tod jedoch musste ich natürlich sofort eine ganze Lebzeit an Entscheidungen treffen. Und zu der Zeit waren die meisten meiner Wahlmöglichkeiten bereits verstrichen. Oder die wichtigste, vielleicht.

In jener Klinik zu sein war eine verstörende Erfahrung, obwohl die anderen das glücklicherweise nicht zu bemerken schienen. Als Hauptgrund dafür, mich freiwillig in die Klinik begeben zu haben, führte ich an, dass ich jemanden brauchte, der mich eine Weile bekochte. Ich glaubte nicht, ernsthaft gestört zu sein. Doch der Körper kann – ganz auf sich gestellt – verrückt spielen, während der Kopf noch klar denkt. Ich glaube nicht, dass ich gegessen hätte, wenn nicht jemand anders gekocht hätte. Taylor Bond, mein Therapeut, hatte einiges dazu zu sagen. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir kommen miteinander klar. Es spielt im Grunde keine Rolle, wer von uns recht hat.

Anfangs gab es in meinem Klinikzimmer nur das Bett, einen schlichten Holztisch, eine Metalllampe mit einem biegsamen Schwanenhals. Einen schweren Polstersessel, in dem ich lesen konnte. Ein gerahmtes Blumenbild an der Wand, ich weiß nicht, was für Blumen – ich konnte Blumen damals nicht lange genug ansehen, um sie zu bestimmen. Rote und gelbe. Auf meinem Tisch lag ein einziges Buch, ein Wörterbuch. Anfangs wunderte ich mich nicht darüber. Später, als ich länger wachblieb, blätterte ich in dem Wörterbuch, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich entdeckte, dass eine Seite schrecklich zerknüllt und dann wieder glattgestrichen worden war, nicht übermäßig erfolgreich. Auf dieser Seite war das Wort mit schwarzem Filzstift dick umkringelt worden:

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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