Murks? Nein danke! - Stefan Schridde - E-Book

Murks? Nein danke! E-Book

Stefan Schridde

4,8

Beschreibung

Murks sind Drucker, die plötzlich ihren Betrieb einstellen, Küchengeräte, die nach wenigen Minuten heiß laufen, Waschmaschinen mit einer Reihe eingebauter 'Kaputtinnovationen'. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt und Sie sich auch schon gefragt haben, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht, dann ist 'Murks? Nein danke!' Ihr Buch. Für Stefan Schridde steht fest, dass derartige 'Fehler' nicht selten Teil des Geschäfts sind. Vieles geht absichtlich immer schneller kaputt – oftmals kurz nach Ablauf der Garantie. Was ist dran am Vorwurf des 'eingebauten Defekts', an der 'geplanten Obsoleszenz', wie das Phänomen im Fachjargon genannt wird? Werden wir wirklich systematisch betrogen, oder werden die Unternehmen durch den 'Geiz ist geil'- Preiskampf gezwungen, billig zu produzieren? Lohnt es sich tatsächlich nicht mehr, Dinge so herzustellen, dass sie lange halten? Mit haarsträubenden Geschichten entführt uns Schridde in eine Welt, in der mit allen Tricks versucht wird, Reparaturen zu erschweren und Geräte nach kurzer Zeit unbrauchbar zu machen – und zeigt gleichzeitig auf, wie wir dem Murks ein Ende setzen können. Seine viel beachtete Bewegung MURKS? NEIN DANKE! fordert von Produzenten, Handel und Politik, den geplanten Verschleiß zu beenden, und ermutigt uns alle, neue Wege zu gehen – damit die Dinge besser werden.

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Stefan Schridde
MURKS? NEIN DANKE!
Was wir tun können, damit die Dinge besser werden
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© oekom verlag München 2014Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH,Waltherstraße 29, 80337 München
Buchkonzeption und Redaktion: Peter Mathews
Lektorat: Susanne Darabas, Christoph Hirsch (oekom verlag)Korrektorat: Maike SpechtIllustrationen: Jakob Werth (Geräte-Signets Umschlag & Innenteil; Waschmaschine, S. 28)Satz & übrige Grafiken: Reihs Satzstudio, LohmarFotonachweis (Grafiken): Privat (S. 35, 77, 83, 86); © tpx (S. 73) & © Robert Neumann (S. 128), beide Fotolia
eBook: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-86581-879-9

Inhalt

Geleitwort
Wie der Murks in mein Leben trat
Geplante Obsoleszenz – worum es geht und worum nicht
Von der Couch zur Waschmaschine und wieder zurück – Murks als Alltagsphänomen
Murks ist …
… (k)ein Einzelfall
… wenn die Waschmaschine Flecken macht
… wenn der Geschirrspüler zählt und nicht spült
… wenn der Handmixer Zahnräder fräst, statt Kuchen zu rühren
… wenn der Standmixer Smoothies mit Öl und Rost vermischt
… wenn der Drucker k. o. geht
… wenn der Computerbildschirm vom Elko ausgeschaltet wird
… wenn das Notebook keine Luft bekommt
… wenn der Fernseher schwarz sieht
… wenn der DVD-Rekorder sich gegen die Reparatur wehrt
… wenn die Kompaktkamera sich weigert, Bilder zu machen
… wenn das Handy nicht mehr klingelt
… wenn die Couch nicht mehr »shabby« wird
… wenn der Stuhl kräftig wackelt
… wenn die Schuhe im Schrank vergehen
… wenn Kleidung auf Kante genäht wird
… wenn Zahnpasta aus der Tube quillt
… wenn der Joghurt über das Mindesthaltbarkeitsdatum hüpft
Und ist es auch Tollheit, so hat es doch Methode – Die Dimensionen der geplanten Obsoleszenz
Schlecht gemacht – die Produkte und Prozesse
Schlecht geredet – die Methoden
Schlecht begründet – die Moral
Murksviren – Infizierte Waren, infizierte Verfahren
Kleine Geschichte vom Virus der geplanten Obsoleszenz
Ein Virus außer Kontrolle
Eine kleine Murks-Virenkunde
Die Mythen der Hersteller – Oder warum es Murks überhaupt gibt
Der Mythos »Wegwerfgesellschaft«
Der Mythos von der »wirtschaftlichen Destabilisierung«
Der Mythos »Neu ist immer besser«
Der Mythos »Der Kunde ist König«
Weitere Mythen der Wirtschaft oder das obsolete Denken der klassischen Ökonomie
Der Mythos von den Kundenwünschen
Der Mythos »Geld und Macht machen glücklich«
Damit die Dinge besser werden – Eine Therapie der geplanten Obsoleszenz
Die Systemfrage stellen?
Das Handlungsprogramm umsetzen
Wege in die werdende Kreislaufwirtschaft
Der Anfang ist gemacht – eine Therapie der geplanten Obsoleszenz ist möglich
Ein schöner Sonntag oder das Happy End
Aktion und Information
MURKS? NEIN DANKE! wird Plattform
Die MURKS.LUPE oder was man gegen Murks tun kann
Vorher informieren, nachher melden
Murks am Produkt erkennen
Tipps für den Kaufvorgang
Murks im Service erkennen
Weitere Ansprechpartner für den Fall der Fälle
Organisationen und Zeitschriften
Selbsthilfevereine und Reparaturstellen
Danksagung
Anmerkungen
Exkurse
»Das Welthemd«
Der Akkuskandal – Akku kaputt, Gerät kaputt
Die gute Nachricht: Staubsauger kann man reparieren oder wie aus Murks eine Geschäftsidee wurde
Die Erfindung des Erfindens
Anmerkungen zu Ethik und Arbeit
Halten Gütesiegel, was sie versprechen?
RepairCafé
Gewährleistung, Garantie und andere Rechtsfragen

Geleitwort

Endlich ein Buch, das mit vielen Beispielen in klaren Worten aufzeigt, wie die Industrie den Bürger systematisch abzockt. Dieser teure Betrug an der kaufenden Gesellschaft hat in Wirklichkeit noch weitreichendere Folgen. Er trägt zur Plünderung der Ressourcen unseres Planeten Erde bei, und damit zum Klimawandel, zur Ausrottung von Arten und zur Schuldenkrise. Denn je mehr, je öfter und schneller neue Autos, Computer und Smartphones die alten ersetzen, desto mehr muss auch die Umwelt in Form von Rohstoffen, Wasser und mehr für ihre Herstellung bezahlen. Noch immer werden über 20 Tonnen Natur für die Herstellung von einer Tonne Auto verbraucht – und ein Vielfaches mehr für einen Computer. Rezyklieren hilft da etwas, aber eben nur etwas. Wie wichtig die Langlebigkeit von Technik für eine »Zukunft mit Zukunft« ist, habe ich in meinen Büchern oft beschrieben. Die eingebaute Obsoleszenz im Drucker ist auch ein Beitrag zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, zu deren Erhaltung wir durch das Grundgesetz verpflichtet sind.
Doch Stefan Schridde begnügt sich nicht mit der Beschreibung der Auswüchse. Seine fundierte Analyse nimmt neben der Industrie konsequenterweise auch den Handel mit in die Verantwortung. Mit den »Murksviren« zeigt er eindrücklich, wie sich die geplante Obsoleszenz, einer ansteckenden Krankheit gleich, unter den Branchen ausbreitet. Mit den »Dimensionen der geplanten Obsoleszenz« verdeutlicht er die schädliche Vielfalt der Methoden dieser Wegwerfproduktion und präsentiert eine pragmatische Therapie und den dafür nötigen Handlungsrahmen.
Stefan Schridde sei Dank. Er hat den Betrug am Bürger offengelegt, der letztlich nichts anderes ist als ein Betrug an der Zukunftsfähigkeit der Menschheit. Dass Technik für die Gesellschaft Nutzen schaffen kann, ist längst bewiesen, aber dazu müssen andere Wege als die heute beschrittenen eingeschlagen werden.
Hoffen wir, dass mehr und mehr Menschen verstehen, wie die von Gier getriebene Wirtschaft neben Wohlstand und Wohlbefinden auch ihren absehbaren Niedergang befördert. Das hier vorliegende Buch ist ein wichtiger Schritt, um dieses Verständnis zu fördern und darüber hinaus dafür zu sorgen, »dass die Dinge besser werden«.
FriedrichSchmidt-Bleek
FriedrichSchmidt-Bleek leitete zusammen mit Ernst Ulrich von Weizsäcker das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und ist heute Präsident des Factor 10 Institute in Carnoules (Frankreich). Er befasste sich mit Ressourcenproduktivität und Dematerialisierung, führte den Begriff »Ökologischer Rucksack« ein und entwickelte als grundlegendes Maß für die Bewertung von Umweltbelastungen eines Produkts die Einheit »Material-Input pro Serviceeinheit«, MIPS, sowie das »Faktor-10-Modell«. Schmidt-Bleek ist Autor zahlreicher Bücher; aktuell erschien von ihm »Grüne Lügen. Nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft – wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten«.

Wie der Murks in mein Leben trat

Gestatten,Murks
Es war einmal ein gebrauchter Montag, an dem ich besser im Bett geblieben und dann vor allem nicht mit dem linken Bein zuerst aufgestanden wäre. Denn an solchen Tagen kommt, wie jeder weiß, immer alles auf einmal und dann auch noch, wenn man es überhaupt nicht gebrauchen kann. An einem solchen Tag lernte ich den Murks kennen. Ich musste früh raus, denn ich hatte einen Termin mit dem betriebsinternen Controlling – aber mein Wecker klingelte nicht. Offensichtlich war die Batterie, die von sich behauptete, dass sie »entscheidend länger hält«, in der Nacht mit einem Spielzeughasen um die Häuser gezogen und hatte dabei die Spannung verloren, sodass sie die Zeit und das Wecken vergessen hatte. Das Gefühl, nicht aus dem Schlaf gerissen zu werden, war mir verdächtig, und so tastete ich eine Stunde zu spät vorsichtig nach der Nachttischlampe, drückte den Schalter und es wurde – kein Licht. Die Glühbirne, die versprochen hatte, mein Schlafzimmer »hell wie der lichte Tag« zu beleuchten, funktionierte nicht mehr. Offenbar hatte sie bereits ihre 1001. Arbeitsstunde abgeleistet und war durchgebrannt, ganz so, wie es das Glühlampenkartell von ihr verlangte. Ich tappte also im Halbdunkel ins Badezimmer, zum Glück hatte diese Leuchte ihr Verfallsdatum vergessen, und quetschte eine wurstdicke Zahnpastaschlange auf meine elektrische Zahnbürste mit der 3-Zonen-Tiefenreinigungsfunktion. Ich öffnete den Mund, schloss die Augen und wollte mich dem sonoren Summen der Bürsten hingeben … Sie ahnen es, es summte und bürstete nicht. Das akkugetriebene Mundhygienewerkzeug verweigerte den Dienst. Ich beamte mich hygienetechnisch ins vergangene 20. Jahrhundert zurück und rubbelte die Zähne mechanisch sauber. Inzwischen hatte eine gesunde Skepsis meinen Geist erobert, und ich verzichtete auf die Dusche (Was wäre, wenn ich eingeseift und ohne funktionierende Brause dastünde? Ich wollte es nicht ausprobieren …) und entschied mich für das Verfahren »Katzenwäsche«. Ich beruhigte mein Gewissen mit dem Hinweis auf die Ökobilanz und damit, dass es jedem gut anstehe, auch einmal Wasser zu sparen. Als Ausgleich wollte ich mir aber einen starken Kaffee gönnen und ihn mit aufgeschäumter Milch zu einem Cappuccino veredeln. Was soll ich sagen, die Kaffeemühle heulte und bewegte sich nicht, der Wasserkocher zischte – am Stecker –, und der Milchaufschäumer fand, dass Milch ohne Schaum auch in Ordnung sei ... Dafür schäumte ich vor Wut. Ich hörte, wie im Kühlschrank der Joghurt über das Verfallsdatum sprang, und beschloss »to go« zu frühstücken, das heißt später im Stehen und Gehen. Vorher wollte ich mir aber noch mein Memo für das Meeting ausdrucken. Sie ahnen, was passierte. Nachdem der Drucker sich nach dem Hochfahren dreimal gewaschen und kontrolliert hatte, teilte er mir mit: »Startseite>Setup>Wartung>Patronenaustausch«. Ich lehnte mich zurück, die Halterung meines Schreibtischstuhls gab nach, es knackte und krachte. Und im Fallen sah ich ihn – den Murks. Es war ein kleines hässliches Wesen aus Kondensatoren, durchgedrehten Schraubenbeinen, mit einem Tintenschwamm um den Bullaugenbauch und einem Zahnradlächeln. Er stellte sich vor: »Gestatten, Murks. Es freut mich, dass wir uns auch mal kennenlernen.«
Der Murks sah wohl an meinem Blick, dass dies nicht der Beginn einer langen Freundschaft werden würde, und machte sich aus dem Staub. Er hinterließ eine Spur von Kleberesten. Als ich später bei der Servicehotline anrief und nach Stunden in der Warteschleife den Automaten anschrie, meldete sich eine besorgte Stimme und fragte, ob das Gespräch aus Gründen der Qualitätssicherung aufgezeichnet werden dürfe. Mir war alles recht, und ich erzählte vom Murks. Die Stimme sagte, das höre sie zum ersten Mal und sicher sei Murks ein Einzeltäter. Ich hätte bestimmt die Bedienungsanweisung nicht richtig gelesen. Bei Zauberstäben sei nach 30 Sekunden Betrieb eine 15-minütige Pause vorgeschrieben. Leider sei eine Gewährleistung in einem Fall von missbräuchlicher Handhabung nicht möglich.
Die freundliche Stimme wünschte mir noch einen schönen Tag.
Aber nun war meine Neugier geweckt. Ich wollte wissen, wer dieser Murks war, was hinter ihm steckte. War es eine Organisation? Eine Ideologie? Gar eine weltweite Verschwörung? An diesem Tag nahm ich mir vor: Ich werde dem Murks auf die Spur kommen.
Nicht immer, aber immer öfter
Auch wenn diese Geschichte so nicht stattgefunden hat, hat jeder wohl manchmal das Gefühl, dass, »immer« wenn man die Adresse des nächsten Termins vergessen hat, ausgerechnet der Akku vom Handy leer ist und dass das kein Zufall sein kann. Wenn man kein Glück hat, kommt eben das besagte Pech dazu, das ist nicht nur im Fußball so. Aber vieles stellt sich dann doch als die Verkettung unglücklicher Umstände heraus, und magisches Denken oder die große Verschwörung bleiben Spekulation. Und so werden Sie, ganz so, wie auch ich es früher tat, es sicher zuerst unter »Pech« abbuchen, wenn der Reißverschluss der neuen Jacke nicht mehr schließt oder der Zauberstab beim Pürieren des Erdbeersmoothies nach wenigen Minuten heiß läuft. Jedoch: Andere Dinge, wie das alte Röhrenradio, das sich die Großeltern zur Fußballweltmeisterschaft 1954 gekauft haben, funktioniert immer noch einwandfrei, und man mag es nicht weggeben, obwohl es viel zu groß ist und nur Platz wegnimmt.
»Kaufen für die Müllhalde«. Dokumentarfilm, Frankreich/Spanien 2010, Drehbuch & Regie Cosima Dannoritzer.
Mich selbst hat das Thema »Murks« gepackt, als ich eines Nachts um drei Uhr im Fernsehen die Wiederholung des Dokumentarfilms »Kaufen für die Müllhalde« von Cosima Dannoritzer sah.
Anhand von einem halben Dutzend Beispielen, von der seit 100 Jahren leuchtenden Glühbirne in der Feuerwache des kalifornischen Städtchen Livermore bis zum fest verbauten Akku im Apple iPod classic, ebenfalls aus Kalifornien, berichtete der Film über den »geplanten« Wohlstandsmüll dieser (»ersten«) Welt. Geschockt war ich von den Kindern, die in Afrika auf den Halden unseres Abfalls spielten und versuchten, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, indem sie unter erbärmlichsten Bedingungen nach Wertstoffen Ausschau hielten. Zuerst wurden die Erze, Seltenen Erden und Rohstoffe aus diesen Ländern »geholt« (da die Bevölkerung nie wirklich gefragt wurde oder etwas davon gehabt hätte, kann man auch sagen: »geraubt«) und später, nachdem die Rohstoffe »verbraucht« waren, als Zivilisationsschrott zurückgebracht. Diese Bilder ließen mich seit dieser Nacht nicht mehr los. Ich überlegte mir, was ich antworten würde, wenn meine kleine Tochter, die im Nebenzimmer schlief, mich eines fernen Tages angesichts solcher Bilder fragen würde: »Papa, hast du das gewusst?« und schlimmer noch: »Was hast du dagegen getan?«
Ich war in den vergangenen Jahren gesundheitlich durch manch schwere Zeit gegangen, und mir war dabei klar geworden, dass ich für mich, meine Familie und die Gesellschaft so etwas wie Verantwortung trage. Ich musste etwas tun und erinnerte mich an meinen Lieblingsfilm, »The Blues Brothers«, den ich vor allem wegen der Musik liebte. Aber nun fiel mir der Running Gag der Geschichte von Jake und Elwood Blues wieder ein. Sie wollten mit den Einnahmen aus einem Konzert ihrer Reunion-Band das katholische Waisenhaus, in dem sie aufgewachsen waren, vor der Schließung bewahren. Sie folgten diesem Plan ohne Rücksicht auf Verluste und hinterließen unbeabsichtigt, aber auch unbeeindruckt eine Spur der kreativen Zerstörung*. Sie sagten sich und anderen: »Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs.« Und schafften es.
*Der Ökonom Joseph Schumpeter (1883 – 1950) formulierte mit seinem Begriff von der »kreativen Zerstörung« die Gesetzmäßigkeit, nach der Innovationen die Wirtschaft immer wieder erneuern und das Neue das Alte aus dem Markt drängt. Als Beispiel aus jüngerer Zeit könnte man hier die Verdrängung des Walkman von Sony durch den Apple iPod anführen.
Ich begann mich mit dem Thema zu beschäftigen, las, was ich an Fachliteratur in die Finger bekam. Das war nicht viel, kaum eine Handvoll Bücher gab es zum Thema. In dem Film »Kaufen für die Müllhalde« wurde der Begriff der »geplanten Obsoleszenz« für mich neu definiert. Bisher kannte ich den Begriff aus dem Marketing, wo er für das Veralten von Produkten durch Neuheiten stand. Ein sperriges Wort, das wie eine Krankheit roch und dabei die Sache gut umschrieb, weil dieses »Veralten« oder »Überflüssigwerden« den Kern der Sache traf. Und auch wenn es ein Zungenbrecher ist, so war es ein Terminus technicus, der den Fall auf den Begriff brachte und nur noch unterfüttert werden musste.
Ich suchte Verbündete, und fast jeder, den ich ansprach, kannte eine Geschichte von ehemals haltbaren und heute vergänglichen Dingen und wusste, worüber ich sprach. Alle schienen wie selbstverständlich davon auszugehen, dass es so etwas wie vorsätzlich geplante Lebensdauer oder geplanten Verschleiß bei Geräten gab. Aber niemand hatte eine Idee, was man dagegen tun könnte.
Als Betriebswirt denkt man in Prozessen und Projekten. Und die Auseinandersetzung mit der geplanten Obsoleszenz war von nun an das mir selbst zugeschriebene Projekt.
»They time those things« (»Das ist Absicht«), sagt der Handlungsreisende Willy Loman, als er davon hört, dass der Kühlschrank, kurz nachdem die letzte Rate bezahlt war, kaputtgegangen ist. Arthur Miller, »Tod eines Handlungsreisenden«, 1949
In Zeiten des Internets ist man nicht lange allein, wenn man sich in den sozialen Netzwerken auskennt und sie zu benutzen weiß. Ich bastelte mir eine Website, nervte meine »Follower« mit ständig neuen Meldungen und Aufrufen und lernte durch die vielen Diskussionen und Beiträge sehr viel Neues dazu. Von überall kamen Meldungen über kaputte Geräte, Ursachen und Gründe. Fremde Menschen meldeten sich per E-Mail oder Telefon, warnten mich vor der großen Verschwörung der Industrie und Spionen oder boten mir schlicht ihre Hilfe an: »Was soll ich tun?«, fragten sie.
Langsam, aber sicher sprach sich die Sache herum, ich wurde von Zeitungen und Radiosendern zum Thema befragt. Ich packte wie ein Handlungsreisender meinen Murks-Koffer, in den ich die kaputten Handys, Mixer und Platinen packte, und ging von Vortrag zu Interview, von Radiosendung zu Talkshow.
Ausgerechnet der sperrige Begriff »Obsoleszenz« stellte sich jetzt als sehr hilfreich heraus, denn er erregte Neugier und war geheimnisvoll. Und im Februar 2012 bekam die Kampagne nicht nur ihren Begriff, sondern auch einen Namen. Ich hatte immer schon von diesem und jenem Murks gesprochen, und da lag es letztlich nahe: MURKS? NEIN DANKE! sollte es sein.
Mithilfe von Freunden und guten Geistern entstanden die Website und der Blog. Es war, als hätten alle darauf gewartet, dass sich jemand der Sache annimmt. Mein »Medienrodeo« zahlte sich aus, und die Besucherzahlen auf der Website schnellten über die 100.000er-Grenze. Mittlerweile haben sich über drei Millionen Besucher auf der Seite umgesehen, haben Kommentare gegeben und Vorschläge gemacht. Die Kampagne begann, und dieses Buch ist ein Teil davon.
Inzwischen wurden im Blog MURKS? NEIN DANKE! über 3.000 Fehlermeldungen eingestellt. Sehr bald konnten die Ursachen ausgemacht werden, die für die zu kurze Haltbarkeit von Dingen des Alltags verantwortlich waren. Es waren Elektrokondensatoren, Akkumulatoren, Kohlebürsten, vor allem aber minderwertige Materialien.
»Es gibt Dinge, die wurden bereits kaputt erfunden.«
Als studierter und über lange Jahre praktizierender Betriebswirt weiß ich, dass in der industriellen Produktion der Zufall aus Prinzip keinen Platz hat. Und dass es möglich ist, Dinge so herzustellen, dass sie dauerhaft ihre Funktion erfüllen. Industrieanlagen, Fließbänder und Produktionsautomaten beweisen es bei höchster Belastung über Jahre hinweg. Natürlich werden Fehler gemacht, muss man Dinge pfleglich behandeln, und wo Menschen am Werk sind, passiert Unvorhergesehenes, gibt es Unachtsamkeiten und Pfusch. Aber eine sogenannte Montagsproduktion fällt bei jeder Qualitätskontrolle auf und ist in einer Fehlerstatistik sofort lokalisierbar. Ich hatte nach eingehender Beschäftigung mit der Materie den Verdacht, dass Murks Methode hat – nicht immer, aber immer öfter. Dass einige Produkte so konstruiert sind, dass sie nur eine bestimmte Lebenszeit haben. Dass viele Neuerungen an Geräten keine Innovationen sind, sondern die Dinge bereits »kaputt erfunden« wurden. Andere Geräte werden mit Funktionen versehen – sogenannten Features –, die schlicht absurd sind, wie zum Beispiel ein Toaster mit »DigitalVisionTimer« für sieben Bräunungsgrade und zusätzlich Auftau-, Aufwärm- und Backfunktion. Ich behaupte mal, das braucht kein Mensch. Der häufigste Grund für Murks besteht jedoch darin, dass zum Beispiel aus Plastik Zahnräder hergestellt werden, die für die vorgesehene mechanische Belastung gar nicht ausgelegt sind, also garantiert kaputtgehen müssen.
Ich wollte mich damit nicht abfinden und habe dafür gute Gründe: Zum einen empfinde ich es als Käufer als Beleidigung, wenn man mir Dinge mit einer unnötigen Halbwertszeit verkauft. Ich halte es zum anderen aber auch für Vergeudung von Arbeitskraft, Energie und Material, absichtlich Murks zu produzieren. Dadurch entsteht allen ein erheblicher und vermeidbarer Schaden.
»Was erwarten Sie für das Geld?«, fragt die Verkäuferin, als ich ihr die nach zwei Monaten gebrochenen Schuhsohlen zeige. »Nur was Sie mir versprochen haben. Schuhe und keinen Müll«, sage ich.
Ich empfinde eine Verantwortung der Gesellschaft und unseren Kindern und Enkeln gegenüber, Ressourcen nicht unnötig zu vergeuden. Ich möchte mir und meinen Enkeln den Anblick von unnötig stinkenden Müllhalden und an Plastikflaschen verendeten Delfinen ersparen und meinen Enkeln eine Antwort auf die Frage geben können, was ich dagegen getan habe.
Ich möchte, ganz einfach gesagt, dass wir heute und in Zukunft besser leben, und bin davon überzeugt, dass dies keine Geld-, sondern eine Einstellungsfrage ist. Viel Murks ist zu verhindern, wenn bewusster geplant wird. Und ein T-Shirt oder ein Smartphone werden nicht unerschwinglich, weil die Arbeiterinnen und Arbeiter in Bangladesch anständig bezahlt werden. Davon bin ich fachlich überzeugt. Nur weiß ich auch, dass sich dies nicht von allein ändern wird. Deshalb beschreibe ich am Schluss dieses Buches ein paar Gedanken und Initiativen, die Murks verhindern helfen und wie wir die Dinge besser machen können. Aber zunächst verfolge ich den Murks, sammle Beweise, Zeugenaussagen und forsche nach den Motiven. Ich freue mich, wenn Sie mich auf dieser Spurensuche begleiten.
Eine Krankengeschichte mit Aussicht auf Heilung?
Das Buch ist auch eine Art Krankengeschichte, bei der Sie als Leser mit mir alle Phasen der Krankheit und der Rekonvaleszenz durchleben können. Ich beginne mit einer Anamnese, der Aufnahme des Befunds. Welche Arten von geplantem Verschleiß gibt es, wo treten sie auf? Die noch diffusen Symptome und unspezifischen Beschwerden wie »Mein Handy ist kurz nach Ablauf der Garantie kaputtgegangen« oder »Der Stecker meines Lautsprechers passt nicht mehr ins neue iPhone« werden beispielhaft – wenn auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aufgelistet: Welche konkreten Beschwerden gibt es? Wo steckt der Fehler in der Waschmaschine, warum wird der Mixer sekundenschnell heiß, warum ist die Farbpatrone so schnell leer, obwohl ich gar nicht in Farbe drucke?
Ich bin dem Murks im Haushalt auf der Spur, ganz fundiert, damit Sie bei Ihrer nächsten Anschaffung wissen, worauf Sie achten müssen, wenn Sie Murks vermeiden wollen.
Der Bestandsaufnahme folgen die Diagnose, die Sichtung der Spuren und die Überlegung, was hinter dem Murks steckt. Sie können mit mir eine völlig neue Spezies von Virus entdecken. Sie kennen vielleicht den Vogelgrippe- oder den Computervirus, diese infektiösen Partikel, die Hühner krank machen und Computer lahmlegen. Solche Viren gibt es jetzt auch in Geräten und im Denken. Ich nenne sie »Murksviren«, weil sie sich wie ihre biologischen Vorbilder verhalten. Einmal in der Welt, haben sie die Tendenz, sich wie eine Epidemie auszubreiten und alle möglichen »Wirtszellen«, das heißt Produkte und Verfahren, zu befallen und ihre Lebensdauer zu verkürzen. Bei einigen besonders krassen Fällen lege ich den Finger in die Wunde und zeige, wie hier bewusst etwas kaputt erfunden wird. Mit der Diagnose der Krankheitserreger, der identifizierbaren Murksviren, wird auch deutlich, wo die Therapie der Krankheit der geplanten Obsoleszenz ansetzen muss. Es ist eine Mischung aus Schulmedizin, deren Medikamente kundenfreundlichere Gesetze und Vorschriften sind, und einem ganzheitlichen Ansatz, der die Änderung des Verhaltens von allen einfordert. Die Stichworte sind: weniger Gier bei Hersteller und Handel, bewusstes Einkaufen und Prävention, schonender Umgang mit Material und warum trotz allem Neues und Erfindungen wichtig sind. »Damit die Dinge besser werden« beschreibt auch in Ansätzen ein neu entstehendes Gesellschaftsmodell, eine werdende Kreislaufgesellschaft wird skizziert, in der Dinge nicht mehr verbraucht, sondern nach Gebrauch so »gepuffert« werden, dass sie dem nächsten Hersteller als Komponente oder Rohstoff wieder zur Verfügung stehen. Nehmen Sie dieses Buch als das, was es sein soll, als eine Warnung vor einer Krankheit mit dem Hinweis, wie sie überwunden werden kann. Das geschieht nicht von selbst, sondern nur indem wir uns alle einbringen und sagen: »MURKS? NEIN DANKE!«
EinpaarHinweisezuBeginn
Damit Ihnen das Buch beim Lesen möglichst viel Freude und gleichzeitig ein Höchstmaß an Information bereitet, haben wir ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung und die Präsentation der Inhalte gelegt.
Zur besseren Veranschaulichung technischer Sachverhalte und zur Vertiefung der Inhalte wurden Zeichnungen, Fotos und Dokumente auf die Website www.murks-nein-danke.de/buch gestellt. Sie werden von Zeit zu Zeit aktualisiert und/oder ergänzt, sodass Sie immer »up to date« sind. Dort finden Sie auch viele der zitierten Dokumente als kostenfreien Download bereitgestellt. Das Symbol
weist Ihnen direkt den Weg dorthin.
Shortlinks und QR-Codes in der Marginalspalte geben Ihnen die Möglichkeit, sich tiefergehend zu informieren. Sie werden direkt zu einem Bild, einer Grafik, einem Video oder einer Umfrage geleitet.
Zu Quellen und kurzen Hinweisen gelangen Sie über Fußnoten, die Sie am Ende des Buches finden.
Murks-Meldungen wurden aus redaktionellen Gründen anonymisiert, teils gekürzt und bearbeitet.
Dieses Buch bietet Ihnen die Möglichkeit, mit mir direkt in Interaktion zu treten.
Manchmal lade ich Sie ein, mit mir direkt Kontakt aufzunehmen.
Sie erreichen mich aber auch über den Verein (die Kontaktdaten finden Sie auf Seite 235). Vielleicht lernen wir uns dort oder im Rahmen unserer Roadshow, in einem RepairCafé oder im MURKSEUM persönlich kennen. Ich würde mich freuen.
IhrStefanSchridde

Geplante Obsoleszenz worum es geht und worum nicht

»Als geplante Obsoleszenz oder geplanten Verschleiß bezeichne ich Strategien und Vorgehensweisen der Hersteller und des Handels, um durch Verkürzung von Nutzungszyklen den Neukauf von Produkten zu beschleunigen.«
Folgenreicher Murks kommt (leider) überall vor, sei es als fehlerhaftes Produkt, Baumangel oder Pfusch. Bei den Beschreibungen, Beispielen und Beweisen in diesem Buch geht es nicht nur um schlechte Arbeit oder Absicht eines Einzelnen, sondern um den geplanten oder verfrühten Verschleiß und weitere Methoden zur Verkürzung der Nutzungsdauer durch fehlerhafte Konstruktion, mangelnde Qualität und ungeeignetes Material. Als Ausdruck ist hierfür der Begriff geplanteObsoleszenz als Terminus technicus üblich geworden. Der Begriff leitet sich von dem lateinischen Verb obsolescere, sich abnutzen, her; mit ihm wird der Umstand beschrieben, dass Dinge oder Wissen auf natürliche oder bewusst geplante Art sich abnutzen oder veralten.
Heute ist der Begriff weiter gefasst, weil nicht nur die Hersteller ihren Umsatz mit verkürzter Lebenszeit sichern wollen, sondern weil auch der Handel so etwas bewusst durch seine Sortimentspolitik befördert. Umschlagshäufigkeit und wettbewerbsfähige Preise sind Kriterien, mit denen der Handel gegenüber den Herstellern argumentiert – und da der Handel und nicht der Endkäufer beim Hersteller der größte Nachfrager ist, bestellt der auch die Musik.
Von Normalität und Schönheit des Alterns
Das Altern nehmen wir hin, notgedrungen bei unserem eigenen Körper und, wenn nötig, bei der Lieblingshose und gerne bei gutem Wein. Irgendwann sind wir alle von gestern. »Obsoleszenz«, das sind Veralten und Verschleiß.
Auch Wissen kann obsolet werden. Das Wissen über die Funktion einer Dampfmaschine ist für einen Schiffsmaschinisten obsolet, es sei denn, er fährt mit einem Museumsdampfer. Nicht weil der Dampfkessel undicht ist, sondern weil sich die Methode des Schiffsantriebs, Dieselmotor statt Dampfmaschine, verändert hat. Es gab Erfindungen, die nicht nur die Dampfmaschine »obsolet« gemacht haben.
»Schon ist mein Blick am Hügel, dem besonnten, dem Wege, den ich kaum begann, voran. So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten, voller Erscheinung, aus der Ferne an.« Rainer Maria Rilke, »Spaziergang«, 1925
Manche Dinge werden durch den Gebrauch schöner und bekommen mit der Zeit Patina und eine Aura. Besondere Gegenstände wie die geliebte alte Lederjacke laden sich, indem sie benutzt werden, mit Erinnerungen auf. Jeder hatte vielleicht eine Puppe oder einen Stoffteddy, die, obwohl abgewetzt und mürbe, für den Besitzer wertvoll sind. Je besser das Design und das Material solcher Gegenstände, desto besser kann es diese Funktion erfüllen. Dinge, die aus minderwertigem Material hergestellt wurden, wie zum Beispiel eine Plastikfigur, leiden optisch daran, dass sie durch den Gebrauch nichts hinzugewinnen, sondern nur abgeben. Die Oberfläche wird schäbig und brüchig. Irgendwann wird der Gegenstand unansehnlich und hat nichts mehr mit der geliebten ersten Barbie zu tun. Die Lederjacke, die man auf der ersten Reise nach Paris anhatte, die allerdings hat – obwohl inzwischen drei Nummern zu klein – einen Stammplatz im Kleiderschrank. Manche Dinge werden durch Gebrauch schöner – andere nur lästig.
Inzwischen greifen einige Hersteller, vor allem im Bereich Mode und Möbel, den Wunsch der Menschen auf, haltbare Dinge mit Geschichte zu benutzen. Plötzlich tauchen Schuhe mit Gebrauchsspuren als »Vintage« oder ausgebleichte Jeans mit Scheuerlöchern als »used« und Kommoden mit abgegriffenen Kanten als »shabby« in den Sortimenten auf. Der Wunsch nach Authentizität von Dingen wird erkannt, ihm aber nur an der Oberfläche entsprochen.
Sollbruchstellen und Knautschzonen sind nötig
Bevor die Zeit da war, in der man sich faktisch alles kaufen konnte, wurden Träume oft mit Modellen ausgelebt. Puppenhäuser und Modelleisenbahnen waren so etwas wie die in Miniatur gelebte Sehnsucht nach einem eigenen Haus und nach Reisen. Eine besondere Form dieses Modelllebens waren die Schiffs- oder Flugzeugmodelle, die man aus Plastik selbst bauen konnte.
Der Luxusliner »Titanic«, das Flugzeug »Fokker Dr. 1« oder die »Apollo«-Mondlandefähre der Firma Revell wurden in Hunderttausenden Kinderzimmern oder an ebenso vielen Wohnzimmertischen zusammengeklebt. Die Teile der Plastikmodelle waren in Spritzrahmen verpackt und mussten zunächst ausgebrochen werden, bevor die Teile zusammengesetzt, verklebt und bemalt werden konnten. Bauteil und Rahmen verband ein kleiner Steg, das war die sogenannte Sollbruchstelle. Das war praktisch, denn die Kleinteile waren zum einen bis zur Verwendung im Rahmen sicher und gingen nicht verloren, und zum anderen musste der Hersteller sie nicht mühsam ausbrechen und verpacken.
Solche Sollbruchstellen werden auch in Geräte eingebaut – und das macht durchaus Sinn.
Das sich einfach erklärende Beispiel ist die Getränkedose, die man durch gezielte Materialverknappung am Verschluss an der vorgesehenen Stelle öffnen kann. Man zieht an der Lasche, und das Blech löst sich an der vorgesehenen Stelle. (Vom Toilettenpapier wird allerdings behauptet, dass es meist nicht an der Perforation – der Sollbruchstelle – reißt, sondern hier der Zufall Regie führt.)
Die »Sollbruchstelle« wird von den Ingenieuren als konstruktive Schwachstelle geplant, um das große Ganze zu sichern. Bei elektrischen Anlagen ist das die Sicherung, die das Gesamtsystem vor Überlastung schützt, und bei Automobilen die Knautschzone, welche die kinetische Energie bei einer Kollision in Verformungsenergie umwandelt.
Dabei werden bei einem Unfall die Kühlerpartie oder der Radkasten bewusst geopfert, um den Fahrgastraum und damit die Personen zu schützen. Die tödlichen Folgen von Unfällen mit starr konstruierten Autos haben den Sinn dieser Veränderung bewiesen.
Ökonomisch gewollt
Altern und Veralten auf der einen sowie Knautschzonen und Schwachstellen auf der anderen Seite sind normale Vorgänge bzw. für ein »höheres Ziel« bewusst geplant – im Extremfall, um Leben zu retten.
Mit geplanter Obsoleszenz hat dies jedoch nichts zu tun. Bei ihr geht es den Herstellern darum, die Gebrauchsfähigkeit von Dingen auf einen bestimmten Lebenszyklus hin zu planen und die Lebensdauer bewusst zu begrenzen. Diese geplante Lebensdauer von Dingen ist – so werde ich aufzeigen – Teil der Produktstrategie. Dabei spielen das »aktive Produktmanagement«, also der Vorsatz und die »gewollte Unterlassung«, aber auch Gesetzeslücken und mangelhafte Verordnungen eine Rolle.

Von der Couch zur Waschmaschine und wieder zurück Murks als Alltagsphänomen

TatortMurks
Frau Loose hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht.
Chips und Likörchen, Bügeleisen und Bügelbrett standen bereit, die Waschmaschine würde gleich zu schleudern beginnen, und sie konnte dann ihrer liebsten Sonntagabendbeschäftigung nachgehen, nämlich Fernsehen und Bügeln.
Im Fernsehen lief ein »Tatort«.
Professor Karl-Friedrich Heine, Tatort-Pathologe, besah sich die männliche Leiche, die angekleidet und mit einer sehr fest geknoteten Krawatte kopfüber in der halb vollen Badewanne der Vorstadtvilla dümpelte. Heine stand mit seinen schönen Schuhen in der Pfütze auf den Fliesen und beugte sich über den Toten. Erste Leichenschau.
»Können Sie mir schon etwas zur Todesursache sagen?«, fragte Hauptkommissar Frank Piehl, der im Flur geblieben war, weil die Sohlen seiner Turnschuhe marode waren und er im Badezimmer garantiert nasse Füße bekommen hätte.
»Nicht so schnell mit den jungen Pferden«, entgegnete der Pathologe, der die Ungeduld seines Partners gern strapazierte.
»Leichenschau ist eine Kunst, von der Sie nichts verstehen.«
»Ja, und? Was sagt uns der Künstler?« Piehl wurde ungeduldig.
»Nach dem ersten Augenschein würde ich sagen, der Tote ist nicht ertrunken.« Heine stocherte mit einem Stift an der Krawatte des Toten herum.
»Sondern?« Piehl verdrehte die Augen. Er wusste, gleich würde der Gerichtsmediziner wieder zu weitschweifigen Erörterungen von Todesart, Todesflecken und dem Tod an sich zu referieren beginnen.
»Ich würde sagen«, Heine erhob sich und schaute seinen Kollegen triumphierend an, »er wurde abgemurkst?«
»Bitte? Was soll das denn bedeuten, ›abgemurkst‹?«
»Eine falsch und viel zu fest gebundene Krawatte.« Heine deutete mit dem Stift auf den Krawattenknoten. »Ganz falsch geknotet. Murks. Einen Windsorknoten bindet man ganz anders. Wenn Sie einmal sehen wollen.« Heine erhob sich und lockerte seinen Schlips.
»Heine …« Piehls Stimme wurde drohend.
»Na ja, dann hat er oder jemand anderes zugezogen, das Opfer hat das Bewusstsein verloren und ist kopfüber in die Wanne gestürzt. Exitus. Alles Weitere im Obduktionsbericht.«
Piehl wusste, warum er nie Krawatte trug.
Während im Fernsehen die Verdächtigen mit rauchenden Reifen verfolgt wurden, es knallte und krachte, bemerkte Frau Loose nicht, dass sich das eigentliche Drama in ihrem Badezimmer abspielte. Aus irgendeinem Grund war ein silberner Löffel aus ihrem besten Besteck mit dem Tischtuch in die Maschine geraten, hatte den Kunststofflaugenbehälter in Unwucht gebracht und sich auf unglückselige Weise im Inneren verkeilt, sodass die Trommel bei 1.400 Umdrehungen plötzlich stoppte und zerriss. Die ganze warme Lauge lief aus, kroch unter die Fußleiste, in den Wänden an den Rohren entlang, sammelte sich in der Zwischendecke und suchte den Weg nach unten. Wenig später, der Hauptkommissar und der Pathologe hatten den Krawattenmörder noch nicht gefasst, klingelte es bei Frau Loose.
»Es tropft bei mir von der Decke«, sagte der junge Mann von unten, der sonst immer so laut Musik hörte und jetzt mit nassen Haaren vor ihr stand. Für Frau Loose war der Abend gelaufen. Sie hatte jetzt ein Problem.
»Da hat jemand Murks gemacht«, sagte der Klempner, als er sich am Tag darauf den Wasserfleck an der Decke des Badezimmers ansah. Geschätzte hundert Liter Wasser waren in die Nachbarwohnung geströmt. »Die Trommel hat es einfach zerrissen. Und dann hat das Badezimmer auch keine Isolierschicht unter den Fliesen. Das wird teuer.« Frau Loose wurde schwindelig.

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