Muscheln in meiner Hand - Anne Morrow Lindbergh - E-Book
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Muscheln in meiner Hand E-Book

Anne Morrow Lindbergh

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Beschreibung

Seit Jahrzehnten gibt dieses Buch unzähligen Menschen Hilfe auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Anne Morrow Lindbergh, die Frau des berühmten Ozeanfliegers, fand in der Einsamkeit einer Meeresküste die Muse, dem verborgenen Sinn unseres Daseins nachzuspüren. Muscheln, von den Wogen des Meeres an Land geschwemmt, werden ihr zu Symbolen unserer oft verwirrenden, oft schwierigen Existenz. Die kleinen, zarten Gebilde des Meeres, der Reichtum ihrer Formen führen sie zu einer reifen Lebenssicht: Im Abstand von Zeit und Welt, im Umgang mit Wasser, Strand und Wind offenbaren sich Anne Morrow Lindbergh die beständigen Werte des Seins, Geduld zu üben, die Dinge wachsen zu lassen, im Auf und Ab gleichermaßen den verborgenen Sinn zu spüren.

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Anne Morrow Lindbergh

Muscheln in meiner Hand

Eine Antwort auf die Konflikte unseres Daseins   Aus dem Amerikanischen von Maria Wolff

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

Das Nachwort übersetzte Herbert Schlüter.

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Taschenbuchsonderausgabe

1. Auflage Februar 2012

ISBN 978-3-492-95467-9

© 1955, 1975 Pantheon Books Inc., New York Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Gift from the Sea« © der deutschsprachigen Ausgabe: 1955, 1990 Piper Verlag GmbH, München Umschlagkonzept: semper smile, München Umschlaggestaltung: Cornelia Niere, München Umschlagmotiv: John Kuss / Corbis Images

Ursprünglich schrieb ich diese Seiten nur für mich selbst. Ich wollte meinen eigensten Lebensstil, meinen persönlichen Lebensrhythmus zwischen meiner Arbeit und meinen menschlichen Beziehungen überdenken. Und da ich am leichtesten mit dem Bleistift in der Hand denke, ergab sich das Schreiben von selbst. Als sich meine Gedanken zum erstenmal auf dem Papier ordneten, glaubte ich, meine Erfahrungen seien sehr verschieden von denen anderer Menschen. (Erliegen wir alle dieser Täuschung?) Ich genoß in meinem Leben in gewisser Hinsicht mehr Freiheit, als den meisten Menschen zugeteilt ist, in anderer Hinsicht war ich wesentlich beengter.

Außerdem, so glaubte ich, suchen nicht alle Frauen nach einem neuen Lebensstil, noch haben sie das Bedürfnis nach einer ungestörten besinnlichen Ecke. Viele Frauen finden sich mit ihrem Leben sehr wohl ab. Sie werden erstaunlich gut damit fertig. Äußerlich gesehen schien mir, als meisterten sie es viel besser als ich. Mit Neid und Bewunderung betrachtete ich die glasglatte Vollkommenheit ihrer im ungestörten Pendelschlag schwingenden Tage. Vielleicht hatten sie keine Probleme, oder sie hatten schon längst eine Antwort darauf gefunden. Nein, dachte ich schließlich, diese Überlegungen können nur für mich selbst von Wert und Interesse sein.

Als ich aber weiterschrieb und mich gleichzeitig auch mit anderen Frauen unterhielt, jungen und alten Frauen mit den unterschiedlichsten Lebenserfahrungen – mit solchen, die für sich selbst sorgen mußten, mit jenen, die berufstätig sein wollten, mit den schwerarbeitenden Hausfrauen und Müttern und mit denen, die ein relativ sorgloses Leben hatten –, da stellte ich fest, daß ich mit meinen Ansichten keineswegs allein dastand. Auf die verschiedenste Weise und in mannigfaltiger Gestalt entdeckte ich, daß viele Frauen, und auch Männer, mit genau den gleichen Problemen rangen wie ich, und daß sie begierig waren, sich darüber auszusprechen und sie zu diskutieren und möglicherweise zu einer Lösung zu gelangen. Selbst diejenigen, deren Leben ungestört und minutengenau hinter einem lächelnden Zifferblatt dahinzuticken schien, versuchten oft wie ich, einen neuen Rhythmus mit mehr schöpferischen Pausen zu finden, ihren individuellen Bedürfnissen besser Rechenschaft zu tragen und in einen neuen und lebendigeren Kontakt zu sich selbst und anderen zu kommen.

Und so wurde allmählich diese Folge von Kapiteln, die aus den Gesprächen, Argumenten und Enthüllungen von Frauen und Männern der verschiedensten Art gespeist sind, mehr als meine persönliche Geschichte, so daß ich zu guter Letzt beschloß, sie den Menschen, die viele dieser Gedanken geteilt und angeregt haben, zurückzugeben. So übergebe ich denn, mit dem Gefühl wärmsten Dankes und der Verbundenheit das Geschenk des Meeres wieder denjenigen, die meine Bemühungen teilen.

I

Der Strand

Der Strand ist nicht der rechte Ort zum Arbeiten, zum Lesen, Schreiben oder Denken. Das hätte ich aus früheren Jahren noch wissen müssen. Er ist zu heiß, zu feucht, zu weich für jede wirkliche gedankliche Disziplin oder geistige Einfälle. Man lernt es nie. Hoffnungsvoll nimmt man den verblichenen Strandbeutel her, vollgestopft mit Büchern, Schreibpapier, überfälligen Briefschulden, frischgespitzten Bleistiften und guten Vorsätzen. Die Bücher bleiben ungelesen, die Bleistifte brechen ab, und der Schreibblock ist weiterhin so frisch und unberührt wie der wolkenlose Himmel. Kein Lesen, kein Schreiben, nicht einmal ein paar Gedanken – jedenfalls nicht im Anfang.

Im Anfang beherrscht uns ausschließlich unser erschöpfter Körper. Wie an Bord eines Schiffes verfallen wir der Liegestuhl-Apathie. Gegen den eigenen Willen, gegen alle guten Vorsätze überwältigen uns die Ur-Rhythmen der Küste. Der Brecher auf dem Strand, der Wind in den Pinien, der träge Flügelschlag der Reiher über den Dünen lassen uns das hektische Pulsen der Städte und Vorstädte, der Fahrpläne und Terminkalender vergessen. Dem Zauber verfallen, dehnt sich entspannt der ruhende Körper. Man wird eins mit dem Element, auf dem man liegt, vom Meer hingestreckt; einsam, preisgegeben, leer wie der Strand, den die Flut von den Überresten des Gestern reingewaschen hat.

Und dann, an irgendeinem Morgen der zweiten Woche, erwacht der Geist und ersteht zu neuem Leben. Nicht im Sinne der Stadt – nein – in der Art des Strandes. Er beginnt zu wandern, zu spielen, sich in lässigen Windungen zu überschlagen gleich den trägen Wellen, die auf den Sand rollen. Man weiß nie, was für zufällige Schätze jene spielerischen unbewußten Brecher auf den glatten, weißen Sand des Bewußtseins spülen werden; was für einen vollkommen gerundeten Stein, was für eine seltene Muschel sie vom Grund des Ozeans mitbringen. Vielleicht eine Wellhornschnecke, vielleicht eine Mondmuschel oder sogar eine Argonauta.

Aber man darf nicht danach suchen oder etwa gar danach graben! Nein, nur kein Schleifnetz über den Meeresgrund ziehen. Das würde unseren Zweck vereiteln. Das Meer belohnt jene nicht, die zu beflissen, zu gierig oder zu ungeduldig sind. Nach Schätzen zu graben beweist nicht nur Ungeduld und Gier, auch Mangel an Glauben. Geduld, Geduld, Geduld lehrt uns das Meer. Geduld und Glauben. Leer, offen und passiv wie der Strand sollten wir daliegen – das Geschenk des Meeres erwartend.

II

Wellhornschnecke

Die Muschel in meiner Hand ist verlassen. Einmal war sie die Behausung einer Wellhornschnecke, und nach dem Tod dieses ersten Bewohners wurde sie vorübergehend von einem kleinen Einsiedlerkrebs bezogen, der dann fortlief und seine Spur wie eine zarte Ranke im Sand hinterließ. Er lief fort und ließ mir seine Muschel. Sie war einmal sein Schutz gewesen. Ich drehe die Muschel in meiner Hand und schaue in die weit geöffnete Tür, durch welche der Krebs sie verlassen hat. War sie ihm zum Gefängnis geworden? Weshalb ist er fortgelaufen? Hatte er gehofft, ein besseres Haus, bessere Lebensbedingungen zu finden? Ich begreife, daß auch ich fortgelaufen bin, daß auch ich für diese kurzen Ferienwochen die Muschel, die mein Leben war, verlassen habe.

Aber seine Muschel ist unkompliziert; sie ist einfach, sie ist schön. Klein wie ein Daumen und bis in das kleinste Detail von vollkommener Form. In der Mitte wie eine Birne anschwellend, schraubt sie sich in einer sanften Spirale bis zur nadelscharfen Spitze. Die stumpfgoldene Farbe erhielt durch das Salz des Meeres einen weißen Schimmer. Jede Windung, jede kleinste Erhöhung, jedes Aderchen in dieser eierschalenartigen Substanz ist so deutlich wie am Schöpfungstag. Mein Auge folgt entzückt dem äußeren Umlauf der winzigen Wendeltreppe, die jener Einwohner zu begehen pflegte.

Meine Muschel hat keine Ähnlichkeit mit dieser, denke ich. Wie unordentlich ist sie geworden! Von Moos überwachsen, von Muscheltieren überkrustet, kann man ihre ursprüngliche Form kaum mehr erkennen. Gewiß, einmal hatte sie eine Form. In meiner Vorstellung hat sie immer noch eine Form. Wie ist die Form meines Lebens?

Meine heutige Lebensform erwächst aus einer Familie. Ich habe einen Mann, fünf Kinder und ein Haus jenseits der Außenbezirke von New York. Ich habe auch ein Handwerk – ich schreibe – und deshalb eine Arbeit, der ich nachgehen möchte. Meine Lebensform wird natürlich auch von vielen anderen Dingen bestimmt; durch meine Herkunft und Kindheit, meinen Verstand und seine Bildung, mein Gewissen und seine Nöte, mein Herz und sein Sehnen. Ich will meinen Kindern und meinem Mann etwas sein und ihnen etwas geben, mit meinen Freunden und mit der Gemeinde leben, meine Verpflichtungen den Menschen und der Umwelt gegenüber als Frau, als Künstlerin und als Bürgerin erfüllen.

Aber zuerst will ich – und das ist das eigentliche Ziel all dieser anderen Wünsche – in Einklang mit mir selbst sein. Ich wünsche eine eindeutige Sicht, Reinheit meiner Absichten, einen festen Mittelpunkt für mein Leben, die es mir ermöglichen, jene Verpflichtungen und Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen. Ich wünsche – um es durch einen theologischen Begriff auszudrücken –, »im Stand der Gnade« zu leben, soweit mir das überhaupt möglich ist. Ich gebrauche diesen Begriff nicht im streng theologischen Sinn. Unter Gnade verstehe ich eine innere, im wesentlichen spirituelle Harmonie, die sich auch durch äußere Harmonie auszudrücken vermag. Vielleicht suche ich das, was Sokrates in seinem Gebet in PHAIDROS erflehte, wenn er sagt: »Laß den äußeren und den inneren Menschen eins werden.« Ich will einen Zustand der Gnade erreichen, aus dem heraus ich so sein und handeln kann, wie ich in der Vorstellung Gottes sein und handeln sollte.

So ungenau diese Definition auch sein mag, so sind sich doch, glaube ich, die meisten Menschen bewußt, daß sie in bestimmten Lebensabschnitten »im Stand der Gnade« und in anderen wieder »ohne Gnade« waren, wenn sie vielleicht auch nicht die gleichen Bezeichnungen dafür verwenden. In jenem glücklichen Zustand glaubt man, alles mühelos bewältigen zu können, als würde man von einer mächtigen Welle getragen, und in diesem kann man kaum ein Schuhband knüpfen. Zugegeben, ein großer Teil des Lebens besteht darin, die Technik des Schuhband-Knüpfens zu erlernen, ob man nun im Stand der Gnade ist oder nicht. Aber es gibt auch eine Technik des Lebens; es gibt sogar Techniken, nach der Gnade zu suchen. Und Techniken kann man entwickeln. Durch etliche Erfahrung und viele Beispiele und durch die Werke der zahllosen anderen Menschen, die sich vor mir auf die Suche begaben, habe ich gelernt, daß gewisse Voraussetzungen, Lebensbedingungen und Lebensweisen für die innere und äußere Harmonie zuträglicher sind als andere. Tatsächlich gibt es bestimmte Wege, denen man folgen kann. Einer davon ist die Vereinfachung des Lebens.

Darunter verstehe ich, daß man ein einfaches Leben führen, sich eine Muschel wählen soll, die man leicht tragen kann – wie ein Einsiedlerkrebs. Aber ich tue es nicht. Mein Lebensstil ist nicht auf Einfachheit zugeschnitten. Mein Mann und die fünf Kinder müssen ihren Weg in der Welt machen. Das Leben, das ich als Frau und Mutter gewählt habe, zieht eine ganze Karawane von Komplikationen nach sich. Es schließt ein Vororthaus ein und dementsprechend entweder Plackerei im Haushalt oder Dienstboten, die für die meisten von uns kaum oder gar nicht zu haben sind. Es dreht sich um Nahrung und Behausung, um Mahlzeiten, Einteilen, Einkäufe, Rechnungen und ein tausendfältiges Fertigwerden mit den Gegebenheiten. Es besteht nicht nur aus »Schuster, Schneider, Scherenschleifer«, sondern aus zahllosen weiteren Fachleuten, mit deren Hilfe mein modernes Haus mit seinen modernen »Erleichterungen« (Elektrizität, Installation, Kühlschrank, Gasherd, Ölheizung, Wasch-maschine, Radio, Auto und anderen arbeitssparenden Erfindungen) richtig funktioniert. Es dreht sich um die Gesundheit, um Ärzte, Zahnärzte, Konsultationen, Medizinen, Lebertran, Vitamine, den Gang zur Apotheke. Und um die Erziehung: ethische, intellektuelle, körperliche; Schulen, Besuche bei den Lehrern, die Fahrten zum Sportplatz und den Weg zum Musikunterricht; Nachhilfestunden; Ferienlager, Zeltausrüstungen und zahllose Bahnfahrten. Die Kleidung: Einkaufen, Waschen, Reinigen, Flicken, Säume-Auslassen und Knöpfe-Annähen oder die Suche nach jemandem, der diese Arbeiten übernimmt. Dazu kommen die Freunde; die Freunde meines Mannes, meiner Kinder und meine eigenen, und die endlosen Verabredungen, bis alles klappt; Briefe, Einladungen, Telefonate und die Wege von einem zum anderen.

Ende der Leseprobe