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Gemeinden haben es gerade nicht leicht: Den Kirchen laufen die Mitglieder davon, im Sonntagsgottesdienst sitzen vereinzelte Besucher, die Säkularisierung wächst und der Vertrauensverlust aufgrund von öffentlichkeitswirksamen Missständen nimmt zu. Aber es geht auch anders! Zahlreiche Gemeinden erproben neue Wege - und ziehen damit viele Menschen an. Was machen diese Gemeinden anders? Gibt es so etwas wie ein "Erfolgsrezept"? Welche Projekte, Ansätze und Modelle sind es, die Menschen auch im 21. Jahrhundert ansprechen? Von diesen wachsenden Gemeinden und ihren ungewöhnlich guten Ideen berichtet Pfarrer Karsten Böhm in diesem inspirierenden Buch. Am Beispiel der Andreasgemeinde in Niederhöchstadt, einer seit Jahrzehnten wachsende Gemeinde mit u.a. speziellen Angeboten für Kirchenfremde, gibt er zahlreiche Ideen und Anregungen für Gemeindeentwicklung und Gemeindepraxis weiter. Auf unterhaltsame Weise erzählt er von Erfahrungen, Erfolgen und langersehnten Durchbrüchen, aber auch von Sackgassen, Scheitermomenten und Fehlern, die oftmals zu entscheidenden Wendepunkten auf dem Weg wurden. Ergänzt mit weiteren Gemeindebeispielen wird schon beim Lesen klar: Dies ist ein Buch, das zum Nachmachen motiviert.
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Seitenzahl: 242
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Bibelstellen entstammen, sofern nicht anders angegeben, folgender Übersetzung:
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Weitere verwendete Übersetzungen sind:
BasisBibel. Altes und Neues Testament, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc.®, ‚fontis – Brunnen, Basel.
Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Neues Leben. Die Bibel © 2002 und 2006 SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
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Lektorat: Anna Böck
DTP: Burkhard Lieverkus, Wuppertal
Verwendete Schriften: Scala Pro, Scala Sans Pro
eBook: PPP Pre Print Partner GmbH & Co. KG, Köln, www.ppp.eu
ISBN 978-3-7615-7051-7 Print
ISBN 978-3-7615-7052-4 E-Book
www.neukirchener-verlage.de
In diesem Buch verwende ich bewusst Pluralformen wie „Christ:innen“, denn in unserer Andreasgemeinde sind alle Menschen herzlich willkommen und werden genauso akzeptiert, wie sie sind. Vielfalt ist für uns ein zentraler Wert, den wir nicht nur schätzen, sondern auch aktiv leben. Wir haben ihn mit folgender Aussage fest in unserer Gemeindephilosophie verankert: „Wir wollen eine Gemeinde mit einer klaren Mitte, aber mit vielfältigen Ausdrucksformen dieser Mitte sein. Wir suchen weder eine Uniformität der Meinungen noch irgendwelcher äußerer Formen, denn wir sind uns bewusst, dass Gott mit jedem Menschen auf individuelle Weise umgeht. Darum begegnen wir unterschiedlichen Ansichten, Lebensentwürfen und Frömmigkeitsformen mit Respekt, Wertschätzung und Toleranz und wollen voneinander lernen. Wir feiern unsere Andersartigkeit und dienen gemeinsam der Welt.“
Vorwort
Von Thorsten Dietz
Die Kirche befindet sich in einer Umformungskrise. Viele wissen es und leiden an den damit verbunden Unsicherheiten. Große Veränderungen stehen an. Die Kirche der Zukunft wird eine Kirche nach der Kirche sein, nach der Kirche, wie wir sie kennen.
Seit vielen Jahren hangeln sich die Kirchen von einer Reform zur nächsten. Die Zeit ist vorbei, wo man angesichts dieser Herausforderung glaubte, eine durchschlagende Lösung präsentieren zu können: die richtige Vision, der alles verändernde Kongress, die durchschlagenden Leitungsprinzipien, die notwendigen Gaben und die zugehörigen Gabentests. Vieles wurde bereits probiert, wenig davon war langfristig wirksam.
Karsten Böhms Buch Mutig vorwärts stolpern ist kein weiterer Versuch, jetzt endlich den Königsweg für die Zukunft der Kirche zu präsentieren. Es bietet keine ausgefeilten Methoden und Strategien, Keine Anleitung, wie Kirche stabil bleibt und Gemeinde wächst, keine 10 Schritte für erfolgreiches Gemeindemanagement.
Wege nach vorne entstehen so selten oder nie. Wege in die Zukunft entstehen nicht beim Grübeln, sondern beim Gehen. Bei denen, die nicht nur den Mut zum Experimentieren haben, sondern auch die nötige Lust und Leichtigkeit dazu.
Wie zum Beispiel die Andreasgemeinde Niederhöchstadt, eine landeskirchliche Gemeinde der Kirche von Hessen-Nassau im Großraum Frankfurt. Diese Kirche ist anders als viele andere: Ihre Arbeit wird von Hunderten von Ehrenamtlichen betrieben. Viele Arbeitsfelder werden von Spenden getragen.
Geht es also doch wieder um Erfahrungen mit einer Mustergemeinde, bei der man sich einfach abschauen kann, wie es wirklich funktioniert. Wer so etwas sucht, wird hier nicht fündig.
Man kann längst wissen, dass es so nicht funktioniert. Jede Gemeindesituation ist anders. Jede Region hat ihre Chancen. Karsten Böhm ist überzeugt: Wer Dinge richtig machen will, muss die Angst verlieren, Fehler zu machen. Nichts macht so klug wie das Scheitern.
Was also kann man von diesem Buch erwarten? Geschichten vom Scheitern und vom Gelingen. Erzählungen von Pleiten und Pannen. Geschichten vom Aufhören und vom Neuanfangen. Mutmachgeschichten. Dieses Buch erzählt Geschichten von geplatzten Träumen, unrealistischen Zielen, gescheiterten Projekten und frustrierenden Sitzungen. Das Leben besteht aus dergleichen, auch in den Gemeinden und Werken, die als erfolgreich gelten.
Und dieses Buch enthält jede Menge Witze. Wirklich. Dieses Buch ist lustig, nicht aus Gründen der Anbiederung, sondern der Einsicht. Nur wer gelernt hat, wohlwollend zu lachen, vor allem über sich selbst, ist bereit für neue Fehler.
Mutig vorwärts stolpern bietet nicht Anleitungen, sondern Anregungen. Es erzählt von Ideen und Einfällen, die kapiert und nicht kopiert werden wollen. Keine große Konzeption, sondern kleine Impulse für Zwischendurch, gerade auch für Menschen, die von sich selbst sagen, dass sie keine Zeit haben, Bücher durchzuarbeiten.
Für dieses Buch muss man nicht viel Energie mitbringen, um es durchzukriegen. Es ist ein Energiespender für die kleine Pause, für das kurze Innehalten. Und das macht dieses Buch so wohltuend. Die Umformungskrise der Kirchen ist so umfassend, dass sie einen Reformprozess nach dem anderen zu erfordern scheint. Manches davon ist sicher auch notwendig. Vieles vielleicht auch kein Teil der Lösung, sondern Teil der Probleme.
Nein, dieses Buch wird nicht die Kirche retten. Es ist getragen von der Gewissheit, dass die Kirche und nicht nur sie längst gerettet ist. Karsten Böhm zeigt, wie sich eine Gemeinde auf Jesus Christus fokussieren kann ohne jede Engführung. Es geht nicht darum, Jesus vor Augen zu haben, so dass man sonst nichts mehr sieht. Es geht darum, von dieser Mitte her die Menschen und unsere heutigen Herausforderungen in den Blick zu nehmen, mit Liebe und Leidenschaft, mit Hoffnung und Mut. Für eine solche Haltung sind die Jesusgeschichten der Bibel bis heute eine einzigartige Quelle. Denn sie lehren uns, miteinander und mit uns selbst gnädig umzugehen.
Die Kirche nach der Kirche wird anders sein. Welche Formen auch immer sie haben wird, eines wird sie ausmachen: Es wird eine Kirche Jesu Christi und darum eine Kirche der Gnade sein. Wer in einer solchen Gewissheit in die Zukunft gehen möchte, für den ist das Buch Mutig vorwärts stolpern eine erfrischende Wegbegleitung.
Abschnitt 1: Clown statt Trauerredner
Landauf, landab wird der Untergang der Kirchen und des christlichen Abendlandes propagiert: Die Volkskirche stirbt, den Kirchen laufen die Mitglieder davon, im Sonntagsgottesdienst sitzen einige vereinzelte Besucher:innen, Gemeinden werden geschlossen, der Rückgang wird geordnet verwaltet, die Säkularisierung wächst und die Kirchen erleben einen nie dagewesenen Vertrauensverlust aufgrund zahlreicher Missbrauchsfälle und anderer Skandale. Damit beginnen auch die jahrelang reichlich gesprudelten Kirchensteuereinnahmen zu schrumpfen und es gilt, Personal, Gebäude, Ressourcen einzusparen. Die noch vorhandenen Stellen finden keine Bewerber:innen, die sich für sie interessieren. Der Bedeutungsverlust der Kirchen beschleunigt sich. Früher haben sich die Menschen noch über die Kirche geärgert und diskutiert, heute ist sie vielerorts und für zahlreiche Menschen gar kein Thema mehr, nur noch egal und uninteressant. Darunter leiden auch Innovationen und gute Ideen, funktionierende Leuchtturmprojekte oder wachsende Gemeinden. Leider.
Mir wird der Bedeutungsverlust der Kirche immer wieder deutlich vor Augen geführt, wenn ich auf Feiern und Partys gehe, was ich übrigens ziemlich gerne tue. Werde ich dort gefragt, was ich beruflich mache und „Pfarrer“ sage, dann fragt mich mein Gegenüber immer wieder peinlich berührt: „Fahrer? Interessant. Habe nie einen persönlich kennengelernt. Für welche Spedition, welches Unternehmen fährst du denn?“ Wenn ich dann „Pfarrer. Ich arbeite in der Kirche.“ antworte, entsteht nach erstem ungläubigen Staunen, als ob man vom Mars käme, meist ein ziemlich interessantes Gespräch. Mein Beruf ist heutzutage exotisch und ungewöhnlich. So wie meine Gemeinde.
Innerhalb der kirchlichen Szene ist die Andreasgemeinde Niederhöchstadt nämlich ziemlich bekannt, denn seit über 25 Jahren lebt und gedeiht sie, steht für neue und ungewöhnliche Wege und startet Projekte und Dinge, die vielfach betrachtet, manchmal bewundert, häufig nachgemacht und immer auch kritisiert wurden.
So gibt es zahlreiche verschiedene Gottesdienstformate für Jung und Alt, der GoSpecial – ein Gottesdienst für Kirchendistanzierte – zieht regelmäßig mehrere hundert Besucher:innen ins Kino, weit über 300 Ehrenamtliche engagieren sich im Kinder- und Jugendbereich, bei den Senior:innen, im Musikbereich, im Familienzentrum, im Demenzzentrum, bei den Freizeiten, oder im Buchladen „7. Himmel“. Es gibt Musicals, die Online-Gottesdienste werden tausendfach geklickt ebenso der GoSpecial-Talk-Podcast, überregionale Kongresse werden veranstaltet, Bücher veröffentlicht, eine Partnerschaft mit der Gemeinde Nairobi Chapel und das Patenkinderprojekt „Logos“ werden gepflegt, der Gemeindeaufbauverein finanziert mit rund einer halben Millionen Euro Spendeneinnahmen jährlich über 10 Hauptamtliche, zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie beispielsweise der Extremsportler Joey Kelly, die Künstlerin Christina Brudereck, Eintracht-Kulttrainer Dragoslav „Stepi“ Stepanovic, Designer Harald Glööckler, Schauspieler Samuel Koch, Olympiasieger Michael Groß und der „Entdecker“ des schwarzen Lochs Heino Falcke waren als Gastredner:innen vor Ort und ein großes Kirchenneubauprojekt steht kurz vor der Verwirklichung. Es gibt sie nämlich doch – die Kirchengemeinden, die blühen und gedeihen.
Meine famose Kollegin Anke Wiedekind sagte in ihrer Abschiedspredigt, bevor sie in die Rheinische Kirche wechselte:
„Die Andreasgemeinde spielt die Rolle eines Clowns auf der Beerdigung. Ein Clown auf der Beerdigung? Man erlebt einen Clown im Zirkus, auf einem Straßenfest oder bei einem Geburtstag und man amüsiert sich über ihn in gelöster Stimmung, aber auf der Beerdigung hat ein Clown doch nichts zu suchen. Wer lacht schon, wenn er einen lieben Menschen zu Grabe tragen muss? Trotzdem hat der Clown in der Misere eine ganz wichtige und auch theologische Bedeutung. Wer die Osternacht bei uns besucht, weiß, dass wir in der Osternacht Witze erzählen, weil wir feiern, dass die Macht des Todes gebrochen wurde und wir dem Tod bewusst ins Gesicht lachen. Genauso zeigt der Clown auf der Beerdigung, dass es Einen gibt, der angesichts des großen Kirchensterbens nicht aufhört, seine segnende Hand über seiner Braut, der Kirche, zu halten. Er ist der Hoffnungsträger in der Krise, der bunte Farbtupfer im Einheitsgrau, das fröhliche Lachen in sorgenvoller Bedenkenträgerei. Die Andreasgemeinde – und mit ihr einige viele Gemeinden im Land auf und ab – ist also der Clown auf der Beerdigung. Manchmal bewundert und beneidet, manchmal auch ungeliebt und unverstanden. Aber die Rolle, die die Andreasgemeinde spielt, ist wichtig, weil sie zumindest ansatzweise zeigt, dass Kirche nicht sterben, sondern leben soll. Nicht nur leben, sondern begeistern. Nicht nur begeistern, sondern auch wachsen.“
So wahr diese Worte sind, so wahr ist es auch, dass bei uns in der Andreasgemeinde und bei mir natürlich nicht nur Leben, Begeisterung und Wachstum herrschen, sondern als Pfarrer habe ich unweigerlich mit allen Aspekten und Facetten des Lebens zu tun: Leben und Tod, Glücksmomente und Scheitern, Geburt und Sterben, Lachen und Weinen. Ich erlebe Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Jubiläen und viele weitere fröhliche Feste, die unterschiedliche Lebensabschnitte markieren und von Hoffnung und Freude geprägt sind. Gleichzeitig begleite ich Menschen in schweren Zeiten wie Krankheit, Not, Leid, Trauer und Sterben, wo ich als Seelsorger Trost und Unterstützung biete – eben die Bandbreite des Lebens.
Hinzu kommt, dass es in unserer Andreasgemeinde, die so bunt, vielfältig, engagiert und lebendig ist und in erster Linie von ehrenamtlichen Mitarbeitenden getragen wird, immer wieder auch menschelt. Wo Menschen zusammenarbeiten und leben, lachen und weinen, feiern und trauern, miteinander organisieren und agieren, da kommt es natürlich immer wieder zu Reibungen, Missverständnissen und Ärger. All das macht unsere evangelische Andreasgemeinde aus.
Deshalb ist dieses Buch anders als viele Ratgeber, die es auf dem Markt gibt. Es erzählt nämlich nicht nur eine Erfolgsgeschichte nach der anderen, sondern spricht auch vom Stolpern, Versagen, Scheitern und von Fehlern. Das ist Teil des Lebens. Und im Rückblick haben die gesamte Gemeinde und auch ich sehr viel aus dem Stolpern, Versagen, Scheitern und den Fehlern gelernt – selbst wenn das oftmals schmerzhaft war.
Auch das Christentum und die Kirche, immerhin meine Arbeitgeberin, basieren nicht auf einer augenscheinlichen Erfolgsstory, sondern das Christentum hat seinen Ursprung im Scheitern. Das wird oft vergessen, denn wir alle haben uns so sehr an den gekreuzigten Jesus gewöhnt, der bei vielen Menschen als Schmuck um den Hals hängt. Der Skandal, der dem Kreuz innewohnt, ist uns gar nicht mehr bewusst: Jesus Christus ist ans Kreuz genagelt worden und dort qualvoll verreckt. Die Kreuzigung war die schlimmste und grausamste Form der Hinrichtung im antiken Rom.
Unsere Welt, die so gerne Helden anhimmelt und verehrt, zeigt ihren Gott Jesus nicht in irgendeiner Heldenpose, sondern in totaler Demütigung und völliger Hilflosigkeit: der grausame Tod am Kreuz; der Sieg der Feinde und der Besatzungsmacht Rom über diesen Friedensstifter. Der am Kreuz leidende Jesus wird zum Markenzeichen. Warum nutzen wir eigentlich nicht stattdessen die siegreiche Auferstehungspose am offenen Grab am Ostermorgen, wie er übers Wasser läuft, Kranke heilt oder tausende Menschen satt macht? Zumindest mit Blick auf gutes Marketing hätten solche Triumphe und Erfolgsstorys gute Argumente auf ihrer Seite.
Das Symbol und Zeichen des Christentums, das in allen Kirchen dargestellt wird, als Kette um unseren Hals baumelt, tausendfach gemalt und allgegenwärtig sichtbar, ist allerdings das Kreuz – der Augenblick des Scheiterns, als Jesus schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46)
Theologisch gesprochen trägt Jesus am Kreuz die Sünden, alles Versagen der Menschen und eröffnet damit die Erlösung und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Gleichzeitig wird daran deutlich, dass Versagen und Scheitern auch Chancen und Möglichkeiten bieten, ja, sogar (ewiges) Leben ermöglichen.
So wünsche ich Ihnen zwar nicht, dass Sie stolpern, scheitern, versagen und Fehler machen. Ich weiß aber, dass Sie immer wieder stolpern, scheitern, versagen und Fehler machen werden, denn Sie sind Mensch! Und Sie dürfen aus diesen Tiefpunkten lernen und gehen vielleicht sogar gestärkt, weiser und klüger aus der Situation heraus. So wie es der Volksmund sagt: „Aus Fehlern wird man klug.“ Oder wie es hier im vielleicht motivierendsten Abschnitt des Buches heißt: „Aus Fehlern wird man gut.“
Dort wird an konkreten Beispielen gezeigt, wo etwas nicht funktioniert hat, wo gestolpert wurde und Fehler gemacht wurden, sich kein Erfolg einstellte, ein Ziel nicht erreicht wurde, etwas gescheitert ist. Salopp ausgedrückt: Dumm gelaufen! Flops gehören dazu! Dabei gleichzeitig die Erfahrung: Aus Fehlern wird man gut! Denn es geht dabei – logischerweise – nicht darum, wie man scheitert, sondern warum man gestolpert und gescheitert ist und was man daraus für die Zukunft lernen kann, um nicht denselben Fehler zu wiederholen.
Daher auch der Buchtitel „Mutig vorwärts stolpern“. Es erfordert Mut, sich vorwärts zu wagen. Sie werden dabei Schönes erleben und Erfolge genießen, aber auch immer wieder stolpern, fallen, versagen, scheitern und Fehler machen. Aber gerade beim Vorhaben, eine lebendige Kirche und Gemeinschaft zu gestalten, gehört das Zulassen von Fehlern, Unsicherheiten und auch des Scheiterns unabdingbar dazu, da diese unvermeidlich sind und Teil des Fortschritts und entscheidende Wendepunkte sein können. Wichtig ist dabei vor allem eines: nach jedem Stolpern und Fallen wieder aufzustehen, Mut zu sammeln und weiterzugehen – Schritt für Schritt.
Ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann wurde einmal gefragt, was das Geheimnis seines Erfolges sei.
„Wenig Fehler machen und richtige Entscheidungen treffen!“, erwiderte er.
„Ok. Aber wie macht man wenig Fehler und trifft richtige Entscheidungen?“
„Durch Erfahrung.“
„Und wie bekommt man Erfahrung?“
„Viele Fehler machen und falsche Entscheidungen treffen!“
Noch ein Letztes: Es gibt keine überall funktionierenden Patentrezepte, damit eine Kirchengemeinde lebt, gedeiht und wächst. Aber es gibt gute Prinzipien und Ideen, die auf gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen basieren. So zeigt dieses Buch wie ein Kirchenclown, unsere evangelische Andreasgemeinde, Kirche macht, denkt, tickt und lebt. Ein Buch aus der Praxis für die Praxis.
Die bewusste und unverblümte Absicht dieses Buches ist es, zu unterhalten. Daher werden immer mit einer kleinen Anekdote, einer Geschichte, einem praktischen Beispiel gewisse Erkenntnisse aufgezeigt. Dieses Buch will Wissen leicht, verständlich, lebens- und praxisnah, unterhaltsam und mit einer Prise Humor vermitteln. Daher dürfen Sie es gerne irgendwo aufschlagen und nach Lust und Laune lesen, nach vorne oder hinten blättern und dann an anderer Stelle weiterlesen. Für kein Kapitel brauchen Sie länger als 5 Minuten, es wird Ihnen aber hoffentlich ein Leben lang nützlich sein.
In diesem Buch werden Sie keine „Zehn Gebote“ für erfolgreiche Gemeindearbeit finden noch die „Goldene Regel“ für eine gute Mitarbeitendenführung. Die Welt, die Kirche und vor allem die Menschen sind viel zu komplex, um sie mit ein paar einfachen Prinzipien oder festen Regeln vollständig zu erfassen.
Stattdessen ist dieses Buch eher wie ein gut gefüllter Werkzeugkasten – voll mit unterschiedlichen Prinzipien, Ideen, Vorschlägen und Modellen. Eine Garantie, dass Ihre Gemeinde oder Ihr Team dadurch besser werden, kann ich Ihnen nicht geben. Doch wenn Sie den ein oder anderen praxisbewährten Tipp aufgreifen und umsetzen, wird die Wahrscheinlichkeit dafür deutlich steigen.
Apropos Humor: Ich bin ein humorvoller Mensch, der immer einen dummen Spruch und ein Augenzwinkern auf Lager hat. Das liegt daran, dass ich versuche, mich selbst, das Leben und auch religiöse Fragen zwar ernst, aber nicht allzu schwer zu nehmen. Darum kann ich fast allem eine humorvolle Perspektive abgewinnen. Sicherlich liegt es auch daran, dass ich meinen Glauben und meine Spiritualität mit Freude, Fröhlichkeit, Weite, Glück, und Frohsinn verbinde statt mit Enge, Begrenzung, Verbissenheit. Und ich habe immer wieder erlebt, dass Humor vieles erleichtert und manche heikle Situation sogar löst – so wie es einem Freund passierte:
Er fuhr mit dem Auto zum Handballtraining. Da lief am Straßenrand ein Kumpel. Mein Freund hupte kurz und winkte ihm zu. Der Kumpel winkte freundlich zurück. Einige Sekunden später hielt die Polizei meinen Freund an und belehrte ihn: „Sie wissen, dass Sie die Hupe (offiziell heißt es „Schallzeichen“ nach der Straßenverkehrsordnung) nur als Warnsignal benutzten dürfen und nicht, um Freunden ‚Hallo‘ zu sagen. Das macht 5 Euro Strafe.“
„Entschuldigung, es tut mir leid. Hier ist ein 10-Euro-Schein.“
„Ich kann Ihnen leider nicht rausgeben. Sie müssen mit auf die Wache kommen, damit ich Ihnen das Rückgeld geben kann.“
Mein Freund, der ja ins Training wollte (und bei Zuspätkommen eine Kiste Bier als Strafe für die Mannschaft hätte mitbringen müssen), hupte mit einem Grinsen erneut und sagte dem verblüfften Polizisten: „Stimmt so.“
Beide lachten und mein Freund fuhr letztlich ohne Strafzettel davon – und kam rechtzeitig zum Training mit einem breiten Grinsen und einer guten Geschichte.
Humor hilft.
Abschnitt 2: zielorientiert statt planlos
Ich liebe Biathlon – diese faszinierende Kombination aus Skifahren und Schießen begeistert mich immer wieder. Besonders erfreulich ist, dass die Deutschen in diesem Sport sehr erfolgreich sind. Doch die bis heute erfolgreichste Biathletin stammt aus Schweden: Magdalena Forsberg. Sie gewann sechs Gesamtweltcupsiege und zwölf Medaillen bei Weltmeisterschaften, darunter sechs Mal Gold. Ihre herausragenden Leistungen machten sie zur besten Biathletin des 20. Jahrhunderts.
Richtig berühmt wurde sie jedoch durch eine denkwürdige Begebenheit: In einem Weltcuprennen lag sie wie gewohnt in Führung mit einem Vorsprung von über drei Minuten – eine Ewigkeit im Biathlon. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie alle ihre Schüsse getroffen. Noch einmal zum Schießstand und eine letzte Runde Skifahren, und dann konnte sie feiern.
Am Schießstand legte sie an und schoss: Treffer. Nächster Schuss: Treffer. Und der dritte: ebenfalls ein Treffer. Sie traf fünfmal ins Schwarze und fuhr jubelnd ins Ziel.
Doch was sie nicht bemerkte, war, dass sie jedes Mal die Zielscheibe ihrer Nachbarin getroffen hatte, nicht ihre eigene. Da sie ihre Strafrunden nicht absolvierte, erhielt sie pro Fehlschuss zwei Minuten Strafzeit und fiel vom sicher geglaubten ersten Platz auf den vorletzten Platz, Rang 95. So verlor sie in jenem Jahr auch den Gesamtweltcupsieg. Ihre treffsicheren Schüsse hatten das falsche Ziel getroffen.
Leider erlebe ich immer wieder, dass Menschen, Teams, Gemeinden nicht genau wissen, was sie wollen. Was ihre Ziele sind oder gar ihre Vision ist. Sie sind sehr beschäftigt, tun dies und jenes, relativ plan- und ziellos und schauen im Aktionismus, was der nächste Schritt ist und sind gespannt, was am Ende dabei herauskommt.
Aber der nächste Schritt ist nicht das Entscheidende, sondern der nächste Schritt in die richtige Richtung hin zum Ziel ist das Entscheidende.
Ich kenne Menschen, Teams und Gemeinden, die rennen den ganzen Tag herum und kommen doch nicht am Ziel an. Denn: Wer kein Ziel hat, kommt nicht an. Wenn man das Ziel nicht kennt, ist kein Weg der richtige. Wenn wir nicht wissen, wohin wir wollen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir woanders ankommen und dann Frust entsteht.
Daher fragen Sie sich: Was ist die Aufgabe, das Ziel, der Grund für Ihr Tun? Wohin möchten Sie, Ihr Dienstbereich, Ihr Team, Ihre Gemeinde?
Niemand würde ja in ein Flugzeug steigen, dessen Pilot nicht genau weiß, wohin die Reise geht. Ein guter Fußballtrainer würde auch nie zu seiner Mannschaft sagen: „Ich will, dass ihr da rausgeht und rennt. Rennt, wie ihr noch nie gerannt seid. Denn der Weg ist das Ziel!“ Gewonnen hat schließlich, wer ein Tor mehr als der Gegner schießt. Man braucht eine Vision, ein Ziel, eine Vorstellung, einen Traum, die es zu erreichen gilt. Wir brauchen eine Vision, ein Ziel, eine Vorstellung, einen Traum, damit wir wissen, wohin wir wollen, damit wir die richtige Zielscheibe anvisieren, damit wir auf dem richtigen Weg sind. Lässt die Vision die Herzen der Menschen höherschlagen, werden sie Teil davon sein wollen und sich voller Elan, Leidenschaft, Begeisterung und uneigennützig einbringen.
Gleichzeitig kann eine Vision auch als Leitfaden für Entscheidungen dienen, da sie die Grundlage für die Entwicklung von Strategien, Plänen und Projekten bildet. Mit einer klaren Vision kann man Prioritäten setzen und die verfügbaren Ressourcen sinnvoll und gezielt einsetzen. Unsere Andreasgemeinde hat deswegen folgenden Auftrag, unsere „Mission“, formuliert, der auf zwei zentralen biblischen Aussagen von Jesus Christus basiert.
Auf die Frage, was das Wichtigste überhaupt sei, antwortete Jesus: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22,37-39)
Jesu letzte Worte waren: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28,18-20)
Aus diesen beiden zentralen Versen der Bibel entnehmen wir Gottes fünf Aufträge für unsere Gemeinde:
Gemeinschaft
„Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ...“
Das Christentum ist keine Privatreligion, sondern auf Gemeinschaft angelegt, in die man durch die Taufe aufgenommen wird. Erst in der christlichen Gemeinschaft können Christ:innen das volle Potenzial entwickeln, das Gott in sie hineingelegt hat. Ohne diese Gemeinschaft nimmt der Glaube mehr und mehr ab. Darum sind wir als Christ:innen nicht nur berufen zu glauben, sondern auch miteinander zu leben, einander zu begleiten und uns gegenseitig liebevoll aufzubauen und zu helfen.
Nachfolge
„... und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“
Christ:innen sollen in unserer Gemeinde ermutigt und befähigt werden, in ihrem Glauben zu wachsen und zu reifen, um immer mehr ein Leben in der Nachfolge Jesu zu leben: das heißt, ihm zu vertrauen und – wie Jesus es nennt – „Frucht“ für ihn zu bringen. Dazu gehört die zunehmende Fähigkeit, für das Evangelium von der Liebe Gottes in Wort und Tat einzustehen.
Anbetung
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“
Gott hat sich in dreifacher Weise offenbart: als Vater, der liebt und befreit, in Jesus Christus, der berührt und herausfordert, und im Heiligen Geist, der begeistert und heil macht. Alles, was wir in der Gemeinde tun, soll dazu dienen, dass Menschen den trinitarischen Gott immer mehr kennen- und von ganzem Herzen lieben lernen und ihn anbeten.
Dienst
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Kirche ist nicht für sich selbst da. So wie Gott selbst sich unablässig für das Heil und Wohl der Menschen einsetzt, ist es auch Auftrag der Gemeinde und jede:r einzelnen Christ:in, für andere da zu sein und dem Nächsten in seinen geistlichen, seelischen und leiblichen Nöten zu helfen. Wichtiger Bestandteil dieses Auftrages ist für uns, dass wir demütig dienend auch anderen Christ:innen, Gemeinden und Kirchen helfen, ihr volles Potenzial zu entwickeln.
Evangelisation
„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker.“
Dass Menschen Gott kennenlernen, war das vorrangige Anliegen Jesu, denn die lebendige Beziehung eines Menschen zu Gott ist der Schlüssel zu allem, was der christliche Glaube für einen Menschen bereithält. Darum wollen wir alles tun, dass möglichst viele Menschen eine persönliche Beziehung zu Gott durch Jesus Christus entwickeln. Jede:r Christ:in trägt Verantwortung dafür, dass Menschen, die das Evangelium von der Liebe Gottes noch nicht kennen, davon erreicht werden.
Wir sind überzeugt, dass jeder der genannten fünf Aufträge für das Leben eine:r Christ:in, eines Teams, Hauskreises, Arbeitsbereiches und auch einer Gemeinde notwendig ist. Jede Vereinseitigung oder Vernachlässigung eines der genannten Aspekte führt zu einer ungesunden Entwicklung. Darum stellen wir in allen fünf Bereichen ganz gezielt Hilfen bereit, damit alle Christ:innen und unsere Gemeinde wachsen können.
Das Akronym G.N.A.D.E. ist bewusst gewählt, denn Gnade ist der zentrale Begriff des evangelischen Glaubens, den Martin Luther wiederentdeckt und stark gemacht hat: Gott liebt bedingungslos. Die Anerkennung oder Zuneigung, die ich brauche, muss und kann ich mir nicht verdienen. Gute Taten oder irgendeine Leistung sind nicht nötig, sondern Jesus liebt mich unabhängig davon. Punkt, kein Aber. Gott liebt allein aus Gnade. „Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.“ (Epheser 2,8-9). Aus dieser grenzenlose Liebe Gottes mir gegenüber darf ich mit meinen Stärken und Schwächen, meinen Erfolgen und Fehlern, meiner Ebenbildlichkeit und Menschlichkeit mein Leben und diese Welt gestalten.
Das Akronym GNADE gibt auch die Struktur des Buches vor. Zu jedem der fünf Aufträge gibt es Beispiele und Erkenntnisse aus der kirchlichen Praxis, die zum Nachahmen und Ausprobieren einladen und hoffentlich die Gemeindearbeit, die Gemeinschaft und auch jede:n Einzelne:n voranbringen. Da die 5 Aufträge nicht trennscharf sind, steht unter jedem Kapitel, welche der Aufträge das Kapitel betrifft.
gemeinsam statt einsam
Vor vielen Jahren gab es eine Abenteuerreise in die USA zu gewinnen. Dafür musste man sich möglichst kreativ bewerben, um eine Auswahlrunde weiterzukommen. Meine Bewerbung überzeugte anscheinend, denn einige Monate später stand ich mit 99 anderen Bewerber:innen im Möllerbunker in Duisburg, um an einem Tag unsere Fitness, Abenteuerlust und Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Wir rannten. Wir kämpften. Wir redeten. Wir tauchten. Wir kletterten. Wir spielten. Wir planten. Wir kochten. Wir verzweifelten. Wir halfen uns gegenseitig. Wir schlossen Freundschaften. Wir lachten und am Abend saßen wir gemeinsam erschöpft, aber glücklich am Lagerfeuer und ließen den Tag Revue passieren.
Neben vielen schönen Erinnerungen begleitet mich seitdem folgende Übung:
Wir mussten uns in eine Raumfahrtmission eindenken und dafür 15 Ausrüstungsgegenstände für unsere Expedition nach Wichtigkeit sortieren. Anschließend wurden wir in Gruppen eingeteilt und sollten wiederum die 15 Gegenstände in Rangfolge einordnen. Danach wurden die Einzel- und Gruppenergebnisse mit der richtigen Lösung der NASA verglichen.
Das Ergebnis des Experimentes verdeutlichte: Selbst die schwächste Gruppe erzielte ein besseres Ergebnis als der beste Einzelkämpfer. Teams erreichen mehr als Einzelkämpfer:innen.
Nicht nur im Experiment, sondern auch in der Realität erreichen Teams mehr als Einzelkämpfer:innen. Deshalb liebe ich Teams, deshalb wird in unserer Gemeinde alles in Teams gedacht, geplant und umgesetzt. Damit aber ein Team nicht nach dem Motto „Toll, ein Anderer macht‘s!“ agiert, sondern gut funktioniert, braucht es einige Dinge mehr wie eine Vision, geeignete Menschen, Herausforderungen und manches mehr.
Praktisches Beispiel: In den meisten Kirchengemeinden feiert ein:e Pfarrer:in als eierlegende Wollmilchsau den Gottesdienst alleine, meist unterstützt durch eine musikalische Begleitung. So entfallen viele Abstimmungen, und die Leitung des Gottesdienstes liegt in den Händen einer Person, die auf Predigt und Liturgie spezialisiert ist.
In unserer Gemeinde sind dagegen an einem Gottesdienst immer rund 10 Personen beteiligt. Ich selbst halte meist nur die Predigt. Ehrenamtliche gestalten die Liturgie, sprechen Gebete, machen Musik, sitzen an der Tontechnik, am Licht, am Beamer, küstern, begrüßen, machen Kaffeedienst und halten ihre Herzen und Ohren offen an der Ansprechbar. Ja, es ist mehr Aufwand an Absprachen und Rückmeldungen, es ist zeitintensiver und anstrengender, aber die Ehrenamtlichen engagieren sich leidenschaftlich, bringen ihre Fähigkeiten und Talente ein und tragen ihren Teil dazu bei, dass ihr Gottesdienst zu einer Gemeinschaftsfeier wird.
Unsere Gemeinde liebt diese wunderbaren und wundervollen Ehrenamtlichen und ist begeistert. Und ich muss zugeben: Das Ergebnis ist häufig besser, schöner, rund und geistvoller als ein Gottesdienst, den ich alleine vorbereite und feiere. Das muss man dann halt in Kauf nehmen.
PS: Ich bin übrigens nach dem Abenteuertag im Möllerbunker keine Runde weitergekommen. Dennoch war der Tag dort für mich unvergesslich und wunderschön, weil ich den Traum hatte, an dieser Reise teilzunehmen, der mich motivierte, ich meine Stärken ausleben durfte, ich Teil eines wunderbaren Teams war, ich einige Herausforderungen gemeistert habe und über mich hinausgewachsen bin und immer wieder von den Teamleiter:innen wertschätzend klares und hilfreiches Feedback bekommen habe. Alles Dinge, die auch in der Mitarbeit in einer Kirchengemeinde nötig und wichtig sind.
#Gemeinschaft #Nachfolge #Anbetung #Dienst #Evangelisation
Abenteuer statt Sofa
Ich war in Auckland, Neuseeland, und gehörte zu den Mutigen, oder sollte ich lieber sagen zu den Bekloppten, die sich kopfüber von einer Brücke ins Meer stürzen wollten, nur befestigt an einem Gummiseil: Bungeespringen.
Mit zwei Fremden und begleitet von zwei surfertypischen, braungebrannten Angestellten ging es Richtung Auckland Bridge. Meter für Meter stiegen wir höher, während der Blick auf die Stadt atemberaubend war. Gleich würde ich ein besonderes Abenteuer erleben. Doch in mir breitete sich ein unerwartetes Gefühl aus: Angst. Nein, eher Schiss. Dabei waren wir noch nicht mal am höchsten Punkt angekommen, von dem ich springen sollte und ich hatte auch noch nicht nach unten geschaut. Dennoch machte ich mir nun schon fast in die Hose.