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Myla von Elwyn hat sich als weiblicher Paladin dem Kampf gegen das "Dunkle" ihrer Welt verschrieben. Doch muss sie auf ihren Reisen erkennen, dass nicht nur die eigene Gesinnung darüber entscheidet, wie der eigene Lebensweg verläuft. Auf dem Weg, das Geheimnis rund um die Rüstungen der Todesritter zu lüften, finden sich Myla und ihre Freunde dieses Mal in Düsterbruch wieder, einem ehemaligen Elfentempel, der jedoch lange schon nicht mehr der friedliche Ort ist, der er einst war. Eine Geschichte um Freundschaft und Schicksal, in einer Welt vor unserer Zeit. (Jede Geschichte dieser Reihe ist in sich abgeschlossen und auch ohne vorherige oder nachfolgende Teile verständlich)
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Seitenzahl: 226
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Myla – Lebensweg eines Paladins
Fantasyroman Reihe
Band 1 –
Von Licht, Schatten und Dunkelheit
Von Britta Wisniewski
Copyright Britta Wisniewski
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Myla von Elwyn hat sich als weiblicher Paladin dem Kampf gegen das „Dunkle“ ihrer Welt verschrieben. Doch muss sie auf ihren Reisen erkennen, dass nicht nur die eigene Gesinnung darüber entscheidet, wie der eigene Lebensweg verläuft.
Auf dem Weg, das Geheimnis rund um die Rüstungen der Todesritter zu lüften, finden sich Myla und ihre Freunde dieses Mal in Düsterbruch wieder, einem ehemaligen Elfentempel, der jedoch lange schon nicht mehr der friedliche Ort ist, der er einst war.
Eine Geschichte um Freundschaft und Schicksal, in einer Welt vor unserer Zeit.
(Jede Geschichte dieser Reihe ist in sich abgeschlossen und auch ohne vorherige oder nachfolgende Teile verständlich)
Inhalt
Kapitel 1 – Wie alles begann.
Kapitel 2 – Unerwartetes Wiedersehen
Kapitel 3 – Leben und Tod
Kapitel 4 – Alte Freunde – neue Feinde
Kapitel 5 – Reisevorbereitungen
Kapitel 6 – Der Aufbruch
Kapitel 7 – Gadgetzan
Kapitel 8 – Feralas
Kapitel 9 - Düsterbruch
Kapitel 10 – Hoffnung und Enttäuschung
Kapitel 11 – Auf ein Neues!
Kapitel 12 – Das Athaneum
Kapitel 13 – Drei Herrscher
Kapitel 14 – Elfenmagie und Ogermagie
Kapitel 15 – Oger und anderes Gesindel
Kapitel 16 – Der Ogerkristall
Kapitel 17 – Das Ende des Ogerkönigs
Kapitel 18 – Zukunftspläne
Kapitel 19 – Landros Belohnung
Kapitel 20 – Abschied
Paladin …
Missmutig ritt Myla von Elwyn durch die verwüstete Steppe. Wie zum Henker war sie nur auf die blöde Idee verfallen, PALADIN werden zu wollen? Hätte sie doch vielleicht besser auf ihren Vater gehört. Der, ein bodenständiger Edelmann in Elwyn - hatte missmutig die Nase gerümpft, als sie ihm von ihrem Plan berichtet hatte.
„Paladin … schon wieder so´n neumodischer Krams, wo kein anständiger Bauer braucht!“ hatte er geschnaubt.
„Paladine sind Krieger des Lichts, Papa!“ hatte sie ihn korrigiert.
„Paladine sind, bei Licht besehen, zu nix zu gebrauchen, meinst du wohl!“ hatte er sie korrigiert. Aber er hatte ihr noch nie einen Wunsch abschlagen können und nur so konnte man es sich erklären, dass sie, als Frau, die Berufslaufbahn des Paladins eingeschlagen hatte.
„Dann geh eben und regel anderleuts Angelegenheiten im Namen des Lichts. Und bekomm zur Belohnung immer genau DIE Dinge, die du vor 5 Jahren gebraucht hättest. Aber glaub ja nicht, ich räume meine Scheune, um darin den ganzen Mist einzustellen, den du heimbringst.“
Ein Beruf war es wohl weniger zu nennen, eher eine Bestimmung.
„Die Bestimmung immer genau zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und für Dinge auf die Nase gehauen zu bekommen, für die man am wenigsten kann!“
Nein, nicht die Meinung ihres Vaters, sondern die eines Kollegen, der nach der Hälfte seiner Berufslaufbahn in den aktiven Ruhestand gewechselt war, und jetzt das lehrte, was sie, zumindest zum Teil, noch zu lernen vorhatte. Dabei konnte sie schon eine ganze Menge. Reiten hatte sie bereits als Kind gelernt. Doch auch heute tat ihr manchen Abend noch der Hintern weh, wenn sie wieder ganze Tage auf ihrem Pferd verbracht hatte und dabei von einem Abenteuer in das nächste gestolpert war.
Wie auf Kommando stolperte jetzt auch ihr Pferd … ging noch drei Schritte und begann mit dem vierten gekonnt zu lahmen.
„Nicht das jetzt auch noch! Paladino – wir sind MITTEN in den verwüsteten Landen – um uns herum nichts als Wüste und irgendwelche Tiere, die sicher nichts dagegen hätten, uns wahlweise zum Frühstück, Mittag oder Nachtessen zu verspeisen! Du hättest dir ruhig einen besseren Zeitpunkt aussuchen können!“
Dennoch stieg sie ab, um wenigstens zu schauen, wo und ob sich ihr Pferd verletzt hatte.
„Das wäre nicht passiert, wenn wir die teuere Ausbildung gemacht hätten, statt zu versuchen, wieder alles umsonst zu bekommen!“ murmelte sie vor sich hin. Doch noch bevor sie dazu kam, sich den Huf ihres Pferdes genauer zu besehen, wurde sie angesprochen.
„Heh, Sie … edler Ritter …“
„Ich bin Paladin!“, hätte sie bald erwidert, besann sich aber dann eines Besseren und nahm einfach wortlos den Helm ab.
Ihr goldblondes Haar funkelte nur so in der Sonne und machte ihrem Gegenüber mehr als klar, dass er es durchaus nicht mit einem Ritter zu tun bekommen würde. War dieser erstaunt gewesen, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken.
„Ich muss mich korrigieren, wie ich sehe. Frauen werden in der Ritterzunft nicht zugelassen, also kann es sich bei euch, edle Dame, nur um einen Paladin handeln.“ Andeutungsweise nickte sie mit dem Kopf, was der Fremde aber völlig ignorierte und einfach weitersprach:
„Ihr kommt mir passend Mylady, ihr könnt mir helfen!“
„Ein höflicher Mensch hätte zumindest gefragt!“
Sie dachte es nur.
In Wirklichkeit war es so, dass einige kostenaufwendige Ausbildungen in der letzten Zeit ihre Barschaft ziemlich aufgefressen hatten und sie im Grunde auf jeden neuen Auftrag, egal welcher Art, angewiesen war. Freunde von ihr, vor allem die, die bereits die höheren Laufbahnen eingeschlagen hatten und sich gleich auf eine Ausbildung in den Diensten des dunklen Lords eingelassen hatten, rieten ihr schon lange, ihr Glück auf den neuen Kontinenten zu versuchen. „Dort wird unsereins wenigstens noch anständig entlohnt!“ Doch sie war nach wie vor „der alten Welt“ verhaftet und nichts zog sie in die neu entdeckten Länder jenseits der großen Meere. Ab und zu brachte einer von ihnen ihr etwas mit von dort. Dinge, von denen sie in der alten Welt nur träumen konnte. Waffen, magisch verzaubert und Rüstung von unglaublicher Haltbarkeit, wie sie selbst als Rüstungsschmiedin sie niemals würde herstellen können. Ach ja, die Schmiedekunst!
Unzählige Stunden hatte sie auf der Suche nach neuen, besseren Materialien verbracht. Unzählige Tage, auf der Suche nach neuen Ausbildungswegen, neuen Schmiederezepten. Wann immer es Derartiges zur Belohnung gab, war sie dabei. Dennoch brachte ihr ihre Schmiedekunst allenfalls Silberlinge ein – das große Gold wurde in den neuen Kontinenten verdient. Auch neue Lehren waren von dort gekommen. Und Materialien, von denen man in der alten Welt noch nie etwas gehört hatte.
Manchmal sehnte sie sich schon danach, einmal einen Blick hinüberzuwerfen. Es war nicht mal schwer. Inzwischen konnte man von jedem Hafen aus dorthin reisen. Aber immer führten ihre Abenteuer und Aufträge sie nur in der alten Welt umher. Es gab wahrlich nach wie vor genug zu tun und vieles, das sie allein gar nicht schaffen konnte. So versuchte sie, Aufträge zusammenzufassen und erst zu erledigen, wenn mehrere sie an einen Ort führten. Mitstreiter waren auch nicht mehr leicht zu finden und wenn man welche fand, musste man sich damit abfinden, dass ihnen die gleiche Beute im Auge stand, die auch man selbst zu gewinnen gedachte.
Somit hatte man nicht nur die Gegner gegen sich, sondern zum Schluss auch noch die Mitstreiter.
„Mylady? Habt ihr mir überhaupt zugehört?“ Nein, hatte sie nicht – wie auch? War doch seine Geschichte sicher eine derer, die sie schon Hunderte, nein Tausende Male zuvor gehört hatte.
„Bitte geht nach da und da und sucht den und den!" …
"Bitte holt mir dies und das, ich würde es ja selber machen, aber …"
"Bitte tut dies, bitte macht das … ich entlohne euch auch …“
Es schien auch immer alles unwahrscheinlich einfach, schnell und leicht zu gehen. Bis man dann in XY ankam, um abzuholen und … nix war …nein…das gesuchte Teil hatte sich verflüchtigt, war gestohlen worden, zerstört oder einfach verschwunden und wie einst ein Drachenjäger durfte man hinterher. Reiten – manchmal auch fliegen oder mit dem Schiff fahren. Gerne ging eine solche Jagd dann über zwei Kontinente. Meist endete sie in irgendwelchen Höhlen, die nur den Bestimmungszweck zu haben schienen, als Versteck für eben dieses Teil zu dienen. Und manchmal, aber wirklich nur manchmal, hatten sie den Nebeneffekt, dass man selbst noch etwas dabei lernen oder gewinnen konnte. Sie schüttelte den Kopf. Unwirsch reichte der Mann ihr ein abgegriffenes Buch.
„Dann nehmt das – steht alles drin – lesen wird Euereins ja wohl können?!“
Wie gegen ihren Willen griff sie das Buch und verstaute es ungelesen in ihrem Rucksack. Sie wollte gar nicht wissen, wo dieser Auftrag sie wieder hinführen würde – nicht jetzt. Jetzt brauchte sie einen Schmied oder zumindest eine Schmiede, denn ihre eigene Rüstung hatte ebenso gelitten in ihren letzten Abenteuern wie die Hufeisen ihres Pferdes.
Ihr Pferd allgemein - so musste es heißen. Eigentlich könnte sie seit Wochen und Monaten ein anderes haben. Verdient hatte sie es. Zumindest meinte dies ihr Lehrer, aber ihr fehlte eine Zutat für sein Zaumzeug. Welche wiederum nur an einem Ort zu finden war, den sie derzeit mied, wie der Teufel das Weihwasser. Und dabei wäre es doch Weihwasser, das sie holen müsste.
Stratholme - sie schauderte, wenn sie nur daran dachte. Selbst ihre Todesritterkollegen hatten hohen Respekt vor diesem Ansitz des scharlachroten Kreuzzuges, dem man einfach nicht beizukommen schien, wie sehr man es auch versuchte. Westliche und östliche Pestländer hatte die Geißel inzwischen verheert – und mitten zwischen ihren Dienern saßen die Mitglieder des scharlachroten Kreuzzuges und beteten ihre verkehrten Vaterunser. Ganz in Gedanken versunken sah sie auf – doch der alte Mann war verschwunden. Vielleicht hätte sie ihm doch zuhören sollen, vielleicht wäre ja interessant gewesen, was er zu sagen hatte. Blieb ihr nur noch das Buch, das sie achtlos in ihre Satteltasche gestopft hatte. Sie nahm es heraus und schlug es auf. Sie sollte eine Überraschung erleben. War es von außen auch zerlesen und angegriffen zu nennen, fanden sich im Inneren goldgeschriebene Buchstaben und feinstes Pergament.
„Die wahre Rüstungsschmiedekunst, Teil 1“ las sie. Ihr Interesse war geweckt. Würde dieses Buch ihr doch vielleicht den entscheidenden Hinweis geben, wie sie doch noch mit ihrem Beruf zu Geld zu kommen vermochte. Gierig las sie Seite um Seite und erlebte eine herbe Enttäuschung, denn als sie gerade vermeinte, der Lösung ihres Problems auf die Spur zu gelangen, riss das Buch einfach ab - zwei leere Seiten und dann war Schluss. Auf die letzte Seite hatte jemand hastig einige Worte geschrieben – vermutlich mit einem Stück Kohle, die Schrift war verwischt und sie hatte Mühe, sie zu entziffern.
„Sucht den zweiten Teil und bringt mir beide und ich gebe euch, was beide nicht verraten“ stand da geschrieben.
„Sucht, wo ihr ihn am wenigsten vermuten und am meisten erhoffen würdet, und findet nicht nur Kunst, sondern am Ende noch Weisheit!“ Was für ein Spaßvogel!
Wer immer das geschrieben hatte, war wahrscheinlich über den Rand seiner Schmiede niemals herausgekommen, sonst wüsste er, wie viele diesbezügliche Orte allein die beiden Kontinente der alten Welt zu bieten hatten - unzählige mehr wahrscheinlich die der neuen.
Sie seufzte und dachte an die Worte ihres Vaters …
„und zur Belohnung bekommen, was du vor 5 Jahren gebraucht hättest“.
Was sie jetzt bräuchte, wäre sein Rat gewesen, aber ihr Vater lebte nicht mehr. Wo einst sein Hof gestanden hatte, war jetzt einer der zentralen Treffpunkte des Gesindels von Elwyn. Die Diebesbanden hatten sich mittlerweile bald besser organisiert als die Königsgarde und die Defias hatten unter der Leitung von Edwin van Cleef nur an Macht und Einfluss gewonnen.
Selbst sein Tod hatte die inzwischen gut organisierte Gruppierung nicht sprengen können, nach wie vor trieben sie ihr Unwesen in den Wäldern von Elwyn und machten Händlern und Bauern das Leben zur Hölle. Jede und jeder, der sich dem Weg des Paladins verschrieb, bekam zwangsläufig mit ihnen zu tun, und nicht wenige lernten sie hassen. Heute konnte sie über sie lachen.
Und wenn es einen Weg gab, den jungen Nachfolgern ihrer Zunft die Lust an der Laufbahn des Paladins zu vermiesen, dann den Hinweis darauf, dass sie sich noch wünschen würden, es wieder mit Defias zu tun zu bekommen.
Lange, sehr lange schon hatte sie die Wälder von Elwyn nicht mehr gesehen – das letzte Mal war sie in Goldhain gewesen, als der Zirkus dort gastierte. „Dunkelmond-Jahrmarkt“ nannte es das Volk. Und keiner begriff, dass diese angebliche Belustigung nichts anderes war, als ein Haufen fahrender Händler, die einen Weg gefunden hatten, sich ihre benötigten Materialien auf einfachste Art und Weise zu beschaffen. Indem sie ehrbare Bürger und werdende Abenteuerer in den entsprechenden Gebieten dazu anspornten, ihnen diese zu besorgen. Sie hatte die Taktik bald durchschaut, musste aber eingestehen, dass die Verbindung, die die Mitglieder des Dunkelmond Jahrmarktes geschaffen hatten, gut war.
Nichts, nicht in der alten und nicht in der neuen Welt, war wirklich zu schaffen für einen Abenteuerer, wenn ihm nicht ein Ruf vorauseilte.
Und je besser dieser war, je leichter war es, an Hilfe und Rat zu kommen, an besondere Reittiere, und manchmal auch an Aufgaben, die mehr gaben als eben nur das, was man vor 5 Jahren gebraucht hätte.
In ihrer direkten Heimat war das mit dem Ruf noch kein Problem gewesen. Die Familie ihres Vaters gehörte zu den königstreuen Edelleuten des Landes. Auch mit den Zwergen und den Elfen, also den Nachbarvölkern, hatte es niemals Schwierigkeiten gegeben.
Und viele von ihnen kannten das Geschlecht, aus dem sie stammte, zumindest dem Namen nach, und waren bereit gewesen, ihr bei ihren Abenteuern und Reisen zu helfen. Weit schwieriger wurde es mit den „Gestrandeten“, den Draenai, die nach ihrem Raumschiffabsturz versuchten, neuen Boden in unbekanntem Land zu finden. Sie waren von Natur aus misstrauisch und machten es ihr nicht unbedingt leicht, aber zum guten Schluss konnte sie auch diese überzeugen.
„Wenn man jung ist, geht alles leichter“ auch so ein Spruch ihres Vaters, der ihr in letzter Zeit immer häufiger begegnete. Sie hatte gelacht darüber, aber inzwischen musste sie ihm Recht geben.
Weiter und weiter hatten ihre Reisen sie von zuhause fortgeführt. Seltener und seltener schaffte sie es, dort vorbeizuschauen.
Und eines Tages, als sie nach langen Jahren wieder heimfand, standen vom einst so stolzen Herrenhaus ihres Vaters nur noch die Grundmauern. Nun hielt sie hier gar nichts mehr. Und sie ließ sich weiter und weiter fortziehen auf ihren Abenteuern. Sie verbrachte manchmal ganze Monate auf dem Nachbarkontinent, bis sie zwangsweise wieder in die Hauptstadt ihres Königs musste, sei es, um Geschäfte zu erledigen, oder Freunde zu treffen.
Sturmwind – das hieß gutes Essen und ein weiches Bett. Sturmwind das hieß aber auch eine neue Anreise nach Kalimdor, ganze Tage verschenken, um wieder hierhin zu kommen, wo sie jetzt ja nun schon stand. Eigentlich hätte sie auch auf diesem Kontinent sicher Orte wie das Gasthaus in Sturmwind finden können, aber es fühlte sich dennoch immer anders an, es war nicht das gleiche.
Sturmwind – ja Sturmwind war das letzte Stück Heimat, das ihr geblieben war. Das musste sie sich jetzt eingestehen.
Sie seufzte und ihr Pferd Paladino schnaubte ihr zärtlich ins Gesicht, obwohl er immer noch auf drei Beinen stand und sie genau sah, dass er das vierte nicht wirklich belastete. Wenn es wenigstens einen Stall in der Nähe gab, schließlich konnte sie zur Not auf eines ihrer anderen Reittiere ausweichen, auch wenn ihr keines so am Herzen lag wie ihr erstes - Paladino eben. Er begleitete sie jetzt seit dem Tag, an dem sie das Reiten gelernt hatte – wie stolz war sie damals gewesen. Viele Abenteuerer gingen lange Jahre zu Fuß und legten ihre Strecken nur unter Zuhilfenahme von Greifen Meistern und Schiffen zurück. Über Land war man allerdings ohne Pferd aufgrund der oftmals großen Entfernungen oft verloren.
„Schön, dass Du kommst, die Schlacht ist gerade vorbei“ war ein oft gehörter Witz unter den Abenteurern der verschiedensten Klassen.
Aber die ersten Jahre der Abenteuererlaufbahn standen eben eher unter dem Zeichen des Lernens. Und erst die späteren ließen die Abenteuerer ahnen, welche Konflikte die verschiedensten Königreiche mit- und untereinander auszutragen hatten und austrugen. Nicht selten wurden sie unfreiwillig zu Diplomaten, zu Botschaftern oder sogar zu Gefolgsmännern eines Volkes – dennoch blieben sie frei, denn bedient wurde, wer bezahlte oder belohnte.
Manche ihrer Reisen hatten sie auch auf die „eigene Spur“ geführt. Man hörte immer mal hier und mal da etwas über Schätze, seltene Waffen oder dergleichen. Das eigene Interesse war schnell geweckt, und wenn es eben auf dem Weg lag, schaute sie nach. Nicht selten, um hinterher festzustellen, dass sie auch damit wieder irgendwem einen Gefallen getan hatte, den sie in den meisten Fällen noch nicht einmal kannte.
Sie riss sich aus ihren Tagträumereien. Wobei „Tag“ wieder so eine Sache war. Es hatte zu dämmern begonnen und ihr dämmerte auch, dass diese, so schon unwirtliche Gegend, nachts noch schlechter zu bereisen sein würde, als sie es bei Tag schon war.
Wenn sie auf dem Weg blieben, könnte es ihr wohl gelingen, den unfreundlichsten Begegnungen aus dem Weg zu gehen.
Trotzdem versäumte sie nicht, ihr Schwert nochmals zu schärfen, und auch ihre Siegel und Zauber zu aktivieren, bevor sie resignierend nach den Zügeln griff, um ihr Pferd zu führen. Warum musste so was immer in Gegenden geschehen, die sie kaum bis gar nicht kannte?
Sie kam nur langsam voran und war bestimmt schon eine Stunde und mehr unterwegs, als sie Lichter in der Ferne sah.
Hoffentlich war dies jetzt keine gegnerisch besetzte Stadt, sie hatte keine Lust auf Auseinandersetzungen mit der gegnerischen Fraktion der sie eh, wo sie konnte, einfach aus dem Weg ging. Manchmal ließ es sich nicht vermeiden. Sei es, weil man in von ihnen besetztem Gebiet operierte. Sei es, weil man nicht aufpasste, oder sei es, weil manche unter ihnen genau so streitlustig waren wie manche Mitglieder ihrer eigenen Fraktion, die scheinbar um des Kämpfens und Siegens willen den Weg, den sie gingen, eingeschlagen hatten. Sie brüsteten sich mit ihren Siegen und Erfolgen, mit ihren Abzeichen, Trophäen und Ehrenabzeichen verschiedenster Schlachten und verschiedenster Gebiete.
Sie selbst trug auch inzwischen einige davon, doch hatte sie den Wappenrock des Gefreiten bald schon gegen den ihrer Gilde getauscht. Zum einen, um dadurch für die weit verstreuten Mitglieder dieser erkennbar zu. sein. Zum anderen, weil sie es besser fand, als Teil einer solchen Gruppe gesehen zu werden, denn als Teil einer Streitmacht, der sie nur zugehörte, weil sie eben auf der einen Seite der Welt geboren worden war und nicht auf der anderen.
Ihr Volk gehörte nun mal zu den „Streitkräften der Allianz“ wie man sie nannte. „Die Horde“ war die andere Seite, wilde Völker und viele von ihnen mit Sicherheit kampferprobter und vor allem kriegswilliger im Kampf „Mensch gegen Mensch“, als sie selbst das war. Blutrünstig geradezu waren einige und schreckliche Geschichten rankten sich um so manches dieser Völker.
Von einem hieß es sogar, sie würden gefangene Gegner bei lebendem Leib verzehren. Barbaren sollten sie sein, die Blutelfen, Orks und Untoten, die unter anderem zu ihren Gegnern zählten.
Und doch – einige von ihnen waren durchaus zivilisiert zu nennen. Sie hatten sich, wie sie selbst, eher dem Abenteuer verschrieben als dem überall wütenden Krieg. Und trotz der durch die unterschiedlichen Allgemeinsprachen fast unmöglich gemachten Verständigung hatte sie sogar inzwischen einen kennengelernt, mit und durch den sie Handel mit Dingen betreiben konnte, an die zu kommen ihr ohne ihn nahezu unmöglich gewesen wäre.
Tief in ihre Gedanken versunken, hatte sie gar nicht bemerkt, wie nah sie der Siedlung – denn eine Stadt konnte man das, was sie vor sich sah, nicht nennen – doch schon gekommen war. Zu nah, wenn es sich um eine feindliche gehandelt hätte – eine Flucht wäre unmöglich gewesen mit ihrem lahmenden Pferd, das inzwischen echte Erschöpfung zeigte. Sie schalt sich eine Närrin.
„Du wirst alt Myla – alt und unvorsichtig!“ murmelte sie halblaut vor sich hin und erschrak, denn eine klare Stimme antwortete ihr von der Seite.
„Das vielleicht nicht, werte Freundin. Aber du bist abgekämpft und matt, nicht nur dein Pferd ist es, das Ruhe braucht, auch du solltest dir eine Pause auf deinen Reisen gönnen!“ Diese Stimme – wann hatte sie sie zum letzten Mal gehört? Konnte es wahr sein?
Sie wandte den Kopf und da stand er – hochaufgerichtet. Genauso, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Sie ließ die Zügel ihres Pferdes fahren und streckte ihm beide Hände entgegen.
„Taraniss – mein Held von Rabenflucht – seid ihr es wirklich?“ Er lachte – und sein Lachen klang wie ein Lied. Es musste eine Eigenart der Elfen sein – dieses Lachen. Es ging ihr sofort besser, sobald sie auch nur einen Vertreter dieses wunderbar fremden Volkes auf ihren Reisen traf. Sanft nahm er ihre Hände, um sie danach prüfend zu mustern.
„Gut schaut ihr aus, werte Freundin – aber viel Zeit ist vergangen, seit wir uns zum letzten Mal sahen – und sie hat ihre Spuren tief in euer schönes Gesicht gegraben!“
„Was man bei Euch nicht sagen kann!“ Und es stimmte. Die Jahre schienen an ihm vorbei geglitten zu sein – nur seine Haare waren länger geworden und seine Kleidung schien ihr um einiges edler als die Waldläuferkluft, die er, der eigentlich eher Heiler und Kräuterkundiger war, damals getragen hatte. In Dunkelhain hatte sie ihn kennengelernt. Im Kampf gegen Mor Ladim, den Schrecken von Rabenflucht hatte er ihr beigestanden und im Nachhinein die Wunden geheilt, die ihr der Gegner aufgrund ihrer Unkenntnis der Sachlage beigebracht hatte, bevor sie ihm beizukommen verstand. Eine lehrreiche Begegnung war es gewesen – und eine schöne. Sie hatte gehofft noch weitere gemeinsame Abenteuer mit ihm bestehen zu können, doch schon wenige Tage später schloss er sich einer Gruppe an, deren Abenteuer ihn in weit entfernte Lande verschlugen.
Lande, die zu bereisen sie sich nicht getraut hätte damals. So war sie allein weitergezogen.
Ab und zu begleitete sie ein anderer Paladin – Parzifal. Gegenseitig helfen konnten sie sich wohl, und sie lernte auch das eine oder andere von ihm, aber auch wenn viele Kampfgefährten in ihnen schon ein Paar sehen mochten – in diese Richtung gingen ihre Gedanken nicht. Generell dachte sie nicht daran, ihr Leben in den Dienst eines Mannes zu stellen. Zwar hatte sie die Bindung ihrer Eltern stets bewundert – sie war geprägt von gegenseitigem Respekt und Hochachtung vor dem anderen gewesen.
Ihr Vater – obgleich landläufig gesehen nur ein „Bauer“ - war kein ungebildeter Mann gewesen. Ihre Mutter, selbst im Alter immer noch eine schöne Frau, der die harte Arbeit vieler Jahre nichts hatte anhaben können, schien bei näherem Hinsehen elfisches Blut in den Adern gehabt zu haben. Zumindest kam bei Myla immer die Erinnerung an ihre Mutter hoch, wenn sie einem Elf auf ihren Reisen begegnete. So wie jetzt eben Taraniss, der sie aus ihren Gedanken riss, indem er sie am Arm griff.
„Kommt, werte Freundin. Um euer Pferd kann sich mein Begleiter kümmern und eure Rüstung … - nun man sieht, was sie einst war, aber man kann nicht mehr behaupten, dass sie das noch ist!
Und wenn ich ganz ehrlich sein soll: an Schönheit habt ihr auf euren Reisen nicht eingebüsst – wohl aber an Wohlgeruch!“
Trotz der offensichtlichen Rüge ob ihres Zustandes musste sie lachen. Dieser Mann schaffte es doch immer wieder, dass sie sich sofort besser fühlte in seiner Nähe.
Mit sanftem Druck auf ihrem Arm führte er sie in ein nahestehendes Haus eindeutig elfischer Bauart. Elfen in der Wüste? DAS würde er ihr erklären müssen, wie so vieles aber sie hoffte, diesmal ein wenig Zeit zu haben für ein paar Worte mehr. Jetzt schritten sie zusammen den langen, gewendelten Aufweg zu den oberen Stockwerken des Gebäudes hinauf.
„Ihr Elfen denkt einfach nie daran, dass ich Höhenangst habe!“ Sie lächelte ihren Begleiter an und beide dachten an das Gleiche. Ganz zu Anfang ihrer Reisen war sie – noch ganz Sturm und Drang - eines Tages vom Geländer eines solch elfischen Gebäudes gesprungen. Ihre weiteren Reisen mussten um Wochen aufgeschoben werden, so schwer waren die dabei zugezogenen Verletzungen gewesen. Seither waren ihr Elfenhäuser immer suspekt geblieben.
„Nun, als ich es baute, dachte ich im Traum nicht daran, dass ihr einmal den Weg hierher finden würdet!“ gab er zur Antwort.
„Dies ist EUER Haus?“
„Nun, dies sagte ich bereits!“ lachte er und wieder freute sie sich über den hellen Klang seines Lachens.
„Aber … wir sind mitten in der Wüste?!“ gab sie zur Antwort.
„Wenn ich in der Schule nicht komplett geschlafen habe, lebt euer Volk in Wäldern, nicht in der Wüste!“
„Und was einmal Wald war, kann durchaus Wüste werden!“ gab er ernster zurück, als er es eigentlich gewollt hatte.
„Ich habe viele Heimatstätten meines Volkes sterben sehen im Laufe der Jahre – die Horde mordete und brandschatzte unter ihnen, dass es eine wahre Pracht war. Aber nein, dies hier hat andere Gründe als die, die ihr vielleicht vermuten würdet!“
„Und welche, wenn es mir erlaubt ist zu fragen?“ Neugierig sah sie ihn an. Es mussten schwerwiegende Gründe sein, wenn er, der sein Volk ebenso liebte wie die Natur, sich entschied, sein Haus an einer der wahrscheinlich baumlosesten Gegenden Azeroths zu errichten.
Allein die Beschaffung der dazu benötigten Baumaterialien musste überaus aufwendig gewesen sein. Lange sah er sie an.
„Nun – es ist im Grunde ganz einfach. Was wird an Kriegsschauplätzen wie unseren dringender gebraucht als Häuser der Heilung und die Heiler, die in ihren ihre Arbeit verrichten? Ich habe dem Kampf nahezu gänzlich den Rücken gekehrt und suchte einen Ort, indem ich meine Studien um Kräuter und Verbände ungestört würde wieder aufnehmen können. Aber auch einen Ort, von dem aus ich die noch von meinem Volk bewohnten Gegenden einfach würde, erreichen können, wenn ich etwas von ihnen benötige.“
„Und ein solcher Ort ist HIER?“
„Genau hier, um genau zu sein“ gab er zurück.
„Wäre es etwas heller, würdet ihr die Stadt im Osten erkennen können – sie bietet mir alles, was ich benötige, auch den Greifen Meister, um in weiter entfernte Gebiete meines Volkes kommen zu können, wenn ich dieses benötige.“
„Aber euer Haus steht doch nicht allein oder täuschen mich meine müden Augen jetzt?“
„Nein, sie täuschen euch nicht! Es hat sich schneller herumgesprochen, dass in der Nähe ein Heiler sein Lager aufgeschlagen hat. Viele kamen – und einige blieben. Inzwischen kann man das, was aus einstmals einem Zeltlager geworden ist, wohl einen Ort der Heilung und Erholung nennen, denn beidem haben wir uns verschrieben. Aber nun genug an Informationen. Morgen ist auch noch ein Tag und ihr glaubt wohl kaum,
dass ich euch wieder fortlassen werde, solange ich der Meinung bin, dass ihr der Erholung bedürft. Was bedeutet, wir werden noch genug Zeit zum Reden finden. Was ein Bett und eine Waschgelegenheit sind werdet ihr hoffentlich noch wissen – ich lasse euch nun allein und wünsche euch den Frieden der Nacht. Um euere Rüstung kümmere ich mich morgen!“ …
Er ergriff ihre Hand, hauchte einen Kuss auf den Handrücken und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Erst jetzt kam sie dazu, sich umzuschauen. Drei ineinanderlaufende Räume waren es, welche die Etage einnahmen, auf die er sie geführt hatte. Dies hier schien der Hauptwohnraum zu sein, bequeme Möbel und erlesene Einrichtungsgegenstände zierten ihn. Und Bücher, überall an den Wänden verteilt. Sie durchschritt einen schmalen Durchgang und stand in einem weiteren Raum, der fast nur aus einem überdimensionalen Badezuber zu bestehen schien. Ganz elfischer Bauart glich dieser eher einem Brunnen, denn einem Zuber, aber als sie mit der Hand in das Wasser griff, hatte dieses genau die Temperatur, welche sich ihre müden Knochen für ein entspannendes Bad wünschten. Sie ließ sich nicht lange bitten, legte Rüstung und Unterkleidung ab und kletterte hinein. Sie hatte fast vergessen, wie gut es tat, wenn warmes Wasser den gesamten, mürb gerittenen Körper umspülte und schloss die Augen. Sie musste wohl eingeschlafen sein, denn als sie sie wieder öffnete, lagen an der Stelle, an der sie ihre Rüstung abgelegt hatte, statt dieser weiche Tücher und ein eindeutig elfischer Machart gefertigtes Kleid.