Mystische Liebesgeschichten: Das Lied der triumphierenden Liebe + Klara Militsch - Iwan Sergejewitsch Turgenew - E-Book

Mystische Liebesgeschichten: Das Lied der triumphierenden Liebe + Klara Militsch E-Book

Iwan Sergejewitsch Turgenew

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Beschreibung

Dieses eBook: "Mystische Liebesgeschichten: Das Lied der triumphierenden Liebe + Klara Militsch" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Iwan Sergejewitsch Turgenew (1818-1883) war ein russischer Schriftsteller. Er war einer der Ersten in der russischen Literatur, der die alltäglichen Nöte und Ängste der russischen Gesellschaft thematisierten. Aus dem Buch: "Es fällt mir schwer zu sagen, was ich hörte. Anfangs war es ein undeutliches, kaum wahrnehmbares, doch unaufhörlich sich wiederholendes Trompetengeschmetter und Händeklatschen. Es war, als ob irgendwo in weiter Ferne, in einem Abgrund eine zahllose Menschenmenge wogte-sie war in Aufruhr, sie wuchs an, und ihre Rufe klangen kaum hörbar, wie im Traume, wie aus tiefem, bedrückendem, tausendjährigem Schlafe. Die Luft über der Ruine begann sich zu regen und dunkler zu werden … Ich glaubte Schatten zu sehen, Myriaden Schatten, Millionen Umrisse, hier abgerundet wie Helme, dort zugespitzt wie Speere; auf allen diesen Helmen und Speeren sprühten im Mondlichte blaue Funken,- und die ganze Armee, die ganze Masse rückte immer näher und näher heran, immer anwachsend und wie ein Meer tobend …"

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Iwan Sergejewitsch Turgenew

Mystische Liebesgeschichten: Das Lied der triumphierenden Liebe + Klara Militsch

Zwei Novellen des Autors von "Väter und Söhne", "Die lebendige Reliquie" und "Faust"

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-2554-8

Inhaltsverzeichnis

Das Lied der triumphierenden Liebe
Klara Militsch

Das Lied der triumphierenden Liebe

Inhaltsverzeichnis

I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.

I.

Inhaltsverzeichnis

Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts lebten in Ferrara – (das damals unter dem Szepter seiner prachtliebenden Herzöge, der Beschützer der Künste und der Poesie, in hoher Blüte stand) – zwei junge Männer, mit Namen Fabius und Mutius. Gleich an Alter, nahe miteinander verwandt, waren sie fast immer unzertrennlich; eine innige Freundschaft verband sie seit frühester Jugend … Dieses Band war auch durch die Ähnlichkeit ihrer Lebensschicksale gefestigt. Beide gehörten alten Geschlechtern an; beide waren reich, unabhängig und ohne Familie; auch hatten sie gleichen Geschmack und verwandte Neigungen. Mutius beschäftigte sich mit Musik, und Fabius mit Malerei. Ganz Ferrara war stolz auf sie, als auf den schönsten Schmuck des Hofes, der Gesellschaft und der Stadt. In ihrem Äußeren waren sie aber unähnlich, obwohl sie sich beide durch schlanke, jugendliche Schönheit auszeichneten: Fabius war etwas größer von Gestalt und hatte ein zartes, weißes Gesicht, blonde Haare und blaue Augen; Mutius dagegen hatte ein braunes Gesicht, schwarze Haare, und in seinen dunkelbraunen Augen lag nicht jener heitere Glanz, und auf seinen Lippen nicht jenes freundliche Lächeln wie bei Fabius; seine dichten Brauen hingen beinahe auf die schmalen Lider herab, während Fabius’ goldblonde Brauen in feinen Halbkreisen auf der reinen, glatten Stirne lagen. Auch war Mutius im Gespräch weniger lebhaft; trotz alledem hatten beide Freunde bei Damen den gleichen Erfolg, denn nicht umsonst waren sie Muster ritterlicher Dienstfertigkeit und Freigebigkeit.

Um die gleiche Zeit lebte zu Ferrara eine Edeljungfrau, mit Namen Valeria. Sie galt als eine der ersten Schönheiten der Stadt, obgleich man sie nur selten zu Gesicht bekam: sie lebte sehr zurückgezogen und verließ das Haus nur um in die Kirche, und höchstens noch an großen Feiertagen auf die Promenade zu gehen. Sie lebte mit ihrer Mutter, einer adeligen, doch wenig bemittelten Witwe, deren einziges Kind sie war. Valeria flößte einem jedem, der ihr begegnete, das Gefühl unwillkürlicher Bewunderung und einer ebenso unwillkürlichen, zarten Achtung ein: so bescheiden gab sie sich, sowenig schien sie sich selbst der Macht ihrer Reize bewußt zu sein. Manche fanden sie freilich etwas blaß; der Blick ihrer Augen, die sie fast immer gesenkt hielt, drückte eine gewisse Schüchternheit und sogar Furchtsamkeit aus; ihre Lippen lächelten selten und dann auch nur kaum wahrnehmbar; ihre Stimme hatte selten jemand gehört. Aber es ging das Gerücht, daß diese Stimme sehr schön sei, und daß sie manchmal in ihrer verschlossenen Kammer, früh morgens, wo noch die ganze Stadt schlief, alte Lieder sänge und sich selbst auf der Laute begleite. Trotz ihres blassen Aussehens erfreute sich Valeria einer blühenden Gesundheit, und selbst alte Leute, welche sie sahen, sagten sich unwillkürlich: »O wie glücklich wird der Jüngling sein, für den sich diese unberührte, jungfräuliche Knospe dereinst zur Blüte entfalten wird!«

II.

Inhaltsverzeichnis

Fabius und Mutius erblickten Valeria zum ersten Male bei einem prächtigen Volksfeste, das auf Befehl des Herzogs Ercole von Ferrara, eines Sohnes der berühmten Lucretia Borgia, zu Ehren der Würdenträger gegeben wurde, die aus Paris auf Einladung der Herzogin, einer Tochter des Königs Ludwig XII. von Frankreich, eingetroffen waren. Valeria saß neben ihrer Mutter in der Mitte einer schönen Tribüne, die nach dem Entwurf Palladios auf dem Hauptplatze von Ferrara für die vornehmsten Damen der Stadt errichtet war. Beide Jünglinge, Fabius und Mutius, verliebten sich am gleichen Tage leidenschaftlich in das Mädchen; und da sie vor einander nichts zu verheimlichen pflegten, erfuhr ein jeder von ihnen sehr bald, was das Herz des andern erfüllte. Sie einigten sich, daß ein jeder von ihnen versuchen werde, sich Valeria zu nähern, und wenn sie einem von ihnen den Vorzug geben sollte, werde sich der andere widerspruchslos ihrer Entscheidung unterwerfen müssen. Nach einigen Wochen gelang es den beiden, dank dem guten Rufe, den sie mit Recht genossen, Einlaß in das sonst schwer zugängliche Haus der Witwe zu erlangen; sie erlaubte ihnen, sie zu besuchen. Nun hatten sie fast täglich Gelegenheit, Valeria zu sehen und mit ihr zu sprechen; und mit jedem Tage loderte das in den Herzen der beiden Jünglinge entzündete Feuer heftiger empor; Valeria schien indessen keinem von ihnen den Vorzug zu geben, obgleich sie an diesen Besuchen offenbar Gefallen hatte. Mit Mutius trieb sie Musik, unterhielt sich aber lieber mit Fabius, in dessen Gesellschaft sie viel unbefangener war. Endlich sandten die Jünglinge, um sich Gewißheit über ihr Los zu verschaffen, Valeria einen Brief mit der Bitte, sie möchte sich ihnen selbst erklären und sagen, wem sie ihre Hand geben wolle. Valeria zeigte diesen Brief der Mutter und erklärte ihr, daß sie bereit sei, Jungfrau zu bleiben; wenn aber die Mutter meine, daß es für sie Zeit sei, in die Ehe zu treten, so wolle sie den heiraten, den ihr die Mutter bestimmen würde. Die ehrsame Witwe vergoß einige Tränen bei dem Gedanken an die Trennung von dem geliebten Kinde; sie hatte jedoch keinen Grund, die Freier abzuweisen: einen jeden von ihnen hielt sie für gleich wert, die Hand ihrer Tochter zu erlangen. Doch da sie in der Tiefe ihrer Seele Fabius vorzog und ahnte, daß er auch Valeria mehr zusagte, wies sie auf ihn. Fabius erfuhr schon am nächsten Tage von seinem Glück; und Mutius blieb nichts anderes übrig, als sein Wort zu halten und sich zu fügen.

Das tat er auch; aber Zeuge des Triumphes seines Freundes und Rivalen zu sein, – ging über seine Kraft. Er verkaufte sofort den größeren Teil seines Besitzes und begab sich mit den paar tausend Dukaten, die er dafür bekam, auf eine weite Reise nach dem Morgenlande. Beim Abschied versprach er Fabius, nicht eher zurückzukommen, als bis er fühlen werde, daß die letzten Spuren der Leidenschaft in ihm erloschen wären. Es fiel Fabius schwer, sich von dem Freunde seiner Kindheit und seiner Jugend zu trennen … doch die freudige Erwartung einer nahen Seligkeit ließ alle anderen Gefühle verstummen, und er überließ sich ganz den Wonnen seiner vom Erfolg gekrönten Liebe.

Bald darauf ging er die Ehe mit Valeria ein und erst da erkannte er den ganzen Wert des Schatzes, den er gewonnen hatte. Er besaß eine schöne Villa, in einem schattigen Garten gelegen, in nicht allzugroßer Entfernung von Ferrara; in diese Villa zog er mit seiner Gattin und ihrer Mutter. Eine selige Zeit brach für die beiden an. Valeria zeigte in der Ehe alle ihre Vorzüge und Reize in einem neuen, bezaubernden Lichte; Fabius entwickelte sich aber zu einem bedeutenden Maler: er war nicht mehr einfacher Dilettant, sondern ein Meister. Die Mutter Valerias weidete sich am Glück des jungen Paares und dankte Gott. Vier Jahre zogen dahin so schnell und unbemerkt wie ein seliger Traum. Nur eins fehlte den jungen Gatten, sie hatten nur den einen Kummer: der Himmel gab ihnen keine Kinder… aber die Hoffnung verließ sie nicht. Am Ende des vierten Jahres erfuhren sie ein großes, diesmal wirkliches Unglück: nach kurzer Krankheit starb die Mutter Valerias.

Valeria vergoß viele Tränen und konnte sich lange nicht in den Verlust finden. Aber es verging noch ein Jahr, das Leben trat wieder in seine Rechte, und alles kam in das frühere Geleise. Und da, an einem schönen Sommerabend, kehrte nach Ferrara, ohne jemand benachrichtigt zu haben, Mutius zurück.

III.

Inhaltsverzeichnis

In den ganzen fünf Jahren, die er abwesend war, hatte niemand etwas von ihm gehört; alle Gerüchte über ihn waren verstummt, als ob er ganz vom Erdboden verschwunden wäre. Als Fabius seinem Freund in einer der Straßen von Ferrara begegnete, schrie er beinahe laut auf, – zuerst vor Erstaunen und dann vor Freude. Er lud ihn sogleich nach seiner Villa ein. In seinem Garten hatte er einen abgesonderten, geräumigen Pavillon, und er schlug dem Freunde vor, in diesen Pavillon zu ziehen. Mutius ging gern darauf ein und siedelte noch am gleichen Tage in Begleitung seines stummen, malaiischen Dieners dahin über. Der Malaie war stumm doch nicht taub und sogar, nach der Lebendigkeit seines Blickes zu schließen, sehr aufgeweckt und verständig … Man hatte ihm einst die Zunge herausgeschnitten. Mutius brachte zahlreiche Koffer mit, angefüllt mit den verschiedenartigsten Kostbarkeiten, die er auf seinen langen Reisen gesammelt hatte. Auch Valeria freute sich über die Rückkehr des Mutius; er begrüßte sie freundschaftlich heiter, doch ruhig, und man konnte nach seinem ganzen Gebaren schließen, daß er seinem Freund Fabius das Wort gehalten hatte. Im Laufe des ersten Tages richtete er sich in seinem Pavillon ein und packte mit Hilfe des Malaien die mitgebrachten Schätze aus: Teppiche, seidene Stoffe, Gewänder aus Samt und Brokat, Waffen, Schalen, Schüsseln und Becher, verziert mit Email, Gegenstände aus Gold und Silber, geschmückt mit Perlen und Türkisen, geschnitzte Kästchen aus Bernstein und Elfenbein, geschliffene Flaschen, Gewürze und Räucherwerk, Tierfelle, Federn unbekannter Vögel und eine Menge anderer Sachen, deren Gebrauch sogar geheimnisvoll und unbegreiflich erschien. Unter allen diesen Kostbarkeiten war auch ein reiches Perlenhalsband, das Mutius vom persischen Schah für einen gewissen großen und geheimen Dienst erhalten hatte; er bat Valeria um Erlaubnis, ihr dieses Perlenhalsband eigenhändig um den Hals legen zu dürfen: es erschien ihr ungewöhnlich schwer und mit einer seltsamen Wärme behaftet… es schmiegte sich auch sofort fest an ihre Haut. Am Abend nach der Mahlzeit saßen sie alle auf der Terrasse der Villa im Schatten der Oleander und Lorbeeren, und Mutius begann seine Erlebnisse zu schildern. Er erzählte von den fernen Ländern, die er besucht, von Bergen, die über die Wolken hinaufragen, von Flüssen, groß und mächtig wie Meere; er sprach von riesenhaften Gebäuden und Tempeln, von tausendjährigen Bäumen, von in allen Farben des Regenbogens schillernden Blumen und Vögeln, er nannte die Namen der Städte und Völker, die er besucht hatte … schon diese Namen klangen wie Märchen. Mutius kannte den ganzen Orient: er hatte Persien durchreist und Arabien, wo die Pferde schöner und edler sind als alle anderen Geschöpfe; war in die Tiefe Indiens eingedrungen, wo die Menschen herrlichen Gewächsen gleichen; hatte die Grenzen Chinas und Tibets erreicht, wo ein Gott, namens Dalai-Lama in Gestalt eines schweigsamen Mannes mit Schlitzaugen leibhaftig auf Erden wohnt. Wunderbar waren seine Erzählungen! Fabius und Valeria hörten ihm wie bezaubert zu. Mutius hatte sich äußerlich wenig verändert: sein von Kindheit an braunes Gesicht war nur noch etwas dunkler geworden, versengt von den Strahlen einer heißeren Sonne, und die Augen schienen etwas tiefer als früher; das war auch alles. Sein Gesichtsausdruck war aber ein anderer geworden: er schien in sich gekehrt, ernst, und belebte sich auch dann nicht, wenn er von den Gefahren sprach, die er bestanden, nachts in Wäldern, wo Tiger heulten, oder am Tage, auf einsamen Wegen, wo Fanatiker auf die Reisenden lauerten, um sie zu Ehren einer eisernen Göttin, die nach Menschenopfern verlangt, zu erdrosseln. Auch die Stimme Mutius’ war dumpfer und eintöniger geworden; die Bewegungen seiner Arme und des ganzen Körpers hatten jene Freiheit und Ungezwungenheit verloren, die sonst den Italienern eigen ist. Mit Hilfe seines Dieners, des unterwürfigen und flinken Malaien, zeigte er seinen Freunden einige Kunststücke, die er von den indischen Brahminen gelernt hatte. So versteckte er sich z. B. hinter einem Vorhange und erschien plötzlich mit untergeschlagenen Beinen frei in der Luft schwebend, wobei er sich nur leicht mit den Fingerspitzen auf ein senkrecht aufgestelltes Bambusrohr stützte, was Fabius in großes Erstaunen setzte und Valeria sogar erschreckte… – »Ist er wohl gar mit bösen Mächten im Bunde?« dachte sie. – Als er aber mit den Tönen einer kleinen Flöte aus einem geschlossenen Korbe zahme Schlangen hervorzulocken begann und als die Schlangen, ihre Stacheln bewegend, die dunklen, platten Köpfe unter der bunten Decke hervorsteckten, geriet Valeria in Entsetzen und bat Mutius, diese ekelhaften Geschöpfe so schnell wie möglich zu verstecken. Beim Nachtmahl traktierte Mutius seine Freunde mit Schiras-Wein aus einer langhalsigen bauchigen Flasche; der ungewöhnlich aromatische und dicke Wein war von goldener Farbe und schillerte grünlich und geheimnisvoll in den kleinen Schalen aus Jaspis, in die er ihn einschenkte. Sein Geschmack war von dem der europäischen Weine verschieden: er war sehr süß und würzig, und wirkte, wenn man ihn langsam in kleinen Zügen trank, angenehm einschläfernd auf alle Glieder. Mutius nötigte Fabius und Valeria davon zu trinken und trank auch selbst. Er beugte sich über Valerias Schale und flüsterte etwas, wobei er die Finger eigentümlich bewegte. Valeria bemerkte es; da ihr aber die Manieren Mutius’ und sein ganzes Auftreten auch ohnehin fremd und sonderbar vorkamen, dachte sie nur: »Hat er vielleicht in Indien irgend einen fremden Glauben angenommen? Oder herrschen dort solche Gebräuche?« – Nach kurzem Schweigen fragte sie ihn, ob er auch während seiner Reise Musik getrieben habe. Als Antwort ließ er sich von seinem Malaien seine indische Geige bringen. Sie glich den hiesigen, nur hatte sie statt der vier Saiten drei; sie war mit bläulicher Schlangenhaut überzogen, und der dünne Bogen aus Rohr war zu einem Halbkreis geschwungen und trug an seinem Ende einen spitzgeschliffenen funkelnden Diamanten.

Mutius spielte zunächst einige traurige, wie er behauptete, volkstümliche Lieder, die für ein italienisches Ohr seltsam und sogar wild klangen; die metallenen Saiten tönten klagend und schwach. Als aber Mutius ein neues Lied anstimmte, wurde der Ton plötzlich stark und klangvoll; der Bogen, den er sehr breit führte, zauberte eine leidenschaftliche Melodie hervor, sie glitt anmutig dahin, wie jene Schlange, deren Haut die Geige bedeckte; und die Melodie leuchtete und glühte in solchem Feuer, in solchem triumphierenden Jubel, daß es Fabius und Valeria ganz unheimlich zumute wurde, und ihnen Tränen in die Augen traten … während Mutius, mit gebeugtem, an die Geige gedrücktem Kopf, mit blassen Wangen und zu einem Strich zusammengezogenen Brauen noch ernster, noch mehr in sich gekehrt erschien, und der Diamant an der Spitze des Bogens im Hin-und Hergehen blendende Funken um sich warf, gleichsam vom Feuer des wunderbaren Liedes entzündet. Als Mutius geendet hatte, hielt er die Geige noch immer zwischen Kinn und Schultern gedrückt, ließ aber die Hand mit dem Bogen sinken. - »Was ist das? Was hast du uns gespielt?« rief Fabius. – Valeria sprach kein Wort, schien aber mit ihrem ganzen Wesen die Frage ihres Mannes zu wiederholen. Mutius legte die Geige auf den Tisch, schüttelte leicht das Haar und sagte höflich lächelnd: »Das? Diese Weise … dieses Lied hörte ich einmal auf der Insel Ceylon. Es heißt dort im Volke das Lied der glücklichen, befriedigten Liebe.« – »Spiele es noch einmal,« flüsterte Fabius. – »Nein; ich darf es nicht wiederholen,« entgegnete Mutius. »Auch ist es zu spät. Signora Valeria bedarf der Ruhe und auch ich muß gehen … ich bin so müde.« Im Laufe dieses ganzen Tages hatte sich Mutius im Verkehr mit Valeria höflich und einfach, wie ein alter Freund benommen; beim Abschied drückte er ihr aber auffallend fest die Hand, wobei er seine Finger auf ihre Handfläche preßte, und blickte ihr so unverwandt ins Gesicht, daß sie, obwohl sie die Augenlider gesenkt hatte, diesen Blick auf ihren plötzlich erglühenden Wangen spürte. Sie sagte nichts zu Mutius, riß aber ihre Hand aus der seinigen los, und als er gegangen war, warf sie noch einen Blick auf die Türe, durch die er sich entfernt hatte. Es fiel ihr ein, daß sie auch in den früheren Jahren vor ihm eine gewisse Furcht gehabt hatte … nun war sie ganz verwirrt. Mutius begab sich nach seinem Pavillon, und die Gatten zogen sich in ihr Schlafgemach zurück.

IV.

Inhaltsverzeichnis

Valeria konnte lange nicht einschlafen; ihr Blut wogte langsam und matt, und in ihrem Kopfe sang es ganz leise … Es kam vom seltsamen Wein, meinte sie, vielleicht auch von den Erzählungen des Mutius, oder von seinem Geigenspiel … Erst beim Morgengrauen schlief sie ein und hatte einen wunderbaren Traum.

Es war ihr, als träte sie in ein geräumiges Zimmer mit niedriger gewölbter Decke … Ein solches Zimmer hatte sie noch nie im Leben gesehen. Alle Wände waren mit kleinen blauen, mit goldenem Blumenmuster verzierten Kacheln bekleidet; schlanke Säulen von geschnitztem Alabaster stützten die Marmordecke; die Decke und die Säulen waren wie durchsichtig … bleiches rosiges Licht drang von allen Seiten in den Raum und übergoß geheimnisvoll und gleichmäßig alle Gegenstände; in der Mitte des spiegelglatten Fußbodens lagen auf einem schmalen Teppich Kissen aus Brokat. In den Ecken rauchten kaum wahrnehmbar große Räucherbecken in Form von Märchenungeheuern; es gab hier keine Fenster; in einer Wandnische dunkelte stumm eine mit einem Samtvorhang verhängte Tür. Und plötzlich gleitet dieser Vorhang langsam zur Seite … und an der Schwelle erscheint Mutius. Er verbeugt sich vor ihr, öffnet die Arme, lacht … Seine harten Arme umschlingen roh Valerias Oberkörper, seine trockenen Lippen versengen sie am ganzen Leibe … Sie sinkt zurück auf die Polster …