Mythor 10: Insel des Schreckens - Hans W. Wiener - E-Book

Mythor 10: Insel des Schreckens E-Book

Hans W. Wiener

0,0

Beschreibung

Die Mächte der Finsternis, die einstmals die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch. Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner. Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das im Auftrag der dunklen Mächte einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht. Mit den Caer hat Mythor, Sohn des Kometen und Streiter für die Sache der Lichtwelt, es nun bereits zweimal zu tun bekommen. Vor Elvinon geriet er kurzfristig in ihre Gefangenschaft, und aus der Stadt Nyrngor mussten er und seine Kampfgefährten fliehen, nachdem sie in todesmutigem Einsatz den Fall der Stadt solange wie möglich hinausgezögert hatten. Gegenwärtig ist Mythor per Schiff unterwegs zu Althars Wolkenhort, wo er ein weiteres Gerät für seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels zu finden hofft. Doch Mythor und seine Gefährten kommen vom Kurs ab - und sie landen auf der INSEL DES SCHRECKENS ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 130

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 10

Insel des Schreckens

von Hans W. Wiener

Die Mächte der Finsternis, die einstmals die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch.

Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das im Auftrag der dunklen Mächte einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht.

Mit den Caer hat Mythor, Sohn des Kometen und Streiter für die Sache der Lichtwelt, es nun bereits zweimal zu tun bekommen. Vor Elvinon geriet er kurzfristig in ihre Gefangenschaft, und aus der Stadt Nyrngor mussten er und seine Kampfgefährten fliehen, nachdem sie in todesmutigem Einsatz den Fall der Stadt solange wie möglich hinausgezögert hatten.

Gegenwärtig ist Mythor per Schiff unterwegs zu Althars Wolkenhort, wo er ein weiteres Gerät für seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels zu finden hofft. Doch Mythor und seine Gefährten kommen vom Kurs ab – und sie landen auf der INSEL DES SCHRECKENS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Kämpfer der Lichtwelt auf dem Weg nach Lockwergen.

Sadagar, Nottr und Kalathee – Mythors Gefährten in Nöten.

Ysider

1.

»Was hältst du davon?«, fragte Nottr, der Lorvaner. Er stand am Ruder der Kurnis und hielt den hölzernen Griff eisern umklammert.

Mythor runzelte sorgenvoll die Stirn.

»Es sieht nicht gut aus«, erwiderte er. »Dieses Licht, diese seltsamen Farben!« Er lehnte an der hinteren Reling des Schiffes und beobachtete den südlichen Horizont. Er stand breitbeinig und glich so das sanfte Schwanken der Kurnis aus.

Ein leichter Wind blies aus dem Osten, sang in den Tauen und Verspannungen des Mastes und blähte das rechteckige Segel. Das Meer der Spinnen war ruhig. Flache Wellen spielten um den Bug des Schiffes. Über allem spannte sich ein tiefblauer, klarer Himmel.

Und dennoch lag etwas Unheimliches in der Luft. Weit im Süden, dort, wo der Himmel das Wasser des Meeres berührte, braute sich etwas zusammen.

Ein dunkelroter Regenbogen spannte sich wie ein gewaltiges Tor über dem Meer. In seinem Mittelpunkt bildete sich eine violette Wolke, schwoll an und wurde zusehends größer.

Das Wasser des Meeres verfärbte sich. Es nahm eine tiefrote Tönung an. Die leichten Wellen beruhigten sich. Das Meer wurde glatt und träge. Es glänzte ölig.

›Die Farbe des Blutes‹, dachte Mythor.

»Einen so plötzlichen Wetterumschwung habe ich noch nie erlebt«, murmelte Nottr. Er dämpfte seine kräftige Stimme. So, als ob er vermeiden wollte, dass ihn irgendwelche fremden Mächte hören könnten.

»Wetterumschwung?«, wiederholte Mythor zweifelnd, aber ebenso leise wie Nottr.

Nottr starrte auf den gewaltigen Regenbogen, die wachsende Wolke und das blutrote Meer.

»Glaubst du ...«, stammelte er. »Glaubst du nicht an einen Wetter ...?«

Mythor zuckte mit den Schultern. Seine Hände legten sich auf die Brüstung der Reling, seine Finger umklammerten das rissige Holz.

Ein Schwarm Seevögel näherte sich der Kurnis von Osten. Schreiend umkreisten die Tiere das Schiff. Auf ihrem glänzenden, hellen Gefieder spiegelte sich der Himmel wider und färbte sie ebenso rot wie das Meer.

»Wie die Vögel, die nach einem Kampf über die getöteten Krieger herfallen«, flüsterte Nottr, und ein Schauder lief über den kräftigen, muskulösen Körper des Lorvaners.

Die Vögel ließen sich auf der Reling, auf den Tauen und Verspannungen und auf dem Mast der Kurnis nieder. Ihre Schnäbel waren geöffnet, von Zeit zu Zeit entrang sich ihnen ein heiserer Schrei.

Mythor streckte seinen Arm aus und griff nach einem der Vögel. Die sonst so scheuen Tiere ließen sich berühren, ohne davonzufliegen. Es sah so aus, als ob sie wüssten, dass die Gefahr, die möglicherweise von der Hand eines Menschen ausging, nichts war im Vergleich zu der Bedrohung, die von dem dunkelroten Regenbogen und der violetten Wolke ausging.

»Sie suchen Schutz auf dem Schiff«, murmelte Nottr verwundert. »Aber Schutz wovor?«, fügte er leise hinzu. »Und kann die Kurnis ihnen Schutz bieten?«

Es waren Fragen, auf die es keine Antwort gab. Noch nicht.

Die Einstiegsluke im vorderen Teil des Schiffes wurde aufgestoßen, und der Steinmann kletterte auf das Deck der Kurnis.

»Wie sieht's aus?«, fragte er die beiden anderen Männer.

Mythor und Nottr drehten sich nach ihm um, aber sie sagten nichts.

»Beim Kleinen Nadomir«, flüsterte Sadagar mit einem Mal heiser. Erst jetzt schien er die Verfärbung des Himmels und des Meeres zu bemerken.

»Was nutzt uns jetzt dein Nadomir?«, fuhr ihn Nottr gereizt an. »Kann er uns verraten, was sich hier zusammenbraut?«

Sadagar achtete nicht auf die ärgerlichen Worte des Lorvaners. Er lief an die Reling und starrte auf den Regenbogen. Er presste seine ohnehin schon schmalen Lippen so fest aufeinander, dass sein Mund nur noch einem dünnen Strich glich. Dabei faltete er die Hände und verkrampfte die Finger ineinander.

»Mythor, die Ratten!«, rief plötzlich eine weibliche Stimme. Sie gellte schrill über das ganze Schiff.

Mythor fuhr herum. In der Einstiegsluke, aus der der Steinmann herausgeklettert war, stand Kalathee. Sie stand auf der schmalen Treppe, die aus dem Innern des Schiffes hinausführte. Ihre rechte Hand hatte sie zur Faust geballt und die Knöchel zwischen die Zähne geschoben. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen.

Um sie herum wimmelte es von Ratten. Die fetten, hässlichen Tiere sprangen aus der Luke und liefen über das Deck der Kurnis. Der Rumpf des Schiffes spie eine ständig wachsende Zahl der quiekenden Nager aus. Sie verkrallten sich in der Kleidung der blonden Frau und kletterten an ihr hoch. Verzweifelt versuchte sie die Tiere abzuwehren. In ihrem Gesicht spiegelten sich Panik, Ekel und Entsetzen wider.

Mythor riss sein Schwert aus dem Gürtel und lief über das Deck auf die gepeinigte Frau zu. Mit Alton fuhr er über die Planken und fegte die fetten Ratten zur Seite. Quiekend stoben sie auseinander. Einige der Tiere hatten sich in den blonden langen Haaren Kalathees verkrallt. Mythor packte sie, riss sie der Frau vom Kopf und schleuderte sie über Bord. Dann umschlang er mit einem Arm die Hüfte Kalathees und hob sie aus der Einstiegsluke. Leicht zog er die schlanke, zartgliedrige Frau hoch. Sie legte ihren Arm um seinen Hals und Nacken und hielt sich ängstlich an ihm fest. Ihre Augen waren noch immer vor Entsetzen weit aufgerissen. In panischer Angst starrte sie auf die Ratten. Mythor brachte sie von der Luke fort und trug sie zum Heck des Schiffes. Bis dorthin hatten sich die Nager noch nicht vorgewagt.

Nottr ließ das Ruder der Kurnis los und empfing Kalathee. Besorgt versuchte er sie in die Arme zu nehmen.

»Bist du verletzt?«, fragte er sanft und strich ihr zerzaustes Haar glatt.

Mit einer ärgerlichen Bewegung stieß ihn die Frau zur Seite. Sie schoss einen giftigen Blick auf ihn ab und drehte ihm dann den Rücken zu. Ihre Augen suchten den Blick Mythors.

Dann senkte sie den Kopf. Eine kaum wahrnehmbare Röte stieg in ihr zartes, fast ätherisches Gesicht.

»Danke, Mythor«, flüsterte sie kaum hörbar. »Es war entsetzlich. Die Ratten tauchten plötzlich von überall her auf. Sie wimmelten in den Lagerräumen, in den Wohnräumen – überall. Ich wusste, dass es Ratten auf dem Schiff gab. Auf welchem Schiff gibt es sie nicht? Aber in dieser Zahl? Und was treibt sie am helllichten Tag auf Deck?«

»Helllichter Tag?«, fragte Nottr zweifelnd. Seiner Stimme war der Ärger über die Abfuhr deutlich anzumerken. »Ist dies noch ein ›helllichter Tag‹?«

Der Regenbogen umspannte inzwischen den gesamten Himmel. Der Himmel war dunkel, die Sonne war nicht mehr zu sehen. Dennoch herrschte ein schwaches Licht, denn alle Einzelheiten waren noch deutlich zu erkennen. Nur war nicht feststellbar, woher das Licht kam.

»Was ist das?«, fragte Mythor. »Was geht hier vor? Welche Mächte treiben hier ihr Unwesen?«

»Dieser Laut«, warf Nottr ein. »Hörst du diesen Laut?«

Ein dumpfer Ton hob an, wie von einer gewaltigen, unirdischen Pfeife erzeugt. Zuerst klang er sehr leise und wie weit entfernt, doch er schwoll an und wurde lauter und dröhnender.

Mit diesem Ton erstarben alle anderen Geräusche. Das Meer wurde spiegelglatt. Keine Welle schlug mehr gegen den Bug. Das Singen des Windes in den Seilen hörte auf. Noch stand das Segel gebläht, aber die Kurnis machte keine Fahrt mehr. Das Kreischen der Seevögel hörte auf und das Quieken der Ratten.

»Beim Kleinen Nadomir«, flüsterte Sadagar leise.

»Seht, die Ratten«, sagte Nottr und deutete nach vorn auf das Schiff.

Die Ratten hatten sich dicht auf die Planken des Decks gepresst. Auf dem Bauch rutschten sie an den Rand des Schiffes. Ängstlich drehten sie ihre Köpfe zur Seite und nach hinten, so, als ob sie eine gewaltige Macht über sich verspürten, vor der sie in Deckung gehen wollten. Dann stürzten sie sich über den Decksrand in das blutrote Meer. Zu Hunderten kletterten sie aus der Luke, aus Fässern und versteckten Winkeln. Sie krochen über die Planken und warfen sich ins Wasser.

Das Meer blieb spiegelglatt. Es warf nicht einmal Wellen, als die Tiere eintauchten. Bis auf den dumpfen Ton war kein Geräusch zu hören. Alles spielte sich unter einem magischen Zwang und in einer unirdischen Stille ab.

»Sie verlassen das Schiff«, murmelte Sadagar. »Sie spüren eine Gefahr, eine gewaltige Bedrohung. Etwas Furchtbares kommt auf uns zu.«

»Was kann so furchtbar sein, dass die Ratten der Gefahr den Tod vorziehen?«, fragte Nottr.

In der Stille, die nur von dem dumpfen Heulen durchbrochen wurde, klangen die Stimmen unwirklich. Und noch immer erhielten die Fragen keine Antwort.

Plötzlich erhoben sich die Seevögel. Sie breiteten ihre Schwingen aus und segelten in einem steilen Bogen ins Wasser. Wie die Ratten kurz vorher, zwangen auch sie ihre Köpfe unter die Wasseroberfläche. Auch sie töteten sich stumm und lautlos.

»Die Tiere geben uns ein Zeichen«, murmelte Sadagar. »Sie wissen besser als wir, was uns bevorsteht. Wir müssen ihnen folgen!«

Einige Augenblicke lang begriffen die Gefährten nicht die Worte des Steinmanns. Stumm sahen sie ihn an. Erst als Sadagar auf die Reling kletterte und mit weit aufgerissenen Augen in das blutrot verfärbte Meer der Spinnen blickte, löste sich ihre Starre.

Mythor schnellte los und stand nach zwei Sprüngen neben Sadagar an der Reling. Seine Hand schoss vor und erwischte die graue Pluderhose des Steinmanns, als der sich mit einem schrillen Schrei ins Wasser stürzen wollte. Der Stoff der Hose riss ein, als er das Gewicht Sadagars tragen musste. Mit der anderen, noch freien Hand griff Mythor nach. Es gelang ihm, den Ledergürtel, in dem Sadagar seine zwölf Wurfmesser stecken hatte, zu packen. Wie ein gefangener Fisch zappelte und strampelte der Steinmann im sicheren Griff.

»Hilf mir ihn hochzuziehen«, forderte Mythor und sah sich nach Nottr um.

Nottr folgte der Aufforderung. Er beugte sich ebenfalls über die Reling und ergriff beide Arme Sadagars. Gemeinsam zogen sie ihn zurück auf Deck.

»Eigentlich hat es dieser Kerl nicht verdient, dass ich ihm helfe«, murrte Nottr. Aber um seinen Mund spielte ein gutmütiger Zug.

»Warum tut ihr das«, schimpfte Sadagar. »Spürt ihr nicht die Gefahr? Bin ich der einzige, der die Bedrohung erkennt?«

»Wir spüren sie auch«, erwiderte der Lorvaner. »Aber wir sind keine Ratten. Wir werden kämpfen und uns wehren.«

»Kämpfen kannst du nur gegen die Gefahr, die du siehst«, widersprach Sadagar. Er atmete heftig. Seine schmale Brust hob und senkte sich schnell. Die Erregung ließ seinen Atem fliegen. Er wand sich im festen Griff des Lorvaners. Aber Nottr hielt ihn an seiner schwarzen Samtjacke fest.

Kalathee hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Jetzt trat sie auf Sadagar zu. Sie sah ihm fest in die Augen.

»Hast du noch all deine Wurfmesser?«, fragte sie.

Der Steinmann sah sie überrascht an. Seine Hand zuckte zum Gürtel und tastete über die Griffe der Waffen. Er zählte sie stumm.

»Zwölf Stück«, antwortete er schließlich und nickte.

»Gut, dann gebrauche sie, wenn es an der Zeit ist«, fuhr die Frau fort. »Was es auch immer ist, das uns bedroht, wir müssen uns aufeinander verlassen können. Möglicherweise benötigen wir jede einzelne Klinge!«

Die Stimme Kalathees klang sanft, doch bestimmt. Sie ließ keinen Widerspruch zu. Dazu tat ihre Schönheit das übrige. Sie machte auf Sadagar den erwünschten Eindruck.

Sadagar lächelte.

»Ich werde für dich kämpfen«, sagte er.

Nottr schnappte erregt nach Luft.

»Hört euch den Wicht an«, schimpfte er. Dabei schüttelte er den schmächtigen Steinmann hin und her. »Plötzlich ist er der große Held und Kämpfer!«

Nottr hörte erst auf, als ein gewaltiger Donnerschlag das ganze Schiff erzittern ließ und ein greller Blitz über den violett verfärbten Himmel zuckte.

*

Ein gelblicher Fleck bildete sich am südlichen Himmel. Er vergrößerte sich zuerst und zog sich dann auseinander wie die Lippen eines sich öffnenden Mundes. Dunkle Wolken drangen aus dem schwarzen Schlund, wurden von den Lippen ausgespien und zogen über den Himmel auf die Kurnis zu.

Ein heftiger Wind kam auf. Er zerrte an der Takelage und brachte die Leinwand des Segels zum Flattern. Die Kurnis tänzelte auf der Stelle und drehte sich.

Mit einem Satz stand Mythor am Mast und versuchte die Taue zu lösen, die das Segel aufgespannt hielten. Gleichzeitig ergriff Nottr das Ruder, um das Schiff in die Gewalt zu bekommen. Mythor zerrte an den Schlingen und Knoten. Währenddessen fetzte der Wind an der Leinwand. Sie knatterte und prasselte. Es fehlte nicht viel, und sie würde zerreißen.

Die Kurnis schlingerte und drehte sich um die eigene Achse. Nottr stemmte sich mit aller Kraft in das Ruder – vergeblich.

»Ich schaffe es nicht«, brüllte der Lorvaner. »Es lässt sich nicht mehr bewegen!«

Mit einem platzenden Geräusch riss die Leinwand des Segels auseinander. Die Fetzen peitschten über das Deck und schlugen Mythor ins Gesicht. Die Taue, die er lösen wollte, verloren plötzlich ihren Widerstand und rissen ihn am Mast hoch. Mit dem Kopf nach unten blieb er an der Spitze des Mastes hängen. Alton, das Gläserne Schwert, glitt ihm aus dem Gürtel. Es fiel, drehte sich in der Luft und blieb zitternd dicht neben dem Mast in den Planken der Kurnis stecken.

»Mythor«, schrie Kalathee. Sie löste sich von der Reling und versuchte auf den Mast zuzulaufen. Sie schaffte nur ein paar Schritte. Das Schlingern des Schiffes riss ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel seitwärts auf das Deck. Der nächste Stoß, der die Kurnis herumwirbelte, schleuderte sie gegen die Reling. Das trockene Holz ächzte unter der Belastung.

Nottr stand noch immer am Ruder und versuchte das Schiff unter Kontrolle zu bekommen. Sein Gesicht war vor Anstrengung rot unterlaufen, die Adern an seinen Schläfen traten dick hervor und pulsten. Sein langer Zopf zuckte wie eine Peitsche um seinen Körper.

»Gib es auf«, rief ihm Sadagar zu. Der Steinmann war gestürzt und klammerte sich verzweifelt an kleine Erhebungen der Planken fest. Wenn er den Halt verlor, würde ihn das Schaukeln des Schiffes über Bord schleudern. »Ohne ein Segel ist das Ruder sinnlos. Du kannst die Kurnis nicht mehr steuern.«

»Nottr!«, schrie jetzt auch Kalathee. Sie rief es ängstlich, in der Panik wirkte ihre Stimme schrill.

Der Lorvaner ließ bei ihrem Ruf das Ruder los. Er wirbelte herum und sah die Frau an den Rand des Decks geklammert. Er versuchte das Schaukeln des Schiffes auszugleichen und taumelte auf sie zu.

»Halt durch, Kalathee«, brüllte er.

»Hilf Mythor«, rief Kalathee zurück.