Mythor 9: Der Mammutfriedhof - Hans W. Wiener - E-Book

Mythor 9: Der Mammutfriedhof E-Book

Hans W. Wiener

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Beschreibung

Die Mächte der Finsternis, die einst die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch. Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner. Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das im Auftrag der dunklen Mächte einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht. Mit den Caer hat Mythor, der junge Streiter für die Sache der Lichtwelt, es nun bereits zweimal zu tun bekommen. Vor Elvinon geriet er kurzfristig in ihre Gefangenschaft, und aus der Stadt Nyrngor mussten er und seine Kampfgefährten fliehen, nachdem sie in todesmutigem Einsatz den Fall der Stadt so lange wie möglich hinausgezögert hatten. Nun ist Mythor unterwegs zu Sklutur, dem Beinernen, um Hilfe gegen die Caer zu holen. Skluturs Wohnsitz ist DER MAMMUTFRIEDHOF ...

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Nr. 9

Der Mammutfriedhof

von Hans W. Wiener

Die Mächte der Finsternis, die einst die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch.

Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das im Auftrag der dunklen Mächte einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht.

Mit den Caer hat Mythor, der junge Streiter für die Sache der Lichtwelt, es nun bereits zweimal zu tun bekommen. Vor Elvinon geriet er kurzfristig in ihre Gefangenschaft, und aus der Stadt Nyrngor mussten er und seine Kampfgefährten fliehen, nachdem sie in todesmutigem Einsatz den Fall der Stadt so lange wie möglich hinausgezögert hatten.

Nun ist Mythor unterwegs zu Sklutur, dem Beinernen, um Hilfe gegen die Caer zu holen. Skluturs Wohnsitz ist DER MAMMUTFRIEDHOF ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Schwertkrieger entscheidet einen Kampf.

Sadagar, Nottr, Elivara und Kalathee – Mythors Gefährten.

Keltur – Anführer der Sasgen.

Jenersen – Fürst von Urguth.

Sanderholm – Ein seltsamer Mann.

Sklutur – Bewohner des Mammutfriedhofs.

1.

Das Meer der Spinnen lag ruhig.

Nur langsam und zögernd dämmerte der neue Tag. Ganz allmählich erhellte sich der östliche Horizont. Die Nachtvögel beendeten ihre Kreise. Mit schweren Flügelschlägen wandten sie sich der Küste zu und suchten ihre Verstecke auf.

Noch hing dichter Herbstnebel über dem Wasser. Er verbarg das dandamarische Ufer und hüllte auch die Flotte der flachen Boote ein, die sich in schneller Fahrt der Küste näherten.

Die Flotte bestand aus dreizehn schnellen Booten. Bei allen war der Bug hochgezogen und mit einem hölzernen Drachenkopf verziert. Die Augen der Ungeheuer leuchteten im Dämmerlicht und waren starr nach vorn auf die Küste gerichtet.

Vierundzwanzig Ruderer trieben die Boote an, zwölf auf jeder Seite. Im Heck stand ein Steuermann und umklammerte das hölzerne Seitenruder. Bärtige Gestalten hockten auf den Ruderbänken. Ihre Gesichter waren von Narben entstellt. Ihre Augen funkelten kriegerisch. Rotblondes Haar umwehte in Strähnen ihre Stirn. Obwohl der Morgen noch kühl war, lief ihnen der Schweiß in Strömen über das Gesicht.

Die meisten trugen Helme aus grobem, ungegerbtem Leder. An den Seiten waren sie mit Stierhörnern versehen. Um ihre Hüften schlangen sich breite Ledergürtel und hielten die dicken Pelze zusammen, die sich die Männer um die Oberkörper geworfen hatten. In kleinen Schlingen der Gürtel steckten die Waffen, Schwerter, Dolche und Streitäxte.

Mit rhythmischen Rufen trieb der Steuermann die Ruderer an. Diese dumpfen Rufe, das leise Knirschen der Riemen in den Dollen, das schwere Atmen der Ruderer und das leise Plätschern der Bugwelle waren die einzigen Geräusche dieses frühen Morgens.

Am Bug des ersten Bootes stand ein Hüne von einem Mann. Ein schwarzer Bart umrahmte sein Gesicht. Er stand breitbeinig und fest. Die linke Hand stemmte er, zur Faust geballt, in die Hüfte, die rechte lag auf dem Griff seines Schwertes.

Seine Lippen waren fest zusammengepresst und wirkten fast blutleer. Um seinen Mund lag ein harter Zug. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Mit scharfem Blick versuchte er den Nebel zu durchdringen.

»Lange wird es nicht mehr dauern, Keltur«, rief ihm der Steuermann vom hinteren Teil des Bootes zu. »Der Nebel verschwindet, sobald die Sonne aufgeht. Dann liegt Urguth schlafend vor uns; bereit, von uns genommen zu werden!«

Der Angesprochene wandte leicht den Kopf.

»Ich will die Stadt noch vor Sonnenaufgang erreichen«, erwiderte er. Seine Stimme klang hart und rau. »Mein Arm sehnt sich nach neuer Betätigung, mein Schwert will neuen Kampf!«

»Nicht nur das deine«, ergänzte einer der Ruderer.

Zustimmendes Gelächter folgte den Worten. Die anderen Ruderer nickten.

»Wir alle wollen neuen Kampf«, sagten sie.

»Ihr werdet ihn bekommen«, versprach Keltur. Sein Blick war wieder nach vorn gerichtet. Dorthin, wo Urguth im Nebel liegen musste.

»Dann legt euch in die Riemen«, forderte der Steuermann. »Um so eher wird der sasgische Sturm über die Pfahlstadt hinwegbrausen!«

*

Im ersten Licht des dämmernden Morgens leuchteten die Wände der flachen Fischerhütten violett. Nebelfetzen wehten vom Meer heran und verschleierten die bleichen, aus Knochen errichteten Bauwerke. Schmale Stege auf Pfählen, gedeckt mit den Schädelplatten gewaltiger Mammuts, verbanden die einzelnen Hütten.

Ein leichter Wind bewegte die Fischernetze, die zwischen den Hütten zum Trocknen aufgespannt waren. Neben den Türen der Hütten hingen in knöchernen Gestellen Harpunen und Angeln. Boote, aus den Beinknochen riesiger Mammuts gefertigt, waren an die Stege angebunden. Die Boote waren nur so groß, dass sie höchstens eine einzige Person tragen konnten.

Die Dächer der Gebäude glänzten dunkel. Die Hütten waren mit Seetang gedeckt und mit Schilffasern verstärkt. Aus den niedrigen Kaminen kräuselten sich weiße Rauchwölkchen. Der Wind erfasste den Rauch, vermischte ihn mit dem Nebel und trug ihn dem Land zu.

Unter der Stadt bewegte sich das Meer der Spinnen in einer leichten Dünung. Flache Wellen umspülten die Pfähle aus ausgebleichten Mammutknochen, auf denen die gesamte Stadt errichtet war.

Noch lag Urguth still und friedlich. Keiner der Fischer befand sich außerhalb seiner Hütte. Die Einwohner schliefen noch, während der neue Morgen dämmerte.

Niemand bemerkte die dreizehn Boote, die aus dunklen Schatten weit draußen auf dem Meer der Spinnen aus dem Nebel auftauchten und sich der Pfahlstadt näherten.

*

Es war die dritte Nacht, seit die Kurnis die gefallene Stadt Nyrngor verlassen hatte. Von Anfang an hatte ein günstiger Wind das Schiff nach Norden getrieben, und es hatte gute Fahrt gemacht. Dennoch war Mythor von Tag zu Tag unruhiger geworden. Es lag ihm nicht, untätig die Zeit verrinnen zu lassen. Er war ein Mann, der nicht warten konnte, wenn wichtige Aufgaben zu erledigen waren.

Vieles lag noch vor ihm. Ein einziges Ziel hatte er bisher erreicht, sechs weitere musste er noch finden. Erst dann konnte er ein Kämpfer der Lichtwelt werden. Inzwischen aber waren die dunklen Mächte längst auf dem Vormarsch.

Nichts hatte bisher diese Mächte der Finsternis aufhalten können. Sie waren als Sieger aus jeder Schlacht hervorgegangen. Mit jeder Stadt und mit jedem neuen Gebiet, das ihnen in die Hände fiel, schien ihre Macht zu wachsen.

Zu diesen Sorgen, die Mythor das Herz schwer werden ließen, kam noch eine andere Unruhe, die ihn gefangen hielt. Etwas, das tief in seiner Seele brannte und zu dem immer wieder seine Gedanken abschweiften.

Manchmal gelang es Elivara mit ihrer Leidenschaft, ihn von seinen schweren Gedanken abzulenken. Doch all das verflog schnell wie ein Rausch und ließ die Sorgen anschließend um so größer erscheinen.

Auch in diesem Augenblick, in dem Mythor an der Reling der Kurnis lehnte und den langsam dämmernden Morgen beobachtete, wanderte seine rechte Hand langsam unter sein Lederwams. Er fühlte das Pergament mit dem Bildnis der unbekannten Schönheit, das ihn nicht mehr losließ.

Seine Hand tastete über das Pergament, und obwohl er das Bild nicht sehen konnte, zogen seine Fingerspitzen sanft die zarten Linien nach, und er glaubte, das Antlitz dieser geheimnisvollen Frau spüren zu können.

Voller Sehnsucht starrte Mythor auf die Wellen. Unzählige ungelöste Fragen zogen ihm durch den Kopf. Wer mochte diese Frau sein? War sie wirklich oder nur ein Traumbild? War sie vielleicht ein Dämon? Nur geschaffen, um ihn zu quälen?

»Ist es eine Frau, die dein Herz schwer werden lässt?«, fragte eine sanfte Stimme neben Mythor und ließ das Traumbild verschwinden.

Kalathee hatte Mythor gesucht und war leise auf Deck erschienen. Als sie ihn schließlich entdeckt hatte, hatte sie ihn eine Zeitlang beobachtet. Sie spürte genau die tiefe Sehnsucht und Trauer, die ihn umfingen. Vielleicht, weil sie ähnliche Empfindungen verspürte wie er.

Liebevoll legte sie die Hand auf den Arm des Kriegers. Sie sah ihm in die Augen und wusste die Antwort auf ihre Frage, noch ehe Mythor etwas sagen konnte.

Schweigend standen beide dicht nebeneinander auf dem Schiff und sahen zu dem fernen dandamarischen Ufer hinüber, an dem sie seit Tagen entlangsegelten. Die Küste war immer kahler und zerklüfteter geworden, je mehr die Kurnis nach Norden vorgedrungen war. Bäume gab es dort schon längst nicht mehr, und auch kleinere Pflanzen fanden auf den kahlen Felsen kaum Halt für ihre Wurzeln. An manchen Stellen stürzten Bäche und Flüsse als gewaltige Wasserfälle über die Klippen ins Meer.

Langsam bildete sich über dem Land ein schmaler Silberstreifen. Das Licht begann das Dunkel der Nacht zu verdrängen. Der helle Streifen breitete sich aus, wurde violett und tauchte schließlich den gesamten Himmel in ein feuriges Rot. Stumm sahen Mythor und Kalathee dem grandiosen Schauspiel zu. Beide ließen sich von ihren eigenen Sehnsüchten treiben. Ihr Schweigen wurde erst unterbrochen, als Elivara, die Königin von Nyrngor, von ihrem Lager im unteren Teil des Schiffes heraufstieg.

Sie entdeckte Mythor und Kalathee an der Reling, beobachtete sie, und ein spöttisches Lächeln spielte um ihre Lippen. Bevor sie die beiden ansprach, wandte sie sich um, und ihre Augen suchten Nottr.

Der Lorvaner stand am Heck der Kurnis und lenkte das Schiff. Auch er beobachtete Mythor und Kalathee. Doch verriet sein verschlossenes Gesicht nicht, was er dachte.

Elivara stellte sich neben den Mast des Schiffes, breitete ihre Arme aus und atmete mit geschlossenen Augen tief die frische Morgenluft ein.

»Wir haben unser Ziel erreicht«, sagte sie laut. »Urguth liegt vor uns.« Sie deutete über den Bug nach vorn auf eine dichte Nebelwand, die über dem Wasser lag und auch Teile der Küste einhüllte.

Kalathee war bei den plötzlichen Worten der Königin zusammengezuckt. Sie hatte sich so tief in ihre Gedanken und Wünsche versenkt, dass sie nichts anderes um sich herum bemerkt hatte. Jetzt warf sie Elivara einen Blick zu, in dem sowohl Ärger als auch Misstrauen lag.

»Bei Sonnenaufgang wird sich der Nebel auflösen«, erklärte Elivara und tat so, als ob sie Kalathees Blicke nicht bemerkte. »Normalerweise kann man die Pfahlstadt schon von hier aus sehen!«

Nottr, der am Heck der Kurnis stand, warf das Ruder herum und fuhr näher an das Ufer heran.

»Also haben wir es geschafft«, stellte er fest.

»Vielleicht«, erwiderte Elivara. »Alles hängt davon ab, ob wir Sklutur finden und ob uns der Beinerne helfen kann. Wenn nicht, stehen meiner Stadt schwere Zeiten bevor.«

*

Mit den ersten Strahlen der Sonne drang der Lärm des Kampfes zur Kurnis herüber. Das heisere Gebrüll der Angreifer und das Schreien der Verteidiger drang klar und deutlich durch den Nebel.

Verzweiflung und Todesangst lagen in diesen Schreien. Sie drangen Mythor tief ins Herz. Fast automatisch fuhr seine Hand zum Griff des Gläsernen Schwertes. Der Griff Altons schmiegte sich warm in seine Faust.

Elivara, Kalathee, Nottr und Steinmann Sadagar starrten erschrocken nach vorn. Sie versuchten vergeblich, etwas zu erkennen. Mit einem Fluch riss Nottr sein kurzes Krummschwert aus der Scheide und baute sich breitbeinig auf. Sadagar neben ihm tastete nach seinen Wurfmessern.

Mythor streifte Elivara mit einem kurzen, fragenden Seitenblick. Aber er erkannte sofort, dass auch die Königin von Nyrngor keine Erklärung für den Kampf hatte.

»Urguth hat keine Feinde«, murmelte sie erstaunt und mehr zu sich selbst. »Die Bewohner sind Fischer, harmlose und friedliche Leute!«

»Danach fragen die dunklen Mächte nicht«, sagte Mythor rau.

»Die Caer?«, fragte Kalathee leise. »Meinst du, dass die Krieger der finsteren Priester schon vor uns da sind?«

Niemand konnte ihr auf diese Frage eine Antwort geben. Nahezu lautlos fuhr das Schiff in den rötlich leuchtenden Nebel hinein.

Mit einem Satz stand Mythor neben dem Mast der Kurnis. Er löste die Taue und holte das Segel ein. Das Schiff verlangsamte sofort die Fahrt. Sanft glitt es dem ständig lauter werdenden Lärm der Schlacht entgegen.

Verschleiert durch den Nebel, tauchte die Sonne am östlichen Horizont als unscharfe Scheibe auf. Warm verteilten sich die ersten Strahlen über das Meer. Ganz allmählich löste sich der Nebel auf, wie es Elivara prophezeit hatte. Gespannt stand die kleine Besatzung am Bug der Kurnis. Sie sprachen kein Wort. Sie warteten auf das, was sich ihren Blicken bieten würde.

*

Dunkle Konturen schälten sich aus dem grauen Schleier. Anfangs wirkten sie noch verwischt, doch dann wurden sie sehr schnell deutlicher. Je mehr Macht die Sonne über diesen neuen Tag gewann, desto schneller wich der Nebel.

Flache Hütten tauchten auf und schienen über dem Meer zu schweben, von unsichtbaren Mächten gehalten. Die Pfahlstadt Urguth, das Ziel der Kurnis, war erreicht. Die Stadt war nur noch etwa einen Bogenschuss vom Bug des Schiffes entfernt. Der Besatzung der Kurnis bot sich ein phantastisches Bild.

»Beim Kleinen Nadomir«, murmelte Sadagar fast tonlos. Seine Augen waren weit aufgerissen.

Gewaltige Knochen, die von riesigen, vorzeitlichen Tiere stammen mussten, ragten aus dem dunklen Wasser des Meeres. Auf ihnen waren die flachen Hütten der Stadt erbaut. Auch sie bestanden nur aus Knochen und Gebeinen. Bleich und fahl schimmerte Urguth über dem Meer.

Schmale Brücken und Stege aus Schädelplatten riesenhafter Mammuts verbanden die einzelnen Gebäude. Begrenzt wurden die Stege von Geländern, die aus einem Geflecht von Rippenknochen bestanden.

Die Dächer der Hütten glänzten dunkel. Sie waren mit Schilf und Seetang gedeckt und bildeten einen eigenartigen Kontrast zu den fahlen Knochen.

Das Wasser schien an dieser Stelle sehr seicht zu sein. Die Stadt ragte weit in das Meer hinein. An den Stegen, die am weitesten in das Meer hinausreichten, waren etwa dreizehn Boote angebunden. Es waren dunkle, flache Schiffe. Der Bug war in einem weit geschwungenen Bogen hochgezogen und an der Spitze mit einem Drachenkopf verziert. Die Ruder waren eingezogen und steckten in hölzernen Scheiden. Wie die Pfosten eines Zaunes ragten sie senkrecht in die Luft. Die Boote bewegten sich leicht in der sanften Dünung.

Schwarzer Rauch hing über der Stadt. Viele der flachen Fischerhütten brannten. Über die ausgebleichten Knochen leckten Flammen und färbten sie schwarz. Ein bestialischer Gestank ging von diesen Bränden aus.

Auf den schmalen Stegen der Stadt tobte ein Kampf. Große, kräftige Gestalten, mit dicken Pelzen bekleidet, hieben mit Streitäxten und Schwertern auf die Bewohner der Stadt ein. Verzweifelt versuchten sich die Fischer zu verteidigen. Mit dünnen Harpunen oder mit Keulen aus Knochen wehrten sie die Schläge ab. Es war ein aussichtsloser Versuch. Ihre Speere zerbarsten splitternd unter den harten Hieben der Eindringlinge.

Der Angriff musste völlig überraschend über die Stadt hereingebrochen sein. Die meisten Einwohner kämpften nackt. Sie hatten nicht einmal mehr Zeit gehabt, sich anzukleiden. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich Stück für Stück zurückzuziehen. Ihre Verluste waren erschreckend hoch.

Schreie und Wehklagen schallten über das Meer. Weinend irrten Kinder durch das Kampfgetümmel. Frauen warfen sich über reglose Körper, die auf dem Boden lagen. Währenddessen eroberten die Angreifer Hütte um Hütte.

»Sasgen!«, stieß Elivara hervor. Verbittert beobachtete sie die Schlacht. »Ich erkenne genau ihre Schiffe!« Sie deutete auf die Boote mit den Drachenköpfen, die an den weit draußen liegenden Stegen angebunden waren.

Mythor stand neben ihr und sah sie fragend an. Seine Faust hatte sich so um den Griff Altons verkrampft, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Seine Lippen waren hart und fest aufeinandergepresst. Der ungleiche Kampf, der sich vor seinen Augen in der Pfahlstadt abspielte, erfüllte ihn mit Verbitterung. Das Unrecht war zu offensichtlich.

»Wer sind die Sasgen?«, fragte er.

»Es ist ein Stamm aus dem hohen Norden«, erklärte Elivara. »Die Sasgen kommen aus Eislanden. Sie sind die kriegerischsten Stämme, von denen ich je gehört habe. Sie kennen weder Viehzucht noch Ackerbau, noch Fischfang. Alles was sie brauchen, rauben sie von anderen Völkern. Ihr Leben besteht nur aus Kämpfen, Töten und Plündern.«

»Auch ich kann kämpfen«, mischte sich Nottr ein. In seiner Hand lag sein kurzes Krummschwert. Er schwenkte wild die Klinge. »Mischen wir uns ein wenig ein!«

Er entblößte seine großen gelben Zähne und ließ seine Augen kampflustig funkeln. Erregt lief er auf der Kurnis hin und her.

Sadagar runzelte die Stirn.

»Bedenkt die Übermacht«, warf er vorsichtig ein. »Was würde aus unserem Auftrag, wenn wir unterliegen?«

»Unterliegen?«, fragte Nottr verwundert. Diese Möglichkeit schien er nicht in Betracht zu ziehen.

»Wenn diese Sasgen uns besiegen und töten, ist Nyrngor verloren«, fuhr der Steinmann fort. »Wir sind hier, um Sklutur zu finden. Seine magischen Kräfte sollen das Königreich Elivaras retten.«

Nottr blieb abrupt stehen und wirbelte herum. Plötzlich stand er dicht vor Sadagar. Er beugte seinen kräftigen Oberkörper, bis seine Augen in gleicher Höhe mit denen des Steinmanns waren. In der Erregung hatte sich seine Narbe über dem Mund tiefblau gefärbt.