Mythor 13: Althars Wolkenhort - Horst Hoffmann - E-Book

Mythor 13: Althars Wolkenhort E-Book

Horst Hoffmann

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Beschreibung

Die Mächte der Finsternis, die einstmals die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch. Nachdem der Lichtbote die Welt sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner. Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das, von Dämonenpriestern angeführt, einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht. Im Verhältnis zu den Horden der Caer ist die Zahl derer, die auf Seiten der Lichtwelt gegen die Mächte des Dunkels kämpfen, erschreckend gering. Eigentlich ist es nur ein Häuflein Tapferer und Unverzagter, das angeführt wird von Mythor, den man den Sohn des Kometen nennt. Gegenwärtig sind Mythor und seine Gefährten zu einem Fixpunkt unterwegs, an dem nach Alton, dem Gläsernen Schwert, ein weiteres Ausrüstungsstück für den Kampf gegen die Mächte des Dunkels zu finden sein soll. Der besagte Fixpunkt ist ALTHARS WOLKENHORT ...

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Nr. 13

Althars Wolkenhort

von Horst Hoffmann

Die Mächte der Finsternis, die einstmals die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch.

Nachdem der Lichtbote die Welt sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das, von Dämonenpriestern angeführt, einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht.

Im Verhältnis zu den Horden der Caer ist die Zahl derer, die auf Seiten der Lichtwelt gegen die Mächte des Dunkels kämpfen, erschreckend gering. Eigentlich ist es nur ein Häuflein Tapferer und Unverzagter, das angeführt wird von Mythor, den man den Sohn des Kometen nennt.

Gegenwärtig sind Mythor und seine Gefährten zu einem Fixpunkt unterwegs, an dem nach Alton, dem Gläsernen Schwert, ein weiteres Ausrüstungsstück für den Kampf gegen die Mächte des Dunkels zu finden sein soll.

Der besagte Fixpunkt ist ALTHARS WOLKENHORT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen auf dem Weg zum Wolkenhort.

Sadagar, Nottr und Kalathee – Mythors Begleiter.

Baumer – Ein gefährlicher Gastgeber.

Drundyr – Ein Caer-Priester.

Coerl O'Marn

1.

Die Herbstnebel hatten sich aufgelöst. Ein neuer Tag brach an, in einem Land, das auf den ersten Blick ohne Leben war.

Hier, einen Tagesmarsch südlich von Lockwergen, war er bereits deutlich spürbar, der Hauch jener bösartigen Aktivitäten, die tiefer im Süden ihren Ursprung hatten – dort, wo Caer und die anderen Stätten der Finsternis lagen.

Der leise Wind schien es allen, die sich hierherverirrten, zuzuflüstern: Kehrt um! Hier ist kein Platz für euch zum Leben! Kehrt um, und kommt nie wieder zurück.

Noch war Caer weit, doch tatsächlich schien das Leben hier weitgehend gelähmt zu sein. Das Land war so gut wie nicht besiedelt. Nur längst überwucherte Pfade zeugten davon, dass hier früher reger Verkehr geherrscht hatte. Die Menschen hatten es längst vorgezogen, sich in die relative Sicherheit von Städten zurückzuziehen, vor allem nach Lockwergen, wo es nach dem Einfall der schwarzen Wölfe nun keine lebende Seele mehr gab.

Es gab verschiedene Gerüchte über die Gegend zwischen Lockwergen und der geheimnisvollen Elvenbrücke, die die Zaghaften von vornherein davon abhielten, hierher vorzudringen. Nur Männer und Frauen, die weder Tod noch Dämonen fürchteten, hatten alle Warnungen missachtet.

Niemand von ihnen war jemals wieder in den Städten oder Dörfern gesehen worden, von denen aus sie aufgebrochen waren.

Niemand war zurückgekehrt.

Und doch gab es Leben in den dichten dunklen Wäldern. Keine Vögel sangen in den Wipfeln und Spitzen der Bäume. Kein Wild äste friedlich auf den Lichtungen. Aber tief in den Wäldern hausten andere Kreaturen. Diejenigen, die bis hierher gelangt waren, hatten ihre Geräusche gehört und in der Nacht die glühenden Augen gesehen.

Mancher hatte noch die seltsame Melodie gehört, die auf einer Panflöte geblasen wurde, bevor ihn sein Schicksal ereilte, und das helle, wahnsinnige Lachen, wenn die Melodie verklungen war.

»Zwei Tage«, knurrte Nottr mit finsterem Blick, während er mit dem Krummschwert eine Bresche in das Dickicht aus Dornengestrüpp schlug, das an dieser Stelle des Waldes ein Durchkommen fast unmöglich machte. »Zwei Tage sind wir nun unterwegs, und allmählich beginne ich mich zu fragen, wonach wir eigentlich suchen.«

Die Erfolglosigkeit der letzten Tage lastete schwer auf den Gemütern der Freunde. Nur die Auskunft des Bauern, bei dem sie nach dem ersten Tagesmarsch seit der Flucht aus den Katakomben übernachtet hatten, trieb sie unermüdlich voran.

Von ihm war der vielleicht wichtigste Hinweis darauf gekommen, wo Althars Wolkenhort zu finden sei.

»Geht nicht weiter nach Süden«, waren die Worte des Bauern gewesen. »Das Land dort ist verhext, und jeder, der den Zorn der Götter herausforderte, musste es mit seinem Leben bezahlen.«

Die Warnung des alten Mannes war vage gewesen. Aber seine Auskunft war ein Anhaltspunkt. Was immer Althars Wolkenhort war – von ihm musste eine Magie ausgehen, vielleicht ähnlich jener, der Mythor in der Gruft hinter den Wasserfällen von Cythor begegnet war, als die Kometenfee Gwasamee ihm ihre Eröffnungen gemacht hatte.

»Spar dir deine Worte, Freund Nottr«, sagte Steinmann Sadagar. »Mythor wird weitermarschieren. Wenn es sein muss, bis zur Elvenbrücke.«

Auch von ihr hatte der Bauer gesprochen, wenngleich er keine Ahnung hatte, wo sie lag und was sie darstellte. Er hatte davon gehört und die Schauergeschichten wiederholt, die ihm andere darüber erzählt hatten. Niemand wusste Genaues, aber die Furcht vor dem Süden der Insel war allgegenwärtig.

Mythor gab keine Antwort. Auch er hatte sein Schwert in der Hand, und singend und klagend durchtrennte es gewaltige Ranken und schlug Äste von den hohen Nadelbäumen, die kaum Licht durchließen. Obwohl es heller Tag war, herrschte hier unten, auf dem Boden des Waldes, ein stetes Halbdunkel. Oft drangen unheimliche Geräusche an die Ohren der Gefährten, die sie zusammenzucken ließen. Doch nichts und niemand war zu sehen, nur dann und wann kleine Tiere, die sich schnell in ihre Löcher zurückzogen, als sie die vier Menschen gewahrten.

Es war kalt und feucht. Kalathee und Sadagar, die weniger Bewegung hatten als Mythor und Nottr, die Seite an Seite gegen das Dickicht kämpften, froren und verfluchten die Eile, in der sie aus Lockwergen geflohen waren. In den verlassenen Häusern der Stadt hätte es genügend Kleidung gegeben, die der Jahreszeit weitaus angemessener gewesen wäre als etwa Kalathees dünnes Kleid.

Zu allem Überfluss hatten die vier in den letzten Tagen nur wenig in die Bäuche bekommen – gerade das, was der freundliche alte Bauer ihnen hatte abgeben können.

Schweigend bahnten sie sich ihren Weg. Nur Sadagar murmelte ununterbrochen etwas vor sich hin. Er zeterte und schimpfte, und doch wusste Mythor, dass er sich keinen verlässlicheren Gefährten wünschen konnte, wenn es hart auf hart kam.

Gegen Mittag erreichten sie einen weniger dicht bewaldeten Hügel, von dem aus sie einigermaßen freie Sicht nach allen Seiten hin hatten. Sie sahen nichts als Wälder in allen Richtungen. Nadelbäume mischten sich mit mächtigen Eichen. Hohe Birken reckten ihre weißen Stämme gen Himmel.

»Hier lebt niemand«, sagte Kalathee. Fröstelnd rieb sie sich die Arme. Doch es war nicht nur die Kälte, die sie zittern ließ.

Alle vier spürten sie es. Es war in der Luft, um sie herum, nicht greifbar, aber da. So wie in Lockwergen, wie auf dem Mammutfriedhof, wie in der Nähe eines Caer-Priesters.

»Vielleicht doch.« Mythor hob den Arm und deutete nach Süden.

Nottr und Sadagar kniffen die Augen zusammen. Jetzt sahen sie es ebenfalls.

»Dunkler Rauch«, brummte der Lorvaner. »Dann gibt es dort eine Hütte oder eine offene Feuerstelle ...oder etwas anderes ...«

»Dort lebt jemand, der ein Feuer hat«, sagte Mythor mit neuer Zuversicht im Blick. »Und diesen Jemand werden wir uns ansehen.«

»Es könnten wieder Caer sein«, sagte Sadagar schnell.

»Hier in der Wildnis? Was gäbe es hier für sie zu holen?« Nottr lachte rau und sah Mythor abwartend an. »Also, worauf warten wir? Wo ein Feuer ist, gibt's meistens auch einen Braten.«

Mythor dachte wieder an die Warnungen des Bauern. Niemand sollte in dieser Wildnis wohnen können. Wenn es doch der Fall war, musste er die Wälder sehr gut kennen, um überleben zu können.

Und vielleicht wusste er, wo Althars Wolkenhort lag.

»Wir sehen ihn uns an«, sagte Mythor. »Oder sie.«

»Er oder sie könnten uns längst selbst gesehen haben«, kam es von Sadagar.

Nottr fuhr herum und packte den Steinmann an den Aufschlägen seiner Samtjacke.

»Hör zu, du Unke. Allmählich beginne ich zu glauben, dass du Spaß daran hast, uns mit deinem Gejammer verrückt zu machen. Ich lasse mir von keinem den Appetit verderben. Von dir schon gar nicht. Und wenn du in den nächsten Stunden noch einmal den Mund aufmachst ...«

»Schon gut!«, wehrte der Steinmann ab. »Beim Kleinen Nadomir, diese Barbaren!«

»Ich bin stolz darauf, ein Barbar zu sein, merke dir das ein für allemal!«

Sadagar zog es vor zu schweigen. Mythor grinste. Solange die beiden herumalberten, machten sie sich keine finsteren Gedanken. Nottr sprühte vor Tatendurst, und Sadagar, obwohl er das nie zugegeben hätte, ebenso.

»Gehen wir!«

Sie schritten den Hügel hinunter, hinein in das nächste Waldstück. Mythor ging nun allein voran. An dieser Stelle gab es kein störendes Unterholz, nur die hoch aufragenden Stämme der Bäume. Der Boden war von Nadeln und vermoderten Blättern bedeckt.

Und das warnte Mythor.

Er behielt die Umgebung im Auge, doch immer wieder suchte er den Boden nach Spuren ab. Die Rankengewächse hatten sich bisher überall breitgemacht. Wenn das hier nicht der Fall war ...

Er hörte Nottrs Schrei im gleichen Augenblick, in dem er entdeckte, wonach er suchte. Er sah die plattgetrampelten Stellen, riss den Kopf hoch und versuchte zu erkennen, woher das plötzliche Krachen und Stampfen kam. Nottr hatte das Schwert schlagbereit in der Hand. Wie hingezaubert steckten sechs Messer fächerförmig in Sadagars linker Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger. Kalathee klammerte sich zitternd an Mythor.

Eine seltsame, helle Melodie wie von einer Panflöte war in der Luft. Mythor ließ sich nur kurz davon ablenken. Irgendetwas Schweres, Ungestümes kam auf sie zu. Große Tiere, dem Lärm nach Dutzende von ihnen.

Die Erde erbebte unter den Füßen der Freunde. Plötzlich sahen sie sie. Eine Mauer aus riesigen schwarzen Körpern. Gesenkte Köpfe mit blitzenden Hauern. Alles niedertrampelnde Hufe.

»Wildschweine!«, schrie Mythor. »Nottr! Sadagar! Hierher zu mir.«

Einen Steinwurf entfernt hatte Mythor eine mächtige Eiche erblickt. Er hatte Kalathee bereits auf den Armen und rannte mit ihr dorthin. Als Nottr und Sadagar ihn erreichten, hob er die zierliche Schönheit auf den höchsten Ast, den er erreichen konnte. Instinktiv umklammerte Kalathee den Stamm und kletterte höher, während sich die Männer der Herde stellten, die Eiche im Rücken.

Sie hatten nicht einmal mehr die Zeit, sich durch Zurufe auf ein abgestimmtes Vorgehen zu einigen. Die riesigen schwarzen Schweine waren heran, Tiere mit zottigem Fell und winzigen, böse funkelnden Augen. Die Köpfe mit den spitzen Hauern waren gesenkt. Wie Rammböcke schossen sie auf die Männer zu. Kleinere Bäume wurden geknickt wie Grashalme. Nichts hielt die schweren Körper auf. Ihnen allen voran stürmte ein kolossaler Keiler mit doppelt ellenlangen Hauern.

*

Die Situation bestimmte das Handeln der Männer. Mythor sah den Keiler, ganz offensichtlich das Leittier der Herde, auf sich zustampfen und machte einen gewaltigen Satz zur Seite. Der Keiler reagierte zu spät und wurde vom eigenen Schwung mitgerissen. Einer der fürchterlichen Hauer bohrte sich in den Stamm der Eiche. Kalathee schrie und klammerte sich mit ihrer ganzen Kraft fest. Nottr sah sich gleich von drei Wildschweinen angegriffen und konnte nicht zur Seite ausweichen, so dass er keine andere Möglichkeit sah, als einen verzweifelten Sprung über den Kopf des unmittelbar vor ihm anrennenden Tieres hinweg zu machen. Hart landete er auf dessen Rücken und krallte die Finger der freien Hand in das zottige Nackenfell.

»Der Braten!«, brüllte er, doch niemand hörte ihn. Die Schweine grunzten wütend. Holz splitterte, als der mächtige Keiler sich befreite. Mythor gewahrte ein zweites Tier hinter sich, sprang zur Seite, und stieß ihm blitzschnell die Klinge des Gläsernen Schwertes in die Flanke. Er zog sie heraus und wartete auf den nächsten Angriff des Keilers.

Sadagars Messer fanden ihre Ziele, doch sie allein konnten keines der riesigen Tiere töten. Nottr teilte, auf dem Rücken des Wildschweins sitzend und sich nur mit Mühe auf dem wild bockenden Tier haltend, Schläge nach allen Seiten aus. Sein Krummschwert zog blutige Striemen ins Fell der sich dicht aneinanderschiebenden Schweine.

Mythor hatte nur Augen für den Keiler, und erst jetzt sah er die goldenen Kette um den Hals des Riesen.

Ihm blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern. Der Keiler griff ungestüm an. Wieder wollte Mythor ausweichen, doch diesmal erahnte das Tier seine Absicht. Mythor sprang, aber nicht weit genug. Der Riesenkeiler warf sich im Anrennen herum. Seine Hauer verfehlten Mythor nur um Fingerbreite, aber die volle Wucht des massigen schwarzen Körpers traf den jungen Helden und schleuderte ihn einige Schritte zurück ins festgestampfte Laub.

Mythor lag auf dem Rücken und rang nach Atem. Der Stoß war so gewaltig gewesen, dass er ihm alle Luft aus den Lungen gepresst hatte. Sekundenlang sah er Sterne vor den Augen, und seine Gliedmaßen versagten ihm den Dienst.

Und er stand vor ihm mit dem linken Vorderhuf scharrend. Riesig, schwarz und drohend. Der Keiler überrannte ihn nicht. Er wartete und gab durch wildes Grunzen jedem anderen Tier seiner Herde, das Mythor zu nahe kam, zu verstehen, dass dies sein Gegner war.

Mythor kam auf die Beine, jeden Augenblick darauf gefasst, dass sich der mächtige schwarze Leib auf ihn zuschnellte. Sein Blick haftete für einen Moment wieder auf der goldenen Kette.

Die Herde gehörte also jemand. Und entweder verfügten die Tiere selbst über eine gewisse Intelligenz, oder sie wurden von diesem Unbekannten dirigiert. Vielleicht durch diese seltsamen Laute. Vielleicht saß der Unbekannte irgendwo in einem Baum, hinter dichten Zweigen versteckt, und blies seine Flöte.

»Mythor!«, schrie Kalathee in Panik.

Er sah im gleichen Moment das Aufblitzen in den kleinen Augen. Der Keiler griff an. Diesmal fintierte Mythor einen Sprung nach rechts, um sich im letzten Moment nach der anderen Seite zu werfen. Der Keiler fiel auf den simplen Trick herein. Wie ein Geschoss rannte er mit gesenktem Kopf an Mythor vorbei, und dieser machte es Nottr nach. Blitzschnell sprang er und landete im Nacken des Wildschweins. Er klammerte sich mit den Beinen fest und griff mit der linken Hand tief in die Nackenmähne hinein. Nur kurz wunderte er sich darüber, dass diese Tiere keine Borsten hatten wie andere Wildschweine, die er früher gejagt hatte.

Mit einem Ruck kam der Keiler zum Stehen. Er konnte den Kopf nicht weit genug drehen, um Mythor mit den Hauern zu erreichen. So versuchte er ihn durch wilde Sprünge abzuschütteln. Mythor hielt sich fest und glich die ruckhaften Bewegungen geschickt aus. Er wollte das Tier, wenn möglich, nicht töten. Der wirkliche Gegner steckte im Hintergrund. Ihn wollte er aus der Reserve locken.

Der Keiler wechselte die Taktik. Mit Mythor auf dem Rücken rannte er auf einen Fichtenstamm zu. Mythor ahnte, was er vorhatte. Im letzten Moment sprang er ab. Noch während er sich auf dem weichen Boden abrollen ließ, prallte das Tier mit der ganzen Wucht seines Anlaufs gegen den Stamm.

Mythor sah, dass der Keiler für einen Augenblick benommen war. Blitzschnell sprang er auf und zog ihm die Klinge Altons quer über die feuchte Schnauze. Das Tier brüllte. Seine Augen rollten wild. Mythor erkannte seine Chance. Immer wieder fuhr sein Schwert auf den Keiler nieder, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Er wollte ihn schwächen, bevor er wieder bei klaren Sinnen war, und er sollte weiterbrüllen, bis der Unbekannte auf der Bildfläche erschien, um sein kostbarstes Tier nicht zu verlieren.

Der Keiler schwankte, als Mythor einige Schritte zurücktrat. Nun waren wieder andere Wildschweine heran. Mythor sah Nottr noch immer auf einem von ihnen reiten und das Schwert führen. Einige Tiere lagen schon tot zwischen den Bäumen. Nottr nahm weniger Rücksicht als er, und nun konnte auch Mythor nicht mehr anders.

Von Sadagar war nichts zu sehen. Der Stamm der Eiche, auf der Kalathee saß, wurde unablässig berannt. Die Holzsplitter flogen in weitem Bogen durch die Luft. Kalathee schrie. Noch hatte sie die Kraft, sich festzuhalten.

Vier Schweine kamen gleichzeitig auf Mythor zu. An der Art, wie sie bisher angegriffen hatten, war eine gewisse Strategie zu erkennen gewesen. Nun sahen sie ihr Leittier in Gefahr.

Mythor sprang zur Seite. Der Keiler stand noch dort, wo er ihm die Wunden zugefügt hatte, und sammelte offensichtlich neue Kräfte. Zwei Schweine rannten vorbei. Mythor sprang hoch, als das dritte heran war, bekam mit der Linken einen tiefhängenden Ast zu fassen und ließ mit angezogenen Knien auch dieses Tier unter sich hinwegrennen. Als das letzte heran war, ließ er sich fallen. Er kam unmittelbar neben ihm zu stehen und stieß ihm mit aller Kraft die Klinge in die Seite, um sie augenblicklich wieder zurückzuziehen. Das Wildschwein brach zusammen. Seine Vorderbeine knickten ein. Aus der Schnauze quoll dunkelrotes Blut.