Nach dem Verfassungsschutz - Claus Leggewie - E-Book

Nach dem Verfassungsschutz E-Book

Claus Leggewie

4,9

Beschreibung

Der Verfassungsschutz steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Selbst konservative Politiker fordern Aufklärung über seine Verstrickungen ins Neonazi-Milieu und stellen seine Effektivität in Frage. Claus Leggewie und Horst Meier analysieren den Verfassungsschutz als Fehlkonstruktion aus dem Kalten Krieg und geben Antworten - zu einem ständigen Skandalträger, der Millionen verschlingt und den niemand braucht - schon garnicht eine Demokratie.

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NACH DEMVERFASSUNGSSCHUTZ

Plädoyer für eine neue Sicherheitsarchitekturder Berliner Republik

Von Claus Leggewie und Horst Meier

DIE AUTOREN

Claus Leggewie, geb. 1950 in Wanne-Eickel, Professor für Politikwissenschaft und Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen sowie des Käte-Hamburger-Kollegs „Politische Kulturen der Weltgesellschaft“ in Duisburg. Zuletzt erschien mit Christoph Bieber (Hrsg.): Unter Piraten. Erkundungen in einer neuen politischen Arena, Bielefeld 2012

Horst Meier, geb. 1954 in Oberkaufungen (bei Kassel). Dr. jur., zunächst Strafverteidiger, seit 1992 freier Autor (www.horst-meier-autor.de). 1993 erschien Parteiverbote und demokratische Republik; 2010 die Tagungsbände Rechtsradikale unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit und Direkte Demokratie im Grundgesetz? (Mithrsg.); 2012 der Essayband Protestfreie Zonen?

Gemeinsam publizierten Claus Leggewie und Horst Meier 1995 die Studie Republikschutz. Maßstäbe für die Verteidigung der Demokratie und 2002 den Sammelband Verbot der NPD oder Mit Rechtsradikalen leben?

Die deutsche Frage ist die Frage nach den Hemmnissen der liberalen Demokratie in Deutschland.

Ralf Dahrendorf (Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. R. Piper & Co., München 1965.)

Für die Verteidiger der Freiheit wäre es wirklich angenehmer, sich um die Fälle einer besseren Klasse von Opfern zu kümmern. Wenn wir aber warten, bis nette Leute verfolgt werden, kann es schon zu spät sein. Freiheit muss da verteidigt werden, wo sie verweigert wird.

Aryeh Neier (Defending My Enemy. American Nazis, the Skokie Case, and the Risks of Freedom. E. P. Dutton, New York 1979.)

Originalausgabe© 2012 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, BerlinAlle Rechte vorbehalten1. Auflage Juli 2012

Herausgeber:Archiv der Jugendkulturen e. V.Fidicinstraße 3, D – 10965 BerlinTel.: 030 / 694 29 34; Fax: 030 / 691 30 16E-Mail: [email protected]

Vertrieb für den Buchhandel: Bugrim (www.bugrim.de)Auslieferung Schweiz: Kaktus (www.kaktus.net)E-Books, Privatkunden und Mailorder: www.shop.jugendkulturen.de

Umschlaggestaltung und Layout: Conny AgelLektorat: Klaus Farin/Rana HolstiDruck: werbeproduktion bucher

ISBN 978-3-943774-03-0 (Druckausgabe)ISBN 978-3-943774-04-7 (E-Book)ISBN 978-3-943774-05-4 (PDF)

INHALT

Vorwort

Wann, wenn nicht jetzt?

Holländische Straße * Halit-Straße

I. „Nationalsozialistischer Untergrund“

1. Bestandsaufnahme einer politischen Erschütterung

2. Endlosschleife Parteiverbot: NPD und NSU

3. Innehalten: Ein kollektives Problem gesellschaftlicher Wahrnehmung

II. In der V-Leute-Falle

1. Rückblende: Verfassungsschutz in flagranti (2002)

2. Mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften

III. Die Erfindung des Verfassungsschutzes

1. Die westdeutsche Demokratiegründung von 1949 als Sonderweg

2. Exkurs: Kritik der „streitbaren Demokratie“

3. Aus der Skandalchronik: Verfassungsschutz 1950 – 2012

IV. Was macht eigentlich der Verfassungsschutz?

1. Die Kernaufgabe und der Zentralbegriff des „Extremismus“

2. Das nachrichtendienstliche Mittel

3. Politische Parteien im Visier des Verfassungsschutzes

3.1 Republikaner, NPD, PDS/Die Linke und andere

3.2 Exkurs: Über die Parteienfreiheit-Bilanz des NPD-Verfahrens (2001-2003)

3.3 Ein systemimmanenter Reformvorschlag: Keine Beobachtung politischer Parteien ohne richterliche Anordnung

3.4 Das Parteiverbot als Instrument der Gefahrenabwehr

3.5 Verbot der NPD, zum zweiten? Wie man eine falsche Sache diesmal richtig machen will

4. Wer bestimmt den Verfassungsfeind?

V. Die Lebenslüge vom „Frühwarnsystem“

1. Eine Serie der Ahnungslosigkeit (Brand- und Mordanschläge, NPD, Hamburger Terrorzelle, NSU)

2. Vorfeldaufklärung ohne sicherheitspolitischen Nutzen: eine notorische Gefährdung der Bürgerrechte

VI. Wie lange noch?

1. Exkurs: Science-Fiction und Verfassungsschutz

2. Ein irreparabler Konstruktionsfehler: Extremistenüberwachung zwischen polizeilicher Gefahrenabwehr und politischer Bildung

3. Das Ende des Sonderwegs: Verfassungsschutz als Anachronismus in einer aufgeklärten Gesellschaft

VII. Skizze einer neuen Sicherheitsarchitektur

1. Das Gewaltkriterium als Grenze des politischen Kampfes

2. Verfassungsreform in bürgerlich-liberaler Absicht: Weder Grundrechteverwirkung noch präventives Parteiverbot

3. „Politische Polizei“ statt Verfassungsschutz: Strafverfolgung ohne Feinderklärung

4. Institutionelle Flurbereinigung: Ein Fünfjahresplan zur Abwicklung des Verfassungsschutzes

VIII. Nach dem Verfassungsschutz: Eine unabhängige Stiftung zur Verteidigung der Demokratie

IX. Republikschutz statt Verfassungsschutz

1. Zukunftsmusik

2. Thesen

Anhang

Appell gegen Neonazis: Was jetzt zu tun ist

Entschließungsantrag

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse

„Der Letzte macht das Licht aus“

Literaturauswahl

Internet

Fußnoten

VORWORT

WANN, WENN NICHT JETZT?

Die beispiellose Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ erschreckt nicht nur wegen einer eiskalten Kopfschussmentalität. Bestürzung und Verstörung sind auch deshalb so heftig, weil diesem Killerkommando, das jahrelang kreuz und quer durch die Bundesrepublik fuhr, niemand in den Arm fiel: kein Polizist, nirgends – und weit und breit kein Verfassungsschützer, der Alarm schlug. Zeit also, über die Zukunft des Verfassungsschutzes nachzudenken.

Der Bundesinnenminister sprach in seltener Offenheit von „kläglichem Versagen“, sein oberster Verfassungsschützer von einer „Niederlage“. Sie müssen es wissen: Gerade das „Frühwarnsystem“, als das sich unsere Verfassungsschützer seit Jahr und Tag andienen, hat so versagt wie nie zuvor in sechzig Jahren. Als wäre das nicht genug, kam der haarsträubende Verdacht auf, der Verfassungsschutz könnte sogar in diese Mordserie verstrickt sein. Die Nachrichten aus Thüringen lassen Schlimmes befürchten: Gab es behördliche Deckung beim Abtauchen? Standen V-Leute mit den Untergetauchten in näherem Kontakt, als man dies heute wahrhaben will? Und ist es wirklich blanker Zufall, dass sich am Tatort in Kassel, ausgerechnet am 6. April 2006, als Halit Yozgat erschossen wurde, ein hauptamtlicher Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes aufhielt?

Wie tief das Ansehen der deutschen Sicherheitsbehörden gesunken ist, lässt eine Äußerung von Jörg Ziercke, dem Chef des Bundeskriminalamts, ahnen. Er sprach geradezu beschwörend davon, die Behörden müssten das „Vertrauen“, ja die „Achtung“ der Bevölkerung zurückgewinnen. Was die Arbeit des Verfassungsschutzes anbelangt, wird (teils durchaus treffend) vor „Fehldeutungen“, „Pauschalisierungen und Zerrbildern“ gewarnt, ja eine „in den Medien kursierende ‚Hau den Verfassungsschutz‘-Stimmung“ beklagt.1 Doch alle Beschwichtigungsversuche ändern nichts am dramatischen Vertrauensverlust. Fest steht: Die Aufklärung muss dieses Mal umfassender und radikaler sein als jemals zuvor bei einem Verfassungsschutzskandal. Wir halten es für zwingend, parlamentarische Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Was der Bundestag und die Landtage von Thüringen und Sachsen beschlossen haben, ist auch in Hessen notwendig.2 Erst im Vollbesitz der „ganzen“ Wahrheit, wenn es denn eine solche im Geheimdienstmilieu überhaupt geben kann, ist es möglich, Konsequenzen zu ziehen – beziehungsweise darüber zu streiten, welche die „richtigen“ sind. Das gilt für einzelne Maßnahmen im institutionellen Geflecht der Sicherheitsbehörden, zum Beispiel für Formen der Kooperation. Es gilt vor allem für neuerliche Verbotsforderungen gegen die NPD (die geradezu kontrafaktisch wieder aufgetischt wurden und von den offenkundigen Problemen der Sicherheitsapparate nur ablenken).

Dagegen ist es nicht zu früh, die strukturellen Probleme zu diskutieren, das heißt, über Konsequenzen nachzudenken, die sich auf die Sicherheitsarchitektur der Berliner Republik als Ganzes beziehen.3 Deren vier traditionelle Säulen Polizei, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) gelten als bewährt und unumstößlich. Wir halten in diesem Buch dagegen. Eine dieser Säulen, von Anfang an fehl am Platze und im Laufe der Zeit mehr Probleme hervorbringend als lösend, hat es nicht verdient, reformiert zu werden: Wer den Verfassungsschutz behutsam aus dieser Konstruktion herausnimmt, braucht nicht zu gewärtigen, das ganze Gebäude der inneren Sicherheit stürze ein. Im Gegenteil, die auf das Inland bezogene Sicherheitspolitik kann nur übersichtlicher und effizienter werden. Das Ende der Extremistenausspähung wird ein Zugewinn an Freiheit, also ein Gewinn für die Bürgerrechte sein.

Verfassungsschützer, das wissen sie selbst am besten, können es einfach keinem recht machen. Einerlei, ob es um das doppelte Spiel von V-Leuten, die Beobachtung politischer Parteien oder die „hoheitlichen Verrufserklärungen“ (Jürgen Seifert) in den alljährlichen Berichten geht: Den einen gehen sie mit den falschen Mitteln gegen die richtigen Leute, den anderen mit den richtigen Mitteln gegen die falschen Leute vor; diesen gehen sie nicht weit genug, jenen sind sie nicht zurückhaltend und verhältnismäßig genug; den Linken gehen sie zu lahm gegen Rechte und natürlich zu eifrig gegen Linke vor und vice versa. Dass Verfassungsschützer es keinem recht machen können, liegt nicht allein an unvermeidbaren Fehlern oder vermeidbaren Pannen und auch nicht allein an der Trägheit, mit der sie sich den Zyklen der innerstaatlichen Feinderklärung anpassen – es liegt vor allem anderen an der Fehlkonstruktion einer Behörde, deren Kernaufgabe, die unterschiedslose Ausspähung von „Extremisten“, sich überlebt hat. Und deren ideologischer Zentralbegriff, der des Extremismus, dermaßen kontaminiert ist, dass er zu nichts Gutem taugt.

Auch wenn heute der „Kampf gegen rechts“ mehrheitsfähig ist: Die deutsche Gesellschaft, nach sechs Jahrzehnten leidlich demokratisiert und rechtsstaatlich sensibilisiert, fragt sich zunehmend, ob ein solcher Geheimdienst wirklich notwendig ist. Und um welchen Preis sein bescheidener Nutzen erkauft wird. Diesem weit verbreiteten Unbehagen am Verfassungsschutz wollen wir nachgehen. Und zeigen, dass nur eine beherzte Zäsur der verfahrenen Situation wirklich beikommen kann: Der Verfassungsschutz bietet keine Lösung, er ist nur das symptomatische Problem einer Demokratie, die einst sich selbst nicht traute. Die Berliner Republik – längst dabei, eine selbstbewusste Demokratie zu werden – hat solche Extremistenspiele nicht länger nötig.

Bereits 1995, in dem Buch Republikschutz, haben wir unsere Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz durch eine Kritik der „streitbaren Demokratie“ fundiert. Denn er ist und bleibt der institutionelle Arm eines verkürzten Demokratieverständnisses. Wir stellen auch die anderen Instrumente der streitbaren Demokratie, die Grundrechteverwirkung (Art. 18) und das Parteiverbot (Art. 21 Abs. 2 GG) auf den Prüfstand. Ohne eine Reflexion der Grundwidersprüche des zaghaften Selbstverständnisses deutscher Demokraten hängt die Forderung nach Abwicklung des Verfassungsschutzes in der Luft.

Ohne Einsicht in den singulären Charakter dieses Geheimdienstes, der sich einer besonderen Konstellation der westdeutschen Demokratiegründung von 1949 verdankt, wird nicht verständlich, warum man auf diese Einrichtung heute gut und gerne verzichten kann. In Demokratien ist es nicht üblich, Bürgerinnen und Bürger auf eine gesinnungsbezogene Verfassungstreue zu verpflichten und Parteien – obgleich diese sich an die Spielregeln des friedlichen Meinungskampfes halten – als „extremistisch“ abzustempeln und von einem Geheimdienst kontrollieren zu lassen.

Wir werden in diesem Buch erneut zur Sache gehen – ohne Schadenfreude, Rechthaberei und ohne Verschwörungstheorie. Das schließt Schärfe und Angriffslust nicht aus – immerhin sind wir seit 1991 damit beschäftigt, das deutsche Glaubensbekenntnis der „inneren Sicherheit“ in Frage zu stellen.4 Eine gewisse Befangenheit räumen wir ein – schließlich reichen die Anfänge unserer eigenen politischen Erfahrung in Zeiten zurück, da Staat und Gesellschaft den „Kampf gegen links“ probten – unter Schlagworten wie „Radikalenerlass“ und „Sympathisanten des RAF-Terrors“. Doch gerade wer in dieser Zeit lernen musste, Freiheit und Gleichheit zu verteidigen, hat nicht vergessen, dass die Bürgerrechte unteilbar sind. Illiberalität wird nicht dadurch besser, dass sie sich gegen den politischen Gegner wendet.

Um Missverständnisse von vornherein auszuschließen: So vehement wir für einen radikalen Pluralismus eintreten, der auch noch die Verächter der Freiheit in den friedlichen Meinungskampf einbezieht und zu integrieren versucht, so kategorisch stehen wir für die Verteidigung der demokratischen Republik ein, die keinerlei Versuche dulden muss, sie mit Gewalt zu beseitigen. Wo immer also Gewalt ins politische Spiel kommt, ist eine Grenze erreicht, die niemand ungestraft überschreitet. Republikschutz ist so weit wie nur möglich liberal, an der Gewaltgrenze aber rigoros und kompromisslos: Wer die demokratischen Spielregeln verletzt, handelt „verfassungswidrig“ – einerlei, auf welche Ideologie er sich beruft.

„Wie lange noch?“ Die bange Frage in der Festschrift zum vierzigsten Geburtstag des Verfassungsschutzes, gestellt von Gerhard Boeden, dem damaligen Chef des Kölner Bundesamtes, zeigt an, dass man im Gehäuse dieser Bürokratie schon einmal weiter war mit der Sinnfrage.5 Dass der Verfassungsschutz dem spezifischen Kern seiner Sache nach überflüssig ist, werden wir begründen. Wie diese Institution binnen fünf Jahren behutsam und sozialverträglich abgewickelt werden kann, wie ihre besser befähigten Personalreste in den polizeilichen Staatsschutz integriert werden können, legen wir ebenfalls dar. Wir schlagen diese Reform vor, auch wenn uns natürlich klar ist, dass sie im Augenblick geringe Chancen hat, politisch verwirklicht zu werden. Wir wollen Anstöße geben für einen gesellschaftlichen Lernprozess, der, wenn er nur weit genug vorangetrieben wird, eines Tages auch die notwendigen institutionellen Konsequenzen ziehen kann. Und die viel beschworene Sicherheitslücke ist eine Chimäre, es wird sie nicht geben. Der Verfassungsschutz als solches ist genauso gut verzichtbar wie sein Lieblingsspielzeug, die geheimdienstlich geführten V-Leute. Es gibt ein Leben nach dem Verfassungsschutz. Für die Berliner Republik, auf die wir setzen, sind das gute Aussichten.

Kassel und Essen, im Mai 2012    C. L. & H. M.

HOLLÄNDISCHE STRASSE

„Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen: Guten Tag an alle. Lieber Präsident, liebe Bundeskanzlerin, liebe Gäste, ich grüße Sie alle in Respekt. Ich bin der, der am 6. April 2006 im Internetcafé den mit einer Kugel im Kopf sterbenden 21-jährigen Halit Yozgat in seinen Armen hielt – ich bin sein Vater, Ismail Yozgat.

Zuallererst möchte ich mit meinem ganzen Herzen, das bislang viel getragen hat und noch tragen muss, von hier aus Bundespräsident Wulff unsere Grüße und Verehrung übermitteln. Voller Bewunderung erinnern wir uns an seine Gastfreundschaft. Ich danke ihm. Dank auch an diejenigen, die die heutige Zeremonie gestaltet haben. Ich möchte all jenen Menschen aus Kassel-Baunatal und Umgebung für ihre Mühe danken, die darin bestand, dass sie mir bis heute ein Weiterleben ermöglicht haben.

Drei Briefe mit Absender Frau Professor Barbara John erreichten mich. Es ging um die Begräbniskosten und ob wir 10.000 € bekommen möchten. Wir als Familie Yozgat möchten das alles nicht haben. Jedoch bitten wir um drei Dinge: Dass die Mörder und ihre Helfer gefangen werden. Mein Vertrauen in die deutsche Justiz war immer vorhanden, von nun an, so hoffe ich, wird es vollkommen sein, Insallah, so Gott will.

Zweitens: Mein Sohn Halit Yozgat ist in der Holländer Straße 82 zur Welt gekommen und in der Holländer Straße unten im Ladenlokal erschossen worden und gestorben. Wir als Familie möchten die Holländer Straße gerne in Halit-Straße benennen lassen. Wir bitten um Mithilfe.

Drittens: Wir möchten, dass im Namen der zehn Verstorbenen eine Stiftung für Krebskranke gegründet wird und alle Preise und Hilfen dorthin geleitet werden.

Nochmals: Allen Organisatoren dieses Tages danke ich herzlich.“6

Ismail Yozgat

HALIT-STRASSE

Die Stadt Kassel teilte inzwischen mit, man habe den „verständlichen Wunsch“ der Eltern sorgfältig geprüft, werde ihm aber nicht entsprechen, sondern stattdessen einen kleinen, bislang namenlosen Platz in der Nähe des Tatorts in „Halit-Platz“ benennen und zudem die dortige Straßenbahnhaltestelle entsprechend umbenennen (vgl. Presseerklärung Nr. 254 vom 3. April 2012; die Entscheidung geht auf einen einstimmigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zurück; Berichterstattung und Leserdiskussion in der Lokalzeitung Hessisch-Niedersächsische Allgemeine unter: www.hna.de).

I. „NATIONALSOZIALISTISCHER UNTERGRUND“

„Rechtsterroristische Aktivitäten könnten in Zukunft aus folgenden Konstellationen entspringen: […] Einzelpersonen oder ein aus wenigen Personen bestehender harter Kern suchen für ihr terroristisches Projekt Beteiligte, die nicht als Mittäter in Frage kommen, sondern lediglich Zulieferfunktion für die Tatausführung haben und über die tatsächlichen Ziele und die Identität der Täter nicht unterrichtet sind. […] Unorganisierte [oder organisierte] Einzelpersonen versuchen sich der staatlichen Beobachtung oder Verfolgung zu entziehen und schaffen sich einen Raum in der Illegalität, aus dem heraus sie planvoll gegen einen festumrissenen Opferkreis Straftaten begehen können.“ Aus dieser Einschätzung von Ernst Uhrlau, der 1993 über „die Gefahr rechtsterroristischer Gruppenbildung“ nachdachte, spricht ein hohes Maß an prognostischer Urteilskraft. Uhrlau, damals Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, ist als Sozialwissenschaftler einer der wenigen Nichtjuristen unter den leitenden Geheimdienstbeamten und auch sonst eine Ausnahmeerscheinung. Ihm wird ein Satz zugeschrieben, der einem in diesen Tagen wieder durch den Kopf geht: .

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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