nachts leuchten die schiffe - Nico Bleutge - E-Book

nachts leuchten die schiffe E-Book

Nico Bleutge

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Beschreibung

Echos und Lesefetzen, eigene und fremde Stimmen, die sich zu einem Dritten formen. Solche Sprachfunde sind für Nico Bleutge wie Kraftfelder, die seine Aufmerksamkeit bündeln. Den Kern des neuen Bandes bildet ein Zyklus aus zehn längeren Gedichten, die sprachlich und motivisch eng verzahnt sind. Der Bosporus als Sprungbrett: Öltanker und Containerschiffe, die etwas davon erzählen, wie der weltweite Handel die überkommenen Vorstellungen von Zeit, Transport und Geschwindigkeit verändert hat. Erinnerungen aus der Kindheit tauchen auf. Splitter aus Alfred Döblins "Berge Meere und Giganten". Ein Reservoir für die Sprach- und Klangwelt der Gedichte: "mischte sich jenes licht mit dem licht, erzeugte ihre verbindung / ein anderes licht, verwandtschaft von flucht und begreifen / ein zwischending aus gas und flüssigkeit / das die welt umpflügte." Mit großer rhythmischer Kraft zeigt uns Nico Bleutge die Zeitschichten und Mehrdeutigkeiten, die in der Sprache versteckt sind - aber auch die Verknüpfungen, Gemeinsamkeiten, die das Gedicht immer wieder aufspüren kann.

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Nico Bleutge

nachts leuchten die schiffe

gedichte

C.H.Beck

Zum Buch

Echos und Lesefetzen, eigene und fremde Stimmen, die sich zu einem Dritten formen. Solche Sprachfunde sind für Nico Bleutge wie Kraftfelder, die seine Aufmerksamkeit bündeln. Den Kern des neuen Bandes bildet ein Zyklus aus zehn längeren Gedichten, die sprachlich und motivisch eng verzahnt sind. Der Bosporus als Sprungbrett: Öltanker und Containerschiffe, die etwas davon erzählen, wie der weltweite Handel die überkommenen Vorstellungen von Zeit, Transport und Geschwindigkeit verändert hat. Erinnerungen aus der Kindheit tauchen auf. Splitter aus Alfred Döblins «Berge Meere und Giganten». Ein Reservoir für die Sprach- und Klangwelt der Gedichte:

«mischte sich jenes licht mit dem licht, erzeugte ihre verbindung/ein»

anderes licht, verwandtschaft von flucht und begreifen/ein zwischending

aus gas und flüssigkeit/das die welt umpflügte.»

Mit großer rhythmischer Kraft zeigt uns Nico Bleutge die Zeitschichten und Mehrdeutigkeiten, die in der Sprache versteckt sind – aber auch die Verknüpfungen, Gemeinsamkeiten, die das Gedicht immer wieder aufspüren kann.

Über den Autor

Nico Bleutge, 1972 in München geboren, lebt in Berlin. Bei C.H.Beck erschienen die Gedichtbände «klare konturen» (2006), «fallstreifen» (2008) und «verdecktes gelände» (2013). Für sein Schreiben wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Erich-Fried-Preis 2012, dem Christian Wagner-Preis 2014, dem Eichendorff-Literaturpreis (2015), dem Alfred-Kerr-Preis (2016) Casa Baldi-Stipendium der Deutschen Akademie Rom (2015) und dem Stipendium der Kulturakademie Tarabya, Istanbul (2014/16).

Inhalt

nachts leuchten die schiffe

weißes knirschen

rodung

stimme tauschen

flugsand

mit lungenschlag und schwarzen flecken

grasen mit grisu

grasen mit grisu

(1) 

(2) 

(3) 

gradierwerk

Anmerkungen

Dank

nachts leuchten die schiffe

versenk dich in die bewegung des wassers

mischte sich jenes licht mit dem licht, erzeugte ihre verbindung

ein anderes licht, verwandtschaft von flucht und begreifen

ein zwischending aus gas und flüssigkeit

das die welt umpflügte. die wellen verstehen

so wie ein tanker durch die helle wasserfläche gleitet

zellhaut legt sich über zellhaut, erkundungsgeschwader für müde

strahlen, und die ströme quellen, meilenbreite bänder

wo alles sich aus masse in kraft verwandelt, glattes leuchten

das zusammenspiel von zink und rost verdecken

stumme kristalle, und die impulse vom landverkehr

sand streuen, mit einem mürben klingen

die kanalrouten waren den wellen voraus

leichte fahrzeuge bahnten ihnen den weg durch das packeis

wollten die schönheit des neuen kontinents abwarten

die erinnerungen drehen, dehnen sich langsam

als wären sie luftfäden, lebende moostierchen

die wanderbewegungen verloren gegangener

handelsgüter, die das licht des tages aufsaugen

und die frachtarbeiter an deck, ihre grellroten westen

die noch kurz in der dämmerung wachsen

die glut vertiefte sich, hob den erdstoff ein wenig

meer schien land und land schien meer zu sein

das wieder land war, rückstoß, zeit. die warme golfstromdrift

sandte ihr wasser herüber, lief an der südspitze grönlands vorbei

öffne die tür, mit ihrem mürben klingen

sieh dir den innendunst an

ein raum wie ausgemalt von ideen

der himmel nach oben geträumte tiefe, eine ferne

ahnung von grundlawinen, ständiges

wachsen und schichten von erde, denk an den

landweg, schau wie vom meer dort hinein, man baute

an einem korallenstock, von vielen stellen zugleich

stießen sie vor, schaltkreise, schleusen von licht

hatten die alten massen durch-

brochen, räume wie glas, mit ihrem kurzen

strahlen, als wäre nicht tag, als gäbe es schnee nicht

und lungen, keine strömung, stau. folge den trupps

auf dem weg nach unten, jedes ding bewegte sich

mit seinem eigenen drang, ein öffnen von schächten

buchten, gespür für veränderte routen. denk wie

der tonsand, fern in der ahnung von muschelschichten

denk wie muskeln und kalk, zelle um zelle

baute sich an, traum von geweben, häuten, wo du hinein-

gehst, siehst du nicht mehr hinaus, als wäre alles mit allem

verbunden, virus der weltpost, nicht mehr grund und keine

nacht in gedanken, ständig im kreisen, wachsender stoff

der sich trug, vom atlantischen wasser umfaßt, nach dem erdmüden

meer geschlossen, als wäre es sand, als würde das licht sich

verstärken, wege wie luft in den raum zeichnen

jetzt ist die nacht ein geräusch, in dem tiere verschwinden

mit einem herzen dazwischen, gespinsten der vorstellungskraft

die maschinen schlagen von unten an die schiffskörper

während das wasser schon seine wurzeln verliert

und die luft in nichts versinkt, staub und flocken und federn

jetzt mischen die kristalle den lauf der tanklinien neu

schleusen land an die decken der container. sauerstoff

setzt sich ab, wo die strahlen das eismeer erkunden

und die fische sich in fische auflösen, eine bewegung

die keinem traum folgt, erst sichtbar wird im verschwinden

und die schiffe werden schneller, laufen deutlicher schwankend

auf der meeresoberfläche wie auf schienen, als wollten sie

die zeit streuen, mit erhöhter umschlagsfrequenz

in die gebäude dringen, die frachthallen sprengen

und sogleich wie ein flug von mücken über dem gebüsch

die erinnerungen, aus einem sommer irgendwann

stücke von dunst auf dem grund der kindheit

von einem wasser irgendwann, ein paar kinder

schneiden einen apfel auf dem balkon, reichen mir die stücke

während ich auf den fluß blicke und die frachter höre, ihr

klopfen. schau wie die wärme sich dehnt, schau wie die frachter

auf ihren decks die strahlung mitnehmen

während ich ein paar blätter aufsammle, sie mit der hand

umschließe und ihren duft abwarte, kleine waren

die strom saugen, sich unter licht zusammenfalten

die landschaften drehen, von ihren trassen

die routen aus licht und sauerstoff in gedanken

die strandschatten drehen, schnell wie glut

über zellen hinweg, die docks und die fluchtlinien

drehen, das eis und die kontinentalen tiefen

alles auf strom, ohne gewicht in den lungen

verwandtschaft von kraft und enthaltensein

nah mit den strängen vertraut, dichter als quarz

wo die drift sich mit staub verbindet und die pflanzen

sand in die luft zeichnen, streulicht, in schichten

ohne geräusch, eine bucht, wo man landen kann

und die zaunflächen drehen, ihr leuchten

die westküsten drehen und die güterwaggons

die peaks und die algodones, falte legt sich über falte

erkundung für waches schauen, und nichts verdeckt

daß die spuren den spuren gleichen und die körper

sich in nichts auflösen, zurück in sich selbst

wie rost in glas, wie hinter schnee ein gesicht

das nicht verloren geht, ohne daß die tanks ihr klopfen

einlagern und ein echo von frost zu finden ist, schneller

flug durch rauch, an den grenzen entlang, çukurca öffnet sich

und cizre, gao öffnet sich, sikasso, tamanrasset, ghat, wo die jerboas

laufen und die tiefenmulden, der östliche landweg, vom grünen

ladogasee bis zum weißen meer, nah am uranerz, den herden

von salz und gischt, die entstehen, langsam die routen fassen

irgendwann geben die flocken nach, mit einem tropfen

dazwischen, mit einem klang. wenn du lange genug wartest

wachsen die schalen auf dem tisch weiter

und die blätter in der hand werden zu gras

in dem du selber sitzt. greif ins holz, ein paar fäden

schlaf, ein paar fäden zink, du blickst lange in richtung schleuse

und der fluß wird zu einem schacht, durch den die wärme kommt

mit ihrem drang, mit ihrem greifen, ein wunschloses

brüten von haut und insekten, dichter als harz, und du weißt nicht

ob die fische den kalkschatten folgen oder die beeren

wachs in die luft schlagen, jodstoff, in schichten, ohne geräusch

riecht wie heu, sagen die kinder, mit einem fluß dazwischen

und du weißt nicht, ob sie an wörter denken, an pflanzen

oder sich in die bewegung des wassers versenken

ein paar männer warten am ufer

streuen sand über die bänke, graben muscheln aus

mitsamt den wurzeln. wenn du lange genug hinsiehst

kommen die äpfel wieder zurück, und du wächst noch, im halb-

schlaf, irgendwann. deine mutter öffnet die balkontür

streicht über das holz, doch es ist, als würde das wasser

verschwinden und du könntest einfach hinübergehen

du folgst den schienen, siehst den alten güterbahnhof

und während der staub sich verteilt, nimmst du einen

der rostigen waggons und befüllst ihn mit kautschuk

und federn, mineralien und blüten, die fast schon schlafen

und ist die luft, könntest du fragen

ist das wasser, schon zurück in die zeit gefallen

funkzeichen geben, mit einem schwachen kabel

sich nicht zu dicht den großen frachtern nähern

nachts leuchteten die schiffe, stießen sich von der wasserfläche ab

zarte seewalzen lösten ihre materie langsam auf

schafften sich einen platz unter dem meeresboden

drehbrücken, ströme aus land, es war ein seltenes licht

in der unteren luftschicht, kein salz, kein muskelgewebe

nur güter, die blinkten, sich auf den decks zusammenzogen

abstoßen, fragen, langsam bewegt sich alles

auf schlaf, als wollten körper verschwinden, ihr murmeln

umgab sie wie flüssiges eis, als wollten lücken sich auftun

und weiter oben schließen, sich geräuschlos zurückziehen

wie rauch von starken winden. war, war da

das feuer schon. das fackelnde, abfackelnde

licht. mücken tauchen auf, verstreut im gedächtnis

wurzeln dazwischen, schächte, alte verwitterte lavaschichten

sammelten sich um das licht, der staub verfärbte sich

wurde rot, glühend, die elemente rissen an dem rumpf

flüchtige lungen, fasern, korallen verwandt

liefen dem festland entgegen, liefen, tauchten, liefen

das meer umströmte jetzt die inseln, lenkte den zufluß

wieder ab. kein feuer. alles wandert. gib mir wasser

drehe das eis

mit blütensaft und braunen samen

mit spritzern von grün und wasserfäden

können die blätter des kautschukbaums, die sich selber zurück-

ziehen, wege wie luft in den raum zeichnen

wenn du hingehst und einen schnitt setzt

tritt an der rinde milchsaft aus und die mulde vertieft sich