Nachtschmetterlinge - Mohsin Hamid - E-Book
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Nachtschmetterlinge E-Book

Mohsin Hamid

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Beschreibung

Es ist Sommer in Lahore, und die Erde wackelt, weil unter ihrer Oberfläche Atombomben getestet werden. Doch der 29-jährige Daru hat ganz andere Probleme, nachdem er den gut bezahlten Job bei einer Bank verloren hat. Weil er die Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann, sitzt er schwitzend und bei Kerzenlicht in seiner Bude und raucht alles, was er kriegen kann. Als Darus Freund Ozi, der mit seiner schönen Frau Mumtaz aus Amerika zurückgekehrt ist, erfährt, dass Daru sein Geld mit Drogen verdient und damit endgültig die gesellschaftlichen Seiten gewechselt hat, wendet er sich von ihm ab. Aber Mumtaz ist noch fasziniert von Daru und Daru von ihr – wie Nachtschmetterlinge flattern sie im Licht ihrer ehebrecherischen Anziehung. Und während Mumtaz unter falschem Namen politische Skandale aufdeckt, gerät Daru immer weiter auf die schiefe Bahn …

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Es ist Sommer in Lahore, und die Erde wackelt, weil unter ihrer Oberfläche Atombomben getestet werden. Doch der 29-jährige Daru hat ganz andere Probleme, nachdem er den gut bezahlten Job bei einer Bank verloren hat. Weil er die Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann, sitzt er schwitzend und bei Kerzenlicht in seiner heruntergekommenen Bude und raucht alles, was er kriegen kann. Als Darus Freund Ozi, der mit seiner schönen Frau Mumtaz aus Amerika zurückgekehrt ist, erfährt, dass Daru sein Geld mit Drogen verdient und damit endgültig die gesellschaftlichen Seiten gewechselt hat, wendet er sich von ihm ab. Aber Mumtaz ist noch fasziniert von Daru, und Daru von ihr – wie Nachtschmetterlinge flattern sie im Licht ihrer ehebrecherischen Anziehung. Und während Mumtaz unter falschem Namen politische Skandale aufdeckt, gerät Daru mit dem Drogendealer und Rikschabetreiber Murad immer weiter auf die schiefe Bahn …

Mohsin Hamid, geboren und aufgewachsen in Lahore, Pakistan, studierte Jura in Harvard und Literatur in Princeton. Nach Stationen in New York und London lebt er heute mit seiner Familie wieder in Lahore. Nachtschmetterlinge wurde von der New York Times auf die Liste der bedeutendsten Bücher des Jahres 2000 gesetzt. Sein zweiter Roman, Der Fundamentalist, der keiner sein wollte, stand auf der Short List des Man Booker Prize und wurde von Mira Nair verfilmt. So wirst du stinkreich im boomenden Asien, sein dritter Roman, erscheint 2013 bei DuMont.

MOHSIN HAMID

NACHTSCHMETTERLINGE

Roman

Aus dem Englischenvon Thomas Mohr

eBook 2013

DuMont Buchverlag, Köln

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Mohsin Hamid

Die Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel Moth Smoke

bei Farrar, Straus and Giroux, New York.

© 2013 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln

Für die Übersetzung: © 2002 Thomas Mohr

Umschlag: glanegger.com, München

Umschlagabbildung: © Shutterstock/Beboy/Ardni

eBook-Konvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN eBook: 978-3-8321-8765-1

www.dumont-buchverlag.de

Für Nasim, Naved und Zebunnisa

Es heißt, dass der Kaiser Shah Jahan in dem Jahr, da er am Magen erkrankte, eines Abends einen Sufi-Heiligen nach der Zukunft des Mogulreiches befragte.

»Wer wird nach mir den Thron besteigen?«, erkundigte sich Shah Jahan.

»Nennt mir die Namen Eurer Söhne«, antwortete der Heilige.

»Dara ist mein Ältester.«

»Nach Daras Schicksal müsst Ihr Iskandar befragen.«

Der Kaiser wackelte nervös mit den Zehen. »Shuja ist mein zweiter Sohn.«

»Aber Shuja ist nicht shuja.«

»Wie steht es mit Murad?«

»Murad wird seine Murad nicht erfüllen können.«

Der Kaiser schloss die Augen. »Aurangzeb ist mein Jüngster.«

»Ja«, sagte der Heilige. »Er wird aurangzeb werden.«

Der Kaiser blickte über die weite Ebene auf die Pracht des noch unvollendeten Grabmals für seine Frau und befahl seinen Arbeitern, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Das Mausoleum musste fertig werden, bevor der Erbfolgekrieg begann.

Der Heilige sollte recht behalten. Aurangzeb wurde zum Kaiser gekrönt und erlangte von den Gottesgelehrten eine Fatwa gegen seinen besiegten Bruder, klagte Dara Shikoh der Apostasie an und verurteilte ihn zum Tode.

Das Alamgirnama schildert diese Begebenheit wie folgt: »Dara Shikohs Lebenswandel verstieß gegen die Säulen des Glaubens. Daher befand der Kaiser, dass es, zum Schutze des Heiligen Rechts und aus Gründen der Staatsräson, verfehlt sei, ihn am Leben zu lassen.«

Der alternde Shah Jahan saß in Agra in Festungshaft und starrte auf den von ihm selbst erbauten Taj, als ihm sein jüngster Sohn das Haupt seines Ältesten als Geschenk übersandte. Vielleicht kamen ihm da erste Zweifel an der Erinnerung, dass seine Söhne einst, vor vielen Jahren, weit fort, in Lahore, friedlich miteinander gespielt hatten.

Wenn aus der verschwommenen Zukunft Vergangenheit geworden ist, verschwimmt auch die Vergangenheit.

 EINS 

In meiner Zelle wimmelt es von Schatten. Rostige Gitterstäbe schneiden das Licht der nackten Glühbirne, die auf dem Gang an einem Kabel baumelt, in schmale Streifen, die sich über den Betonfußboden und die Rückwand hinauf schlängeln. Die Menschen verlieren sich wie Flecken im einförmigen Grau.

Ich sitze da, und der Geruch des trocknenden Mageninhalts eines Mannes sticht mir in die Nase. Aus meiner Einbildung nähern sich die Schritte eines Wärters und werden Wirklichkeit, als sich seine dunkle Silhouette hinter der Gittertür abzeichnet und sein Schatten wie ein blinder Schleier über die Schatten in der Zelle fällt. Ich höre, wie der Mann, der sich eben übergeben hat, in eine Ecke huscht, dann ist es still.

Der Wärter ruft meinen Namen.

Nach kurzem Zögern stehe ich auf und trete an das Gitter, kerzengerade und mit hoch erhobenem Kopf, die Ellbogen an den weichen unteren Teil des Brustkorbes gepresst. Aus dem Schatten taucht die Hand des Wärters auf und streckt mir etwas hin; ich greife vorsichtig danach, in der Annahme, dass es gleich wieder zurückgezogen wird, was zu meinem Erstaunen jedoch nicht geschieht. Ich nehme es an mich und spüre einen flachen, spitzen Umschlag zwischen den Fingern. Der Wärter entfernt sich, bleibt unter der Glühbirne noch einmal stehen, hebt die Hand, berührt ganz sachte nur das Kabel und versetzt die Lampe in unruhige Schwingung.

Jemand flucht, mir wird schwindlig, und ich mache die Augen zu. Als ich sie wieder öffne, bewegen sich die Schatten kaum noch, und ich sehe, wie sich der Schmutz an meinen Fingern gegen das Weiß des Umschlags abhebt.

Mein Name in der Handschrift einer Frau, die ich gut kenne.

 URTEIL 

 (vor der Pause) 

Du sitzt mit einer schwarzen Robe und dezent gepuderter weißer Perücke auf dem Kopf am Richtertisch.

Das Ensemble betritt einer nach dem anderen das Set, einen Saal mit trüben Neonröhren und träge kreisenden Deckenventilatoren. Murad Badshah, der Komplize: gnadenlos fett, ein erstaunlich eloquenter Stotterer. Aurangzeb, der beste Freund: ungemein sexy, wie aus dem Ei gepellt, ein ehrenwerter Verräter. Und die strahlende, Motten verbrennende Mumtaz: Ehefrau, Mutter und Geliebte. Die drei Hauptdarsteller in diesem Prozess – Gefährten, Zeugen, Lügner, allesamt.

In ihrem Schlepptau zwei schwarzweißgekleidete Männer mit Raubvogelgesicht: beide bedrohlich, beide begierig, doch der eine groß und schlank, der andere klein und dick. Zwei Abbilder derselben Seele im kosmischen Spiegelkabinett oder ein sonderbarer Zufall? Schwer zu sagen. Ihre Augen schnellen nervös umher, ihre Lippen deklamieren stumme Litaneien der Macht und der Emphase. Jeder kennt sie, jeder weiß, worum es sich bei diesen Kreaturen handelt, handeln muss: um Anwälte, natürlich.

Es folgt eine wahre Flut von Adligen und Bürgerlichen, deren bunte Vielfalt sich dem Talent eines begnadeten Besetzungschefs verdankt. Sie nehmen leise murmelnd ihre Plätze ein, zurückhaltend, gemessen, jedes Zögern gründlich einstudiert. Eine kurze, aber meisterlich choreografierte Massenszene, und über alldem thronst du, wie ein erhabenes, in Marmor gehauenes Reiterstandbild.

Dann plötzlich Schweigen, Grabesstille. Aller Augen richten sich zur Tür.

Es tritt auf: der Angeklagte. Darashikoh Shezad.

Ein harter Bursche mit tiefen Schatten unter den Augen, an Händen und Füßen gefesselt, abgerissen, aufrecht, stolz. Er befindet sich in Begleitung zweier Wärter, und ja, die beiden sind breitschultrige Hünen, würden den Mann jedoch kaum schützen können, wenn er nicht in Ketten läge. Er ist der unheimliche Beinahe-Held einer grandiosen Geschichte: stark, tragisch und gefährlich. Er allein begegnet deinem Blick.

Dann nimmt er Platz, und es geht los.

Dein Hammer senkt sich wie der Hammer Gottes.

Vielleicht schießt dir noch eine Frage (Was mache ich hier eigentlich?) durch den Kopf, bevor sie im Nichts verschwindet wie ein Glühwürmchen im Bauch eines Frosches. Doch die Würfel sind gefallen. Es gibt kein Zurück.

Die Anklage wird verlesen.

Der Staatsanwalt erhebt sich, und seine Ausführungen klingen verdächtig nach Schlussplädoyer.

»Milord«, sagt er (an dich gewandt), »das hohe Gericht verhandelt heute einen Fall, der ebenso klar ist wie die Aufgabe des Henkers. Der Angeklagte hat seinen Kopf unter das Fallbeil der Gerechtigkeit gelegt, und, keine Frage, dieses Beil muss fallen. Denn an seinen Händen klebt Blut, Milord. Junges Blut. Das Blut eines Kindes. Er hat nicht vorsätzlich oder planmäßig getötet, nicht aus Wut oder niederen Motiven. Nein, er hat getötet, wie eine Schlange ein Tier zu töten pflegt, das sie nicht fressen will: Er hat aus Gleichgültigkeit getötet. Er hat getötet, weil es in seiner Natur liegt zu töten, weil ihm der Tod eines Kindes nichts bedeutet.

Es besteht nicht der geringste Zweifel, Milord; die Fakten sprechen für sich. Lassen Sie uns der Gerechtigkeit Genüge tun, Milord; das begangene Unrecht muss gesühnt werden. Die Menschheit schreit auf vor Entsetzen angesichts eines solchen Monstrums, und das Gewissen vergießt bittere Zornestränen. Recht und Gesetz lecken sich die Lippen bei der Aussicht, dieses Ungeheuer seiner verdienten Strafe zuzuführen, und Justitia darf heute getrost mit verbundenen Augen ihres Amtes walten.«

Der Staatsanwalt hält inne, und seine Worte flattern durch den Saal wie die grellen Schatten blanker Klingen im Flackerschein einer erlöschenden Kerze.

»Denn dies, Milord, ist sein Verbrechen …«

 ZWEI 

Ich halte das Lenkrad mit den Knien ruhig und fische die letzte unversehrte Zigarette aus einer zerdrückten Schachtel Flakes. Am Straßenrand stehen Bäume, aber leider nur auf einer – und noch dazu der falschen – Seite, so dass ihre langen Schatten in die andere Richtung laufen, flink und behände über Gartenmauern springen und sich feist grinsend über mich lustig machen, während ich in meinem Wagen schmurgle wie eine Schnecke auf heißem Asphalt.

Mit den Knien drehe ich das Lenkrad erst nach links, dann nach rechts, um einem ehrgeizigen Schlagloch auszuweichen, einem Riss, der offenbar ein Canyon werden will. Ich zwirble den Schaft der Zigarette, lockere den Tabak, lasse ihn langsam in meine schweißnasse Handfläche rieseln und reibe die Flake so lange zwischen Daumen und Zeigefinger, bis sie fast leer ist. Hin und wieder ein nervöser Blick auf die Straße, durch den Kreisbogen des Lenkrads über dem Armaturenbrett. Ein sanfter Druck aufs Gaspedal.

Ich ziehe den Aschenbecher heraus und kippe die Hälfte des Tabaks hinein. Dann nehme ich den Kompass, den ich schon länger habe als den Wagen, also eine kleine Ewigkeit, und spieße das Piece auf die rußgeschwärzte Nadel. In der Linken Tabak und Kompass, in der Rechten ein Plastikfeuerzeug, an dessen Zündrad ich jetzt drehe. Funken, aber keine Flamme. Funken, aber keine Flamme. Dann plötzlich Feuer und, als die blaue Zunge gierig an dem Haschischklumpen leckt, ein süßlicher Geruch, mit nahezu atemberaubender Wucht.

Nun das Haschisch in den Tabak krümeln und zerreiben. Die Hitze gibt den Nerven in den Fingerspitzen den Befehl, eine Botschaft ans Gehirn zu senden: leichter Schmerz. Gründlich kneten und mischen. Ich schiebe mir die leere Flake in den Mund, sauge am Filter und stopfe sie wieder, schnippe ein paarmal mit dem Daumennagel dagegen, tack, tack, tack, noch einmal, tack, tack, tack, und drehe dann das Ende zu. Mit den Schneidezähnen erwische ich eine Ecke des Filters und ziehe ihn vorsichtig heraus, wie eine Hündin, die ein Junges hochhebt. Ich reiße einen Streifen ab, damit der Rauch durchziehen kann, und schiebe den Rest wieder hinein, damit auch nichts herausfällt.

Ich zünde die Zigarette an und wische die Hasch- und Tabakreste von der Hand auf meine Jeans. Derweil ich im Ofen schmor, bau ich mir ein Ofenrohr. Nichts hilft einem besser über lange Nachmittage hinweg; ich bin zwar noch nicht allzu viel herumgekommen, weiß aber, dass die Nachmittage nirgends länger sind als hier, in Lahore, vor allem im Sommer.

Zwei Tropfen Visine, und es kann losgehen.

Die Sonne sinkt. Abend. Ich halte vor dem großen Tor in der hohen Mauer rings um Ozis Haus. Genauer gesagt, Ozis neues Haus. Sein altes Haus war kleiner. Ich bin leicht nervös, entweder weil wir uns seit ein paar Jahren nicht gesehen haben oder weil mein Haus noch genauso groß oder, besser, klein ist wie damals, als er wegging, deshalb strecke ich die Nase in den Rückspiegel und schaue mir tief in die Augen. Dann hupe ich zwei Wachmänner heraus.

»Sir?«, sagt der eine.

»Ich möchte zu Aurangzeb Sahib.«

»Ihr Name?«

»Sagen Sie ihm, Daru ist da.«

Mir wird aufgetan, und ich fahre eine Auffahrt hoch, die lang genug sein dürfte, um einem Fluchtflugzeug als Landebahn zu dienen und in der nicht nur einer, sondern gleich zwei bildschöne neue Pajeros stehen. Ja, Gott hat es gut gemeint mit Ozis Dad, dem Herrn Minister (a.D.) Khurram Shah, gegen den zwar oft ermittelt wurde, der sich aber nach wie vor auf freiem Fuß befindet.

Die Haustür öffnet sich, und ein Diener bittet mich herein und führt mich eine Treppe hinauf. Die Zeit hat Ozis Gesicht reifen lassen und ihn, wie mit zwei sauberen Schnitten eines Obstmessers, skalpiert. Wir verbeugen uns mit ausgebreiteten Armen, verharren einen Augenblick in dieser Pose und grinsen uns an. Dann fallen wir uns um den Hals, und er hebt mich hoch. Ich klopfe ihm auf den Rücken und quetsche ihm obendrein die Luft ab. Weder er noch ich sagen hallo.

»Du hast ja eine Glatze«, rufe ich aus.

»Danke, Yaar«, antwortet er.

Mumtaz stellt sich vor mich hin und küsst mich auf die Wange.

»Hallo, Daru«, sagt sie. Heisere Stimme, vom Asthma gebeutelt: trockene Strände, windgepeitschter Sand. Sehr sexy, aber da ist für mich nichts zu holen.

Ich versuche ein argloses Begrüßungslächeln aufzusetzen. Es verfängt sich zwischen meinen Zähnen. »Hallo, Mumtaz.«

»Und das hier«, sagt Ozi und stemmt einen erschöpften kleinen Jungen hoch, »ist Muazzam.«

Muazzam fängt an zu weinen, schlingt seinem Vater die Arme um den Hals und verbirgt das Gesicht darin.

»Du konntest ja immer schon sehr gut mit Kindern«, sagt Ozi zu mir.

»Er ist müde«, meint Mumtaz. »Am besten bringst du ihn ins Bett.«

Der Junge stößt ein gedämpftes »Nein« hervor.

Wir setzen uns auf niedrige Sofas, die wie schwarzgepolsterte Metallspinnen aussehen. Mumtaz beobachtet mich, und ich schaue weg, weil sie wunderschön ist und ich sie nicht anstarren will. Ich habe sie seit der Hochzeit nicht gesehen, und ich muss betrunkener gewesen sein als bislang angenommen, denn mir fällt ein, dass ich schon damals dachte: Ozi hat verdammtes Glück gehabt.

»Scotch?«, fragt Ozi.

»Aber immer«, antworte ich.

Ozi will seinen Sohn bei Mumtaz abladen, doch die steht auf und sagt: »Ich mach das schon.«

»Findest du wirklich, dass ich eine Glatze gekriegt habe?«, will Ozi von mir wissen.

»Ich fürchte ja, mein Süßer«, sage ich, obwohl er durchaus noch ein paar Haare hat. Aber wer so eitel ist wie Ozi, muss sich diese kleinen Frotzeleien schon gefallen lassen.

Mumtaz holt eine ungeöffnete Flasche Black Label aus dem Schrank. Laut meinem Lieferanten steht der Black-Label-Kurs derzeit bei viertausend die Flasche. Ich halte mich an aus Indien eingeschmuggelten McDowell’s zu fünfundachtzig, ein auch für Normalverdiener erschwinglicher Preis. Aber Ozi kann sich einen guten Tropfen leisten, und bei Black Label sage ich nicht nein, vorausgesetzt ich muss ihn nicht bezahlen.

»Ozi behauptet immer, in jungen Jahren sei er ein echter Herzensbrecher gewesen«, sagt Mumtaz und knackt den Verschluss.

»Und ob«, antworte ich. »In eurer Hochzeitsnacht war in ganz Lahore kein Papiertaschentuch mehr zu kriegen.«

»Ich bin immer noch ein Herzensbrecher«, widerspricht Ozi und fasst sich an die Schläfen. »Ein bisschen nackte Haut ist doch sehr sexy.«

»Unbedingt.«

»In unserem Alter, mein behaarter Freund, geht es den Frauen nur noch ums Geld. Und die Haare, die auf meinem Konto sprießen, reichen für einen ganzen Harem.«

»Wie geschmackvoll«, meint Mumtaz und gibt mir einen Scotch, mit Eis und Wasser, wie es sich gehört. »Sind eigentlich alle Männer aus Lahore so?«

»Auf keinen Fall«, erwidere ich.

»Pass auf, Daru«, sagt Ozi und nimmt sein Glas entgegen. »Sie will einen Keil zwischen uns treiben.«

Mumtaz setzt sich neben ihn. Im Gegensatz zu uns trinkt sie ihren Whisky pur. »Da du einer der besten Freunde meines Mannes bist«, sagt sie, »habe ich für dich nur wenig Hoffnung.«

Ozi zwinkert mir zu.

»Aber wenig«, setzt sie hinzu, »ist immer noch besser als gar keine.«

»Prost«, sage ich. Wir stoßen an.

Es hat nichts Gutes zu bedeuten, wenn du einer Frau nicht in die Augen sehen kannst, besonders wenn es sich bei dieser Frau zufällig um die Gattin deines besten Freundes handelt. Schlimmer noch, ich starre Mumtaz unaufhörlich an und schaue sofort weg, wenn sie in meine Richtung blickt. Hoffentlich hat sie das nicht gemerkt, aber sicher bin ich mir da nicht. Andererseits mache ich mir vermutlich schon wieder viel zu viele Gedanken. Kifferparanoia.

Wir sitzen bei unserem zweiten Drink, als ich eine Packung Marlboro heraushole. »Zigarette?«

»Ich habe aufgehört«, sagt Ozi.

»Das kann nicht dein Ernst sein.« Der Ozi von früher rauchte eine halbe Schachtel täglich. Ehrlich gesagt habe ich seinetwegen überhaupt erst mit dem Rauchen angefangen, weil er so cool aussah, wenn er qualmend auf dem Dach seines alten Hauses saß.

»Ich bin jetzt Vater. Ich trage Verantwortung.«

»Für wen?«, frage ich. »Ich komme mir vor wie ein Waisenkind.«

»Du solltest auch aufhören.«

Ich halte ihm die Packung hin. »Na los. Nur eine. Zur Erinnerung an alte Zeiten.«

Er schüttelt den Kopf. »Nichts zu machen, Yaar.«

»Also, ich habe nicht aufgehört«, sagt Mumtaz und greift zu. »Und ich brauche dringend eine Zigarette.«

Ozi wirft Mumtaz über den Kopf ihres Sohnes hinweg einen strafenden Blick zu.

»Er schläft«, sagt sie. »Warum bringst du ihn nicht ins Bett?«

Ozi trägt den Jungen aus dem Zimmer, und ich gebe ihr Feuer.

»In seiner Gegenwart habe ich Rauchverbot«, erklärt sie und nimmt eine Zeitung vom Couchtisch. »Liest du die?«

»Ab und zu. Heute steht eine interessante Reportage drin, über ein vermisstes Mädchen aus Defense. Die Polizei glaubt, dass ihre eigene Familie sie ermordet hat, weil sie einen Liebhaber hatte. Ihr Liebhaber behauptet, die Polizei hätte das Mädchen verschwinden lassen, nachdem eine Streife die beiden in flagranti erwischt und aufs Revier gebracht hatte. Und ihre Familie will von einem Liebhaber partout nichts gewusst haben. Komische Geschichte.«

»Habe ich auch gelesen. Von einem gewissen Zulfikar Manto.«

»Stimmt. Der Name sagt mir nichts. Trotzdem … guter Artikel.«

Sie nickt und starrt weiter auf die Titelseite.

»Apropos aufhören zu rauchen«, sage ich, als Ozi wieder da ist. So leicht kommt er mir nicht davon.

»Das bringt dich noch ins Grab«, meint er.

Ich schnippe Asche in den Aschenbecher. »Das ist doch kein Grund aufzuhören. Man muss Kosten und Nutzen sorgfältig gegeneinander abwägen.«

»Und worin liegt, bitte schön, der Nutzen?«

Wie zum Beweis breite ich die Hände aus und ziehe an meiner Zigarette. »Genuss, Yaar.«

»Hast du mir nicht erzählt, dass du es als Boxer nur deshalb zu nichts gebracht hast, weil das Rauchen deine Kondition ruiniert hat?«

Mumtaz hebt eine schwarze Augenbraue – die geschwungene Hälfte eines schlanken Fragezeichens – und lehnt sich zurück.

»Ruiniert ist vielleicht doch ein bisschen übertrieben«, entgegne ich.

»Du hast aber nie gewonnen.«

»Ich habe pausenlos gewonnen. Nur nie einen Titel.«

»Die Qualmerei kostet dich Jahre deines Lebens.«

»Die Qualmerei vertreibt die Langeweile. Ich habe mehr zu tun und weniger Zeit dafür.«

»Ich kenne keine Langeweile. Frau und Sohn halten mich auf Trab.«

Ich blicke zu Mumtaz mit der Zigarette in der Hand, verkneife mir jedoch den Hinweis, dass die Freuden ihres Daseins als Ehefrau und Mutter das gelegentliche Verlangen nach einer Kippe offenbar keineswegs zunichtegemacht haben.

»Was für ein Mensch«, fragt Mumtaz und pafft, »versucht jemanden zum Rauchen zu verführen?«

»Allenfalls ein guter Freund«, antworte ich. »Wer sonst sollte sich die Mühe machen?«

»Zu spät«, sagt Ozi. »Ich habe seit drei Jahren keine Zigarette mehr angerührt.«

»Du warst ja auch in Amerika«, entgegne ich. »Von Gesundheitsfanatikern umgeben. Wetten, dass ich dich in spätestens vier Wochen wieder auf den Geschmack gebracht habe?«

»Verdirb ihn mir nicht«, ermahnt mich Mumtaz, zieht die Beine aufs Sofa und lehnt den Kopf an Ozis Schulter.

»Ich habe noch nie jemanden verdorben«, sage ich.

»Ich glaube dir kein Wort«, sagt Mumtaz.

Da sie ihre Zigarette nicht richtig ausgemacht hat, liegt sie noch immer qualmend im Aschenbecher. Ich drücke meine so lange darauf aus, bis beide aufhören zu glühen. »Ich lüge nie«, lüge ich.

Sie lächelt.

Ziemlich angetrunken breche ich auf. Alles in allem gar nicht so übel, unser Wiedersehen. Ozi und Mumtaz bringen mich zur Tür, wir geben uns die Hand beziehungsweise ein Küsschen auf die Wange, und los geht’s, ab nach Hause, im Schatten der brennend heißen Flamme des Mondes, der größer, heller und gelber leuchtet als sonst. Die Luft steht, und wegen des Smogs sind am Himmel weder Wolken noch Sterne zu sehen. Der Asphalt saugt an den Reifen meines Wagens. Eine herrliche Nacht für einen Joint, aber ich bin, glaube ich, zu breit, um mir noch einen zu drehen, außerdem hätte ich besser aufpassen sollen, denn ich bin in eine Verkehrskontrolle geraten, und zum Umkehren ist es zu spät. Ich muss anhalten. Ich zünde mir eine Zigarette an, um meine Fahne zu kaschieren, und kurble das Fenster herunter.

Eine Taschenlampe blendet mich, so dass ich kaum mehr als einen Schnäuzer erkennen kann. »Fahren Sie rechts ran«, sagt der Schnäuzer.

Ich gehorche.

»Führerschein«, sagt der Schnäuzer. »Und Fahrzeugschein.«

Ich gebe ihm die Papiere und überlege, wie ich ihn bestechen könnte. Hoffentlich riecht er den Whisky nicht.

»Aussteigen«, sagt der Schnäuzer.

Sie durchsuchen meinen Wagen: Kofferraum, Handschuhfach, unter den Sitzen. Nichts. Mit etwas Glück lässt mich der Schnäuzer laufen. Aber ich habe kein Glück, und er schnüffelt weiter.

»Woher kommen Sie?«, will der Schnäuzer wissen.

»Von meinen Eltern.« Nie verkehrt.

»Und wo wohnen Ihre Eltern?«

»Im Truppenlager.« Polizisten haben eine Heidenangst vor der Armee.

Er lächelt, und ich denke: Mist, er hat den Whisky gerochen. So ist es.

»Haben Sie getrunken?«, fragt er.

»Was ist denn das für eine Frage? Ich bin ein guter Moslem.« Blöde Antwort. Er weiß, dass ich betrunken bin. Ich sollte lieber um Vergebung betteln und ihm ein paar Scheine zustecken.

Weitere Schnäuzer kommen hinzu. »Dann nehmen wir den guten Moslem doch mit aufs Revier«, meint einer.

»Wissen Sie, welche Strafe auf Alkoholgenuss steht?«, fragt der erste Schnäuzer.

»Ewige Verdammnis?«

»Nein, im Diesseits. Wissen Sie, wie viele Jahre Sie dafür hinter Gitter wandern können?«

Ich finde, jetzt reicht’s. Am besten zücke ich schon mal mein Portemonnaie, nur für den Fall, dass einer von diesen Typen ein miesgelaunter Fundi ist. »Können wir das denn nicht anders regeln?«, frage ich.

»Wie soll ich das verstehen?«

»Was halten Sie von einem Bußgeld?«, schlage ich vor.

»Hinter Gitter mit ihm«, murmelt einer der Schnäuzer.

Der erste Schnäuzer nimmt mich beiseite. »Es handelt sich hier um ein schwerwiegendes Vergehen, aber wie ich sehe, bereuen Sie, was Sie getan haben. Geben Sie mir zweitausend, dann überrede ich die anderen, Sie laufen zu lassen.«

»Ich habe aber keine zweitausend«, sage ich erleichtert, in der Hoffnung, dass er mit sich feilschen lässt.

»Wie viel haben Sie denn?«

Ich zähle die Scheine in meinem Portemonnaie. »Siebenhundertdreiundachtzig.«

»Geben Sie her.«

»Der Tank ist fast leer. Lassen Sie mir die dreiundachtzig.«

»Meinetwegen.«

Ich fahre davon, in einem betrunkenen Taumel, der sich früher oder später in einem Wutanfall entladen wird; ich kann es mir nämlich nicht leisten, siebenhundert Rupien zum Fenster rauszuschmeißen. Aber noch bin ich ziemlich voll und rausche mit Schwung und einem Grinsen um die Kurven, das so wenig zu meinen Augen passt, dass es scheint, als hätte ich zwei Gesichter. Falls eine Kamera mein Leben filmt, fährt sie jetzt nach oben, immer weiter, bis von mir nur noch zwei heimwärts schlingernde Scheinwerfer zu sehen sind.

Ich liege zusammengekuschelt unter der Bettdecke in meinem kühlen Zimmer, als ich trotz des Summens der Klimaanlage ein Geräusch höre, das ich lieber nicht hören würde. Manucci klopft an meine Tür.

»Sahib, das Frühstück ist fertig«, ruft er.

Das macht Manucci nur, wenn ich verschlafen habe. Ich sehe auf meinen Wecker: zehn vor neun. Ich müsste eigentlich längst weg sein. »Frühstück!«, belle ich. Nachdem ich mich beim Rasieren unter der Dusche geschnitten habe, steige ich in einen Anzug und versuche das Wasser hinunterzustürzen, das Manucci mir gebracht hat, aber es ist so kalt, dass ich es langsam trinken muss. Ich habe Bauchschmerzen und einen dicken Kopf – ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Black Label gestern Abend doch nicht echt war –, und an meinem Hemd fehlt ein Knopf.

Ich schnappe mir meine Aktentasche, schaufele mir mit einer Scheibe Toast ein paar Brocken Rührei in den Mund und marschiere zur Tür hinaus. Mitten in der Auffahrt, direkt vor dem Tor, liegt ein Hund, der sich nicht von der Stelle rührt, auch nicht, als ich ihn anschreie und einen Stein nach ihm werfe. Ich suche einen Stock, kann aber keinen finden, deshalb gehe ich mit leeren Händen nachsehen, ob er tot ist. Ja. Er kann noch nicht sehr lange tot sein, denn blutgeblähte Zecken hängen wie Trauben an seinen Ohren. In letzter Zeit sieht man viele tote Hunde: Sie verenden in der Hitze. Als ich ihn mit dem Fuß zu dem Abfallhaufen neben dem Tor bugsiere, stelle ich fest, dass er schon steif ist und die Sehnen sich wie straffe Seile um seine Knochen schlingen.

Kleine Häuser, die sich an schulterhohe Gartenmauern kauern, würgen hier und da einen verspäteten Bewohner auf die enge Straße. Verglichen mit den quietschrosa getünchten, säulenbewehrten Monstrositäten in der Nachbarschaft nimmt sich meine bescheidene Behausung eher schmucklos aus. Ein grauer Zementblock mit rechteckigen Fenstern und zwei viel zu schmalen Balkons sowie der beste Baum im ganzen Viertel, ein Banyan, der schon seit einer halben Ewigkeit hier steht und dem brachen Fleckchen, das ich meinen Vorgarten zu nennen pflege, Schatten spendet.

Ich fahre schnell, von Zeit zu Zeit stößt mir das Rührei auf, und denke mit Schrecken an den Termin um zehn, auf den ich gut und gern verzichten könnte. Trotzdem bin ich alles andere als glücklich, als der Motor absäuft und mir ein geübter Blick verrät, dass ich kein Benzin mehr habe. Ich versuche es mit dem letzten bisschen Schwung bis zur nächsten Tankstelle zu schaffen, aber es ist zu viel Verkehr, und ich muss bremsen. Ich ziehe mein Jackett aus, kremple die Ärmel hoch, mache die Tür auf und schiebe den Wagen mit einer Hand am Lenkrad an den Straßenrand. Die Leute hupen mich im Vorbeifahren an, und mein weißes Hemd bekommt die ersten feuchten Flecken.

Ich gehe den knappen halben Kilometer bis zur Tankstelle zu Fuß und erwerbe einen Kanister Normalbenzin und einen Trichter. 9Uhr48. Reichlich von dem kostbaren Nass verschüttend trabe ich den Weg zurück, schlucke den dunklen Qualm, den die Busse in meine Richtung spucken, und spüre, wie brennender Schweiß mir aus den Brauen in die Augen rinnt. Ich lasse den Wagen wieder an, lenke mit einer Hand, knöpfe mir mit der anderen das Hemd auf und trockne mich mit einem Lappen ab.

Um elf Minuten nach zehn bin ich im Büro und schlottere, weil ich schweißgebadet bin und die Klimaanlage in der Bank wie üblich auf Hochtouren läuft. Ich rieche wie eine Autowerkstatt bei Windstille und sehe vermutlich furchtbar aus.

Als Raider mich erblickt, schüttelt er den Kopf. Raider heißt eigentlich Haider und träumt davon, Spezialist für feindliche Übernahmen an der Wall Street zu werden. Er trägt als Einziger in unserer Bank Hosenträger.

»Mach dich auf was gefasst, Yaar«, sagt er.

»Ist er da?«, frage ich.

»Ist er schon mal zu spät gekommen?«

»Ist er sauer?«

»Gelächelt hat er jedenfalls nicht.«

Raider meint meinen Kunden Malik Jiwan, einen Großgrundbesitzer vom Lande mit einer halben Million US-Dollar auf dem Konto, einem Sitz in der Provinzversammlung und zusammengewachsenen Augenbrauen, die aussehen wie ein zweiter Schnurrbart. Zu seinen Hobbys zählen der erbitterte Kampf gegen die allgemeine Schulpflicht und die Behinderung der Volkszählung. Jetzt sitzt er hinter meinem Schreibtisch, auf meinem Stuhl, und rotiert gebieterisch.

»Sie kommen zu spät«, sagt er.

Das hat mir gerade noch gefehlt. »Entschuldigen Sie, MrJiwan, aber mein Wagen …«

»Macht nichts. Ist mein Scheck schon verbucht?«

»Ihr Scheck?«

Er streicht sich den Bart und sieht mich schweigend an.

Ich rufe mir ins Gedächtnis, weshalb der liebe Gott uns Bankern Knie geschenkt hat: um vor unseren Kunden zu kriechen. »Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge. Welcher Scheck?«

»Der Scheck über dreißigtausend US-Dollar, den ich Ihnen gegeben habe.«

»Ich frage mal eben nach.« Ich rufe beim Kundenservice an und gebe Jiwans Kontonummer durch. »Ist leider noch nicht verrechnet.«

»Das gibt’s doch nicht. Ich habe ihn schon vor einer Woche eingereicht.«

Ich genieße sein Unbehagen. »Bei Auslandsschecks kann das schon mal etwas länger dauern.«

»Habe ich Sie nicht gebeten, sich persönlich darum zu kümmern?«

»Ich kann mich nicht entsinnen, MrJiwan.«

»Ich aber.«

Wie schön für dich. »Versuchen Sie es doch beim nächsten Mal mit einem Barscheck.«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

Gott bewahre. »Nein«, sage ich.

»Junger Mann, Ihr Grinsen gefällt mir nicht.«

Ich bin doch keiner von deinen Lakaien, du Arsch. Und jetzt runter von meinem Stuhl. »Ich möchte keineswegs impertinent erscheinen, MrJiwan.«

»Dann schlagen Sie gefälligst einen anderen Ton an.«

Wie jeder gute Banker weiß, hat Gott vor den Tag des Jüngsten Gerichts die Nacht der Insolvenz gestellt. Und ich habe mir fest vorgenommen, in besagter Nacht ein oder zwei meiner eher schwierigen Kunden heimzusuchen. Aber noch ist meine Bank liquide, und meine Reaktionsmöglichkeiten auf MrJiwans Versuch, in meinem Büro die Feudalherrschaft wieder einzuführen, sind begrenzt. »MrJiwan, ich gebe mir wirklich alle Mühe, Ihren Ansprüchen gerecht zu werden.«

»Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?«

Langsam verliere ich die Geduld. »Durchaus.«

»Ich kann Sie ohne weiteres auf die Straße setzen lassen.«

»Drohen Sie mir nicht, MrJiwan. Ich arbeite nicht für Sie. Sie sind ein Kunde dieser Bank, und wenn Sie nicht zufrieden sind, steht es Ihnen frei, woandershin zu gehen.«

»Wir werden ja sehen, wer hier woandershin geht. Ich möchte Ihren Filialleiter sprechen.«

»Aber gern.« Äußerlich gefasst, damit er nicht merkt, wie ich mich winde, begleite ich ihn zum Büro des FL. Dass der FL MrJiwan mit beiden Händen das Pfötchen schüttelt und noch dazu eine Verbeugung andeutet, lässt nichts Gutes ahnen.

»Ghulam«, sagt MrJiwan, »Ihr Boy hat mich beleidigt.«

»Machen Sie die Tür zu, MrShezad«, sagt der FL. »Worum geht’s?«

Angriff ist die beste Verteidigung. »Sir«, beginne ich.

»Nicht Sie«, sagt der FL. »Malik Sahib, bitte erklären Sie mir, worum es geht.«

»Ich habe Ihren Boy gebeten, sich persönlich um einen Scheck zu kümmern. Als ich heute feststelle, dass er dieser Bitte nicht nachgekommen ist, schimpft er mich einen Lügner und behauptet, ich hätte nichts dergleichen gesagt. Er wird unhöflich, und als ich mich über sein Benehmen beklage, erhebt er die Stimme gegen mich und rät mir, mich an eine andere Bank zu wenden.«

Mein FL starrt mich durchdringend an. »Das kann ich unmöglich durchgehen lassen, MrShezad.«

»Wenn ich Ihnen meine Sicht der Dinge schildern dürfte, Sir.«

»Sie haben Malik Sahib empfohlen, sich an eine andere Bank zu wenden?«

»Nun ja, Sir …«

»MrShezad, das ist beileibe nicht das erste Mal, dass sich einer unserer Kunden über ihr Verhalten beschwert. Sie bewegen sich auf äußerst gefährlichem Terrain. Beantworten Sie meine Frage.«

»Nein, Sir, habe ich nicht.«

»Wollen Sie etwa behaupten, dass ich lüge?«, fragt MrJiwan.

Ein schlechter Tag. Genauer gesagt, ein schlechter Monat. Außerdem kann sich ein Mensch, der wie ich etwas auf sich hält, von diesen größenwahnsinnigen Idioten schließlich nicht alles gefallen lassen. Also mache ich meinem Ärger Luft. »Das hier ist eine Bank, MrJiwan, und nicht Ihre Dienstbotenunterkunft. Wenn Sie besseren Service wünschen, legen Sie sich erst mal anständige Manieren zu.«

»Das reicht!«, brüllt der FL.

Ich habe ihn noch nie brüllen hören.

Seine Stimme bringt mich wieder zur Vernunft. Was mache ich hier eigentlich? Angst schnürt mir die Kehle zu, und ich fuchtele mit den Händen, als würde ich die falsche Lösung einer Mathematikaufgabe von einer Tafel wischen. »Ich bitte um Verzeihung, Sir«, murmele ich. »Verzeihung, MrJiwan.«

Die beiden sehen mich schweigend an.

»Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist«, setze ich hinzu. »Es kommt auch bestimmt nicht wieder vor. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«

»Sie sind entlassen, MrShezad«, sagt der FL.

Ein kurzer Ausflug ins Surreale, als würde man auf einem Trip der eigenen Mutter über den Weg laufen. Entlassen? Ich? Noch dazu fristlos? Kann das sein?

Reiß dich zusammen.

»Bitte, Sir«, sage ich.

»Nein, MrShezad.«

»Ich bitte Sie, Sir. Bitte.«

»Nein.«

Ich mache auf dem Absatz kehrt, verlasse das Büro des FL und schleiche zu meinem Schreibtisch. Ich sehe mich darauf um, und es gibt so viel zu tun, so viel Arbeit, die ich noch erledigen muss. Und erledigen will. Aber ich kann mich nicht konzentrieren. Mir läuft die Nase, die salzige Flüssigkeit rinnt mir in den Mund, und meine Wangen glühen, obwohl ich friere.

Alle starren mich an. Wissen sie es etwa schon? Ich möchte ihnen sagen, dass es sich um einen Irrtum handelt, aber stattdessen stiere ich auf meine Schreibtischplatte. Tu so, als ob nichts wäre. Bloß nicht auffallen.

Der FL begleitet MrJiwan hinaus. Ich nehme einen Stift und wühle in Papieren. Keiner sagt etwas. Alles wird gut.

Plötzlich steht jemand vor meinem Schreibtisch. Wenn ich ihn nur lange genug ignoriere, verschwindet er bestimmt auch wieder.

»MrShezad.«

Ich hebe den Kopf. Es ist der FL. In Begleitung eines Wachmanns.

»Ja, Sir?«

»Sie sind entlassen, MrShezad.«

»Sir, ich bedaure die Sache wirklich sehr. Aber bitte entlassen Sie mich nicht. Ich verzichte auch auf ein Monatsgehalt.«

»Sie haben offenbar gravierende psychische Probleme, MrShezad. Ihre Abfindung geht Ihnen dann per Einschreiben zu. Und jetzt hören Sie endlich auf zu jammern, nehmen Sie Ihre persönlichen Gegenstände und gehen Sie nach Hause.«

»Muss ich vorher noch ein Formular ausfüllen?«

»Nein, MrShezad. Verschwinden Sie.«

Er lässt mich nicht aus den Augen. Ich suche meinen Schreibtisch nach persönlichen Gegenständen ab, kann aber beim besten Willen keine finden. Ich schnappe mir meine Aktentasche. Und los – einen Fuß vor den anderen. Als der Wachmann mir die Tür aufhält, starre ich stur geradeaus. Ich lasse den Wagen an. Und fahre los. Wohin? Nach Hause. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, drücke ich Manucci die Aktentasche in die Hand. Ich gehe in mein Zimmer, werfe die Tür hinter mir ins Schloss, verriegele sie, ziehe den Vorhang zu, reiße mir die Kleider vom Leib, krieche unter die Decke, rolle mich im Dunkeln zusammen und will nur noch eins: schlafen, schlafen, schlafen.

Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich geschlafen oder nur Wachträumen nachgehangen habe, doch plötzlich öffne ich unter der Bettdecke die Lider und bin wieder da, im Hier und Jetzt. Ich fühle mich fiebrig und bin schweißgebadet, aber das liegt vermutlich daran, dass ich weder die Klimaanlage noch den Ventilator eingeschaltet habe. Nnnh, ich muss dringend aufs Klo.

Ich sitze vornübergebeugt auf der Toilette und spüre den feuchten Film auf meiner Haut, in meinen Bauchfalten. Ich habe flüssigen Durchfall. Er brennt. Ich greife zum Lota und wasche mich.

Dann trete ich nackt an mein Schlafzimmerfenster, ziehe den Vorhang auf und sehe eine schwellende, überreife Sonne am Horizont.

Da fällt mir ein, dass ich Ozi und Mumtaz versprochen habe, sie zu einer Party zu begleiten. Als sie mich abholen, trägt Mumtaz ein kleines, schulterfreies Schwarzes. Sie küsst mich auf die Wange. Ihr Duft steigt mir in die Nase.

»Fehlt dir was?«, fragt sie. In ihrer rauen Stimme schwingt Besorgnis mit.

»Ich fühle mich nicht gut.«

Sie lächelt mitfühlend. »Was hast du denn?«

»Mein Magen spinnt.«

»Nimm ein paar Kohletabletten, und dann los«, sagt Ozi.

»Ich komm nicht mit.«

»Tu mir das nicht an, Yaar«, sagt Ozi, kehrt die Handflächen nach oben und legt den Kopf schief.

»Mir geht’s beschissen.«

»Na und? Morgen früh geht es uns allen so. Du hast bloß einen kleinen Vorsprung.«

»Sorry, Yaar. Ich komm nicht mit.«

»Und ob du mitkommst. Ich bestehe darauf.«

»Schau mich doch an: Ich bin nicht angezogen und sehe furchtbar aus.«

»Als ob das was Besonderes wär. Schmeiß dich in ein paar Klamotten, und dann ab. Wir warten im Wagen auf dich.«

Benommen steige ich in eine schwarze Jeans und ziehe ein schwarzes T-Shirt an, dazu einen schwarzen Gürtel und schwarze Slipper. Dann schiebe ich ein Piece in eine halbvolle Zigarettenschachtel und gehe nach draußen.

»Partnerlook«, sagt Ozi mit einem süffisanten Seitenblick zu Mumtaz und mir.

Ich quetsche mich auf den Rücksitz von Ozis Pajero. Ich bin noch nie in einem Pajero mitgefahren. Er hat mehr gekostet als mein Haus und geht ab wie ein Stier, ein blindwütiges Kraftpaket. Ozi gibt Gas und vertraut darauf, dass man ihm Platz macht. Hin und wieder, wenn er einen Rivalen nur um Haaresbreite verfehlt hat und gegensteuern muss, um ihn nicht zu zerquetschen, fängt der Motor des Pajero beleidigt an zu grollen, und Ozi flucht.

»Blöde Sau.«

»Die Ampel war rot«, gibt Mumtaz zu bedenken.

»Na und? Er hat mich doch kommen sehen.«

»Es gibt so etwas wie Verkehrsregeln.«

»Und die erste lautet: Dicke Wagen haben Vorfahrt.«

Einer seiner Lieblingssprüche. Hab ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört. Ich muss daran denken, wie Ozi und ich in seinem 82er Corolla durch die Stadt rasten, die nackten Füße schwitzend in ausgelatschten Segelschuhen, und Mädels verfolgten, den Boulevard rauf und runter, uns ihre Autonummern merkten und dabei den Bullen aus dem Weg zu gehen versuchten, weil wir beide keinen Führerschein hatten. Mit kurzgeschorenen Haaren, Schulfrisuren. Dopegeröteten Augen hinter seiner Sonnen- und meiner Pilotenbrille. Und Aufklebern von Universitäten, die ich nie von innen sehen sollte, an der getönten Windschutzscheibe. Poondi, in der guten alten Zeit: billiges Benzin, Schule schwänzen und mit zu viel Bass und noch mehr Höhen aufgenommene Heavy-Metal-Tapes. Ozi und ich hatten jede Menge Spaß zusammen. Bis er wegging.

Damals hätte ich ihm anerkennend auf die Schulter geklopft und ihm im Rückspiegel zugegrinst, heute nicht. Dazu bin ich zu erschöpft.

Als wir ankommen, ist die Party schon in vollem Gange. Vor dem Tor hat sich vorwiegend männliches Volk versammelt, das auf Einlass hofft. Es ist schließlich Sommer, und Partys sind spärlich gesät.

Ozi hält und hupt, und wir ernten böse Blicke.

»Tut mir leid, Sir, aber ich kann Sie nicht hineinlassen«, sagt ein Wachmann.

»Es wird Ihnen wohl kaum was anderes übrigbleiben. Ich parke drinnen.«

Der Pajero scheint Ozis Worten zusätzliches Gewicht zu verleihen, denn statt ihn auszulachen, sagt der Wachmann: »Aber wie sollen wir die ganzen Leute hier in Schach halten?«

»Das ist Ihr Problem. Wenn jemand reinwill, verpassen Sie ihm einfach eine.«

Der Wachmann verschwindet. Ozi lässt den Wagen langsam anrollen und drängt die Leute beiseite. Ich höre Flüche. Plötzlich geht das Tor auf, und wir fahren hindurch. Hinter uns schlagen sich zwei Wachmänner und mehrere Dienstboten mit der Menge herum.

Ozi und Mumtaz steuern schnurstracks auf das Haus und die Musik zu, und ich will ihnen eben hinterherscharwenzeln, als mich jemand am Arm packt. Es ist Raider; er vibriert geradezu vor nervöser Energie. »Scheiße, Yaar«, sagt er.

»Reden wir nicht drüber.« Ich habe jetzt wirklich keine Lust, über die heutigen Vorfälle zu sprechen. Außerdem bekomme ich von Raiders mitleidigem Blick schon wieder ein flaues Gefühl im Magen.

Er nickt und hebt beschwichtigend die Hände. »Du hast ja recht«, sagte er. »Diese Vollidioten. Nicht zu fassen, dass …«

»Lass gut sein.«

Raider tritt von einem Bein aufs andere und grinst mich an, mit völlig leerem Blick. »Du bist echt hart drauf, Yaar. Hammerhart. Morgens rausfliegen und abends Party machen, das hat Stil. Ich an deiner Stelle wär total im Arsch.«

Ich packe ihn an den Schultern. »Bitte halt den Mund.«

Er lässt den Kopf hängen. »Tut mir leid.« Dann fängt er wieder an zu grinsen. »Aber ich hab da genau das Richtige für dich.«

»Was denn?«

»E.«

Ich hätte mir denken können, dass er auf Droge ist. »Hier?«

Er nickt. »Geiles Zeug, Yaar. Knallt verdammt gut.«

Ich schüttele den Kopf. »Heute nicht.«

»Gerade heute. Ich weiß, wovon ich rede.«

»Wie viel?«

»Zweitausend.«

»Nichts zu machen, Yaar. Das ist zu viel.«

Raider lächelt. »Dann betrachte es als Geschenk.«

Genau deshalb wird Raider es mit Sicherheit noch nicht einmal bis nach Karachi, geschweige denn bis an die Wall Street bringen: Er ist zu großzügig. Er ist der Letzte, den man bei Verhandlungen auf seiner Seite haben möchte.

»Danke«, sage ich. »Aber ich kann nicht. Ein andermal.«

»Anruf genügt«, sagt Raider, plötzlich geknickt. »Ohne dich wird es in der Bank bestimmt stinklangweilig. Nur noch Indianer und keine Häuptlinge mehr.«

Ich klopfe ihm auf den Rücken und gehe davon.

Drinnen sehe ich die üblichen Szenevisagen, und es folgt das Unvermeidliche: umarmen, Hände schütteln, Küsschen hier, Küsschen da. Die heutige Party findet in einer Villa mit Marmorfußböden und sechs Meter hohen Decken statt. Der Besitzer hat sein Vermögen angeblich als Schmuggler gemacht, ein Gerücht, das vermutlich sogar der Wahrheit entspricht, andererseits jedoch auch die Vergeltung für seinen jüngst erworbenen Reichtum sein könnte.

Die Tanzfläche ist proppenvoll. Ozi und Mumtaz hotten zu Stayin’ Alive mächtig ab. Sie sind ein sexy Paar, ein willkommener Neuzugang, und ich kriege zufällig mit, wie die News die Runde macht wie eine Reuters-Meldung: »Aurangzeb und Mumtaz, zurück aus New York, supercool.« Information ist alles: Wer keinen Durchblick hat, dessen Kurswert fällt ins Bodenlose.

Nadira starrt in meine Richtung, während sie mit irgendeinem Typen tanzt, dessen durchgeschwitztes Hemd ihm am Rücken klebt. Ohne mich aus den Augen zu lassen, zieht sie ihn näher zu sich heran, reibt sich an seinem Körper und lässt die Hände seine Schenkel hinaufgleiten. Ich habe keine Ahnung, warum sie mir das antut, schließlich hat sie mit mir Schluss gemacht. Wie immer versuche ich sie zu ignorieren.

Da ich zum Tanzen keine Lust habe und die Bar überfüllt ist, wandere ich durchs Haus und gehe wieder in den Garten. Ich lasse mich auf einer schmiedeeisernen Bank im Dunkeln nieder und spanne.

Ich drehe mir einen Joint und beobachte Pärchen beim Streiten und Knutschen. Zwei Typen laufen auf und ab. Der eine scheint den anderen beruhigen zu wollen, aber sie sind so weit weg, dass ich sie nicht verstehen kann. Mehrere Leute sprechen in ihre Handys.

Da kommt eine Frau auf mich zu.

»Daru?«, ruft sie.

»Hier, Mumtaz.«

Sie setzt sich ans andere Ende der schmalen Bank, so weit wie möglich von mir weg.

»Wie hast du mich gefunden?«, frage ich.

»Ich hab dich rausgehen sehen. Was machst du hier?«

»Die Nachtluft genießen.«

Sie lächelt und senkt verschwörerisch die Stimme. »Sieht mir eher danach aus, als ob du einen Joint bauen würdest.«

»Ansichtssache.«

»Lässt du mich mal ziehen?«

Ich blicke zu Boden. »Wo ist Ozi? Er soll auch was davon haben.«

Sie deutet mit einem Nicken zum Haus. »Er ist drinnen und quatscht mit ein paar alten Schulfreunden. Außerdem raucht er schon lange kein Dope mehr.«

»Ich sehe schon, ich muss den Guten etwas härter an die Kandare nehmen«, sage ich. »Er hat vergessen, wo er herkommt.«

»Früher haben wir immer zusammen geraucht. Ich war stoned, als wir uns kennenlernten. Er hat getanzt. Ozi ist ein hervorragender Tänzer, weißt du.«

»Ja, ich weiß. Er ist ein Charmeur. Die Frauen fliegen förmlich auf ihn.« Ich bin mit Drehen fertig. »Willst du ihn holen gehen?«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, er soll sich ruhig amüsieren.«

Ich zünde den Joint an. Wir teilen ihn uns. Obwohl sie schon nach dem ersten Zug zu husten anfängt, zieht sie ein zweites Mal, bevor sie ihn mir wiedergibt. Ich enthalte mich jeglichen Kommentars und mache die Augen zu, während wir abwechselnd an dem Joint ziehen. Schließlich schnippe ich die Kippe in eine Hecke.

Wir schweigen. Ich starre vor mich hin.

»Was ist?«, fragt Mumtaz.

»Nichts. Ich hätte nicht mitkommen sollen.«

»Tut mir leid, dass Ozi dich gezwungen hat.«

»Das ist nicht das Problem. Ich hab einfach einen Scheißtag hinter mir.«

»Wieso? Was war denn los?«, fragt sie.