Narben auf der Haut und in der Seele - Gudrun Holtz - E-Book

Narben auf der Haut und in der Seele E-Book

Gudrun Holtz

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Beschreibung

Narben, die Zeichen des Lebens, gehören zu uns, aber sie werden versteckt. Die Frauen und Männer, die Gudrun Holtz fotografiert, offenbaren uns diese Zeichen ohne Pathos mit berührender Selbstverständlichkeit. Der unprätentiöse Blick und die Offenheit der Abgebildeten machen die Fotografien zu einem menschlichen Erlebnis. Ingo Taubhorn, Kurator Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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„Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ -Unbekannt

Innere Narben – unsichtbare Narben

Äußere Narben - sichtbare Narben

Wieso Narben?

Gudrun Holtz

Ich wurde mit einer Narbe in einem überlebenswichtigen Organ geboren. Nach der Geburt wurde ich direkt in ein anderes Krankenhaus verlegt. Drei Wochen hing ich am Tropf und wurde künstlich ernährt. Ich hatte blaue Hände und blaue Lippen. Jahrelang musste ich Tropfen schlucken zur Stärkung meines Herzens. Eine Herzkatheteruntersuchung im Kindergartenalter bestätigte, dass ich operiert werden müsste. Hinter mir lagen da bereits etliche Krankenhausaufenthalte, denn sobald ich Fieber bekam, musste ich in die Klinik. Lungenentzündungen, Fieber sowie Krankenhausaufenthalte prägten mein Leben, und mir wurde bewusst, körperlich nicht so belastbar zu sein wie meine gleichaltrigen Freunde und Freundinnen. Irgendwie befand ich mich immer in einer Sonderrolle, in der ich mich gar nicht befinden wollte, denn ich war ständig krank. Ich hasste es. Ich wollte dynamisch, energetisch und kraftvoll wirken. Doch körperlich tat ich es nicht. Es grenzte mich ab von meinen gesunden Freunden und Freundinnen.

Man kann sich gar nicht vorstellen, was es auch noch lange im Erwachsenenalter bedeutet, mit den Erfahrungen als Kind und Heranwachsende jahrelang Ärzten und dem Krankenhauspersonal ausgeliefert zu sein und seinen Körper präsentiere zu müssen. Meine eigene Einstellung zu meinem Körper war distanziert.

Jahre später kam die Wende, und zwar nach meiner Herzoperation in Kiel. Da war ich in der 2. Grundschulklasse. Ich lag nach der Operation bloß 24 Stunden auf der Wachstation und eine Woche auf der Intensivstation, danach wurde ich ins Klinikum Links der Weser nach Bremen verlegt. Meine Mutter begleitete mich im Krankenwagen auf dem Weg von Kiel nach Bremen. Als ich nach einem dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt entlassen wurde und zu Hause angekommen war, setzte ich mich erst einmal ins Kettcar meiner Nachbarin und fuhr darin die Straßen auf und ab, zum Leidwesen meiner Familie. Sie hatten Angst: Würde das Kind das auch schaffen? Mein Vater war da nicht mehr mit dabei, denn er starb zehn Tage vor meinem siebten Geburtstag, also anderthalb Jahre vor meiner Operation. Er war damals 50 Jahre, er selbst hatte einen angeborenen Herzfehler. Drei Herzinfarkte prägten sein Leben bis zu seinem Tod.

Damals im Kettcar wollte ich einmal unüberlegt losstürmen. Das hatte ich bis zu meiner Operation nicht tun können. Ich war schlichtweg zu schwach und zu kontrolliert. Kontrolle prägte mein Leben. Nach der gelungenen Operation dachte ich, dass ich endlich so wäre wie die anderen in meinem Umfeld. Schließlich bin ich gesund. Aber genauso wie die anderen, das bin ich bis heute nicht. Als Mensch habe ich keinen Filter mitbekommen. Eindrücke aus der Umwelt stürzen auf mich ein: Musik, Gerüche, Gespräche alles parallel. Ich bezeichne mich als Person mit einer Geräuschempfindlichkeit, kann intensiv auf visuelle Reize reagieren. Die intensive Wahrnehmung erlebe ich als Geschenk.

Bis heute bin ich keine Leistungssportlerin geworden. Aber ich bin gesund und tanze leidenschaftlich gerne Flamenco, Tango, Salsa, jogge und bin auch lange Strecken mit dem Rennrad unterwegs. Heute, 33 Jahre später, vertrete ich die Meinung, es sind positive Narben auf der Haut und auf der Seele. Mich haben meine Erfahrungen eben auf eine besondere Art für spezielle Situationen sensibilisiert. Ich bin überzeugt davon, dass die frühe Auseinandersetzung mit Leben und Tod den Menschen für sein Leben prägen und speziell sensibilisieren. Das Herz gilt als lebenswichtig, weil es Blut durch den Körper pumpt.

Die regelmäßigen Krankenhausaufenthalte überschatteten mein Leben noch bis zu meinem 14. Lebensjahr. Es gab immer etwas Neues. Das „Anderssein“ hat sich nie ganz aufgelöst. Der Kontakt zu Schicksalsgefährten, also Kindern mit angeborenen Herzfehlern, mit denen ich bereits früh konfrontiert war, die mit 14, 9 und 7 Jahren bereits ihr Testament schrieben, weil sie z.B. nicht wussten, ob ihre Körper ein transplantiertes Herz annehmen würde, prägt. Auch das eigene Bewusstsein darüber, dass da etwas einmal nicht in Ordnung gewesen ist und mich aus diesem Grund auch von vielem Alltäglichen, Normalen ausschloss, kennzeichnet mich. War ich nach der Herzoperation endlich körperlich kräftiger, zeigt sich seitdem aber eine Narbe auf meinem Oberkörper. Mich durfte jahrelang niemand in der Nähe dieser Narbe berühren, und ich selbst fand den Anblick extrem schmerzvoll, auf eine Art, wie ich es nicht in Worte fassen kann. Es ist eine tiefe Wunde. Der Brustkorb wurde aufgesägt und wird bis heute mit 4 Drähten zusammengehalten. Der fünfte Draht wurde mir mit 16 Jahren heraus operiert, weil er unter der Haut anfing zu wandern. Anfassen kann ich die Narbe bis heute schlecht. Mir war mein Oberkörper nach der Operation fremd geworden, aufgrund einer andauernden tief empfundenen Wunde, so stelle ich mir Phantomschmerzen vor. Die Wunde prägte mein Körpergefühl. Meiner Meinung nach ist das Selbstwertgefühl mit dem Körpergefühl verbunden. Im Teenageralter stand ich vor einem Spiegel vor einer Umkleidekabine. Dort stand eine weitere Frau, und wir guckten beide mit ausgeschnittenen T-Shirts in den Spiegel. Sie: „Oh, du hast eine Narbe.“ Ich: „Ja, leider. Ich mag sie nicht besonders.“ Sie: „Doch. Narben sind etwas Besonderes.“ In der Oberstufe sagte eine Klassenkameradin, dass Narben ihre eigenen Geschichten erzählen. Ich sollte gefälligst stolz auf meine Narbe sein. Mit Anfang zwanzig sagte mein damaliger Freund zu mir, dass ich mir doch einen Reißverschluss auf die Narben tätowieren sollte. Das war witzig gemeint, doch ich fand die Bemerkung kränkend. Wenige Zeit später bat ich eine Freundin, sie möge doch bitte meine Narbe fotografieren, und von da an war mir klar, irgendwann einmal würde ich etwas über das Thema Narben machen wollen. Mit Mitte dreißig erklärte mir meine damalige Amour fou einige Wochen nach unserer Begegnung, dass er bei unserem ersten Treffen dachte, ob er jemals meine Narben küssen dürfte. Ja, er durfte es, und das sehr gerne. Mit der Zeit schloss ich mehr und mehr Frieden mit der Narbe, aber das dauerte noch Jahre.

Meine Einstellung bezüglich meiner Narbe änderte sich vor allem aber auch durch die Arbeit während dieses Fotoprojekts. Als Impulsgeber für dieses Fotoprojekt und den Fotobildband bezeichne ich Enno Hungerland (WDR). Danken möchte ich Arne Wagenknecht, Daniel Peters, Wiebke Aits, Wilko Aits, Dr. Beate Walter, Martin Winter, Walter L. Mik, Frank Lindecke, Nicole Hasenjäger, Hubertus von Schwarzkopf, Jana Klasen, Anna Lüffe, Professor med. Keutel, Prof. C. Can Cedidi, Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Klinikum Bremen Mitte, meiner Herkunftsfamilie Eva Holtz geb. Rathjen, Joachim Holtz, Dagmar Holtz, Thomas Holtz, Günter Holtz und Anni Holtz, weil sie sich mit meiner Narbe und meiner Wunde auseinandersetzten. In meiner Familie bin ich nicht die Einzige mit einem angeborenen Herzfehler oder einer Herzoperation, und es sind auch ihre erlebten Geschichten, die mich motivierten, am Ball zu bleiben, und das über viele Jahre. 2012 ging es also los, und dieses Fotoprojekt entstand in Eigenregie und unabgesprochen. Die Personen, die sich haben fotografieren lassen, wollen ihre erlebten Geschichten erzählt wissen.

Die meisten Menschen haben eine kleine oder eine größere Narbe am Körper. Jede Narbe am Körper hat ihre eigene Geschichte. Die Narbe ist eine Gemeinsamkeit von Personen. Vier Jahren besuchte ich immer wieder Menschen in Deutschland, die bereit waren, mir ihre Narben zu zeigen, sich mit ihnen von mir fotografieren zu lassen und mir ihre Geschichte dazu zu erzählen. Es sind Menschen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen und Lebensläufen. Narben aufgrund von Verbrennungen, Herzoperationen, Kaiserschnitten, Kiefer-Gaumen-Spalten und anderen Ursachen. Ihre Narben lösten bei mir Fragen aus, was geschehen war und wie sie damit zurechtkamen.

In diesen Geschichten führen zwar die Narben zu den Traumata, aber es wird sichtbar, dass die Haut, das in seiner Fläche und Ausdehnung größte Organ des Menschen, vor allem ein sinnliches, verletzbares Organ ist, eine Grenzfläche zwischen Selbst und Welt, ein Ort der Ich-Bildung.

Ich führte mit jeder dokumentierten Person ein Interview, dem überwiegenden Teil der Männer und Frauen fiel es nicht leicht, mir ihre Geschichten hinter den Narben zu erzählen. Dasselbe war bei den Eltern der Fall, die mir ihre Erfahrungen mit ihren Kindern erzählten. Häufiger gab es in den Interviews ein Verstummen.

Die Fotos sind die Ergebnisse einer sehr konzentrierten Arbeit, die teilweise unter schnappschussartigen Bedingungen stattfinden musste. Es ist ein Versuch, die Gefühlsebenen fotografisch zu zeigen und auch das zu zeigen, was mit Worten schwer zu erzählen ist. Zu Beginn meiner Arbeit konnte ich mir bestimmte Haut nur mit Überwindung angucken, u.a. verbrannte Haut. Mittlerweile sehe ich veränderte Hautflächen mit ihrem neuen Erscheinungsbild schlichtweg als Kunst. Während des Fotografierens kam auch ich teilweise an die Grenzen dessen, was ich aushalten kann, aber mein Bestürztsein veränderte sich im Laufe der Zeit, und das hatte auch damit zu tun, wie die Betroffenen selbst mit ihren Narben umgehen. Irgendwann hörte mein Körper auf zu schmerzen, während ich mir die Geschichten anhörte und fotografierte. Alle Personen bis auf eine ließen sich lieber fotografieren, als dass sie mir ihre Geschichte hinter den Narben erzählen wollten. Für mich ist neben dem fotografieren das Filmemachen die Kunstform, in der ich alle wesentlichen künstlerischen Methoden einsetzen kann. Vieles im Leben dieser Menschen ist nicht mehr so wie bis zu dem Ereignis, das die Narbe verursacht hat, für die einen auf positive, für die anderen auch auf negative Weise. Die Körper von Personen mit Narben aufgrund von Brandunfällen sehen anders aus als vor ihrem Unfall. Menschen mit Herzfehlern wussten, dass sie mit einer Narbe auf ihrem Oberkörper nach der bevorstehenden Operation erwachen werden. Alle Personen schafften es, ihren veränderten Körper und die damit einhergehende veränderte neue Identität in ihr Leben zu integrieren. Sie bleiben offen für unbekannte Lebensabschnitte. Was es für sie bedeutet, seelische und körperliche Schmerzen, Überlebensängste, Operationen zu ertragen, aber auch ein verändertes Körperbewusstsein, und wie sie die Nähe zu Mitmenschen, das Berufsleben und die Freizeit gestalten, sehen wir auf den Fotos, die Raum für Interpretationen lassen. Es sind Fotos mit lebensbejahenden Menschen entstanden, die selbst dann eine Chance sehen, wenn die Situation ausweglos erscheint. Der Bildband möchte eine Brücke schlagen zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen. Betroffene legen keinen Wert darauf, bemitleidet zu werden, vielmehr wollen sie in ihrer schillernden Identität wahrgenommen sein, zu der auch ihre vernarbten Körper in ästhetisch-bildhafter Weise gehören. Entstehen Narben aufgrund einer Operation, so erreichen sie meistens nach einem halben Jahr ihre endgültige Form. Die Entscheidung, ob kosmetisch störende Narben entfernt werden sollen, liegt letztendlich bei jeder Person selbst. Aus ethischen Gründen raten Ärzte nur zu einer Narbenkorrektur, wenn durch die Narbe das Selbstwertgefühl beeinträchtigt ist. Während des Fotoprojekts besuchte ich einen Mann, 28 Jahre alt und in Bremen lebend, er hat fünf Operationen hinter sich, um seine verbrannte Haut in eine bessere Form zu bringen. Eine Chorleiterin, 41 Jahre, möchte sich nicht mit weiteren Operationen quälen, um die Narben um ihren Mund, die aufgrund eines Unfalls mit einem Küchengerät, den sie als Vierjährige erlitt, zu beseitigen. Sie benutzt aufgrund ihrer Narben keinen Lippenstift. Nie! Eine weitere Person, 22 Jahre, behauptet über sich, ohne ihre Herznarbe sei sie nicht dieselbe Person. Sie hatte vor einiger Zeit ein Foto eingescannt und ihre Narbe mit Fotoshop wegretuschiert. Ohne Narbe sei sie nicht die Person, die sie ist. Ihre Narbe gehöre zu ihr. Sie liebt ihre Narbe. Sie ist eine junge Frau, die dabei ist, ihren Platz im Leben zu finden, sowohl beruflich als auch privat. Während wir hier im Bildband die offensichtlichen Narben am Körper sehen, ist nicht zu leugnen, dass es eben neben den äußeren Narben auch für die Außenwelt nicht sichtbare Narben gibt. Die Narben auf der Seele.

Schönheit ist wichtig, sehr wichtig. Schönheit ist eine alltägliche Herausforderung. Sie findet ihren Ausdruck in Mode, Frisuren und Kosmetik, aber auch in grundlegenden Körpermerkmalen wie in Gewicht, Größe, Körperbau, Gesichtszügen und Haut. Der Facettenreichtum von Schönheit erklärt auch die große Vielfalt an Schönheitsidealen, die es in den unterschiedlichen Zeitepochen gab und gibt. In Burma gelten zum Beispiel Frauen mit Ringen um den Hals als schön. Sie werden als Langhalsfrauen bezeichnet. Ohne Ringe ist der Hals ausgemergelt und zeigt Narben. Schönheit hängt immer von der Deutung und vom sozialen Kontext ab.

Heutzutage entsteht allerdings immer mehr ein einheitliches Bild von Schönheit, das länder- und kontinentübergreifend gilt. Die geballte mediale Verbreitung von Bildern von schönen Menschen führt mehr oder minder zu einer weltweiten Vereinheitlichung von Körperidealen. Individualität und Unverwechselbarkeit der Körperformen werden oft nicht mehr als Bereicherung gesehen. Das betrifft Frauen und – (noch) in deutlich geringerem Maß – auch die Männer. Was schön ist, kann genau definiert, gemessen und gewogen werden. Die Botschaft in der Öffentlichkeit der Wer-will-der-kann-Ideologie lautet: Jeder ist für das Ergebnis seines Körpers selbst verantwortlich. Schönheit liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Das beinhaltet auch: Wer es nicht schafft, hat sich nicht ausreichend angestrengt.

Narben gehören nicht zu den heute geforderten, globalen Schönheitsmerkmalen. Sie entstehen als Folge von Unfällen oder Krankheiten und sollen möglichst wenig auffallen oder sichtbar sein. Sie sind ungewünschte Begleiterscheinungen. Warum fügen sich dennoch vor allem manche Frauen mit Absicht Narben zu? Auf einem der Fotos sehen wir die Narben auf den Armen einer Frau. Sie ist die einzige Person im Bildband, die sich ihre Narben selbst also willentlich zufügt. Beeinträchtigen Narben das persönliche Ansehen eines Menschen?

Das Selbstwertgefühl jedes Menschen scheint untrennbar mit dem Körpergefühl verbunden zu sein. Damit müssen sich alle Personen auf den Fotos auseinandersetzen. Das Aussehen beeinflusst die Art, wie ein Mensch von anderen auf den ersten Blick wahrgenommen wird.

Ich fragte die Frau, die sich selbst schneidet, während des Interviews nach ihren Beweggründen, sich die Narben willentlich zuzufügen:

„Mein kompletter Körper fühlt sich zu bestimmten Zeiten aufgeblasen an, als würde er platzen, buchstäblich explodieren. Die einzige Möglichkeit, mir Wohlbefinden zu verschaffen, ist es, mich zu schneiden. Mein Körper muss quasi ausbluten.“ Bei dieser Empfindung des Aufgeblasenseins und dem Drang, dieses zu verändern, geht es für sie darum, für ihre Emotionen ein Ventil zu finden. Was immer der- oder diejenige dabei auch fühlt, erscheint unerträglich, so unerträglich, dass eher der Schmerz durch das Schneiden in die Haut ertragen wird. Es scheint befremdlich, dass sich Menschen bewusst Narben an ihrem Körper zufügen, vor allem auf Grundlage der Erfahrungen der weiteren Personen in diesem Buch, die mit ihrem veränderten Körper aufgrund der Narben und den Geschichten hinter den Narben emotional zurechtkommen müssen. Mir war bisher das willentliche Zufügen von Narben nur von afrikanischen Stammesvölkern bekannt sowie durch Cuttings Body Modification. Ich begebe mich also weiter auf Recherche auch mit der Fragestellung, was die Narben beim Betrachter auslösen könnten.