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Die Krise überwinden … Für die meisten von uns ist eine Liebesbeziehung das Größte im Leben. Sie macht uns stark, sie macht uns glücklich und sie gibt uns Sinn. Aber die Liebe kann auch heimlich die Spur wechseln und fremd gehen. Eine Situation verbunden mit Trauer, Wut und Ohnmacht. Oft sind die Verletzungen und der Schmerz zu groß, so dass ein Weitermachen keine Option ist. Manchmal aber wollen wir trotz allem um die Beziehung kämpfen: aus Liebe, Verzweiflung oder auch Stärke. Wir sind erfahrene Paartherapeuten und haben viele Paare durch diese Situation begleitet. Auch nach mehreren Affären und jahrelanger Heimlichkeit ist es möglich, eine Beziehung unter bestimmten Voraussetzungen weiterzuführen. Für diesen Weg braucht es meist Hilfe und Unterstützung von außen, da er anstrengend, herausfordernd und kräftezehrend ist. In unserem Buch zeigen wir dir, wie so ein Weg aussehen kann. Wir beschreiben Möglichkeiten, die helfen können. Wir zeigen dir, wie eine Paartherapie ablaufen und um welche Themen es gehen kann. Das Leid bekommt Raum, aber auch die verdeckte Wahrheit, die hinter einer Affäre steht. Wir zeigen Zusammenhänge auf und sprechen über Möglichkeiten, die aus unserer Sicht helfen können. Es gibt keine Patentrezepte, kein festes Vorgehen. Aber Hoffnung, um aus dem Unmöglichen wieder etwas Mögliches zu machen. In unserem Buch geht es um: • Den Umgang mit aufgedeckten Affären • Räumliche Distanz • Vertrauen vs. Kontrolle • Den eigenen Anteil entdecken • Zuhören • Aufrichtigkeit • Zurückweisung • Vertrauen wieder aufbauen • Bedürfnisse • Selbstwert • Entscheidungen • Selbstbetrachtung • Ich-Anteile • Grenzen • Lebensgeschichte • Verdrängung • Ohnmacht, Trauer, Angst & Einsamkeit • Reue Wir erzählen die Geschichte eines Paares, das darum kämpft, zwei Affären zu überwinden. Wir nehmen dich mit in unsere Sitzungen, erläutern in Interviews unsere Vorgehensweise und lassen dich teilhaben am Prozess eines Paares. In dieser Geschichte geht es um viel Leid, aber auch um echten Fortschritt. Es zeigt, wie aus einer Krise eine Chance wird. Am Ende ist die Liebe etwas Schönes. Es lohnt sich, für sie zu kämpfen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 258
Veröffentlichungsjahr: 2024
Bella Leisten | Chrisch Leisten
Neue Wege für die Liebe
Wenn die Liebe fremd geht
Judiskamee Verlag Kleve
… zu lieben ist riskant,
es nicht zu tun, ist tausendmal riskanter …
Inhalt
Vorwort
Wenn die Liebe fremd geht
Weder vor noch zurück
Paartherapie: Das Erstgespräch
Info: Unsicherheit und Selbstzweifel
Info: Umgang mit aufgedeckten Affären
Interview
Eine Runde am See
Info: Leid
Paartherapie: Ein vorsichtiger Start
Info: Räumliche Distanz
Info: Fühlen & Handeln vs. Fühlen & Beschreiben
Interview
Ein denkwürdiges Telefonat
Info: Vertrauen vs. Kontrolle
Paartherapie: Feuerprobe
Übung: den eigenen Anteil erkennen
Interview
Der erste Schritt
Info: Zuhören
Übung: Zuhören
Info: Aufrichtigkeit
Übung: Aufrichtigkeit
Ein neuer Weg
Info: Zeitversetzte Kommunikation
Paartherapie: Ein neues Licht
Info: Spontane Wahrnehmung vs. Ideen
Interview
Funkstille
Niklas denkt nach
Paartherapie: Der Elefant ist zu Besuch
Info: Zurückweisung
Übung: Umgang mit Bedürfnissen
Interview
Alles auf Anfang
Ohne Macht, Ohnmacht
Paartherapie: Zeitreise
Info: Selbstwert
Übung: Empörung
Info: Entscheidung
Interview
Zwischenspiel
Ein erster Schritt
Paartherapie: Wie isst man einen Elefanten?
Info: Selbstbetrachtung
Interview
Arbeit, Arbeit …
Einzeltherapie: Niklas lernt
Info: Ich-Anteile
Übung: Ich-Anteile
Interview
Einzeltherapie: Fenja beginnt zu verstehen
Info: Grenzen
Info: Bedürfnisse
Interview
Einzeltherapie: Fenja reist in die Vergangenheit
Info: Lebensgeschichte und Beziehungsdynamik
Interview
Fortschritte
Paartherapie: Die Teile setzen sich zusammen
Info: Integration
Info: Verdrängung
Interview
Fenja und Niklas zeigen, was sie können
Ende gut, alles …
Paartherapie: Auf Wiedersehen
Info: Ohnmacht, Trauer & Angst
Info: Ohnmacht, Wut & Einsamkeit
Interview
Da wäre noch etwas
Paartherapie: Der Kreis schließt sich
Info: Reue
Interview
Adebar
Über uns
Du hältst den zweiten Band unserer Buch-Reihe ›Neue Wege für die Liebe‹ in den Händen. Das freut uns sehr. Vielleicht bist du hier, weil du schon das erste Buch gelesen hast und neugierig bist, wie es mit dem zweiten Paar weitergeht. Vielleicht bist du hier, weil du gerade selbst von dem Thema betroffen bist und Hilfe suchst. Unsere Bücher behandeln jeweils einen Themenschwerpunkt. Sie können also unabhängig voneinander gelesen werden. Infos zum ersten Teil findest du hinten im Buch.
Heute lernst du Fenja und Niklas kennen. Fenja deckt auf, dass Niklas wiederholt eine Affäre hat und dies stürzt ihre Beziehung in eine große Krise.
Ab wann Menschen eine Handlung als Fremdgehen definieren, ist durchaus weit gefasst. Für die einen beginnt es bereits beim heimlichen Schreiben in der Nacht oder bei Flirt-Nachrichten über einen Messenger. Bei anderen erst bei heimlichen Treffen oder einem Kuss. Und wiederum bei einigen anderen erst mit der ersten gemeinsamen Nacht und sexueller Intimität. Die meisten haben Paare ähnliche Grenzen. Für sie beginnt Untreue bereits dann, wenn ihr Partner oder ihre Partnerin mit jemanden anderen als ihnen Sorgen, Nöte, intime Gedanken und Gefühle teilt. Ein geringerer Teil empfindet erst körperliche Intimität als Seitensprung. Das, was genau passiert ist, zieht oft unterschiedliche Verletzungen nach sich und führt häufig auch zu unterschiedlichen Konsequenzen. Ein sexueller Kontakt ist für viele schwerer verdaubar als Flirt-Nachrichten.
Die Gründe für Untreue sind vielfältig und nicht immer nur darin zu finden, dass etwas in der Beziehung nicht stimmt. Sie können auch in einem persönlichen Motiv einer Beziehungsperson liegen.
Zum Beispiel, weil sie nicht exklusiv nur einen Menschen lieben und anziehend finden. Wieder andere sind getrieben, Sex mit anderen Menschen zu haben, zum Beispiel aufgrund einer Bindungswunde oder fehlender Impulskontrolle.
Ganz unabhängig davon, was für Hintergründe eine Rolle spielen, gefährden Heimlichkeit und Unehrlichkeit eine Beziehung. Eine Affäre ist eine der größten Herausforderungen für eine Liebesbeziehung. Sie sind ein häufig auftretendes Thema in unseren Paartherapien.
Wir wissen um den Schmerz und die gefühlten Unmöglichkeiten, eine Affäre zu verarbeiten und wenn möglich, zu heilen. Nicht immer verläuft dieser Weg erfolgreich. In unserer Geschichte zeigen wir Wege auf, wie es gelingen kann. Wir gehen auf Hintergründe und Themen ein, die relevant sind bei der Aufarbeitung, stoßen Denkprozesse an und lassen mit Fenja und Niklas beide Seiten zu Wort kommen.
Therapeuten sind oft gute Geschichtenerzähler und setzen diese im therapeutischen Prozess ein. Wir gehen noch einen Schritt weiter und nutzen diese Technik in unseren Büchern. Geschichten sind vermutlich eine der ältesten menschlichen Traditionen und Techniken zur Vermittlung von Wissen. Es fällt uns leichter, einer Geschichte zu folgen, als die darin enthaltenen Informationen sachlich vermittelt zu bekommen. Folgen wir einer Geschichte, können wir uns innerlich vom Geschehen distanzieren und uns aussuchen, womit wir uns beschäftigen. Wir können uns mit Figuren identifizieren oder sie kritisieren. Wir können uns in ihnen wiederfinden oder ihnen widersprechen, ohne dass es sofort einen direkten Bezug zu uns persönlich hat. Diese Art der Wissensübermittlung ist oft anschaulicher und nachvollziehbarer. Eine Geschichte bietet einen leichteren Zugang, ermöglicht eine tiefere Verbindung zu den Informationen und schafft eine empathischere Sichtweise auf die Themen.
Wir haben in unserer Geschichte viele Geschichten aus unseren Paartherapien einfließen lassen. Es ist wie ein Querschnitt. Es ist nicht immer der Mann, der fremd geht, die Hintergründe sind nicht immer die, die wir beschreiben und natürlich ist die Liebe bunt.
Du wirst der Neugier in den Interviews begegnen und dies vielleicht etwas seltsam finden. Sie ist neben der Neutralität und der Unvoreingenommenheit das wichtigste Werkzeug in unserer Arbeit. Falls du schon als Kind gehört hast: Sei nicht so neugierig, laden wir dich herzlich dazu ein, dies über Bord zu werfen.
Bella & Chrisch
»Niklas, das kann echt nicht wahr sein, oder? Das ist jetzt nicht das zweite Mal, dass du mit einer anderen Frau eine Affäre hast!?« Fenja sitzt auf dem Bett und zeigt mit ihrem Finger auf Niklas, der gerade geduscht aus dem Bad kommt. Er wird blass und bleibt abrupt stehen. Er sieht Fenja kurz in die Augen, guckt gleich wieder weg und geht Richtung Kleiderschrank.
»Schatz, ich weiß nicht, was ich sagen soll … Es ist nicht so wie du …«
»Wie ich was? Was ich denke? Was für einen Scheiß willst du mir jetzt erzählen?«
Beide schweigen. Vor fünf Minuten war Fenjas Welt eigentlich noch in Ordnung. Bis sie die Nachrichten auf Niklas Handy entdeckt hat, als dieser duschen war. Sie sitzt auf dem Bett und ballt ihre Hände zu Fäusten. Niklas schweigt, öffnet den Kleiderschrank und beginnt sich anzuziehen.
»Das ist einfach nur grausam. Beim ersten Mal habe ich mir gesagt, ok, du bist da irgendwie reingeraten, es war nur Sex. Und du hast mir versprochen, dass es nicht wieder passiert. Und jetzt? Einfach alles gelogen. Ich hasse dich …«
Niklas dreht sich um und möchte etwas sagen, aber Fenja springt vom Bett, macht einen Schritt auf ihn zu und hält ihm ihren Zeigefinger vor das Gesicht.
»Ich will jetzt echt nichts von dir hören!«
Niklas senkt den Kopf und lässt die Arme hängen. Er ist kurz davor zu weinen.
Fenja schnaubt verächtlich.
»Kannst du bitte rausgehen? Ich packe jetzt meine Sachen und verschwinde zu meinen Eltern.«
Niklas sieht auf und bekommt einen trotzigen Gesichtsausdruck. Es sieht so aus, als würde er etwas sagen wollen. Aber er dreht sich um, zieht sich zu Ende an und verlässt das Schlafzimmer. Als er weg ist, lässt Fenja sich auf das Bett fallen und beginnt zu weinen. Sie zieht sich ein Kissen über den Kopf und schluchzt. Es tut so weh und sie fühlt sich einfach nur schrecklich. Wie konnte Niklas das nur tun? Sie dachte wirklich, sie könnte ihm wieder vertrauen und nun ist alles kaputt.
Nach einiger Zeit wird es ihr zu warm unter dem Kissen. Sie schiebt es zur Seite und wischt sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie sieht sich im Zimmer um und seufzt. Dann gibt sie sich einen Ruck und beginnt zu packen. Niklas steht mittlerweile in der Küche und weiß nicht, was er tun soll. Er fühlt sich schuldig und leer zugleich. Es fühlt sich schrecklich an, zu wissen, dass Fenja gehen wird. Um etwas gegen die Angst und die Hilflosigkeit zu tun, kocht er Kaffee. Als er sich einen Becher eingeschenkt hat, kommt Fenja in die Küche und spricht ihn sofort an.
»Weißt du eigentlich, wie weh das tut? Weißt du eigentlich, was du mir damit antust?«
»Fenja, ich …« Niklas wartet einen Moment, weil er erwartet, unterbrochen zu werden, »ich liebe dich. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber so ist es. Ist es jetzt aus?«
Fenja sieht ihn ausdruckslos an.
»Das fragst du mich? Du bist doch derjenige, der anscheinend keine Lust auf mich hat. Du hattest doch Zeit mit Jasmin, um es herauszufinden, oder etwa nicht?«
»Genau Fenja, für dich ist alles klar. Mir tut es wirklich leid und ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Aber das ist alles nicht so, wie du denkst!«
Fenja schnauft.
»Hatten wir das nicht schon? Woher willst du wissen, was ich denke. Wenn du das wirklich wüsstest und es dir wichtig wäre, wie es mir geht, würden wir jetzt nicht dieses Gespräch führen!«
»Mag ja sein, aber ich will nicht, dass du gehst. Schon klar, dass du denkst, dass es wieder wie beim ersten Mal war. War es aber nicht. Jasmin und ich …«
»Ganz toll, Niklas«, sie macht seinen Tonfall nach, »Jasmin und ich … Das reicht mir schon. Mir doch egal, ob ihr Sex hattet. Ich glaube dir eh nichts mehr. Scheißkerl!«
Sie nimmt ihm den Becher aus der Hand und wirft diesen mit Schwung auf den gefliesten Boden. Der Becher zerspringt und der Kaffee verteilt sich überall und spritzt an die Wände.
Sie seufzt zufrieden und reckt das Kinn vor.
»So und jetzt viel Spaß mit Jasmin!«
Sie dreht sich um, verlässt die Küche und schmeißt die Tür hinter sich zu. Niklas bleibt in der Küche stehen und starrt auf die Kaffeeflecken an der Wand. Kurz darauf hört er, wie die Haustür ins Schloss fällt. Fenja ist weg.
In den nächsten Tagen versucht Niklas immer wieder Fenja zu erreichen. Er ruft sie an und schreibt Nachrichten. In den Nachrichten bittet er um ein persönliches Gespräch, ohne auf das Geschehene einzugehen. Von Fenja kommt keine Reaktion. Niklas guter Freund Tom rät ihm, es mit einer Paartherapie zu versuchen. Denn augenscheinlich möchte Niklas um die Beziehung kämpfen. Doch dieser kann mit der Idee nichts anfangen und ignoriert Toms wiederholte Vorschläge.
An einem Nachmittag, nachdem er wieder vergeblich versucht hat, Fenja zu erreichen, möchte er sich mit Tom verabreden und sich gemeinsam mit ihm betrinken. Er schreibt ihm eine kurze Nachricht und wartet auf die Antwort. ›Komm rum und bring Gin Tonic mit!‹ Niklas schnappt sich direkt seine Schlüssel, schlüpft in die Schuhe und verlässt die Wohnung.
Nachdem Tom zwei hervorragende Gin Tonics gemixt hat, setzen sich beide an den Küchentisch.
»Cheers, du Verzweifelter!«, Tom lächelt und hält sein Glas hoch.
»Cheers, du Lebensretter!«
Beide nehmen einen Schluck und schweigen einen Moment.
»Also, ich habe es heute wieder probiert … Wieder keine Antwort.«
»Sehr gut.«
Niklas guckt verwundert.
»Wie? Gut? Ich fühle mich schrecklich.«
Tom sieht Niklas an.
»Ja, ich weiß. Und ich weiß, dass du das nicht hören willst. Aber es ist gut, dass es dir schrecklich geht und sie sich nicht meldet. «
»Häh? Das verstehe ich nicht, was soll denn daran gut sein?« Niklas spürt Wut in sich aufsteigen.
»Na ja«, Tom nimmt noch einen Schluck, »sieh es mal so. Im Moment reagiert Fenja nicht. Du findest das nicht gut, weil du unbedingt Kontakt zu ihr möchtest. Was würdest du ihr denn sagen?«
»Ich würde ihr sagen, dass ich sie vermisse und dass das Ganze nie wieder vorkommt.«
Tom lacht laut auf.
»Also wirklich, Alter. Das ist genau das, was du schon nach dem ersten Mal gemacht hast. Dieses Versprechen ist gar nichts mehr wert. Das kannst du dir sparen.«
Niklas sieht nachdenklich und traurig aus.
»Aber warum meinst du denn, dass es gut ist, dass sie nicht reagiert?«
»Sieh es mal andersherum. Das Gute daran ist, dass sie es noch nicht beendet hat. Es geht weder vor noch zurück. Und das bedeutet ja eventuell, dass es noch nicht vorbei ist.«
»Hm, da ist schon was dran. Aber was soll ich jetzt tun?«
»Na ja, immer nur das Gleiche zu machen, bringt augenscheinlich nichts. Also,« Tom macht eine kleine Pause, »versuche etwas Neues. Vielleicht reagiert sie dann.«
»Etwas Neues? Was soll das denn sein?«
Tom seufzt.
»Also, dass du traurig bist, okay. Aber so lahm kenne ich dich gar nicht. Ich habe dir gerade gesagt, dass es noch nicht vorbei ist und du etwas Neues tun musst. Und ich soll dir alles irgendwie schön passend servieren?«
»Du hast ja Recht, sorry. Also was Neues …«, er richtet sich auf und konzentriert sich.
»Und echt mal Niklas, ich habe es dir schon ein paar Mal gesagt. Du musst dich nur erinnern!«
Niklas Gesicht hellt sich auf.
»Meinst du diese Sache mit der Paartherapie?«
»Exakt. Ich wette, wenn du ihr schreibst und das vorschlägst, wird sie sich zurückmelden. Oder du machst direkt einen Termin und teilst ihr mit, dass du da sein wirst und sie entscheiden kann, ob sie kommt.«
»Wenn ich ehrlich bin, habe ich Angst vor dieser Therapie-Sache. Ich werde bestimmt verurteilt und fertiggemacht. Darauf habe ich keinen Bock.«
»Und meinst du, Fenja hatte Bock darauf, von dir verletzt zu werden?« Niklas zuckt kurz zusammen.
»Therapeuten sind doch Menschen, die helfen wollen und keine moralischen Instanzen. Und selbst wenn. Du hast wirklich Mist gebaut und solltest dich dieser Sache mal stellen.«
»Stimmt schon. Das höre ich nicht gerne, aber du hast schon recht.«
»Aber mach das bitte nur, wenn du es ernst meinst. So eine Therapie geht schon zur Sache, du musst bereit sein, an dir zu arbeiten.«
»Du kennst dich wohl aus?«
Tom nickt, lächelt und nimmt noch einen Schluck Gin Tonic.
Zwei Wochen später ist es so weit. Niklas sitzt ein wenig nervös in seinem Sessel bei den Paartherapeuten Bella und Chrisch Leisten. Er sieht kurz auf die Uhr und beißt sich ein wenig auf die Unterlippe – ob Fenja kommt? Eine Minute später klingelt es. Niklas atmet erleichtert aus und sieht nervös zu Bella und Chrisch. Letzterer steht auf, verlässt den Raum und geht zur Tür. Als er sie öffnet, lächelt er.
»Hallo, dann bist du wohl Fenja. Schön, dass du da bist. Wir haben uns gefragt, ob du wohl kommst. Und hier bist du!«
Fenja lächelt etwas verkrampft und nickt nur mit dem Kopf.
»Na, dann komm mal rein.«
Einen Moment später betreten beide den Therapie-Raum. Niklas springt auf und möchte Fenja begrüßen. Diese hebt jedoch sofort abwehrend ihre Hand und nimmt Platz. Niklas lässt die Schultern hängen und setzt sich ebenfalls wieder hin.
»Dies ist ja eine etwas ungewöhnliche Situation«, beginnt Chrisch das Gespräch.
»Wir wissen von Niklas, dass ihr beide euch jetzt einige Zeit nicht gesehen und gesprochen habt. Heute geht es darum, ob dieser Rahmen einer Paartherapie für euch ein Ort sein kann, euch mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. Bevor wir hier ein wenig einsteigen, würden wir uns gern kurz vorstellen und auch etwas von euch erfahren. Wäre das ok?«
Beide nicken.
»Also hallo Fenja und Niklas, wir freuen uns, euch kennenzulernen. Ich bin Bella, 53 Jahre alt und seit 16 Jahren Therapeutin. Wir sind seit 21 Jahren ein Paar und haben eine 28-jährige Tochter. Und ihr habt es in der Mail gelesen, wir duzen alle unsere Klienten.«
»Auch ein Hallo von mir. Ich bin Chrisch, 49 Jahre alt und seit 15 Jahren Therapeut. Mir ist wichtig, euch gleich zu Beginn zu sagen, dass es Bella und mich als Paar ohne Paartherapie nicht mehr geben würde. Wir wissen also, wie es ist, dort auf eurer Seite zu sitzen.«
Bella wendet sich Niklas und Fenja zu. »Erzählt doch mal. Wer seid ihr, was macht ihr beruflich, wie lange seid ihr schon zusammen, habt ihr Kinder?«
»Also, ich bin Niklas, 31 Jahre alt und Lehrer. Ich unterrichte am Gymnasium Mathematik und Sport. Fenja und ich sind seit 7 Jahren ein Paar, davon 3 verheiratet und wir haben noch keine Kinder. Wir sind hier, weil ich ordentlich Mist gebaut habe.«
Fenja beginnt zu weinen.
»Du hast keinen Mist gebaut, sondern mich betrogen und mich belogen!«
Bella: »Es ist schwer für dich, Fenja, oder?«
Fenja nickt und greift nach einem Taschentuch, das Chrisch ihr gibt.
»Lass dir Zeit, um dich zu sammeln, das ist alles bestimmt sehr schwierig.«
Fenja lächelt traurig, trocknet ihre Tränen und beginnt zu erzählen.
»Also, ich bin Fenja, 32 Jahre alt und Architektin. Ich bin selbstständig zusammen mit meiner besten Freundin und wir haben uns auf energetische Umbaumaßnahmen und Sanierungen spezialisiert. Und nein, Niklas hat es schon gesagt, wir haben noch keine Kinder … Und darüber bin ich ehrlich gesagt gerade ganz schön froh.«
Chrisch: »Okay, damit wir alle auf dem gleichen Stand sind, möchte ich kurz zusammenfassen, was Bella und ich wissen. Vor circa drei Wochen hast du herausgefunden, dass Niklas eine weitere Beziehung mit einer anderen Frau hat …«
Niklas unterbricht Chrisch.
»Eine weitere Beziehung? So würde ich das nicht nennen. Ich weiß, dass es nicht in Ordnung ist, aber eine weitere Beziehung … Es ging dabei eigentlich nicht um eine Beziehung …«
Bella: »Na ja, das ist so eine Sache. Du wirst für diese andere Frau sicherlich auch Gefühle haben. Bitte verstehe mich nicht falsch, aber in eurer Situation gibt es bestimmte Strategien, um mit so einer Situation umzugehen. Und zu sagen, dass es keine Beziehung ist, ist genau eine davon.«
Fenja: »Was für Strategien denn?«
Chrisch: »Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Mögt ihr uns erzählen, was passiert ist?«
Fenja zeigt mit einer offenen Hand auf Niklas.
»Bitte schön, deine Show.«
Sie verschränkt die Arme, schiebt die Beine ein wenig vor und rutscht etwas tiefer in den Sessel.
Niklas atmet durch und richtet sich auf.
»Also, vor über einem Jahr hatte ich eine Affäre mit Anna. Das ging ungefähr drei Monate. Wir haben uns öfter getroffen und hatten auch Sex. Fenja hat Nachrichten auf meinem Handy gefunden, mich mehrmals zur Rede gestellt und am Ende habe ich es zugeben. Die Affäre habe ich dann beendet.«
Fenja ist rot im Gesicht geworden und zeigt mit dem Finger auf Niklas.
»Ich bin fast verrückt geworden in der Zeit. Ich wusste, dass etwas nicht stimmt, und du hast mich so lang zappeln lassen. Schrecklich!«
Wenn es um Affären geht, sind Heimlichkeiten, Veränderungen im Verhalten, emotionale Distanz und ausweichende Gespräche oft Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt. Auch wenn es uns nicht bewusst ist, verfügen wir alle über eine gut ausgeprägte Intuition. Bei uns kann also bei bestimmten Verhaltensveränderungen unserer Partnerin/unseres Partners das Gefühl entstehen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Ein wesentliches Merkmal einer Affäre ist die Heimlichkeit, sodass unsere Vermutungen wahrscheinlich zurückgewiesen werden. Da wir aber gelernt haben, unserer Intuition zu vertrauen, geraten wir in einen starken Widerspruch. Einerseits sagt uns unser Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Andererseits bekommen wir nicht die Informationen, die unsere Wahrnehmung bestätigen und von der wir uns darüber hinaus wünschen, dass sie nicht wahr ist. Daraus kann das Erleben entstehen, sprichwörtlich verrückt zu werden. Verbunden mit Unsicherheit, Selbstzweifeln und sogar starken Ängsten.
Wird die Affäre offen gelegt, können diese Gefühle dafür sorgen, dass wir die gesamte Beziehung hinterfragen und es sich so anfühlt, als wären wir die gesamte Beziehung über betrogen und belogen worden.
Niklas: »Ja, das war nicht in Ordnung von mir.«
Fenja: »Nicht in Ordnung? Du spinnst wohl! Das war einfach nur grausam.«
Chrisch: »Fenja, es ist absolut nachvollziehbar, dass du wütend bist. Und du hast auch unser Mitgefühl. Alle deine Gefühle sollen und werden hier noch Raum bekommen, wenn wir zusammenarbeiten. Jetzt würden wir gern erfahren, was vorgefallen ist. Wäre das in Ordnung für dich?«
Fenja atmet tief durch: »Ja, okay, ich versuche mich zurückzuhalten.«
Niklas: »Kann ich? Vor drei Monaten habe ich ungefähr einen Monat lang Kontakt mit Jasmin gehabt. Sie ist in einer festen Beziehung und war ähnlich unglücklich wie ich. Wir haben uns ein paar Mal getroffen und unterhalten. Wir haben uns viel geschrieben, wenn wir einsam waren. Aber ich habe das Ganze nach einem Monat beendet, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Diese Nachrichten hat Fenja dann vor ungefähr drei Wochen auf meinem Handy gefunden.«
Fenja: »Wer es glaubt, Niklas, bitte schön. Ich auf jeden Fall nicht. Wer weiß, was sonst noch alles gelaufen ist? Anscheinend muss ich ja nur lang genug bohren oder dein Handy filzen. Und wieso erfahre ich erst hier, dass du unglücklich warst? Wieso sprichst du nicht mit mir?«
Bella: »Fenja, das sind alles berechtigte Fragen, die wir gemeinsam klären können. Deswegen erzählen wir jetzt kurz, was wir hier überhaupt machen, denn ich denke, dass es für euch um unterschiedliche Dinge geht.«
Fenja: »Wie meinst du das Bella?«
Bella an Niklas gewandt: »Warum bist du hier, Niklas?«
»Ich bin hier, weil ich meine Beziehung mit Fenja retten möchte. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und ich möchte einen Weg finden, dass wieder in Ordnung zu bringen.«
Bella: »Und Fenja, warum bist du hier?«
»Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich bin nicht hier, um etwas zu retten. Vielleicht bin ich hier, um herauszufinden, ob ich noch etwas will. Ich weiß nicht, ob ich Niklas noch liebe und eine gemeinsame Zukunft möchte.«
Bella: »Siehst du, das meinte ich, als ich sagte, dass wir klären, was wir hier überhaupt machen.«
Chrisch: »Du, Niklas möchtest die Beziehung retten und du Fenja möchtest herausfinden, ob es überhaupt gemeinsam weiter geht. Das ist doch mal ein Anfang.«
Niklas: »Wie, das ist ein Anfang? Wie soll das denn gehen? Wir müssen doch beide das Gleiche wollen!«
»Nein, wir können so auf jeden Fall arbeiten, ohne dass ihr das gleiche Ziel habt. Und ich möchte gleich dazu sagen, dass eure Situation sehr anspruchsvoll ist. Also wird unsere Zusammenarbeit auch sehr anspruchsvoll sein … Müssen.«
Fenja: »Mich setzt das unter Druck. Ich bin eigentlich nur aus Neugier gekommen und nicht, weil ich an etwas arbeiten muss. Ich kann mir gern anhören, was Niklas zu sagen hat. Aber er ist doch derjenige, der mir das alles angetan hat, da sollte er doch an etwas arbeiten und nicht ich!«
Bella: »Ich kann deine Perspektive verstehen Fenja. Das ist alles sehr schmerzhaft und vielleicht auch beschämend für dich. Und aus deiner Sicht hast du ja nichts getan. Das ist für den Moment auch in Ordnung und verständlich.«
Chrisch: »Lass es mich so formulieren, Fenja. Indem du hierherkommst und Niklas zuhörst, wirst du nicht herausfinden, ob es gemeinsam weiter gehen kann. Um es herauszufinden, wirst du bestimmte Fragen und Entscheidungen in dir bewegen müssen. Und das wird nicht einfach sein, sondern fordernd und vielleicht auch aufwühlend. Da durchzugehen und dich auf diesen inneren Prozess einzulassen, das meinen wir mit Arbeit. Aus unserer Erfahrung braucht es dafür etwas Zeit. Das, was vor uns liegt, ist kein schnelles Rennen.«
Niklas starrt seit einiger Zeit aus dem Fenster.
Bella: »Niklas, wo bist du gerade?«
»Ach, wenn ich ehrlich bin, hatte ich gehofft, dass ihr etwas macht, das uns einfach hilft und alles in Ordnung bringt. Und ich gebe Chrisch spontan recht, dass es Arbeit wird, auch wenn es sich irgendwie zäh anfühlt.«
»Wenn wir es könnten, Niklas, würden wir es sofort tun.«
Bella: »Gut, die Zeit drängt ein wenig. Ihr habt uns jetzt kennengelernt, wir haben euch kennengelernt. Falls wir uns für eine Zusammenarbeit entscheiden, möchte ich euch sagen, dass die erste Phase der Therapie zweigeteilt sein wird. Zum einen habt ihr hier Raum, um über euch und eure Gefühle zu sprechen. Zum anderen werden wir euch bestimmte Sichtweisen und Zusammenhänge erklären, die wichtig für eure Situation sind und euch helfen können.«
Chrisch: »Im ersten Schritt geht es darum zu verstehen, was passiert ist, also wirklich passiert ist. Und deswegen könnt ihr zu Beginn auch unterschiedliche Perspektiven haben, warum ihr kommt.«
Niklas: »Ihr beide wirkt aufgeschlossen und neutral. Ist das so? Ich möchte gern ganz direkt fragen. Verurteilt ihr mich?«
Bella: »Nein, Niklas, das tun wir nicht. Wir haben schon viele Paare in dieser Situation begleitet und das geht nur, wenn wir neutral und offen für euch beide sind.«
Chrisch: »Wir sind an diesem Punkt vor allem neugierig und wollen mit euch gemeinsam verstehen, was passiert ist. Was würde es da nutzen, von Beginn an ein Urteil zu fällen?«
Niklas nickt und atmet erleichtert aus.
Fenja: »Ich muss auch noch etwas fragen, weil ich nicht weiß, ob ich das richtig verstanden habe. Euch geht es nicht darum, dass wir zusammenbleiben, oder? Es geht wirklich um das, was ihr gesagt habt. Wir können hier über uns sprechen, wir versuchen herauszufinden, was passiert ist und mehr nicht?«
Bella: »Exakt. Das ist der erste Schritt. Es gibt keine Verpflichtungen oder das verdeckte Ziel, dass ihr unbedingt zusammenbleibt.«
Fenja: »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber das finde ich ziemlich gut und transparent von euch, denn ich weiß wirklich nicht, wo ich stehe und was ich will.«
Chrisch: »Gut, so weit erst mal?«
Alle nicken und erheben sich.
Bella: »Gebt uns Bescheid, wenn ihr wisst, ob ihr euch eine Zusammenarbeit vorstellen könnt.«
Wenn eine Affäre aufgedeckt wird, ist das für ein Paar immer eine schmerzhafte und herausfordernde Situation. Es stehen starke Verletzungen und Schamgefühle im Raum. Eine Strategie mit dieser Situation umzugehen, besteht in der Bagatellisierung (Tendenz zur Verharmlosung, Untertreibung oder Herunterspielen von Tatsachen oder Empfindungen).
Hier geht es im Kern darum, so zu tun, als hätten die Geschehnisse nicht die Bedeutung, die sie haben. Niklas greift auf diese Strategie zurück, indem er bestreitet, dass seine Affäre eine weitere Beziehung war. Eine Bagatellisierung kann im ersten Moment helfen, starke Schuld- und Schamgefühle abzumildern. Fenja könnte auch versucht sein, diese Strategie anzuwenden – vielleicht hat sie das auch beim ersten Mal getan.
Die Erfahrung zeigt, dass diese Strategie nur kurzzeitig entlastet. Im Laufe der Zeit arbeitet sie gegen die Beziehung, weil sie alle vorhandenen Empfindungen klein macht und die eigentlichen Bedingungen für das Zustandekommen einer Affäre nachhaltig verschleiert. Die Gefahr ist groß, dass es zu einer Wiederholung kommt, denn die eigentlichen Schwierigkeiten und Bedürfnisse werden nicht aufgedeckt und bearbeitet.
Neugier: »Hallo, ihr beiden, da wären wir wieder.«
Bella: »Ja, wie schön. Ist schon eine Weile her.«
Chrisch: »Schön, dich wiederzusehen« und mit einem Blick zu Bella, »wir freuen uns schon auf deine Fragen.«
Neugier: »Beim letzten Fall mit Johanna und Mark war es von Beginn an auch humorvoll, dieses Mal habt ihr eher förmlich und ernst gewirkt. Liegt das am Thema?«
Bella: »Ja, da ist schon ein Unterschied, oder? Der Punkt ist, dass beim Thema Affären viel Schmerz dabei ist. Wir denken, dass es den Paaren mehr hilft, wenn wir uns zu Beginn zurücknehmen und vorsichtig sind. Humor und Auflockerung wären hier fehl am Platz.«
Chrisch: »Bei beiden ist starkes Leid und Angst vorhanden und sie sind mit unterschiedlichen Positionen und Anliegen zu uns gekommen. Sie sind angespannt und in Hab-Acht-Stellung und achten und reagieren sehr aufmerksam auf alle Formulierungen.«
Bella: »Deswegen stehen von unserer Seite aus erst einmal Neutralität und Transparenz im Vordergrund.«
Neugier: »Hm … Irgendwie komme ich noch nicht ganz mit. Ich hätte erwartet, dass das alles viel klarer ist. Niklas ist doch der Verursacher dieser Situation …«
Chrisch: »Nein, diese Betrachtungsweise ist zu einseitig und hilft nicht weiter.«
Neugier: »Könnt ihr das genauer erklären?«
Bella: »Also angenommen jemand beschädigt etwas, das für dich wertvoll ist. Zum Beispiel könnte jemand einen Stein in eines deiner Fenster zu Hause werfen. Darüber wärst du ziemlich ärgerlich, oder? Und weiter angenommen, du entschließt dich dann, das Ganze mit uns und der betreffenden Person zu besprechen. Was wäre dann wichtig?«
Neugier: »Ich fange an zu verstehen. Mir wäre wichtig, mich ernst
genommen zu fühlen und nicht dazu gedrängt zu werden, zum Beispiel verzeihen zu müssen.
Chrisch: »Und was bräuchte die andere Person?«
Neugier: »Na ja, eigentlich das gleiche. Also das Gefühl, ernst genommen und nicht vorverurteilt zu werden.«
Chrisch: »Und dann stell dir vor, dass ich versuche, humorvoll zu sein. Ich könnte so etwas sagen wie ›Scherben bringen Glück‹, wie würde es dir da gehen?«
Neugier: »Ich fände das oberflächlich, nicht angemessen. Ich würde mich nicht ernst genommen fühlen. Ok, es geht mal wieder um mehr als auf den ersten Blick ersichtlich. Was denkt ihr denn über die beiden?«
Bella: »Erst einmal nicht viel, wenn es um das Denken geht. Wir haben sie ja noch nicht richtig kennengelernt. Auf jeden Fall habe ich Mitgefühl für beide. Ihre Situation ist sehr schmerzhaft, aber auch recht typisch.«
Neugier: »In welcher Hinsicht?«
Chrisch: »Na ja, beim ersten Mal haben sie selbst versucht, eine Lösung zu finden und sehr wahrscheinlich damit ungewollt das zweite Mal verursacht.«
Neugier: »Du meinst, dass sie beim ersten Mal versucht haben, irgendwie damit umzugehen und damit ungewollt eine Wiederholung verursacht?«
Bella: »Genau. Beide wollten sicherlich nicht, dass es ein zweites Mal passiert, aber ihre angewandten Lösungsstrategien waren nicht erfolgreich.«
Neugier: »Welche denn genau?«
Beide lächeln.
Chrisch: »Du bist heute ja in Hochform mit deinen Fragen. Wir könnten das beantworten, aber es wird auch ein Teil der Therapie sein, darüber zu sprechen. Also würden wir dem Ganzen vorgreifen. Du wirst noch ein wenig Geduld aufbringen müssen.«
Neugier: »Alles klar. Ich bin gespannt.«
Einige Tage später klingelt nachmittags Fenjas Handy. Es ist Niklas. Als sie auf das Display sieht, freut sie sich spontan, doch dann sind schlagartig auch der Schmerz und die Wut da. Nach einem Zögern nimmt sie das Gespräch an.
»Hey.«
»Hey Fenja. Ich rufe an, um dich zu fragen, ob wir eine Runde um unseren See machen und über das Erstgespräch sprechen. Was denkst du?«
Fenja hält einen Moment inne und spürt in sich hinein. Sie ist hin- und hergerissen. Einerseits hat sie Lust, Niklas zu sehen, gleichzeitig hat sie Angst, dass es wehtut oder sie sofort wütend wird oder beides zusammen.
»Es stimmt schon, es wäre sinnvoll, das zu tun. Wir sollten uns mal entscheiden.«
Niklas atmet am anderen Ende hörbar durch.
»Okay, schön, dass du ja sagst. In einer halben Stunde dann an der üblichen Stelle?«
»Ja, ich mache mich direkt auf den Weg. Bis gleich.«
Beide legen auf. Ein paar Minuten später startet Fenja. Unterwegs tauchen bei ihr Bilder von früher auf. Vor allem denkt sie an den Anfang. Sie war damals joggen. An einer bestimmten Stelle knickte sie um und stürzte, gerade als ihr Niklas entgegenkam. Er half ihr auf, lachte und fragte, ob das eine Masche sei, alleinstehende Männer kennenzulernen. Sie fand diesen Witz so doof, dass sie auch spontan lachen musste. Niklas half ihr dann den ganzen Weg zurück nach Hause und so begannen sie sich kennenzulernen.
»Wieso ausgerechnet der blöde See, wir haben hier so viel erlebt.«
Beide kommen ungefähr zur gleichen Zeit an und stehen ein wenig hilflos voreinander. Niklas deutet eine Umarmung an, aber Fenja schüttelt den Kopf.
Sie laufen los und blicken abwechselnd auf das Wasser und den Weg vor ihnen.
Niklas gibt sich einen Ruck und eröffnet das Gespräch.
»Ich fand das Erstgespräch ganz gut. Ich hatte den Eindruck, dass beide bemüht sind, für uns da und auch neutral zu sein.«