Neuropsychologie in der neurologischen Frührehabilitation - Friedrich-Karl von Wedel-Parlow - E-Book

Neuropsychologie in der neurologischen Frührehabilitation E-Book

Friedrich-Karl von Wedel-Parlow

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Beschreibung

Dieser Band fokussiert auf die früheste Phase der neurologisch-neurochirurgischen Rehabilitation. Es beleuchtet die spezifischen Probleme bei Patient:innen mit Bewusstseinsstörungen und eingeschränkter Mitarbeitsfähigkeit. Ausführlich wird auf neurologische Schädigungsmuster, Störungsbilder und Frühreha-spezifische Besonderheiten (wie Trachealkanüle, Spastik, Hilfsmittelversorgung) eingegangen. Der Band beschreibt Ansätze für Diagnostik und Therapie, die in dieser ersten Phase nach der Hirnschädigung meist noch nicht standardisiert erfolgen können. Vielmehr werden ein systematisches Vorgehen und ein klientenzentrierter Ansatz mit Orientierung an kognitiven Konzepten skizziert. Gesondert werden das interdisziplinäre Team, Gruppenangebote, Angehörigenarbeit und ethische Fragen erläutert. Darüber hinaus enthält das Buch auch eine Anleitung zum praktischen Vorgehen für eine kognitive Diagnostik und Therapie in der Frühphase der neurologischen Rehabilitation.

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Friedrich-Karl von Wedel-Parlow

Martina Lück

Neuropsychologie in der neurologischen Frührehabilitation

Fortschritte der Neuropsychologie

Band 26

Neuropsychologie in der neurologischen Frührehabilitation

Dr. Friedrich-Karl von Wedel-Parlow, Dipl.-Psych. Martina Lück

Die Reihe wird herausgegeben von:

Dr. Angelika Thöne-Otto, apl. Prof. Dr. Jutta Billino, Prof. Dr. Dr. Hans-Otto Karnath, Dr. Hendrik Niemann, PD Dr. Jennifer Randerath, Prof. Dr. Boris Suchan

Die Reihe wurde begründet von:

Dr. Angelika Thöne-Otto, Prof. Dr. Herta Flor, Prof. Dr. Siegfried Gauggel, Prof. Dr. Stefan Lautenbacher, Dr. Hendrik Niemann

Dr. Friedrich-Karl von Wedel-Parlow, geb. 1949. 1968−1974 Studium der Psychologie in Hamburg. 1975−1978 Wissenschaftlicher Angestellter, Freie und Hansestadt Hamburg. 1978−1983 Studium von Medizin und Romanistik in Hamburg und Coimbra. 1983−1984 Medizinalassistent, Fortaleza. 1984−1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Neurologische Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. 1992−1993 Facharzt, Kliniken Schmieder Gailingen. 1993−1998 Oberarzt, Jesteburg und Segeberg. 1998−2010 Chefarzt Neurologie und 2002−2010 Ärztlicher Leiter, DRK-Krankenhaus Middelburg (Holstein), 2002−2014 Heimarzt und Konsiliararzt. 2010−2021 niedergelassener Neurologe.

Dipl.-Psych. Martina Lück, geb. 1975. 1995−2002 Studium der Psychologie in Trier. Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Trier und der University of Reading, Abteilung Kognitive Psychologie und Neurowissenschaften. 2002−2016 Neurologische Klinik Bad Aibling, Arbeitsschwerpunkt Intensivstation und Stroke Unit. Seit 2005 Sprecherin des Arbeitskreises „Frührehabilitation“ der Gesellschaft für Neuropsychologie. Seit 2016 Abteilungsleitung Psychologie in der Fachklinik Bad Heilbrunn.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Sabine Rosenfeldt, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2907-6; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2907-7)

ISBN 978-3-8017-2907-3

https://doi.org/10.1026/02907-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

1  Besonderheiten der neurologischen Frührehabilitation

1.1  Einleitung

1.1.1  Was ist Frührehabilitation?

1.1.2  Konzepte, Interdisziplinäre Arbeit

1.2  Epidemiologische Daten

1.2.1  Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation

1.2.2  Aktuelle Patientenzahlen und Bettenstrukturen

1.2.3  Altersstruktur und Multimorbidität

1.2.4  Prognosemöglichkeit und Nachsorgesituation

2  Störungsbilder der neurologischen Frührehabilitation

2.1  Schädigungsmuster

2.1.1  Hauptläsion Gehirn

2.1.2  Läsionen am Rückenmark und im Peripheren Nervensystem

2.2  Bewusstseinsstörungen

2.2.1  Koma, Wachkoma und andere Syndrome

2.2.2  Verlaufsformen

2.2.3  Dynamik

2.2.4  Paroxysmal Sympathetic Hyperactivity

2.2.5  Delirante Zustände

2.2.6  Diagnostik und Prognostik

2.3  Teilleistungsstörungen

2.3.1  Vigilanzminderung, Amnesie

2.3.2  Anosognosie, Neglect

3  Medizinische Aspekte der Frührehabilitation

3.1  Besondere medizinische Bedingungen

3.1.1  Beatmung, Weaning

3.1.2  Schluckstörung, Kanülenmanagement, Hypersalivation

3.1.3  Übelkeit, Erbrechen, Schwindel

3.1.4  Inkontinenz, Harnwegsinfekte

3.1.5  Orthopädische Probleme: Heterotope Ossifikation, subluxiertes Schultergelenk

3.1.6  Neurochirurgische Probleme: Hydrocephalus, Knochendeckel

3.1.7  Lähmungen und Spastik

3.1.8  MRSA und andere resistente Hospitalkeime

3.2  Medizinisch-therapeutische Behandlungsmethoden

3.2.1  Stimulantien

3.2.2  Sedativa

3.2.3  Psychopharmaka: Antidepressiva, Neuroleptika

3.2.4  Schmerzmittel

3.2.5  Antispastische Behandlung

3.2.6  Mobilisationshilfen und Hilfsmittelversorgung

3.2.7  Apparative Stimulationsverfahren

3.3  Spezielle Therapie-Konzepte

4  Neuropsychologie in der Frührehabilitation

4.1  Besonderheiten der Frührehabilitation

4.1.1  Setting

4.1.2  Patient:innen

4.1.3  Angehörige

4.2  Dialogaufbau und Mitarbeitsfähigkeit

4.2.1  Aufbau von Kontakt und Interaktion

4.2.2  Stabilisierung von Mitarbeit und Kooperation

5  Diagnostik

5.1  Diagnostische Prinzipien

5.2  Diagnostische Verfahren

5.2.1  Bewusstseins-Skalen

5.2.2  Verhaltensbeobachtungs-Skalen

5.2.3  Handlungsorientierte Diagnostik

5.2.4  Systematische Screening-Verfahren

5.2.5  Adaptation standardisierter Verfahren

5.3  Dokumentation und Befundung

6  Therapie

6.1  Kommunikation (ICF: b167, d310, d315, d330, d335, d350)

6.1.1  Sprechantrieb

6.1.2  Aphasien, Worttaubheit

6.2  Antrieb und Handeln (ICF: b130, b176, d210)

6.2.1  Handlungs-Impuls

6.2.2  Handlungsmonitoring, Apraxie

6.2.3  Inhibition

6.3  Visuelle Wahrnehmung (ICF: b156, b210, d166)

6.3.1  Orthoptik

6.3.2  Gesichtsfeldausfälle

6.3.3  Neglect

6.3.4  Agnosien, Balint-Syndrom

6.4  Konzentration (ICF: b110, b140, d160)

6.4.1  Alertness-Training für Reaktion und Tempo

6.4.2  Aufmerksamkeitsfokussierung und -teilung

6.4.3  Neurofeedback

6.5  Orientierung und Gedächtnis (ICF: b114, b144, b210)

6.5.1  Externe Orientierungshilfen

6.5.2  Etablieren von Routinen, prozedurales Lernen

6.6  Spezielle Therapieansätze

6.6.1  Musiktherapie

6.6.2  Tiergestützte Therapie

6.6.3  Kleingruppen

6.7  Therapie bei Verhaltensauffälligkeiten

6.7.1  Vorgehen bei psychomotorischer Unruhe

6.7.2  Therapie von Verhaltensproblemen

6.7.3  Veränderte Emotionalität

7  Ethik

8  Fallbeispiel

9  Literatur

10  Glossar

Karten

Wahrnehmungs- und Sprach-Screening – Instruktionen

Auswertung

Vorlage Wahrnehmungs-Screening

Vorlage Sprach-Screening

Hinweise zu den Karten

|1|1  Besonderheiten der neurologischen Frührehabilitation

1.1  Einleitung

1.1.1  Was ist Frührehabilitation?

Unter Frührehabilitation wird im engeren Sinne die Neurologisch-Neurochirurgische Frührehabilitation (NNFR) verstanden, die bereits auf Intensivstationen und Stroke Units beginnt und dann in speziellen Stationen für Frührehabilitation weitergeführt wird. Der Unterschied zu anderen Formen der Rehabilitation ergibt sich aus der Unselbständigkeit und Pflegebedürftigkeit der Betroffenen. Historisch waren Voraussetzungen zunächst ein hochentwickeltes Rettungswesen und Fortschritte der Intensivmedizin. Erst dadurch konnten Menschen mit schwersten Schädel-Hirn-Verletzungen überleben. Schon früh förderten Neurochirurgen die Einbeziehung von Psycholog:innen in die frühe Versorgung der Betroffenen: ab 1948 durch eine Arbeitsgemeinschaft, dann 1970 als interdisziplinäre Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Hirnpathologie (heute DGNKN). Von psychologischer Seite wurde in der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) der Arbeitskreis Frührehabilitation 1993 eingerichtet, der erweiterte Leitlinien für Psychologische Diagnostik und Therapie in der Frührehabilitation entwickelt hat.

Die NNFR war zunächst vor allem für junge Schädel-Hirn-Verletzte konzipiert. Mittlerweile werden multimorbide Schwerstgeschädigte mit verschiedensten Erkrankungen oder Verletzungen des zentralen sowie des peripheren Nervensystems behandelt. Für diese Kranken ist ein früher Zeitpunkt der Rehabilitation zwingend erforderlich. Es hat sich gezeigt, dass infolge der Neuroplastizität die Schäden im Zentralnervensystem (ZNS) in den ersten Monaten am stärksten beeinflussbar sind (Krakauer et al., 2012). Nach Schädigung kann Restitution, zumindest Kompensation erreicht werden, alternativ wird im ungünstigsten Falle Nichtgebrauch (non-use) der verbliebenen Möglichkeiten erlernt. Nicht nur im ZNS, sondern auch im peripheren Nervensystem kommt es durch Immobilität zu Sekundärschäden wie Muskelatrophien. Die akute Erkrankung sowie zusätzlich intensivmedizinische Maßnahmen wie maschinelle Beatmung begünstigen die Entwicklung von Nerv- und Muskelschäden in der Form von Critical-IIlness-Neuropathie (CIP) und -Myopathie (CIM).

|2|Letzteres betrifft in unterschiedlichem Maße auch Patient:innen ohne primäre Schädigung des Nervensystems. Dies hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass Menschen nach schweren internistischen Erkrankungen mit CIP vermehrt in die NNFR verlegt werden, dass aber auch Konzepte der NNFR vermehrt in der allgemeinen Intensivmedizin Einzug halten, neben der frühen Mobilisierung zum Beispiel das systematische Schlucktraining. Die NNFR wird somit zunehmend schon im Rahmen der neurologischen Akutbehandlung begonnen, auf den Intensivstationen, aber insbesondere in den Stroke Units, die in den letzten Jahren flächendeckend eingerichtet worden sind.

1.1.2  Konzepte, Interdisziplinäre Arbeit

Das Spezifische der NNFR ist, dass die Behandelten im Unterschied zu z. B. geriatrischer Frühbehandlung anfangs wenig bis gar nicht kooperationsfähig sind. Mangelnde Kooperationsfähigkeit ergibt sich einerseits aus der reduzierten Mobilität und Wachheit der Betroffenen, zum anderen aus der meist fehlenden oder zumindest unzureichenden Kommunikationsfähigkeit (v. a. bei intensivmedizinischen Maßnahmen wie Intubation, Tracheotomie, intermittierende Beatmung) sowie Immobilisierung zur Sicherung von Zugängen für Infusion und Ernährung. Dies stellt hohe Anforderungen an die Arbeit der Behandelnden, insbesondere an die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Koordination der Therapie. In wöchentlichen Treffen werden gemeinsame Ziele ermittelt. Zu Beginn der Behandlung ist die Prognose oft noch nicht sicher abschätzbar, so dass zunächst realistische Teilziele bestimmt werden müssen, häufig für Zeiträume von ein bis zwei Wochen. Kontinuierliche und genaue Beobachtung der Patient:innen ist erforderlich, um aus dem Zustand eine plausible Prognose ermitteln zu können. Da die Betroffenen anfangs oft nicht gezielt und absichtsvoll reagieren können, ist die Erfassung ungezielter Aktionen und Reaktionen durch das gesamte Team besonders aussagekräftig. Umfassende Diagnostik ist auch Teil der Therapie, die Reaktionen der Behandelten auf die Interventionen sind zu beobachten – die Diagnostik ist ein interaktiver Prozess. Eine genaue Dokumentation ermöglicht es, den Fortschritt und die Möglichkeiten der Entwicklung abzuschätzen.

Die Entwicklung der Betroffenen ist nicht stetig, Verschlechterungen des medizinischen Zustands können rasch eintreten. Vom Team der Behandelnden wird hohe Flexibilität und Koordination gefordert. Dies erfordert einen besonders aktiven Austausch zwischen allen Behandelnden der beteiligten Berufsgruppen. Die meiste Zeit am Krankenbett verbringen die Pflegekräfte. Weitere beteiligte Berufsgruppen sind Ärzt:innen und Therapeut:innen, in der Regel aus den Berufsgruppen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, in unterschiedlichem Maße Neuropsychologie, bei Kindern auch Neuropädagogik, und je nach Gegebenheiten weitere wie Musiktherapie, Physikalische Therapie oder andere.

|3|1.2  Epidemiologische Daten

1.2.1  Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation

Die genaue Definition der Frührehabilitation folgt dem allgemein anerkannten Phasenmodell, das von der Bundesarbeitsgemeinschaft medizinisch-beruflicher Rehabilitationszentren (BAR) definiert worden ist (BAR, 1995).

Das Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation ist in Deutschland definiert wie in der Tabelle 1 dargestellt (für die Berufsgenossenschaften weichen die Phasen etwas ab, das Modell ist aber prinzipiell gleichartig).

Tabelle 1:  Phasenmodell der Neurologischen Rehabilitation in Deutschland, nach: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger 1994, modifiziert in Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 1995

Phase A

Akutbehandlung

in Akutklinik

Phase B

Frührehabilitation

in Akut- und Frührehabilitationsklinik

Phase C

Weiterführende Rehab.

nach Wegfall der Kriterien für Phase B

Phase D

Anschluss-Rehabilitation

bei mobilisierten Patient:innen

Phase E

Schulische/Berufl. Rehab.

in der Regel ambulante Maßnahmen

Phase F

Langzeitrehabilitation

im Pflegeheim mit kontinuierlicher Therapie

Anmerkung: Neu hinzugefügt inoffiziell Phase G – Betreutes Wohnen

Phase A bezeichnet die Akutbehandlung, bei der noch lebenserhaltende und stabilisierende medizinische Maßnahmen im Vordergrund stehen. Bei Patient:innen der NNFR erfolgt diese auf Intensivstationen (ITS), bei stabileren Patienten teilweise auf Intermediate Care Stationen (mit geringerem intensivmedizinischem Aufwand). Frührehabilitative Maßnahmen wie die Untersuchung und Behandlung von Schluckstörungen, aber auch Frühmobilisation, werden zunehmend bereits in Phase A auf ITS angewendet. Sobald diese in den Vordergrund treten, ist die Verlegung in die eigentliche Frührehabilitation indiziert. Etliche akutmedizinische Kliniken haben dafür eigene Stationen für Neurologische Frührehabilitation etabliert. In der Regel erfolgt aber für die Frührehabilitation der Phase B die Verlegung in die spezialisierten Kliniken der NNFR.

Eine Sonderstellung haben die Stroke Units, spezielle Stationen zur Überwachung und Behandlung von Schlaganfällen. Leistungsrechtlich sind dies Einrichtungen der Akutmedizin, dabei sind jedoch im Rahmen des Möglichen früh erste Maßnahmen der Mobilisation und der Therapie von Sprech- und Schluckstörungen integriert, schon bevor ein Transfer in die Rehabilitation erfolgen kann. Der Aufenthalt auf Stroke Units ist zeitlich eng |4|begrenzt, dementsprechend sind die Therapien in der Folge in der NNFR fortzusetzen.

Phase B ist die Bezeichnung für die eigentliche Frührehabilitation. Die Voraussetzungen für Aufnahme in die Phase B sind definiert, ebenso wie die Kriterien für Entlassung und Weiterverlegung in die nachfolgende Phase C, die weiterführende Rehabilitation (Tabelle 2).

Tabelle 2:  Kriterien für Frührehabilitation und weiterführende Rehabilitation (von Wedel-Parlow et al., 2010)

Voraussetzungen für Phase B

Voraussetzungen für Phase C

Akutversorgung abgeschlossen

keine intensivmediz. Überwachung mehr

aktuell keine Operation erforderlich

Mitarbeit in Therapien für 30 min möglich

keine drohende Hirndrucksteigerung

Teilmobilisierung (2 Stunden im Rollstuhl)

keine Sepsis, keine Osteomyelitis

Unselbständigkeit ohne Krankenpflege

nicht mehr kontrolliert beatmet

Kooperationsfähigkeit

Herz/Kreislauf im Liegen stabil

zeitlich begrenzter Aufsichtsbedarf (evtl.)

unfähig zur kooperativen Mitarbeit

keine Weglauftendenz

voll von pflegerischer Hilfe abhängig

keine aggressiven Durchbrüche

Sondenernährung notwendig (in der Regel)

Kleingruppenfähigkeit (3 bis 5 Personen)

Blasen-/Darm-Inkontinenz (in der Regel)

Kommunikationsfähigkeit (evtl. Hilfsmittel)

Gefährdung durch psych. Störung (evtl.)

Pflegebedarf unter 4 bis 5 Stunden pro Tag

bestehende Begleiterkrankungen dürfen die Mobilisierung nicht verhindern

bestehende Begleiterkrankungen dürfen die Mobilisierung nicht verhindern

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, müssen die Kranken Mindestvoraussetzungen für Verlegung aus der Akutphase bzw. für Erreichung der Kriterien für Phase C erreichen. Oft sind nicht alle Kriterien gleichermaßen erfüllt. Die Behandlung in Phase B erfordert eine Kostenzusage des Kostenträgers, die normalerweise zeitlich begrenzt für wenige Wochen gewährt wird. Für Verlängerungen sind Anträge zu stellen, in denen der Stand der Behandlung zu erläutern ist. In Deutschland besteht die Vereinbarung, den Zustand der Betroffenen anhand des Frühreha-Barthel-Index (FRB) nach Schönle (1995) zu dokumentieren, der vom messtheoretischen Ansatz problematisch ist, sich aber in der Praxis gut bewährt (Tabelle 3).

Tabelle 3:  Frühreha-Barthel-Index, nach Schönle, 1995 (gekürzt)

|5|Punkte für Fähigkeiten (jeweils maximal)

Punktabzug für Beeinträchtigungen

+ 10 Essen und Trinken

− 50 intensivmedizinische Überwachung

+ 10 Umsteigen aus Rollstuhl ins Bett

− 50 absaugpflichtiges Tracheostoma

+  5 Waschen und persönliche Pflege

− 50 intermittierende Beatmung

+ 10 Benutzen der Toilette

− 50 beaufsichtigungspfl. Verhaltensstörung

+  5 Baden und Duschen

− 50 beaufsichtigungspfl. Orientierungsstör.

+ 15 Gehen auf ebenem Untergrund

− 50 schwere Verständigungsstörung

+ 10 Treppenauf- und absteigen

− 50 beaufsichtigungspfl. Schluckstör.

+ 10 An- und Ausziehen

+ 10 Stuhlkontrolle

+ 10 Harnkontrolle

In der Frührehabilitation verbleibt, wer nach Zusammenrechnen 30 Punkte oder weniger hat – Leistungsschwankungen und Unklarheiten führen oft zu Nachverhandlungen. Diese sind vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu beurteilen. Bei Sonderfällen spielen Dauer und Erfolg der Behandlung eine Rolle. Allgemein werden einige Wochen bis wenige Monate bewilligt, bei Kindern und Jugendlichen auch längere Zeiträume. Werden mehr als 30 Punkte erreicht, soll die Weiterbehandlung in Phase C erfolgen. Werden sie nicht erreicht, ist die Entlassung in die Phase F angezeigt, siehe dazu weiter unten.

Die NNFR der Phase B ist gemäß § 39 des SGB V (Sozialgesetzbuch V) eine reguläre Krankenhausbehandlung, die von Krankenversicherungen (oder anderen Kostenträgern wie etwa Berufsgenossenschaften) zu erstatten ist. Die Zuständigkeiten für weiterführende Rehabilitation sind dagegen abhängig vom Einzelfall. Teilweise ist dann die Rentenversicherung zuständig, vor allem bei Erwerbstätigen mit positiver Erwerbsprognose.

Seit 2004 erfolgt in Deutschland die Abrechnung der Krankenhausbehandlung mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern nach dem System der Diagnosis Related Groups (DRG), nach denen einzelne Krankheitsgruppen definiert sind (InEK, 2019). Im zugehörigen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) sind für die Behandlung in der Neurologisch-Neurochirurgischen Frührehabilitation Mindestanforderungen im OPS 8 – 552 festgelegt.

Tabelle 4:  Mindestmerkmale OPS 8 – 552 neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (gekürzt)

|6|Ärztliche Leitung

Frührehateam unter ärztlicher Leitung (mit mindestens 3-jähriger Erfahrung in der NNFR)

Frühreha-Assessment

standardisiertes Assessment zur Erfassung der Defizite in mindestens 5 Bereichen (Bewusstseinslage, Kommunikation, Kognition, Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Verhalten, Emotion)

Teambesprechungen

wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation

Therapeutische Pflege

aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal

Therapeutische Disziplinen

Einsatz von folgenden Therapiebereichen: Physiotherapie/Krankengymnastik, Physikalische Therapie, Ergotherapie, Neuropsychologie, Logopädie/fazioorale Therapie und/oder therapeutische Pflege (Waschtraining, Anziehtraining, Esstraining, Kontinenztraining, Orientierungstraining, Schlucktraining, Tracheostomamanagement u. a.) mindestens 300 Minuten täglich im Durchschnitt der Behandlungsdauer

Da die Pflege sehr zeitaufwendig ist, wird zusätzlich von den Fachgesellschaften gefordert, dass von den 300 Minuten täglicher Therapie mindestens im Durchschnitt 100 Minuten spezifische funktionstherapeutische Maßnahmen in den verschiedenen Therapiebereichen erfolgen.

Für die Dauer der NNFR ist im OPS 8 – 552 ein Zeitraum von einer bis acht Wochen vorgesehen, längere Behandlungsdauern sind möglich und nicht selten, aber im Einzelfall mit den Kostenträgern zu verhandeln. In der Praxis liegt die Behandlungsdauer eher bei acht Wochen und darüber, bei jüngeren Betroffenen im Einzelfall wesentlich länger.