Never Thought It Was You - Herzklopfen in Blossomville - Michelle A. Pietsch - E-Book

Never Thought It Was You - Herzklopfen in Blossomville E-Book

Michelle A. Pietsch

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Beschreibung

Kehre zurück nach Blossomville!

Jenna Mayfield möchte durchstarten: Nachdem sie die letzten Jahre umhergereist ist, freut sie sich als frischgebackene Pensionsbetreiberin, neuen Wind in die Kleinstadt Blossomville in Vermont zu bringen. Nur, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Veränderungen gegenüber nicht wirklich aufgeschlossen sind.

Das erlebt auch Rowan Thomas, der die Bar seines Vaters übernommen hat und nur davon träumt, diese endlich ins 21. Jahrhundert zu bringen. Wäre da nicht der Widerstand, der ihm aus allen Ecken und Enden begegnet. Die Einzige, die seinen Wunsch versteht, ist Jenna. Und obwohl sie sich ständig in die Haare bekommen, merken sie ziemlich schnell, dass sie nicht nur ihr Traum nach etwas Neuem verbindet ...

Tauche ein in die Welt von Blossomville, wo jeder jeden kennt und Träume wahr werden.

Eine romantische, cosy Smalltown-Romance: Fröhliche Pensionsbetreiberin trifft auf verschlossenen Barbesitzer - Grumpy meets Sunshine. Für Fans von Gilmore Girls.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 450

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Kapitel 1 – Jenna

Kapitel 2 – Rowan

Kapitel 3 – Jenna

Kapitel 4 – Rowan

Kapitel 5 – Jenna

Kapitel 6 – Rowan

Kapitel 7 – Jenna

Kapitel 8 – Jenna

Kapitel 9 – Rowan

Kapitel 10 – Jenna

Kapitel 11 – Jenna

Kapitel 12 – Rowan

Kapitel 13 – Jenna

Kapitel 14 – Jenna

Kapitel 15 – Rowan

Kapitel 16 – Jenna

Kapitel 17 – Rowan

Kapitel 18 – Jenna

Kapitel 19 – Rowan

Kapitel 20 – Jenna

Kapitel 21 – Rowan

Kapitel 22 – Rowan

Kapitel 23 – Jenna

Kapitel 24 – Jenna

Kapitel 25 – Jenna

Kapitel 26 – Rowan

Kapitel 27 – Jenna

Kapitel 28 – Rowan

Kapitel 29 – Rowan

Kapitel 30 – Jenna

Kapitel 31 – Rowan

Kapitel 32 – Jenna

Kapitel 33 – Jenna

Kapitel 34 – Rowan

Kapitel 35 – Jenna

Danksagung

Über die Autorin

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Inhaltsbeginn

Impressum

    

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Über dieses Buch

Kehre zurück nach Blossomville!

Jenna Mayfield möchte durchstarten: Nachdem sie die letzten Jahre umhergereist ist, freut sie sich als frischgebackene Pensionsbetreiberin, neuen Wind in die Kleinstadt Blossomville in Vermont zu bringen. Nur, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Veränderungen gegenüber nicht wirklich aufgeschlossen sind.

Das erlebt auch Rowan Thomas, der die Bar seines Vaters übernommen hat und nur davon träumt, diese endlich ins 21. Jahrhundert zu bringen. Wäre da nicht der Widerstand, der ihm aus allen Ecken und Enden begegnet. Die Einzige, die seinen Wunsch versteht, ist Jenna. Und obwohl sie sich ständig in die Haare bekommen, merken sie ziemlich schnell, dass sie nicht nur ihr Traum nach etwas Neuem verbindet ...

Tauche ein in die Welt von Blossomville, wo jeder jeden kennt und Träume wahr werden.

Eine romantische, cosy Smalltown-Romance: Fröhliche Pensionsbetreiberin trifft auf verschlossenen Barbesitzer – Grumpy meets Sunshine. Für Fans von Gilmore Girls.

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Michelle A. Pietsch

Never Thought It Was You

Herzklopfen in Blossomville

Für Tim

Weil ich die stolze Schwester eines ungeheuer fantastischen Bruders bin.

Kapitel 1 – Jenna

»Auf deine Rückkehr nach Blossomville!«

Das Klirren, als Jenna Mayfields Glas gegen das ihrer besten Freundin Becca stieß, zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Die beiden Frauen tranken einen Schluck von ihren Cocktails, bevor sich Jenna mit einem zufriedenen Seufzen gegen die Rückenlehne der Sitzbank sinken ließ. Sie hatte das hier vermisst. Gemeinsame Abende mit ihrem Lieblingsmenschen, stundenlange Gespräche über alles und nichts in einer entspannten Atmosphäre – und ihre Heimatstadt Blossomville. Das kleine, idyllische Örtchen mitten im US-Bundesstaat Vermont, in dem sie aufgewachsen war und ihre Kindheit und Jugend verbracht hatte, bevor sie für das College nach Texas gezogen war.

Sie hatte sogar das Roots and Herbs vermisst, die einzige Bar der Stadt, in der sie und ihre beste Freundin gerade an ihrem Stammplatz von früher saßen und gemeinsam ihre Rückkehr feierten. Zufrieden sog Jenna das Ambiente der Bar auf. Die dunklen Holztische, den Geruch nach Frittiertem, der in der Luft hing, und das Lachen, das von den Leuten um sie herum erklang. So dankbar sie für die Erfahrungen war, die sie die letzten Jahre über gesammelt hatte, so sicher hatte sie seit ihrem Weggang aus Blossomville gewusst, dass sie eines Tages zurückkehren würde. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Inneren aus. Sie fühlte sich endlich wieder zu Hause.

Becca schlürfte genüsslich an ihrem Virgin Strawberry Margarita, ehe sie das Glas vor sich abstellte und erwartungsvoll ihr Kinn auf den Händen abstützte.

»Jetzt erzähl mal. Ich möchte jedes Detail wissen. Wie war es die letzten Wochen über bei deinem Vater in Kolumbien?«

Jenna lachte. »Du meinst, die ungefähr dreitausend Telefonate, in denen ich dir von meinem Besuch bei ihm berichtet habe, sind dir noch nicht genug?«

»Also bitte.« Becca schüttelte gespielt tadelnd den Kopf. »Kann es jemals genug sein, von der Weltreise seiner besten Freundin zu hören?«

Ein Lächeln umspielte Jennas Mundwinkel. Becca übertrieb maßlos. Eine Weltreise waren die letzten zwei Jahre nicht gewesen, auch wenn sie in dieser Zeit in vier verschiedenen Ländern gelebt und dort in Hotels gearbeitet hatte. Damit hatte sie sich einen großen Traum erfüllt: Inspiration zu sammeln, um ein eigenes Haus zu führen. Und zwar genau hier. Im wunderschönen Blossomville. Ihrer Heimat.

»Becks, es gibt niemanden, den ich mit meinen Reisegeschichten lieber langweile als dich.«

Ihre beste Freundin verzog das Gesicht. »Also erstens: Du langweilst mich nie. Eine von uns beiden muss schließlich auf große Abenteuerreise gehen und etwas erleben. Der Job gebührt eindeutig dir, denn ich liebe meine kleine, feine Komfortzone hier viel zu sehr. Und zweitens: Danke für das spontane Zurückwerfen in unsere Highschool-Zeit. Becks? Wirklich? Du weißt doch, wie sehr ich diesen Spitznamen von früher hasse.«

Jenna entschlüpfte ein Lachen, weil Becca übertrieben empört mit den Augen rollte. »Entschuldige, ich habe deine Abneigung gegen diesen Namen vollkommen verdrängt. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass es nicht noch einmal vorkommen wird.« Um ihre Worte zu unterstreichen, legte sie eine Hand auf ihr Herz und hob die andere wie zum Schwur an. »Verzeihst du mir noch einmal, meine liebste und älteste Freundin?«

Becca schürzte die Lippen und betrachtete Jenna einige Sekunden lang betont abschätzend. Dann brachen die beiden in schallendes Gelächter aus.

»Na gut, na gut. Es sei dir verziehen«, brachte Becca schließlich mit einem Grinsen hervor. »Aber das liegt einzig und allein daran, dass du nicht nur seit dem Kindergarten meine Lieblingsnervensäge bist, sondern seit Neuestem auch meine Lieblingsmitbewohnerin.«

»Hört, hört.« Jenna blinzelte ihr zu. »Dabei bin ich doch erst heute bei dir eingezogen.«

»Und hast bisher weder das Badezimmer unter Wasser gesetzt noch die Küche in Brand gesteckt. Damit sind all meine Ansprüche erfüllt«, antwortete Becca mit einem Schulterzucken. Sie verlieh ihrer Stimme dabei einen so trockenen Tonfall, dass die beiden Frauen erneut einen Lachanfall bekamen.

Kurz darauf knüpfte Jenna wieder an ihr Gespräch an. »Jetzt mal im Ernst. Danke, dass du mir das zweite Schlafzimmer in deiner Wohnung überlässt.«

»Es ist jetzt unsere Wohnung. Und was soll ich sagen? Ich kann mir keine bessere WG-Partnerin als dich vorstellen.« Becca griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand und drückte sie einmal fest, was Jenna zum Lächeln brachte. Dann lehnte sie sich zurück und nippte an ihrem Cocktail. »Nur bei Männerbesuchen wäre eine kurze Vorwarnung gut. Die Wohnung ist zwar toll, aber die Wände sind nicht besonders dick.«

»Da hast du nichts zu befürchten.« Jenna gluckste. »Mein Fokus liegt voll und ganz auf meinem Berufsleben. Ein Mann hat neben der Leitung einer Pension keinen Platz.«

Kurz zuckten ihre Erinnerungen zu ihrem Ex-Freund Marc, doch sie schob den Gedanken an ihn schnell beiseite.

»Apropos.« Becca nahm einen weiteren Schluck von ihrem Cocktail. »Wie ist denn bei der Pension der aktuelle Stand?«

»Die Verträge stehen kurz vor der Unterzeichnung. Morgen treffe ich mich dafür mit Mrs. und Mr. Marlowe.«

Wie von selbst hoben sich Jennas Mundwinkel zu einem Lächeln. Die Marlowes betrieben seit über dreißig Jahren die einzige Pension in Blossomville. Als sie vor wenigen Monaten auf einer der regelmäßig stattfindenden Stadtversammlungen verkündet hatten, sich allmählich in den Ruhestand verabschieden zu wollen, hatte Becca ihr sofort Bescheid gegeben, und Jenna war mit ihnen in Kontakt getreten.

Mehrere Telefonate und Videocalls später war es ihr tatsächlich gelungen, den Zuschlag zu erhalten. Weshalb sie sich ab Anfang des kommenden Jahres offiziell als Pensionsbesitzerin bezeichnen durfte. Zumindest, sobald die Verträge unterschrieben waren. Bis dahin hatte sie mit den Marlowes vereinbart, dass sie schon in die Geschäfte hineinschnuppern durfte und von ihnen in aller Ruhe an die Leitung des Hauses herangeführt wurde.

Sie seufzte leise, während sie mit dem Strohhalm ihren Cocktail umrührte. Dass ihr das Besitzerehepaar mit Rat und Tat zur Seite stehen würde und ihr damit den sanften Übergang zur Selbstständigkeit ermöglichte, war das Beste, was ihr hätte passieren können.

»Hast du ihnen denn schon von deinen Plänen erzählt, die du für die Pension hast?«

Augenblicklich schoss Jennas Puls in die Höhe. Verstohlen sah sie sich um, doch die Gäste an den Nebentischen waren zu sehr in ihre eigenen Gespräche vertieft, als dass sie Beccas Bemerkung gehört haben konnten. Sehr gut. Ihr Herzschlag beruhigte sich langsam wieder. Bisher waren ihre beste Freundin und ihr Dad die einzigen Personen, die sie bei ihrer Idee für eine Erweiterung der Pension ins Vertrauen gezogen hatte. Und das sollte auch erst mal so bleiben.

Deshalb kam Jenna die Antwort nur zögerlich über die Lippen. »Bisher noch nicht. Ich ... möchte mir erst mal einen allgemeinen Überblick verschaffen, bevor ich das Thema anspreche. Ich möchte nichts überstürzen.«

Ein Schritt nach dem anderen, du hast alle Zeit der Welt, hatte ihr Dad ihr als Rat gestern bei ihrer Verabschiedung am Flughafen mit auf den Weg gegeben. Und Jenna hatte ihn nur zu gern angenommen. Denn solange sie es hinauszögern konnte, die Marlowes in ihre Pläne einzuweihen, würde sie es tun. Denn was, wenn das jetzige Besitzerehepaar nichts von ihrer Idee hielt und doch noch einen Rückzieher machte, auch wenn die Papiere bereits aufgesetzt waren? Das konnte sie nicht riskieren.

Becca schien ihr anzusehen, dass ihr Gedankenkarussell in Gang gesetzt worden war. Sie griff ein weiteres Mal über den Tisch nach ihrer Hand und drückte sie. Sofort fühlte sich Jenna besser. Die Unterstützung ihrer besten Freundin und ihres Dads hatte sie. Das war alles, was zählte. Zumindest für den Moment.

»Den Kurs am Community College willst du aber weiterhin belegen, oder?«, erkundigte sich Becca mit gesenkter Stimme, während sie weiterhin ihre Hand hielt.

Erneut beschleunigte sich Jennas Herzschlag. Nur dieses Mal vor Vorfreude.

»Ja, er beginnt in drei Tagen.« In ihrem Bauch kribbelte es. Sie konnte es kaum erwarten, dass der Kurs startete und sie sich das theoretische Wissen für die Umsetzung ihres Plans aneignete.

Denn ja, sie hatte zwar Bedenken davor, weitere Leute einzuweihen. Aber nicht, weil sie ihre Idee für nicht gut genug hielt. Ganz im Gegenteil. Alles in ihr schrie danach, die Pension so zu leiten, wie sie es für richtig hielt. Und dazu gehörte auch, etwas Neues einzuführen. Ein Konzept umzusetzen, das Blossomville bisher fehlte. Der Stadt etwas zu bieten, das es in der Form noch nicht gab. Doch um das zu schaffen, wollte sie top vorbereitet sein. Und der Kurs am Community College in Burlington, der nächstgrößeren Stadt, war dafür der erste Schritt.

»Aber genug von mir. Jetzt bist du dran.« Jenna schnappte sich ihren Long Island Ice Tea und schaute Becca erwartungsvoll an »Was gibt es bei dir Neues? Wie macht sich dein Buchladen? Hast du mittlerweile eine Rückmeldung von der Autorin bekommen, die du so gern für eine Lesung hierherholen möchtest? Und was ist seit unserem letzten Telefonat alles in Blossomville passiert?«

Ein sanfter Ausdruck erschien auf Beccas Gesicht.

»Ich habe dich und dein Fragefeuerwerk vermisst, weißt du das? Schön, dass du wieder da bist.«

Jenna lächelte, während sich ein warmes Gefühl von ihrer Brust bis in ihre Fingerspitzen und Zehen ausbreitete. Sosehr sie die letzten Jahre genossen hatte, sosehr hatte ihre beste Freundin ihr gefehlt, genau wie dieser kleine Ort, den sie jetzt wieder ihr Zuhause nennen durfte. In diesem Augenblick wurde ihr mit einer Klarheit, die sie ewig nicht mehr verspürt hatte, bewusst, dass jetzt endlich der Lebensabschnitt begann, auf den sie so lange hingearbeitet hatte. Und es gab nichts, dem sie mehr entgegenfieberte.

Dann lehnte sie sich auf ihrer Sitzbank zurück und lauschte Becca, wie sie Anekdoten aus ihrer Buchhandlung erzählte und Jenna mit all den kleinen und großen Geschichten versorgte, die in letzter Zeit in Blossomville passiert waren.

Kapitel 2 – Rowan

Rowan schob die Auflaufform mit der Gemüselasagne, die er die vergangene Stunde über vorbereitet hatte, mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck in den Ofen und stellte den Timer auf zwanzig Minuten. Es dauerte nicht lange, bis sich der Duft nach passierten Tomaten und einem Hauch Rosmarin in der Küche ausbreitete. Er freute sich schon darauf, herauszufinden, ob das Gewürz dem Gericht wie von ihm erhofft einen mediterranen Geschmack gab.

Nachdem er in aller Ruhe den Tisch im Wohnzimmer gedeckt hatte, kehrte er in die Küche zurück und wusch sich die Hände. Da klingelte es auch schon an der Tür. Mit einem letzten Blick in den Ofen vergewisserte sich Rowan, dass mit der Lasagne alles in Ordnung war, dann trat er in den Flur seiner Wohnung und durchquerte ihn mit wenigen Schritten. Er betätigte den Summer für unten und wartete ein paar Sekunden, bevor er die Tür zum Treppenhaus öffnete.

Das charakteristische, leichtfüßige Klackern der Stiefel seiner Mutter erklang, gleich gefolgt von dem Schnaufen seines Dads. Rowan würde es unter tausend Menschen erkennen, so sehr gehörte dieses Geräusch seit dessen Herzanfall vor über zwölf Jahren zu ihm. Und genauso wusste Rowan, dass sein Vater gleich einen Kommentar über das Wetter machen und seine Atemlosigkeit rein auf die Temperaturen schieben würde, die für einen Herbst doch deutlich zu warm seien. Dass er wegen seines schwachen Herzens schneller aus der Puste war, hatte er sich noch nie eingestanden.

Eine Unzulänglichkeit zugeben, auch wenn diese gesundheitliche Gründe hatte? Das kam für seinen Dad schlichtweg nicht infrage. Dafür war er viel zu stur. Und mittlerweile sprach Rowan das Thema nicht mehr an. Er hatte sich schon viel zu oft den Mund fusselig geredet, und solche Gespräche endeten meistens im Streit. Die sowieso nichts brachten, weil sein Vater keinen Millimeter von seiner Meinung abweichen wollte.

Da erschien seine Mom am Treppenabsatz, strahlte ihn an und zog ihn zur Begrüßung in ihre Arme.

»Hallo, mein Schatz«, sagte sie und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Ihr Lächeln vertiefte sich, während sie ihn einen Moment lang mit warmem Blick betrachtete. Dann ließ sie ihn los.

Rowan unterdrückte ein Schmunzeln. Auch wenn er mittlerweile zweiunddreißig Jahre alt war, wurde seine Mutter es nicht leid, ihn mit einem Kosenamen anzusprechen. »Schön, dich zu sehen, Mom.«

»Das duftet aber wieder fantastisch. Was tischst du deinem alten Herrn und mir denn heute auf?«

»Hey, das ›alt‹ habe ich gehört!«, kam es keuchend von der Treppe.

Rowan drehte sich zeitgleich mit seiner Mom in die Richtung. Langsam und mit rotem Kopf schleppte sein Vater sich die letzten Stufen hinauf.

»Ich fühle mich ... keinen Tag älter als ... fünfzig«, schob er mit einigen Unterbrechungen hinterher.

Rowan grinste, verbarg es aber, indem er den Kopf senkte. Die Tage, in denen sein Dad fünfzig gewesen war, waren schon ein paar Jährchen her. Tatsächlich hatte er zu dem Zeitpunkt gerade seinen Highschool-Abschluss gemacht.

Seine Mom zwinkerte ihm verschwörerisch zu, bevor sie sich an ihren Mann wandte.

»Natürlich, mein Liebling. Und du siehst auch keinen Tag älter aus.«

»Das will ich ja wohl meinen«, murmelte sein Vater, als er vor Rowans Wohnungstür ankam. Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der er sich an der Wand abstützte, hielt er ihm schließlich die Hand hin.

»Tag, mein Junge.«

Rowan ergriff sie. Die beiden Männer tauschten einen kräftigen Händedruck.

»Hallo, Dad.«

Der Unterschied zur Begrüßung mit seiner Mom hätte kaum größer sein können, doch so war es schon immer gewesen. Elizabeth Thomas war die warmherzigste Person, die man sich nur vorstellen konnte. Robert Thomas zeichnete sich hingegen eher durch seine effiziente und manchmal etwas ruppige Art aus, wobei Rowan ihm das nicht übel nahm. Zumindest meistens. Sein Vater neigte nicht zur Gefühlsduselei, worin er ihm sehr ähnelte. Aber wenn er gebraucht wurde, konnte man sich immer auf ihn verlassen.

»Es ist warm heute, oder? Hier im Flur steht die Luft ja förmlich. Vielleicht sollte ich mich mal mit dem Hausmeister in Verbindung setzen. Womöglich stimmt etwas mit der Belüftung nicht, und das könnte sich auch auf die Bar unten ausweiten. Du weißt, wie wichtig gute Luft ist, damit die Gäste sich wohlfühlen.«

Rowan versteifte sich unwillkürlich, versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Ein weiteres Thema, das er mit seinem Dad schon zigmal diskutiert hatte.

»Mit der Belüftung in der Bar ist alles in bester Ordnung, Dad. Ich kontrolliere sie regelmäßig, wie du es mir beigebracht hast.«

»Bist du dir sicher? Ein Anruf bei Hanks Nachfolger, wie heißt er doch gleich ... Garry? Graham? Na, du weißt schon. Derjenige, der seinen Handwerksbetrieb übernommen hat. Und wir können sicherstellen, dass die Bar heute Abend wie gewohnt die perfekte Temperatur für all unsere Gäste bereithält.«

Meine Gäste, verbesserte Rowan ihn im Kopf, überging diesen Kommentar seines Vaters jedoch. Es brachte nichts, mit ihm zu streiten. Das wusste er aus Erfahrung.

»Also wirklich, Liebling.« Seine Mom schüttelte übertrieben enttäuscht den Kopf. »Greg hat den Betrieb vor zehn Jahren von Hank übernommen. Meinst du nicht, es ist an der Zeit, dass du dir seinen Namen merkst?«

»Hank hat den Laden über dreißig Jahre geführt, er ist und bleibt für mich der beste Handwerker, den Blossomville je gesehen hat. Wenn sein Nachfolger auch so gute Leistung erbringt, merke ich mir seinen Namen gern. Und das kann er direkt unter Beweis stellen, indem er sich mit der Belüftung bei uns im Roots beschäftigt.«

Während seine Mom Rowan einen halb belustigten, halb entschuldigenden Blick zuwarf, der in etwa Hier ist Hopfen und Malz verloren, aber du kennst deinen Dad ja, er meint es nicht böse aussagte, biss Rowan sich auf die Zunge.

»Danke für das Angebot, Dad, aber wir müssen Greg nicht behelligen. Mit der Belüftung in der Bar ist wirklich alles in Ordnung.« Und auch hier im Flur gibt es keinerlei Probleme mit der Temperatur, fügte er im Stillen hinzu. »Möchtet ihr nicht reinkommen? Das Essen sollte gleich fertig sein.«

»Sehr gerne«, erwiderte seine Mom und lächelte ihm mit einer solchen Herzlichkeit zu, dass sich seine Schultern automatisch entspannten. Dann hakte sie sich bei seinem Vater ein und zog ihn an ihm vorbei ins Innere der Wohnung.

Rowan blieb noch einen Moment im Flur stehen und atmete tief durch, bevor er seinen Eltern folgte und die Tür hinter sich schloss.

Während sie sich im Wohnzimmer an den Esstisch setzten, ging er in die Küche hinüber. Das sanfte Bing des Timers erklang in dem Moment, als er sich die Ofenhandschuhe überstreifte. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Der Käse war goldgelb und exakt so verlaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Es duftete so verheißungsvoll, dass er es kaum erwarten konnte, die Gemüselasagne zu probieren.

»Mein Schatz, das sieht himmlisch aus«, lobte seine Mutter, als er mit der Auflaufform ins Wohnzimmer kam und sie auf dem Tisch abstellte. »Rieche ich da einen Hauch Thymian?«

»Nah dran. Ich habe ein wenig Rosmarin verwendet.«

Rowan zerteilte die Lasagne in portionsgerechte Stücke und hob eins davon auf den Teller seiner Mom. Sein Dad beäugte den Inhalt der Auflaufform kritisch.

»Das ist aber keine richtige Lasagne.«

Rowans Schultern spannten sich erneut an.

»Kommt ganz darauf an, wie du ›richtig‹ definierst. Das hier ist eine Gemüselasagne mit Paprika, Zucchini, Zwiebeln, Karotten, Tomaten und Nudelplatten aus Vollkorn. Den Teig dafür habe ich selbst hergestellt.«

Und er war stolz auf das Ergebnis. An dem Rezept feilte er jetzt bereits seit mehreren Wochen. Ihm war bewusst, wie sehr sein Vater es hasste, wegen seines schwachen Herzens auf eine gesunde Ernährung achten zu müssen. Daher hatte er es sich zur Mission gemacht, eigene Rezepte zu kreieren, die dem Ernährungsplan seines Dads entsprachen, und trotzdem vom Geschmack her so nah wie möglich an den Originalgerichten waren.

Sein Dad verzog das Gesicht, was Rowan einen Stich in die Magengrube versetzte. Unwillkürlich sackte er in sich zusammen.

Seine Mom verdrehte die Augen. Sie hatte ihre Gabel und ihr Messer bereits griffbereit in der Hand.

»Probier doch erst mal, bevor du dein Urteil fällst, Liebling.«

Rowan schwieg und wartete. Die Brauen misstrauisch zusammengezogen, hielt sein Dad ihm nach einigen Sekunden Bedenkzeit schließlich doch seinen Teller hin. Rowan straffte die Schultern und drapierte ein besonders schönes Stück der Lasagne darauf. Dann tat er sich selbst etwas auf, beobachtete jedoch aus einem Augenwinkel, wie sein Vater sich einen Bissen abschnitt, diesen auf der Gabel inspizierte, und ihn sich anschließend in den Mund schob.

Ohne es bewusst zu steuern, hielt Rowan den Atem an. Sein Dad war schwer zufriedenzustellen. Und trotzdem erwischte Rowan sich dabei, wie er es immer und immer wieder versuchte. Auch seine Mom betrachtete ihren Mann, während dieser mehrere Sekunden lang schweigend kaute.

»Und?«, erkundigte sie sich, als er schließlich hinunterschluckte und nach seinem Wasserglas griff.

»Ist okay, denke ich.«

Auf dem Gesicht seiner Mutter breitete sich ein Grinsen aus. Auch Rowan atmete vor Erleichterung auf.

»Ist okay« hieß in der Sprache seines Vaters in etwa: »Mir schmeckt's, auch wenn ich das niemals zugeben würde.«

Eine Weile aßen die drei schweigend. Nur das Geklapper von Besteck war zu hören.

Erst, als Rowans Dad sich ein zweites Stück nahm – was Elizabeth Thomas dazu veranlasste, ihrem Sohn lächelnd zuzublinzeln –, begann eine neue Unterhaltung.

»Erzähl mal, mein Junge. Wie laufen die Geschäfte?«

Und los geht's. Rowan konnte gerade noch ein Seufzen unterdrücken. Bevor er zu einer Antwort ansetzte, hob er sein Glas an die Lippen und trank einen Schluck Wasser. Bei dem Thema hätte er zwar lieber zu Wein gegriffen, doch aus Solidarität zu seinem Dad trank er in dessen Gegenwart nur Alkoholfreies.

»Gut, Dad. Seit unserem Sonntagsessen letzte Woche hat sich daran nichts geändert.«

Mal davon abgesehen, dass du in dieser Zeit zweimal im Roots vorbeigeschaut hast. Aber auch diesen Kommentar behielt Rowan für sich.

Denn im Grunde wusste er, dass sein Vater die Nachfragen nicht böse meinte. Er hatte Roots and Herbs Grill, die einzige Bar in der Stadt, vor über vierzig Jahren gegründet und sie mit vollem Einsatz geführt. Bis sein schwerer Herzinfarkt ihn dazu gezwungen hatte, die Leitung aufzugeben. Damit das Lebenswerk seines Vaters nicht verkauft werden musste, hatte sich Rowan angeboten, das Roots zu übernehmen. Auch wenn er eigentlich nicht vorgehabt hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, hatte er sein Studium im nahe gelegenen Burlington abgebrochen und war zurückgekommen.

Die Behandlungen und Medikamente für seinen Dad waren teuer, und ohne die Einnahmen aus der Bar hätten seine Mom und er die Kosten in den vergangenen zwölf Jahren niemals tragen können. Sosehr sich Rowan für sein Leben eigentlich etwas anderes vorgestellt hatte, so wenig bereute er seine Entscheidung von damals. Auch wenn in seinem Inneren immer wieder der Wunsch anklopfte, aus dem Roots etwas Eigenes zu machen. Das Konzept zu erweitern. Die Bar ins 21. Jahrhundert zu führen.

Er griff ein weiteres Mal zu seinem Wasser und spürte erneut den Drang, es gegen ein Glas Wein zu tauschen. Oder einen Whiskey. Um sich ein wenig Mut anzutrinken. Denn er hatte sich fest vorgenommen, seinen Eltern heute von seinem Plan zu berichten. Beziehungsweise von dem ersten Schritt seines Plans, den er schon ganz bald gehen würde.

»Das freut mich sehr zu hören. Ich bin stolz, dass das Roots noch immer eine so alteingesessene Institution für die Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt ist.« Sein Dad deutete mit seiner Gabel auf ihn, während seine Stimme einen beinahe pathetischen Klang annahm. »Unsere Gäste können sich darauf verlassen, dass sie im Roots genau das bekommen, was eine gute Bar ausmacht. Ohne viel Schnickschnack. So war es schon immer, und so wird es auch immer sein.«

Rowan nickte nur knapp. Diese kleine Rede bekam er in Abwandlungen jeden Sonntag zu hören. Sie war der Grund dafür, dass er seine Ideen für ein paar Neuerungen im Roots and Herbs Grill bisher für sich behalten hatte.

Sein Magen krampfte sich zusammen. Denn als er seinen Dad beobachtete, wurde ihm klar, dass er ihn auch heute nicht einweihen würde. Er schalt sich selbst dafür, dass seine Gedanken wieder mal in die verbotene Richtung abgedriftet waren. Solange sein Vater im Roots mitmischte – auch wenn es nur im Hintergrund war –, würde er seine geheimen Pläne niemals umsetzen.

Das konnte er seinem Dad nicht antun. Oder? Nein, er würde ihn zutiefst enttäuschen, davon war er überzeugt. Denn Robert Thomas war ein Mann der alten Schule, der Veränderungen nicht gerade mit offenen Armen begegnete. Insbesondere nicht, wenn diese sein Lebenswerk betrafen. Das war schon immer so war der Satz, den Rowan von seinem Dad in seinem Leben am häufigsten gehört hatte. Und zwar mit Abstand.

Während sein Vater weiter darüber sprach, warum das Roots für Blossomville so wichtig war, betrachtete Rowan ihn nachdenklich. Sein graues Haar war in den vergangenen Monaten schütterer geworden. Die Falten auf seiner Stirn schienen tiefer geworden zu sein, außerdem bemerkte er, dass ihm ein paar Schweißtropfen darauf standen. Dabei hatte Rowan die Heizung in der Wohnung extra nicht besonders hoch eingestellt.

Sein Dad hatte sich frisch rasiert, wodurch ihm zum ersten Mal die Flecken auffielen, die sich auf den Wangen und dem Kinn ausbreiteten. Sie stachen nicht auf den ersten Blick hervor, aber bei genauem Hinschauen waren sie doch nicht zu übersehen. An diesen Stellen wirkte die Haut fahl, beinahe grünlich. Rowan kniff die Augen unmerklich zusammen. Je länger er ihn betrachtete, desto mehr Veränderungen fielen ihm an seinem Dad auf.

Sein Blick flackerte zu seiner Mutter. Der Kontrast war nur allzu deutlich. Obwohl die beiden nur wenige Jahre trennte, was den Altersunterschied anging, wirkte seine Mom um einiges agiler. Sie fuhr sich gerade mit einer Hand durch ihren dunkelblonden Bob, der hier und da von grauen Strähnen durchzogen wurde. Ihre Augen strahlten, und auf ihre Wangen hatte sich eine natürliche Röte gelegt. Auch ihre Bewegungen hatten deutlich mehr Schwung als die seines Vaters.

Wieder sah er zu seinem Dad hinüber, der in diesem Moment nach seinem Wasserglas griff und zeitgleich am Kragen seines Hemds nestelte. Er bekam den obersten Knopf nicht auf, weshalb seine Mom ihm zu Hilfe kam.

Rowan erschrak, als ihm bewusst wurde, was ihn am Erscheinungsbild seines Dads so verunsicherte: Er wirkte mit einem Mal deutlich älter als noch vor wenigen Wochen. Bisher hatte er ihn immer als Mann empfunden, der trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen mitten im Leben stand und sich von nichts und niemandem unterkriegen ließ. Doch in diesem Augenblick kippte der Eindruck.

Rowans Herz klopfte lautstark, als sich ein neues Gefühl in diese Erkenntnis mischte. Sorge. Insbesondere, weil er um das schwache Herz seines Vaters wusste. Zwar hielt dieser sich an die Ratschläge der Ärzte, um das Risiko für einen weiteren Infarkt möglichst gering zu halten. Aber ganz ausschließen konnte das niemand.

In diesem Moment fasste Rowan einen Entschluss. Er würde versuchen, jegliche Belastung von seinem Dad fernzuhalten. Und er ermahnte sich selbst, ihn nicht unnötig aufzuregen.

Vor allem, was die Bar betraf. Das bedeutete zwar, dass er seine Idee weiterhin für sich behalten musste. Aber wenn er ehrlich zu sich war, fand er das gar nicht so schlimm. Dadurch hatte er zumindest die Zeit, sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen und sich vorzubereiten. Sollte sich doch eines Tages die Gelegenheit bieten, mit seinem Dad darüber zu sprechen, würde er ihm jede einzelne Frage ohne zu zögern beantworten können und hätte bereits alle Eventualitäten abgewogen. Er hätte einen festen Plan, der ihm den Halt geben würde, sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen.

Innerlich nickte er und formulierte ein Versprechen an sich selbst: Erst, wenn er sich zu hundert Prozent sicher fühlte und von seinem Konzept vollkommen überzeugt war, würde er auf seinen Vater zugehen.

Augenblicklich beruhigte sich Rowans Herzschlag. Mit diesem Entschluss fühlte er sich wohler. Denn er bedeutete, dass er den ersten Schritt trotzdem wie geplant angehen konnte – mit der einzigen Einschränkung, dass er verstärkt auf die Geheimhaltung achtete und niemanden einweihte. Damit sein Dad ja nichts davon mitbekam. Zumindest noch nicht.

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, ehe er sich erhob und die Teller seiner Eltern einsammelte.

»Was haltet ihr von einem Nachtisch?«

Kapitel 3 – Jenna

Jenna blickte auf das zweistöckige Gebäude vor sich. Dunkelbraune Fensterläden, eine hellbraun und beige gestrichene Fassade und eine Eichentür, über der in ebenso dunkelbraunen Lettern die Worte Pension Blossomville prangten.

Ihr Herz hüpfte in ihrer Brust, als sie dieses Bild in sich aufnahm. Von außen betrachtet, war die Pension gut in Schuss. Die Farben entsprachen zwar nicht ganz ihrem persönlichen Geschmack, aber sie harmonierten perfekt miteinander. Alles wirkte stimmig. Die herbstlichen Blumen auf den Fensterbänken, die für ein paar Farbtupfer sorgten. Der Baum mit den gold-orangenen Blättern im Vorgarten der Pension, unter der eine Sitzbank zu gemütlichen Lesestunden im Freien einlud. Das »Herzlich willkommen«-Schild, das an der Eingangstür angebracht war.

Jenna atmete tief ein. Das alles hier würde ab dem kommenden Jahr ihr gehören. Dieses Haus war ihre Zukunft. Ihr wahr gewordener Lebenstraum, von dem sie nur noch eine Unterschrift trennte.

Eine kribbelige Vorfreude ergriff von ihr Besitz, während sie den Blick erneut über die blank geputzten Fenster schweifen ließ. Sie konnte es kaum erwarten, sich in ihre neue Aufgabe als Pensionsbesitzerin zu stürzen.

In dem Moment öffnete sich die Tür und ein älterer Mann mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, Schnauzbart und einem Geschirrhandtuch über der Schulter trat heraus. Er pfiff vor sich hin, während er in Richtung des Briefkastens ging und die Post daraus holte.

Da entdeckte er Jenna. Sein Gesicht hellte sich auf.

»Ms. Mayfield, Sie sind ja schon da!«

Jenna erwiderte sein Lächeln und trat mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.

»Guten Tag, Mr. Marlowe. Ich bin ein wenig früh dran, aber mich hat es nicht mehr in meinem Bett gehalten. Dafür war ich dann doch zu neugierig.«

Der jetzige Pensionsbesitzer antwortete ihr mit einem dröhnenden Lachen.

»Sehen Sie, deswegen war meiner Frau und mir sofort bewusst, dass Sie die richtige Person für diese Pension sind. Eine Frau voller Tatendrang.«

Er bedachte sie mit einem Zwinkern, was Jenna schmunzeln ließ. Mr. Marlowe erinnerte sie ein wenig an eine häuslichere Version des Schauspielers James Brolin. Ein Gentleman der alten Schule, dem zeitgleich ein gewisser Schalk anzusehen war.

»Kommen Sie doch herein. Wir haben das Frühstücksbüfett zwar gerade abgebaut, aber für einen Kaffee kann ich Sie hoffentlich trotzdem begeistern?«

»Sehr gerne.«

Jenna folgte dem derzeitigen Pensionsbesitzer durch den Vorgarten, erklomm die Stufe bis zur Eingangstür und machte sich dabei geistig eine Notiz, den Zutritt zur Pension in Zukunft behindertengerecht zu gestalten. Dann trat sie hinter Mr. Marlowe in den kleinen Flur, der sich nach wenigen Schritten zu einem Empfangsbereich öffnete.

Wie bereits draußen vor der Pension, blickte sich Jenna auch hier interessiert um. Ihr gesamtes Inneres wurde innerhalb von Sekunden mit Wärme geflutet.

Die Fotos und Videos, die sie während des Kaufprozesses von den Marlowes und Becca erhalten hatte, hatten nicht zu viel versprochen. Sie hatte aufgrund ihrer Reise nicht persönlich vorbeikommen können, um sich den aktuellen Zustand der Pension anzuschauen, und vertrauensvoll ihre beste Freundin mit dieser Aufgabe betraut. Das Bild, das sie noch aus ihrer eigenen Zeit in Blossomville von der Pension hatte, deckte sich mit den Eindrücken, die Becca nach ihren Besichtigungsterminen geschildert hatte.

Es war wunderschön hier. Gemütlich und gepflegt.

In einer Ecke standen vor einem Kamin zwei Sofas und mehrere Sessel. Mehrere deckenhohe Regale beherbergten jede Menge Bücher. Rechts führte eine Treppe in die oberen Stockwerke, auch ein Fahrstuhl war vorhanden. Der Vinylboden in dunkler Eichenoptik dämpfte ihre Schritte, als sie sich mit neugierigem Blick um die eigene Achse drehte. Vor der Rezeption und in der Sofaecke lagen dunkelrote Teppiche, die perfekt zu den Wänden passten, die in einem hellen und trotzdem warmen Farbton gestrichen waren.

Jenna fühlte sich wie zu Hause.

»Ms. Mayfield, herzlich willkommen.«

Eine kleine, rundliche Frau trat um den Tresen herum, der die Rezeption der Pension markierte. Ihr Gesicht strahlte ebenso wie das ihres Mannes, als sie Jenna die Hand schüttelte. Unwillkürlich musste Jenna an die gute Fee aus dem Disney-Film Cinderella denken, nur, dass die Haare von Mrs. Marlowe nicht weiß, sondern graublond waren.

»Möchten Sie erst mal mit uns hinüber in den Frühstückssaal gehen, bevor wir Ihnen eine kleine Führung durch das Haus geben?«, erkundigte sich Mr. Marlowe, der sich inzwischen neben seine Frau gestellt hatte.

»Das klingt hervorragend.«

Er bedeutete ihr mit seinem Arm, durch die Tür links vor der Rezeption zu gehen.

Als Jenna seiner Aufforderung Folge leistete, blieb ihr beinahe der Mund offen stehen. Der Frühstückssaal war deutlich größer, als sie gedacht hatte. Er war hell und von der Einrichtung her schlicht, aber dennoch freundlich eingerichtet. Mit Bildern von Blumen an den Wänden und zehn Tischen, an denen jeweils zwischen zwei und vier Personen Platz fanden. An der hinteren Wand befand sich eine silberne Tür mit einem runden Fenster, die in die Küche der Pension führte.

Dass der Frühstücksbereich so viel Platz bot, ließ Jennas Magen einen freudigen Hüpfer vollführen. Die Pläne, die sie für die Pension hatte, nahmen in ihrem Kopf sofort deutlicher Gestalt an.

Mr. Marlowe steuerte einen der größeren Tische direkt unter dem Fenster an, durch das man in den Vorgarten blickte.

»Was für einen Kaffee darf ich Ihnen denn bringen, Ms. Mayfield? Wir können Ihnen alles anbieten, was das Herz begehrt: Milchkaffee, Cappuccino, Latte Macchiato, Espresso, Americano, Flat White ...«

»Einen Cappuccino bitte, vielen Dank.«

»Kommt sofort.«

Mit einem geschäftigen Nicken verschwand Mr. Marlowe durch die Küchentür, und Jenna setzte sich mit Mrs. Marlowe an den Tisch. Ihr Blick glitt automatisch nach draußen, wo die bunt gefärbten Blätter der Eiche im Wind raschelten und sanft auf den Rasen fielen. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, als sie beobachtete, wie ein Eichhörnchen zwischen den Ästen hindurchwuselte.

»Schön, nicht wahr?«

Der warme Klang von Mrs. Marlowes Stimme riss Jenna aus der Beobachtung dieses Naturschauspiels.

»Wunderschön«, gab sie ihr recht. »Ich hatte beinahe vergessen, wie naturbelassen alles hier in Blossomville ist. Es hat mir gefehlt.«

»Das glaube ich Ihnen. Sie haben die vergangenen Jahre über in Texas gewohnt, nicht wahr?«

»Die letzten Jahre habe ich im Ausland gearbeitet, aber davor war ich in Texas, das stimmt. Ich habe in Denton Hotelmanagement studiert und bin anschließend nach Houston gezogen, wo ich in verschiedenen Hotels tätig war.«

Sie dachte an das geschäftige Treiben zurück, die riesigen Hotelkomplexe, die Hitze, die schiere Größe dieser Stadt. Es war das komplette Kontrastprogramm zu dem Leben gewesen, das sie aus Blossomville kannte. Ein großes Abenteuer, für das sie immer sehr dankbar sein würde. Doch sosehr sie die Jahre in Texas geliebt hatte, so sicher hatte sie bereits von Beginn an gewusst, dass dieses Abenteuer nur auf Zeit gewesen war.

Mr. Marlowe erschien mit einem Tablett in der Hand an ihrem Tisch, stellte einen Cappuccino vor Jenna und stattete auch seine Frau und sich selbst mit einer Tasse Kaffee aus. Dann setzte er sich zu ihnen.

»Und, wie ist Ihr erster Eindruck von unserem Haus?«, erkundigte er sich, während Jenna die Hände um ihre Tasse legte.

Sie lächelte dem Ehepaar zu. »Darf ich ehrlich sein? Ich bin begeistert. Die Pension ist noch hübscher, als ich sie in Erinnerung hatte. Sie haben ein Schmuckstück aus ihr gemacht. Ich freue mich jetzt noch um einiges mehr, sie übernehmen zu dürfen. Die Zimmer werden meinem guten Eindruck ebenfalls gerecht werden, davon bin ich überzeugt.«

Sie schaute in zwei strahlende Gesichter. Auf Mrs. Marlowes Wangen breitete sich eine leichte Röte aus, und sie senkte den Blick. Mr. Marlowe griff nach der Hand seiner Frau, ehe er sich erneut Jenna zuwandte.

»Wir danken Ihnen für diese netten Worte. Es erleichtert uns sehr, dass Sie so denken. Wir hatten, um Ihnen gegenüber ebenso ehrlich zu sein, die Sorge, dass Ihnen die Pension in natura vielleicht doch nicht mehr gefallen könnte. Obwohl wir das Gebäude in all der Zeit immer gepflegt haben, lässt sich trotzdem nicht verhehlen, dass es mittlerweile einige Jahre auf dem Buckel hat.«

Jenna hob die Hand, um ihn zu unterbrechen.

»Lassen Sie mich Ihnen diese Sorge direkt nehmen. Mir ist bewusst, worauf ich mich einlasse. Auch wenn ich die Pension zuletzt in meiner Highschool-Zeit gesehen habe, habe ich mich schon damals in sie verliebt. Ich werde keinen Rückzieher machen. Und ich hoffe sehr, dass Sie genauso denken. So ein Etablissement nach über dreißig Jahren aufzugeben, fällt Ihnen gewiss nicht leicht. Dafür habe ich Verständnis. Aber ich verspreche Ihnen, mich gut um dieses Haus zu kümmern.«

Das Ehepaar tauschte einen langen Blick. Jenna hielt den Atem an, während sie auf eine Erwiderung wartete. Ihr Puls dröhnte ihr in den Ohren, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Eine Stimme in ihrem Inneren flüsterte, dass jetzt der ideale Zeitpunkt sei, ihre Idee mit dem Erweiterungskonzept für die Pension auf den Tisch zu bringen. Aber Jenna ignorierte sie und biss sich auf die Lippe, während das stumme Zwiegespräch zwischen den Marlowes weiter anhielt. Um sich abzulenken, nahm sie einen Schluck von ihrem Cappuccino.

Dann nickten die beiden.

»Ich würde sagen: Tragen Sie schon mal die nächste Stadtversammlung in Ihren Kalender ein, Ms. Mayfield«, erklärte Mr. Marlowe und legte einen Arm über die Rückenlehne des Stuhls seiner Frau.

Sie wandte Jenna ihren Kopf zu und lächelte sie voller Wärme an.

»Damit wir Sie dort offiziell als unsere Nachfolgerin bekannt geben können.«

Jennas Lippen verzogen sich wie von selbst zu einem breiten Grinsen. In ihrem Magen kribbelte es. Wenn etwas auf einer der regelmäßig stattfindenden Stadtversammlungen in Blossomville verkündet wurde, war es gesetzt. Es glich einer Feuertaufe – und war damit das größte Kompliment, das die jetzigen Besitzer der Pension ihr machen konnten.

»Ich danke Ihnen. Der Termin wird direkt notiert.«

»Hervorragend.« Mr. Marlowe klatschte in die Hände. »Dann schlage ich vor, dass wir in aller Ruhe unseren Kaffee trinken, uns anschließend die Zimmer ansehen und danach die Papiere unterzeichnen. Einverstanden?«

Das Hochgefühl, das von Jenna Besitz ergriffen hatte, verstärkte sich. Mittlerweile kribbelte nicht mehr nur ihr Bauch, sondern ihr gesamter Körper.

»Einverstanden.«

Kapitel 4 – Rowan

»Henry Coleman hat mich gebeten, ein Kompliment an die Küche auszurichten. Er fand, dass der Burger heute noch besser geschmeckt hat als sonst und fragte, ob du etwas braunen Zucker für die Soße verwendet hättest.«

Rowan blickte über die Schulter zu seiner Kellnerin Lulu. Sie stand vor der Verbindungstür zur Küche, die einer alten Saloontür nachempfunden war, und pustete sich ein paar verirrte Haare aus ihrem Gesicht. Heute trug sie pinke Strähnchen in ihrem ansonsten dunkelblonden Haar. Vergangenen Monat hatte sie sich noch für die Farbe Blau entschieden, den Monat davor war es grün gewesen, wenn er sich richtig erinnerte.

So wenig Rowan bei den vielen Wechseln der Haarfarbe hinterherkam, sosehr schätzte er seine Mitarbeiterin. Denn Lulu war nicht nur fleißig und verlässlich, sondern wusste auch genau, wie sie mit den kleinen und großen Wünschen der Gäste im Roots and Herbs Grill umzugehen hatte.

Er wandte sich wieder der Pfanne zu, in der er gerade ein Burger Patty briet.

»Danke. Du kannst ihm sagen, dass ich die Zwiebeln auf seinem Burger heute karamellisiert habe. Dadurch kam der süßere Geschmack zustande.«

»Geht klar, Boss.«

Noch während Rowan die Augen verdrehte – er hasste es, wenn Lulu ihn so nannte –, verschwand sie in den Innenraum der Bar.

Kaum war er wieder allein in der Küche, zuckte einer seiner Mundwinkel leicht. Henry Coleman war der einzige Gast, bei dem Rowan hin und wieder von dem üblichen Burgerrezept abwich, das auf der Karte des Roots stand. Weil er wusste, dass dieser seine Vorliebe für gutes Essen teilte. Mittlerweile war es zu einem kleinen Ritual zwischen ihnen geworden, dass Rowan etwas an seiner Bestellung veränderte und Henry anschließend riet, was anders gewesen war als sonst.

Er ließ das Patty aus der Pfanne auf die Unterseite des Bun gleiten, auf dem bereits ein Salatblatt drapiert lag. Dann vervollständigte er den Burger mit einer Tomatenscheibe, sauren Gurken, Zwiebeln – dieses Mal ohne Karamellisierung – und seiner hausgemachten Burgersoße, bevor er die Brötchenoberseite auflegte und vorsichtig einen Holzspieß in die Mitte des Burgers stach, um ihn zusammenzuhalten. Dann ging er hinüber zur Fritteuse, die in diesem Moment piepste. Er holte die Pommes heraus und kippte sie in eine Schüssel. Nachdem er sie mit den Gewürzen vermischt hatte, gesellten sich die Fritten zum Burger.

Einen Augenblick betrachtete er sein Werk, dann stellte er den Teller auf die Anrichte, die den fertigen Bestellungen vorbehalten war. Anschließend machte er sich daran, den nächsten Teller herzurichten.

Während er dieses Mal einen Chickenburger und eine Portion Zwiebelringe zubereitete, glitten seine Gedanken zu seinen Abendplänen. Ein Flattern ergriff von seinem Magen Besitz, doch Rowan schob es beiseite. Aufregung war völlig fehl am Platz. Die würde ihn nur ablenken, und das konnte er sich nicht erlauben. Dafür war diese Sache viel zu wichtig für ihn. Wenn alles so lief wie erhofft, konnte er in ein paar Monaten endlich damit beginnen, seine Wünsche für das Roots zu konkretisieren.

Dann würden bald nicht mehr nur zwei verschiedene Burger, Fritten und Zwiebelringe auf der Speisekarte stehen. Zumindest, wenn er bis dahin den Mut aufbrachte, mit seinem Dad zu sprechen. Augenblicklich wurde das Flattern in seiner Magengegend, das er trotz seiner Bemühungen nicht ganz verscheucht hatte, zu einem Rumoren.

Er biss fest die Zähne zusammen und versuchte, sich auf das Fleisch in der Pfanne zu konzentrieren. Es zischte, als er es wendete. Dann legte er die Brötchenhälften zum Rösten daneben, ging zum Regal mit den Tellern hinüber und stellte einen davon zum Anrichten auf den Tisch neben dem Herd.

Während er die Zwiebelringe in den Korb der Fritteuse füllte, schüttelte er den Kopf. Nein, so durfte er nicht denken. Schritt für Schritt. Das war die einzige Herangehensweise, die funktionierte. Wenn er sich immer wieder Sorgen um die größte Hürde machte, der er erst ganz am Ende begegnen müsste, würde er vorher nicht einen Millimeter vorankommen.

Das heute Abend tat er nur für sich. Auch, wenn sich das Ganze als riesengroße Enttäuschung entpuppen würde, könnte er sich zumindest weiterhin im Spiegel ins Gesicht schauen. Weil er sich getraut hatte, seinen Wunsch anzugehen. So wahnwitzig er auch sein mochte.

Mittlerweile hatte er den zweiten Burger angerichtet und ihn zu dem ersten Teller gestellt. Rowan tippte auf die Klingel, das Signal für Lulu, die Bestellung abzuholen. Sie erschien keine zehn Sekunden später in der Saloontür.

»Die Bestellung für Tisch zwei ist fertig«, sagte Rowan und deutete auf die beiden Burger. »Damit mache ich die Küche für heute dicht. Ich säubere gleich noch alles, dann bin ich wie besprochen aus der Tür. Schaffst du das heute Abend wirklich allein?«

Lulu verdrehte die Augen. »Ja doch, Boss. Ich kann es dir auch gerne zum zehnten Mal versichern, wenn es dir dann besser geht. Ich habe hier alles im Griff. Du schließt dich doch sowieso die meiste Zeit hier in der Küche ein und ich schmeiße den Laden vorne. Das Roots wird also auch mal ein paar Stunden ohne dich auskommen. Konzentrier du dich ganz auf deinen Termin mit der Brauerei in Burlington. Ich fänd's toll, wenn wir unser Sortiment in der Bar erweitern.«

Damit schnappte sie sich die beiden Teller von der Anrichte und warf ihm beim Hinausgehen noch einen Blick über die Schulter zu.

»Ich komme in einer halben Stunde noch mal gucken. Wenn du bis dahin nicht verschwunden bist, schmeiße ich dich eigenhändig raus. Viel Erfolg heute Abend!«

Rowan musste ein Schmunzeln unterdrücken. Er mochte Lulus freches Mundwerk. Sie war nie um einen Spruch verlegen, und insgeheim bewunderte er sie für ihre direkte, unerschütterliche Art.

Er konnte nur hoffen, dass Lulu ihm nicht böse war, sollte sie eines Tages von seiner kleinen Notlüge wegen heute Abend erfahren. Und auch nicht wegen der Ausreden, die er sich in den kommenden Wochen einfallen lassen musste, wenn er Roots and Herbs Grill abends allein ließ.

Der Anflug eines schlechten Gewissens nagte an ihm, doch er schüttelte seine Bedenken ab. In gewisser Weise war es ja noch nicht mal gelogen, was er Lulu erzählt hatte. Er traf sich tatsächlich mit jemandem, der – im weitesten Sinne – im Gastronomiegeschäft tätig war. Wenn auch auf eine andere Art, als er seiner Kellnerin suggeriert hatte.

»Also dann«, sprach Rowan sich Mut zu, reinigte die Küchengeräte, die Arbeitsflächen und den Boden, und machte sich dann auf dem Weg nach Burlington.

Eine Stunde später stand Rowan auf dem Bürgersteig vor dem gelb gestrichenen Hauptgebäude des Community Colleges. Die Fenster blitzten, als wären sie frisch geputzt worden. Alles an diesem Ort wirkte freundlich. Auf dem Campus, der direkt an das Gebäude anschloss, waren nur noch wenige Menschen unterwegs. Es herrschte eine angenehme, ruhige Stimmung.

Rowan spürte, wie sich das Flattern in seiner Magengegend ein wenig linderte. Er war bereits einmal hier gewesen, um sich für den Kurs anzumelden, den er ab heute belegte. Eine Orientierung zu haben und zu wissen, wo er gleich hinmusste, beruhigte seine Nerven. Ebenso wie die Tatsache, dass um diese Uhrzeit kaum noch etwas los war. Denn das bedeutete ein geringeres Risiko, von jemandem gesehen zu werden, den er womöglich kannte. Er atmete tief durch. Sein Geheimnis würde sicher bleiben.

Auch wenn er eigentlich nicht an solche Dinge glaubte, war es ihm wie eine Fügung des Schicksals vorgekommen, dass der Kurs mittwochs stattfand. Am einzigen Tag der Woche, an dem die Bar früher als sonst zumachte und er Lulu somit nur drei Stunden allein lassen musste. Er konnte nur hoffen, dass seine Entscheidung für dieses Programm die Geheimniskrämerei wert war.

Rowan straffte die Schultern, nickte sich selbst einmal innerlich zu, nahm die Stufen bis zum Eingang des Community Colleges und trat ein. Er ging an der großen Treppe vorbei, die in das obere Stockwerk mit den Büros der Verwaltung führte, und öffnete die Tür zum Flur mit den Kursräumen. Bei der dritten Tür auf der rechten Seite machte er Halt. Bevor sich das Flattern in seinem Bauch verstärken konnte, trat er ein. Für einen Moment ließ er den Blick durch den Raum wandern.

Vorn stand ein Pult, auf dem eine lederne Aktentasche lag. An der Wand dahinter war ein Smartboard angebracht, auf dem eine Präsentation angezeigt wurde, deren erste Folie die Kursteilnehmer herzlich willkommen hieß.

Im Raum selbst standen Einzeltische in mehreren Reihen angeordnet. Ein paar der Teilnehmer waren bereits da, drei Frauen und zwei Männer, alle in unterschiedlichen Altersklassen. Rowan nickte ihnen knapp zu, bevor er sich an einen der Einzeltische im hinteren Teil des Raums setzte.

Er zog gerade sein Notizbuch aus der Tasche, als eine Frau mit roten Haaren den Raum betrat und sich interessiert umsah. Er blickte auf und stutzte. Sie kam ihm entfernt bekannt vor, doch er konnte sie nicht ganz zuordnen. Unbehagen breitete sich in seinem Inneren aus, während er sein Gehirn danach durchforstete, wo sie sich schon mal begegnet sein könnten. Aber er kam nicht darauf.

Shit. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, ausgerechnet hier jemandem zu begegnen, den er kannte. Doch woher, verdammt noch mal? Er kniff die Augen zusammen, während er sie betrachtete. Ein wenig erinnerte sie ihn an die Schauspielerin Emma Stone. Vor wenigen Wochen hatte er seine Mutter als Geschenk zu ihrem Geburtstag ins Kino begleitet, wo sie sich einen Film mit ihr angesehen hatten.

Ja, das musste es sein. Seine Schultern lockerten sich. Die Ähnlichkeit hatte ihn irritiert, das war alles. Innerlich schimpfte er mit sich. Das hatte er von seiner Geheimniskrämerei. Jetzt schien er schon Paranoia zu bekommen.

In dem Moment blieb der Blick der Frau an ihm hängen. Ein paar Herzschläge lang starrten sie sich an. Auch wenn Rowan es gewollt hätte, hätte er nicht wegschauen können. Vergessen war die Ähnlichkeit mit der Schauspielerin. Diese Frau hier vor ihm hatte etwas seltsam Faszinierendes. Etwas, das ihn wie gebannt jede Einzelheit ihres Gesichts abscannen ließ.

Die feine Kontur ihrer Nase. Die vollen Lippen. Die rote Färbung ihrer Wangen. Die olivgrünen Augen. Normalerweise achtete er nie besonders auf solche Details, und er hätte nicht mal von seiner eigenen Mutter mit hundertprozentiger Sicherheit sagen können, welche Augenfarbe sie hatte. Aber diese Frau ... Es war, als könnte er nicht anders, als sich alles an ihr einzuprägen.

Sie sprühte förmlich vor Energie. Ihr Blick war wach. Intelligent. Neugierig.

Dann zeichnete sich zwischen ihren Brauen eine kleine Falte ab. Es dauerte einen weiteren Herzschlag, ehe sich ihre Augen weiteten. Vor Überraschung? Oder etwas anderem?

Sofort war Rowans mulmiges Gefühl zurück. Verdammt, was tat er hier? Doch er war nach wie vor nicht imstande, seinen Blick von der Frau abzuwenden. In seinem Kopf ratterte es.

Ihre Lippen öffneten sich. Doch ehe sie etwas sagen konnte, betrat ein Mann in einem braunen Tweed-Jackett hinter ihr den Raum. Die Frau riss ihren Blick von Rowan los. Und damit war der Bann gebrochen.

Es dauerte einen Moment, bevor er sich wieder daran erinnerte, wo er sich befand. Sein Puls dröhnte ihm in den Ohren. Nur langsam regulierte sich sein Herzschlag. Dafür wuchs sein Unbehagen von Sekunde zu Sekunde weiter an. Verdammt, verdammt, verdammt. Jetzt war er sich sicher, dass er dieser Frau schon einmal begegnet sein musste. Aber er bekam noch immer nicht zu fassen, wann und wo. So eine Frau vergaß man nicht einfach so. Warum zur Hölle wollte es ihm partout nicht einfallen?

Ein Räuspern ließ ihn aufschauen. Der Mann mit dem Tweed-Jackett stand neben dem Dozentenpult und lächelte sie an.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Rowan, dass sich die rothaarige Frau an einen Tisch in der ersten Reihe gesetzt hatte.

»Guten Abend, liebe Kursteilnehmende! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Fortbildungsreihe für Berufstätige am Community College. Mein Name ist Paul Clifton. Ich habe die große Ehre, Sie in den kommenden zehn Wochen in die Welt des Gastronomiemanagements einzuführen.«

Seine Stimme bekam bei den letzten Worten einen beinahe feierlichen Klang. Rowan betrachtete ihn, wenn auch nicht mit der Aufmerksamkeit, mit der er sich eigentlich in diesen Kurs hatte begeben wollen. Dafür wühlte ihn die vorangegangene Situation noch zu sehr auf.

»Am Ende unseres Abendkurses werden Sie das Grundgerüst kennen, das Sie benötigen, um in der Gastronomiebranche Fuß zu fassen. Sie werden lernen, was dazugehört, ein Restaurant erfolgreich zu leiten, wie Ihre Gäste das bestmögliche Erlebnis in Ihrem Etablissement bekommen, und welche Stolperfallen Ihnen in Ihrem Arbeitsalltag begegnen können. Bevor wir beginnen, möchte ich aber vorab gern einmal Sie kennenlernen. Was führt Sie in diesen Kurs? Welche Erwartungen haben Sie an die kommenden Monate? Bringen Sie vielleicht sogar schon Vorerfahrungen aus der Gastronomiebranche mit?«

Freundlich sah Mr. Clifton zu ihnen. Rowan bemerkte, wie sich die meisten Teilnehmer auf ihren Stühlen aufrichteten. So, als könnten sie es kaum erwarten, sich der Gruppe vorzustellen. Er musste ein Stöhnen unterdrücken. Vor vielen Leuten zu sprechen, war nicht sein Ding. Früher, als er noch im Footballteam seiner Highschool gespielt und in der Kabine vor den anderen Jungs Motivationsreden geschwungen hatte, vielleicht. Aber das war lange vorbei. Mittlerweile fühlte er sich am wohlsten, wenn er ungestört in seiner Küche neue Rezepte ausprobieren konnte und die Außenwelt ausblendete.

»Wer möchte anfangen? Sie vielleicht?«

Mr. Clifton deutete auf jemanden in der ersten Reihe. Unwillkürlich setzte Rowan sich auf. Denn die Hand des Dozenten wies auf die Frau mit den roten Haaren.

Er spitzte die Ohren und beugte sich leicht vor, um ja nichts zu verpassen. Vielleicht würde ihre Vorstellung dafür sorgen, dass er sie endlich zuordnen konnte. Oder aber – an diese Hoffnung klammerte er sich, auch wenn sie noch so unwahrscheinlich erschien –, es stellte sich heraus, dass er doch an Paranoia litt und diese Frau und er sich bis zum heutigen Tag niemals über den Weg gelaufen waren.

»Ja, sehr gerne. Hallo zusammen.«

Die Frau drehte sich auf ihrem Stuhl so herum, dass sie alle im Kurs anschauen konnte.

»Ich heiße Jenna Mayfield, ihr dürft gerne Jenna sagen. Ich bin dreißig Jahre alt und arbeite im Hotelwesen. Demnächst übernehme ich eine Pension. Erfahrungen im Gastronomiebereich habe ich derzeit noch nicht«, ihr Blick flackerte für einen Moment nach vorn zu Mr. Clifton, »aber ich plane, die Pension um ein besonderes Gastronomieangebot zu erweitern. Das ist aber noch nicht spruchreif, deshalb ...«

»Vielen Dank, Jenna. Alles, was wir hier besprechen, wird natürlich mit Diskretion behandelt und bleibt unter uns. Ich hoffe sehr, dass das für Sie alle selbstverständlich ist.« Ihr Dozent blickte eindringlich in die Runde, ehe er sich wieder Jenna zuwandte. »Möchten Sie uns noch verraten, wo sich Ihre Pension befindet?«

Sie nickte, ehe sie sich wieder den anderen Kursteilnehmern zuwandte. Ihr Blick landete direkt auf Rowan.

»Die Pension ist in Blossomville, etwa eine Stunde von hier entfernt.«

Und damit sah Rowan seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Kapitel 5 – Jenna

Jenna hatte sich aus zwei Gründen dafür entschieden, genau diesen Kurs im Bereich Gastronomiemanagement und keinen anderen zu belegen: Zum einen, weil er ihr hoffentlich exakt die Inhalte vermittelte, die sie für die Umsetzung ihrer Pläne mit der Pension benötigte. Und zum anderen, weil sie sich sicher gewesen war, hier niemandem zu begegnen, den sie kannte.

Dann hatte sie einen Fuß über die Türschwelle des Kursraumes gesetzt, und was war passiert? Sie blickte geradewegs in ein Gesicht, das ihr von früher noch viel zu vertraut war.

Jenna schüttelte den Kopf und versuchte, den anderen Teilnehmenden zuzuhören, die sich einer nach dem anderen vorstellten. Doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer wieder abdrifteten.

Zugegeben, sie hatte einen Moment gebraucht, um ihn zu erkennen. Was nicht wirklich verwunderlich war, immerhin hatte sie ihn in der Highschool das letzte Mal gesehen. Da waren sie beide noch Teenager gewesen. Er, der gefeierte Footballstar, und sie, zwei Jahrgänge unter ihm, bis über beide Ohren in den Jungen mit dem charmanten Lächeln verknallt. Damals war er für sie der coolste Mensch gewesen, den sie sich hatte vorstellen können. Schließlich hatte er als einer der ersten Jungs an der Schule einen Bart getragen, was sie schon damals mehr als sexy gefunden hatte. Und sein Vater führte die einzige Bar in der Stadt, weshalb Rowan für Schulpartys hin und wieder ein paar Flaschen Bier hatte mitgehen lassen.

Jenna schmunzelte. Damals war ihr das unheimlich mutig vorgekommen. Sie hatte bestimmt über ein Jahr für ihn geschwärmt, auch wenn sie sich in der ganzen Zeit vielleicht zwei-‍, maximal dreimal unterhalten hatten. Aber so war das als Teenager eben. Mehr brauchte es manchmal nicht, um jemanden toll zu finden. Sie senkte den Blick auf die Tischplatte vor sich, als sich ihr Schmunzeln in ein Grinsen verwandelte. Stellenweise vermisste sie die Sorglosigkeit, mit der sie früher an das Thema Liebe herangegangen war.