Nie wieder Gin Tonic am Nil - Matthias Liebkopf - E-Book

Nie wieder Gin Tonic am Nil E-Book

Matthias Liebkopf

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Beschreibung

Ein ganz normaler Pauschalurlaub sollte es werden, Nilkreuzfahrt mit Ausflugsprogramm. Edgar Willms, Mitarbeiter einer Sparkassenfiliale, freut sich auf eine Woche Abenteuer am Nil. Leider zur falschen Zeit: 2011. Er gerät zwischen die Fronten der nordafrikanischen Revolutionsparteien. Was haben die großen, westlichen Mächte vor und wie verstrickt ist Deutschland in die Kämpfe um die Vormacht in der Sahara und das Rennen um die Ölreserven? Edgar Willms möchte nach Hause in das ruhige und sichere Heimatland, doch jemand ist hinter ihm her. Eine schöne Frau mit Kenntnissen der ägyptischen Antike scheint ihm nicht zufällig begegnet zu sein. Was will diese Traumfrau ausgerechnet von ihm? Eine Flucht durch mehrere Länder beginnt. Der Rest ist gelebte Geschichte.

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Im Gedenken an Werner und Mounir

Matthias Liebkopf

Nie wieder Gin Tonic am Nil

© 2019 Matthias Liebkopf

Umschlag, Illustration: Matthias Liebkopf

Lektorat, Korrektorat: M. Szemendera

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

 

Paperback

978-3-7482-2213-2

Hardcover

978-3-7482-2214-9

e-Book

978-3-7482-2215-6

Ich sitze da in Tunesien, genauer gesagt auf der kleinen Insel Djerba im schönen Hotel Ulysse. Mir schmerzt der rechte Fuß, meine Hand blutet und ich kippe mir einen Gin Tonic herunter.

Der Kellner schaut mich voller Mitleid an und stellt das nächste volle Glas auf den Tisch. Früher hat er echt besser geschmeckt oder hat er bloß seinen Geschmack für mich verloren?

Eigentlich war ich auf einem Pauschalurlaub in Ägypten, nun bin ich zweitausendvierhundert Kilometer entfernt davon und warte auf einen Evakuierungsflug nach Deutschland.

Mittendrin in der Revolution des arabischen Frühlings im Jahr 2011.

Ich darf mich kurz vorstellen, Edgar Willms, also Ed reicht vollkommen. Angestellter einer Sparkassenfiliale in einem Ort, den nicht mal Google findet. Ich sitze an der Kasse, bin im besten Mannesalter - also Ende vierzig, notgedrungen Single, etwas übergewichtig, Pauschalurlauber, Sternzeichen Widder, Opel Vectra Fahrer; also der recht durchschnittliche Typ.

Mein Hobby ist das Reisen. Schon im Kleinkindalter haben mich meine Eltern in die merkwürdigsten Ecken von Italien und Spanien gezerrt.

Ich wollte mehr. Da mir mangels Frau ein wenig mehr Geld bleibt, versuche ich mich in den wenigen Urlaubswochen aus dem Staub zu machen und meine Topfpflanzen zu Hause sich selbst zu überlassen.

An einem kalten Novembertag war ich im Reisebüro über eine Werbung gestolpert: Nilkreuzfahrt und eine Nacht in den Hotels, wo schon die Großen der Welt genächtigt haben, das ehrwürdige Winter Palace in Luxor und das alte und renommierte Old Cataract Hotel in Assuan. Auf den Spuren von Agatha Christie!

Ja, das war was für mich. Eine Art Abenteuer mit der Spur des Kolonialismus aus der alten Zeit. Dazwischen geht es auf einen Rentnerdampfer auf den Nil, all inklusive, und mit diversen Stopps an alten ägyptischen Tempeln und in Städten, die ich noch nie gehört hatte.

Geführte Touren waren mit drin. Super!

Ich muss mich also nur treiben lassen und der Rest verwöhnt mich.

Gut! Gebucht die Sache!

So hatte ich bis in den Februar hin Zeit, mich mit einem Reiseführer in Buchform zu befassen. Der eine Satz prägte mich etwas: GEHEN SIE MÖGLICHST NICHT ALLEIN IM DUNKELN IN DIE STÄDTE UND AUS DEM HOTEL.

Ich doch nicht. Fand ich mich doch meist nach dem Abendessen für ein paar kleine Absacker an der Bar ein. Das war schon so ein Urlaubsritual geworden.

So ein kleiner Angsthase war ich doch schon, meinen Maximum-Pegel an zumutbarem Nervenkitzel hatte ich doch mit Tatort im Fernsehen schon erreicht.

Urlaub in Spanien oder Griechenland war so unspektakulär wie die Fahrt zur Tankstelle. Nur rein in die Sonne und die Sparkasse mit den netten Kollegen einfach mal hinter sich lassen.

Relaxen ohne den fahlen Beigeschmack von Gefahr.

Ganz anders kam mir jetzt Ägypten vor. Im Internet las ich von bewaffneten Begleitern bei Ausflügen und der Möglichkeit von Anschlägen auf Nilschiffe und Hotels. Ach was, mir passiert schon nichts. Sonst bekommt der Reiseveranstalter meine Rechtsschutzversicherung zu spüren. Ach so, habe ich die eigentlich bezahlt?

Im Januar vor der Reise kleidete ich mich natürlich noch etwas für den Urlaub ein. Meinen Kollegen hatte ich doch schon von meinem verwegenen Plan erzählt. Die Kommentare waren von mutig, mutig bis na toll und viel Spaß beim Durchfall, bunt gestreut.

Stimmt, ich hatte ja gelesen: Koch es, schäl es oder lass es! Den sogenannten Fluch des Pharaos möchte man schließlich nicht im Urlaub haben. Da hatte ich schon an einem Straßenbistro in Athen mein Erlebnis, aber das erspare ich jetzt allen.

In einem Outdoor-Laden in der nächsten Stadt wurde ich fündig. Ein recht lockeres Aussehen voller Entdecker- und Abenteuerlust wollte ich schon ausstrahlen, so einen Indiana Jones Hut mit sandfarbenem Hemd und alt aussehender Jeans war nicht gerade günstig, hatte aber meinem Selbstvertrauen mächtig Vorschub geleistet.

Vor dem Spiegel machte ich ein paar Fotos von mir in diesem so männlichen Style, natürlich nicht, ohne dass die Fotos auch in meiner Sparkassen-WhatsApp-Gruppe zu sehen waren.

Lacht nur, Edgar Willms geht auf Entdecker-Tour. Ach ja, danke für den Hinweis: Die Preisschilder müssen ab.

Das Hemd trägt man gebügelt? War mir nicht sicher, der Indiana Jones Film sagte eher nein. Ich hasse nicht gebügelte Hemden!

So ging die Zeit bis zum Februar schnell vorbei, meine Planung und der kleine rote Koffer waren reisefertig.

Ein roter Koffer ist halt besser zu finden auf dem Flughafenlaufband. Nur falls jemand fragt, warum muss ein Mann einen roten Koffer haben.

Alles Erfahrungswerte! Ich stand damals wie ein Idiot in einer handgreiflichen Auseinandersetzung am Flughafen in München und wollte meinen damals schwarzen Koffer vom Band holen. Nach dem Gebrüll „Finger weg, meiner“, war Schwarz bei mir als Kofferfarbe durchgefallen.

An einem Samstag brachte mich ein Taxifahrer mit wenigen Kenntnissen der deutschen Sprache zum Flughafen. „Na, wo fliegen hin?“ Meine Antwort kam prompt: „Nilkreuzfahrt!“ „Machst du freiwillig?

Na toll! Danke für das Gespräch!

Ein Flughafen hat immer was Spannendes, ich könnte stundenlang nur zusehen, wie das geschäftige Treiben so abläuft. Ein Bekannter von mir meint nur immer: „Es nervt!“

Kann ich nicht verstehen. Gut, die Qualität des Reisens hat abgenommen, früher war man Jemand, wenn man mit dem Flugzeug wegflog. Heute ist es zum besseren Busbahnhof verkommen, doch der Reiz bleibt für mich.

Am Schalter der Egypt Air war wenig los. Merkwürdig?

Nach ein paar Rentnern war mein Koffer gewogen und mein Sitzplatz reserviert.

Also noch ein wenig Zeit, meinen knurrenden Magen im Restaurant zu verwöhnen. Wer weiß, was es im Flugzeug nachher gibt, Gummibrötchen mit Teppichbelag oder so?

An der Wand des Restaurants hing ein Fernseher, Nachrichten aus aller Welt, vor allem aus der nordafrikanischen Welt, wie mir schien. In Tunesien war eine Revolution gegen den Machthaber und dessen Partei ausgebrochen, es gab Tote und Verletzte.

Gar nicht gut, aber weit weg. Tunesien, dann kam Libyen, dann erst Ägypten, also durchatmen und auf den Urlaub freuen.

Die Nachricht im Fernseher, dass Urlauber aus Tunesien mit Sonderflügen evakuiert werden, überhörte ich beflissen.

Ägypten ist ein sicheres Reiseland, las ich noch mal in meinem kleinen Reiseführer, Staatschef Husni Mubarak. Ah ja, lange an der Macht, der kann das!

Ich beschloss schneller zu essen und den Fernseher mit seinen schlechten Nachrichten sich selbst zu überlassen.

Flug MS 914 nach Kairo ist jetzt zum Einsteigen bereit. Hurra endlich geht es los. Die anderen Fluggäste sind ja langsam?! Es wurde schon aufgerufen und nicht mehr als zwanzig Menschen sind bis jetzt hier!

Mehr kamen auch nicht. Eine merkwürdig gedrückte Stimmung auch im Flugzeug. Wo sind die ganzen Touristen?

Eine ganze Sitzreihe für mich, Luxus pur!

Nette und hilfsbereite Mannschaft im Flieger, sogar warmes Essen. Sah aus wie totes Huhn, hoffe ich jedenfalls.

Ich hatte ja ein paar Stunden Zeit und widmete mich dem Reiseführer und den Landkarten. Nur entlang des Nils schien sich das Leben in Ägypten abzuspielen, in einem kleinen grünen Abschnitt rechts und links vom Fluss. Beeindruckend, wie es die alten Ägypter geschafft haben, so eine hoch entwickelte Kultur zu schaffen und das vor viertausend Jahren.

Ein Gespräch mit einem Rentner ließ mich doch nachdenklich werden. Auf dem Weg zur Flugzeugtoilette sprach er mich an und erzählte mir von den ersten Aufständen auch in Ägypten; Kairo und ein paar andere Städte waren wohl betroffen.

Ich hätte mich doch früher mal für Politik und andere Länder interessieren sollen, mir kroch ein unangenehmes Gefühl die Beine hoch.

Meist konnte mir dieses Gefühl sagen: LASS ES ODER DREH DICH UM UND GEH WEG!

Zu spät, der Flug nach Kairo landet in vierzig Minuten. Das tat er auch, pünktlich und sanft setzte die Maschine im Dunkeln in Kairo auf.

Ich musste ja noch weiter. Flug MS 127 nach Luxor. Stand jemand von der Reiseleitung am Ausgang und zeigte mir den Weg?

Natürlich nicht! Die kleine Gruppe Deutsche blieb zusammen und machte sich gegenseitig Mut. Zwei Drittel bogen bloß nach ein paar Metern ab, zu ihrem Flieger an das Rote Meer.

Der klägliche Rest sah auf die Anzeigetafel: Gate 75, wo ist denn das?

Auf der anderen Seite des viel zu großen Flughafens von Kairo, selbst nachts ist da die Hölle los. Menschen aus allen Herren Ländern kamen uns entgegen oder schliefen auf dem nackten Fußboden.

Immer wieder mittendrin starke Sicherheitskontrollen, sogar mit Schuhe ausziehen. Auf eure Gefahr, meine Schuhe sind fast schon meldepflichtig, nach der Anreise auf jeden Fall.

Dreißig Minuten zu Fuß durch die ganzen Gänge und wir waren am Gate angekommen. Diesmal war es voll, meist Einheimische und dunkle Gestalten standen schon an. Wir reihten uns ein, es dauerte eine Ewigkeit und die nächste Sicherheitskontrolle raubte Allen den letzten Nerv.

Eine Stunde zu spät hob der Flieger Richtung Luxor ab, orientalische Düfte und Schweiß machten den Flug einzigartig.

Augen zu und durch. Luxor war nicht weit weg, nach fünfundvierzig Minuten landeten wir. Warme Luft strömte von draußen in den Flieger, als die Tür auf ging. Durchatmen und raus.

Müde und fertig wollte ich nur noch in das Hotel. Mein roter Koffer kam wie so oft zuletzt, mir wurde schon ganz bange, ob er in Kairo vielleicht verloren gegangen ist. Aber dann kam ein hintereinander plappernder kleiner Mann auf mich zu: „Kommen Sie, kommen Sie, Herr Willms?“

Wer sonst, war ich doch als einziger Europäer am Gepäckband stehen geblieben.

Ein großer Aufkleber in meinem Pass und fünfundzwanzig Euro weniger im Budget verrieten mir, ich hatte ein Visum erhalten. Der Bus wartete und es ging in das Dunkel der Nacht. Ein Polizeifahrzeug schien den gleichen Weg zu haben, fuhr es doch mit Blaulicht vor uns her, die ganze Zeit, oder war der wegen uns da?

Das Hotel Winter Palace tauchte mit einem Mal neben uns auf, ein Prachtbau aus der Kolonialzeit. Schön angeleuchtet und mit farbenfrohen Pagen vor der Tür, auch einige Herren in schwarz mit kleinen Schnellfeuergewehren.

Erstmal Schlafen und den Stress der Anreise vergessen, Treffen mit der Reiseleitung nach dem Frühstück um zehn Uhr, perfekt!

Mein Zimmer lag zum Nilufer heraus. Warum die ägyptischen Autofahrer auch mitten in der Nacht ständig auf der Hupe stehen, begreife ich nicht. Die Straße am Nilufer war, als wenn sie neben meinem Bett lag. Ab sechs Uhr rief der Muezzin von einem Minarett die Gläubigen zum Morgengebet. Ich hätte ihn erwürgen können. Seine Kollegen auf den anderen gefühlt vierzig Minaretten taten es ihm gleich. Da kann kein Mensch mehr schlafen.

Ab unter die Dusche und vielleicht gibt es schon Frühstück. In meinem neuen, verwegenen Outfit mit Hut machte ich mich auf den Weg zum Essen, schloss meine Zimmertür ab und sah nebenan eine hübsche Frau aus dem Nachbarzimmer kommen und hörte ein „Good Morning!“ Ich tippte bloß kurz an meine Hutkrempe und bekam nur ein „Jup“ heraus.

Sie lief vor mir Richtung Treppe durch den Flur. Ein Flur, da hätte man bei uns zu Hause eine zweispurige Autobahn reinbauen können.

Die Treppe, nicht minder kleiner, sah aus wie bei der Queen zu Hause im Buckingham Palast, stellte ich mir jedenfalls so vor.

Freundliche Kellner empfingen mich und brachten mich zu einem kleinen Tisch. „Tea, Coffee?“ Ja bitte, in der Reihenfolge.

Meine mangelnden Englisch-Kenntnisse brachten mich in Verlegenheit, grad als der Kellner mir mehrere Sätze Englisch um die Ohren warf.

Die hübsche Frau vom Flur half mir und übersetzte am Nachbartisch. „Er wollte nur Ihre Zimmernummer wissen.“ Ah ja, war mir gleich so.

Ich bedankte mich ganz höflich und war im Inneren ganz fasziniert von dieser Frau. Sie strahlte etwas aus, eine Art Autorität mit einer kleinen Priese Frivolität.

Das kann aber auch an ihrer Bluse gelegen haben, die war doch recht üppig gefüllt.

Meine Art, Frauen zu begutachten, war nicht so richtig ausgeprägt. Seit der Schulzeit hatte es nicht viele Möglichkeiten einer Beziehung zu einem weiblichen Wesen gegeben. Gut, da war meine Nachbarin, die mich mit sechzehn beim Nachhilfeunterricht vernaschte, die paar Jahrzehnte Altersunterschied machten mir damals nichts aus.

Doch glatte, weibliche Haut gefiel mir dann doch besser und so kam eine Beziehung mit Ines aus dem Nachbardorf schon eher in Betracht.

Diese hielt drei Jahre, bis unsere gemeinsame Lehre fertig war und sie nicht mehr in dem von meinen Großeltern geborgten Auto zwanzig Kilometer zur Schule mitfahren musste.

Nach der Wehrdienstzeit gab es noch eine Schnell-Ehe von sieben Monaten, meine Ex-Frau hatte dann doch jemanden mit einem Porsche gefunden.

Wenige lose Beziehungen halten sich bis heute, Single sein ist was Schönes.

Doch zu dieser Frau am Nachbartisch musste ich immer wieder Herübersehen. Am Büfett war ich genau dann, als sie sich auch was holte.

Zu dieser Frau passte wohl mehr der Typ Daniel Craig im James Bond Anzug.

Die Zeit bis zum Treffen mit der Reiseleitung verbrachte ich in dem paradiesischen Garten des Hotels. Eine Tafel gab Auskunft über die prominenten Bewohner des Hotels von Anfang bis heute.

Da schwebte diese Frau wieder an mir vorbei, mich streiften ein leiser Hauch der Lust und der Geruch eines edlen Parfums. Nach ein paar Schritten drehte sie sich um und lächelte mir zu. Ich tippte wieder gegen meinen Hut, was anderes fiel mir nicht ein. Blödmann ich, reiß dich zusammen, du bist schließlich Hauptkassierer im Indiana Jones Kostüm.

Die Reiseleitung war nett, wenn auch zu besorgt. Alle Ausflüge in der Gruppe, sicherheitshalber. In Luxor war es zu einer Demonstration gegen die Regierung gekommen, die Polizei war allgegenwärtig und die Stimmung in der Bevölkerung mies.

Unser Nilschiff MS Esadora sollte eigentlich heute Abend Richtung Assuan aufbrechen, aber es fehlten wohl noch Touristen vom Roten Meer. Die saßen da fest, die Straße bis Luxor war wohl gesperrt worden. Abfahrt ein wenig später und der Tag stand uns zur freien Verfügung im Hotel.

Gut, am Pool ist es auch fein.

Am Ausgang zur Straße wagte ich mal den Blick vor die Tür. Orientalisches Chaos, Autos, Eselskarren und Mopeds drängelten um die Wette und jeder, der eine Hupe besaß, musste diese den anderen Verkehrsteilnehmern vorstellen. Von unten brüllten mich einige Männer an „Taxi, Kalesch?“

Mich drängte es wieder rein, da kam mir durch die Drehtür meine Zimmernachbarin entgegen. „Na?“, fragte sie.

„Schon fertig mit dem Stadtbummel?“

Ich wollte ja eigentlich nur ein bisschen Luft schnappen. „Ich bin Kathleen“, hörte ich sie sagen, „Ed“, stellte ich mich vor. „Ed? Wie das Pferd?“ „Jup!“

Sie kam aus Berlin und wollte etwas über die Hieroglyphen der zweiten Dynastie erfahren. Aha!

„Willst du nicht mitkommen Ed? Ich darf doch Ed sagen?“

Natürlich durfte sie. Meine Gedanken kreisten schon darum, wie unsere Kinder wohl aussehen und ob mein Sparplan für ein Reihenhaus in der Hauptstraße meines Ortes in Deutschland ausreichend wäre.

Sie wollte in den Luxor Tempel. Gut dann komm ich halt mit, hab ja Zeit.

Laufen dorthin war eher nicht mein Ding, musste ich doch das sichere Hotel verlassen, aber ich ließ mir nichts anmerken.

Der Luxor Tempel liegt wirklich gleich nebenan, zu Fuß keine zehn Minuten. Auch sah ich, wie sich die Einheimischen gar nicht für uns interessierten, nur ab und zu fragte ein Taxifahrer, ob wir mitfahren möchten.

Kathleen war Doktor für ägyptische Altertumsforschung und hatte wohl schon oft hier zu tun. Sie sprach auch beim Kauf der Tickets für den Besuch des Tempels ein paar Wörter arabisch, faszinierend!

Mein Dasein beschrieb ich mit „Weltenbummler“ und sie lachte, wunderte sich bloß über mich, als ich sah, dass unser Wechselgeld nicht stimmte. Dafür habe ich ein Näschen.

Im Inneren des Luxor Tempels steht man vor riesigen Säulen geschmückt mit aller Art von alten Darstellungen.

Ihre Erklärungen hielten mich gefangen. Wie ein Reiseleiter erzählte sie von den Menschen damals und dem Aufbau des Staates und dem Totenkult.

An einem Deckenstein, ganz klein, waren Zeichen, die bis heute nicht enträtselt sind. Es sind Abbildungen wie von kleinen Flugzeugen und Helikoptern. Was machen die in einem Land vor viertausend Jahren?

Von der anderen Seite schien uns ein Mann zu beobachten, vielleicht ein Tourist. Kathleen hatte ihn gesehen.

„Wir müssen los!“, entschied sie.

Nicht ohne mir ein Relief zu zeigen auf dem der Gott Min mit einem erigierten Penis zu sehen ist. Sie lachte und streichelte über das Relief. Bringt Glück! Na gut, kann nicht schaden, also einmal darüber streichen.

Auf dem Rückweg ins Hotel waren wir aus dem Plaudern gar nicht mehr herausgekommen. Der Aufenthalt in der angeblich so gefährlichen Öffentlichkeit macht richtig Spaß.

Meine Reiseroute fand sie interessant und notierte sich etwas in ihr kleines Büchlein.

Auf dem Weg ins Hotel bogen wir noch zum Flussufer ab, viele Nilschiffe lagen hier nebeneinander fest.

Der Tourismus ist fast zusammengebrochen, habe ich von ihr erfahren. Die Menschen in Europa haben Angst, dass es hier auch wie in Tunesien zur Revolution kommt und bleiben lieber zu Hause.

Die Menschen leben hier wohl eher schlecht, kaum Arbeit und wenig Hoffnung für die Jugend.

Am Hotel angekommen verabschiedete sie sich von mir, aber mit der Frage nach einem gemeinsamen Abendessen. „Da können wir ja weiterreden.“ Gute Idee, mein krankes Hirn hat unseren zukünftigen Kindern schon Namen gegeben: Jonas, Niklas und Svenja.

Aber ich glaube, die zukünftigen Kinder werden gleich im Abfluss der Dusche für immer verschwinden. Ein lüsterner Gedanke bei der Frau muss wohl erlaubt sein. Diese Frau hat wahrscheinlich einen Mann halb George Clooney und halb Pierce Brosnan, alles mit Waschbrettbauch und nicht mit Waschbärbauch wie bei mir.

Zum Abendessen war etwas feinerer Zwirn fällig, stand auch dran. Mein gebügeltes, blaues Hemd und ein Sakko dazu machten mich fast schon zum Filialleiter der Sparkasse in München.

Im Restaurant war es sehr mondän, für meinen Geschmack schon dekadent. Goldfarbene Stühle, hochnäsige Touristen und leckeres Essen bis zum Abwinken.

Ich war zu früh, meine Begleitung noch nicht da. Ein Mann fiel mir auf, hatte ich ihn nicht im Luxor Tempel gesehen?

Der Luxor Tempel war riesig, die Ausmaße erschienen sogar mir als Fan des Kölner Doms als gigantisch. Zusammen mit dem ein paar Kilometer entfernten Karnak Tempel waren sie mit die größte, zusammenhängende Tempelanlage der Welt.

Karnak wollte ich unbedingt noch sehen, vielleicht könnte Kathleen sie mir zeigen, hatte ich doch den Ausflug ganz allein mit ihr genossen und fühlte mich in der Gesellschaft dieser attraktiven Frau irgendwie größer, dünner und bedeutender.

Der merkwürdige Mann saß am anderen Ende des Restaurants, in einem Spiegel an der Wand sah ich sein Gesicht, Typ David Niven, der Schauspieler aus alten Filmen. Hatte der nicht auch bei Tod auf dem Nil mit Peter Ustinov mitgespielt? Ich war mir nicht sicher, doch schien der Mann arabisch mit dem Kellner zu sprechen, trotz seiner doch fast englischen, feinen Erscheinung.

Ich wurde jäh in meinen Gedanken unterbrochen, sie kam zur Tür hinein.

So eine Frau in meiner Nähe hatte ich noch nie. Sie schien auf mich zu zu schweben mit elegantem Schritt und hochhackigen, schwarzen Pumps.

Ein rotes Cocktailkleid zeichnete ihre Figur in den erregendsten Formen, das Dekolleté weit ausgeschnitten ließ es doch einen zaghaften Blick auf den üppigen Busen zu. Ihre dunklen Haare trug sie jetzt offen und sie bedeckten fast ihre Schultern.

Mir wurde gerade heiß, alles was männlich war im Raum drehte sich um und genoss diesen Anblick.

Wie alt war dieses Fabelwesen wohl? Wie sieht sie nackt aus? So viele Fragen durchfuhren meinen Kopf.

Ich erhob mich und reichte ihr meine Hand zum Gruß, doch sie kam mir entgegen und drückte mich leicht und gab mir einem kleinen Kuss auf die rechte Wange, wobei ich ihre Brust spüren konnte. Nicht weggehen war mein Gedanke, gäbe ich doch meinen rechten Fuß, diese wundervollen Brüste berühren zu können.

Schon wieder regte sich etwas in mir, trotz meiner fleißigen Arbeit an mir unter der Dusche.

Wir setzten uns und eine Schar von Kellnern stürzte auf uns zu. Der Abend schien teuer zu werden, das Abendessen war nicht inklusive, egal heute werde ich mal unvernünftig sein und das Mädel zum Essen einladen.

„Der Abend geht natürlich auf mich“, hörte ich mich sagen, „als Dank für den Ausflug.“

Nach der Weinkarte kam die Vorspeisenkarte, dann das Hauptgericht.

Wie war gleich der Umtauschwert von Euro in ägyptische Pfund?

Die normalen Bankgedanken gingen nicht neben dieser Frau. Als sie sich etwas nach vorne beugte, konnte ich einen kurzen Blick in ihren Ausschnitt werfen. Der knappe BH war auch in roter Spitze gehalten und ich sah deutlich ihre Nippel. Sofort war mir mein Blick peinlich, doch sie schien es zu merken und lächelte mich mit einem etwas schrägen Mund an.

Der Lippenstift war kirschrot und ihre Wimpern extra lang. Wie machen Frauen das eigentlich, kann man doch nicht langziehen, oder doch?

Viele Fragen und wenig Gespräch, wir waren noch mit der Bestellerei beschäftigt.

Erst als der Rotwein nach dem Verkosten in den Gläsern war, kam etwas Ruhe in die Situation. Sie fragte mich: „Erzähl mal was über dich.“ Ach du meine Güte! So wurde ich in meiner Erzählung vom Kassierer der Sparkasse in Klein-Siehste-Nicht der Bänker Edgar in München. Weltenbummler, Golfspieler, Motorradfahrer und Genussmensch.

Kathleen hatte auch viel zu erzählen, vom Studium der Ägyptologie in London, dann Berlin. Sie war Single wie ich, einfach keine Zeit angeblich. So eine Frau hat keine Beziehungen? Konnte ich nicht glauben!

Sie hieß Kathleen Richter, war zweiundvierzig Jahre alt und wohnte im Szene Kiez in Berlin Friedrichshain, schrieb gerade an einem Fachbuch, deswegen die Reise nach Luxor.

Wir plauderten neben dem Abendessen fast zwei Stunden miteinander, die zweite Flasche Wein war fast leer und sie bat mich, doch die Rechnung zu ordern.

Es war doch grad so gemütlich, warum jetzt?

Der feine englische Herr im David Niven Stil war auch soeben verschwunden.

Auf einem silbernen Tablett kam die Rechnung, kurze Unterschrift und fertig. Großzügig steckte ich dem Kellner ein zwei Euro Stück zu und erntete einen mitleidigen Blick von ihm.

Hatte ich auf der Rechnung vierhundertachtzig ägyptische Pfund gesehen? Das ist ja…, ach du meine Güte!

Sie wollte noch kurz an die frische Luft mit mir. Draußen war es noch immer warm, im Garten hinter dem Winter Palace waren die Geräusche der Straße wie bei mir vorn im Zimmer nicht zu hören.

Eine laue Nacht mit einer hübschen Frau. Sie nahm meine Hand und wir gingen so bis zur Poolanlage des Hotels, sie drehte sich mit Blick zum Hotel um und schien etwas zu suchen.

„Suchst du was?“, fragte ich. „Nein, ich schaue nur. Es wird alles so toll angestrahlt.“

Am Pool setzten wir uns auf eine Liege aus Holz. Sie zog mich zu sich heran und gab mir einen langen Kuss. Weder auf den Kuss noch auf ihre schnelle Zunge war ich vorbereitet. Meine rechte Hand landete auf ihrem Schenkel und suchte sich den Weg nach oben.

Wir küssten uns mit einer Intensität von frisch verliebten Jugendlichen. Meine Finger hatten ihren Slip aus Spitze erreicht und ich fummelte weiter. Sie musste wohl einen guten Rasierer haben. Ich spürte ihre Vagina, feucht und heiß, mein Finger glitt in sie hinein und ich spürte wie ein Keuchen beim Kuss von ihr entstand.

Da stieß sie mich weg, ich hörte bloß: „Nein!“

Sie stand auf und rannte mit ihren hohen Pumps weg. „Kathleen“, rief ich. „Warte doch, entschuldige!“

Ich stand da wie ein begossener Pudel. Es spannte stark in meiner Unterhose und meine Finger rochen noch nach ihr.

Was hatte ich falsch gemacht? Dumme Frage, was will so eine Frau mit mir?

Das war nur der viele Rotwein. So ging ich langsam zurück und sah auf einem beleuchteten Balkon auf der rechten Seite einen Mann stehen, der zu mir herübersah und eine Zigarette rauchte. Die Glut war immer wieder mal zu sehen. Von der Silhouette schien er mir der Typ aus dem Restaurant zu sein. Er schien also auch in dem Stockwerk zu wohnen, wo mein Zimmer war.

Ich schlich frustriert die Treppe hoch und kam an das Zimmer von Kathleen. Sollte ich klopfen? Mein Mut reichte nicht, aber was hatte ich zu verlieren, ich war schließlich zu weit gegangen.

Doch nach meinem Klopfen war nichts zu hören, absolute Stille im Zimmer, so ging ich eine Tür weiter zu mir.

Ihren Geruch nahm ich noch immer wahr und es erregte mich. So zog ich mich aus und nahm die Sache selbst in die Hand. Morgen ging es ja auf das Nil-Schiff, also musste ich denen keine Flecken auf der Bettwäsche erklären.

In meinem Kopf kreiste nur Kathleen mit ihrem Lächeln und den großen Brüsten. Ich war müde und fertig nach meinem eigenen Dazutun. Ich ging duschen und kam mit dem Bademantel aus dem Bad; sehr stilvoll mit dem Wappen des Hotels Winter Palace auf der rechten Seite des Mantels.

Da hörte ich Schritte auf dem Flur. Vielleicht war sie es?

Eine Tür war zu hören. Ich schlich mit Bademantel vor die Tür, gegenüber kamen merkwürdige Geräusche aus dem Zimmer. Nebenan war leider noch immer Ruhe, doch die Geräusche machten mich nachdenklich, war das die Stimme von Kathleen? Der Flur war so breit, wenn mich jemand sieht, wäre mir das schon unangenehm.

Ich schlich etwas schräg über den Flur, an der Tür war keine Zimmernummer wie bei mir, sondern ein Messingschild mit der Aufschrift KING FAROUK ROOM, darunter noch eine Menge in Englisch.

Mit dem Ohr am Zimmer hörte ich, was da los war. Da hatten zwei richtig Spaß, aber es wurde nicht geredet, nur das Stöhnen war mehr als deutlich, hier war ich wohl falsch, sorry!

An meinem Zimmer angekommen war mir klar, der Schlüssel ist in meiner Hose, nicht im Bademantel. Peinlicher geht es nicht. Also los, mit dem Bademantel zur Lobby und einen hilfsbereiten Menschen finden, der sich erbarmt, mir doch meine Tür zu öffnen.

Doch zu meinem Erstaunen kam ein Mann im Anzug zu mir und hatte Schlüssel dabei. Er zeigte auf die vielen Kameras, die überall im Flur über uns wachten. Na toll, meine Spionageaktion am anderen Zimmer wurde wahrscheinlich komplett dokumentiert.

Nach dem Frühstück sollte es auf das Schiff gehen, von Kathleen keine Spur, nicht im Zimmer, nicht beim Frühstück.

An der Rezeption ließ ich ihr einen Zettel da, nur ein paar Worte der Entschuldigung und der Reue. Es tat mir sehr weh, sie nicht mehr sehen zu können.

Der Concierge nahm den Zettel von mir entgegen. „Frau Richter? Not here!“ Was? Etwa abgereist? Ich musste dringend mal Englisch lernen!

Wo wollte sie denn hin? Nicht mal zum Erklären ihr gegenüber klappt es.

Die üppige Endrechnung vom Hotel nahm ich komischerweise kaum wahr. Hatte doch mein gesamter Urlaub nur fast so viel gekostet. Die Erfahrung und das Erlebte waren es mir wert.

Die Kofferboys brachten das Gepäck von ein paar Touristen einfach über die Straße. Unten am Nil lag schon unser Kreuzfahrtschiff. Wir wurden herübergebeten und von einer freundlichen Reiseführerin begrüßt.

Voll war der Kahn nicht, eine Gruppe Engländer, eine Gruppe Japaner und zehn Deutsche.

Die Abfahrt war deutlich zu spüren, der Dampfer zitterte als die großen Dieselmotoren ihren Dienst aufnahmen. Am Heck qualmte es mächtig.

Die üblichen Treffen in der Bar standen auf dem Programm. Alle wurden mit dem ganzen Wissen der Reiseleitung überflutet.

Sie hieß Gigi, Ägypterin und eine lustige Person. Einen Tag und eine Nacht war es bis Assuan. Da legen wir wieder an, zwischendurch natürlich kurze Stopps an Tempeln und was weiß ich noch alles.

Von einer Flusskreuzfahrt von Passau nach Budapest kannte ich schon das ganze Prozedere. Kennste eins, kennste alle.

Man traf sich danach auf dem Oberdeck an der Bar. Ein Bier passt immer rein, unsere deutsche Truppe schien nett zu sein, alles Paare, nur ein Opa allein, ja genau, ich auch!

Mir fehlte Kathleen, wieder hatte ich es mit einer Frau verbockt. Wie ist denn die richtige Methode?

Ich war aber auch so was von blöd, wie konnte ich ihr gleich unter den Slip gehen? Knutschen hätte doch erstmal gereicht, Frauen stehen doch auf so etwas, dann langsam Vortasten. So eine Chance kommt nie wieder, wenn doch, dann mit einer Frau, die man Lederstrumpf nennt oder so was in der Art.

Single ist halt besser, da passiert so was nicht, man weiß was sexuell geht, das spricht man mit sich selber ja ab, dann braucht man danach auch nicht danke sagen und kuscheln.

Gut, das braucht man bei einer Prostituierten auch nicht, aber dafür bin ich zu geizig. Hatte ja mal nachgefragt, zweihundert wollte die Eine aus dem Nachbarort haben. Doch da kennt Jeder Jeden, grad als ich zu ihr hinwollte, kam eine Kundin aus der Sparkasse über die Straße. „Na Herr Willms, was machen Sie denn hier?“

Eine Prostituierte poppen, wollte ich der Kundin nicht sagen, also machte ich auf dem Absatz kehrt und stellte wieder auf Handbetrieb um.

Wo ich so in meiner Gedankenwelt versunken war und von der Liege auf dem Oberdeck so auf den Nil und die vorbeiziehende üppig grüne, mit der Wüste im Hintergrund, vorbeiziehende Landschaft schaute, nahm ich die Gruppe Japaner wahr, die mit ihren Kameras und Handys irgendetwas fotografierten.

Links neben unserem Schiff fuhr auch ein Dampfer, ganz anders als unser Schiff. Ein wie aus der Kolonialzeit gefallenes Schiff, ein Raddampfer ganz im Stil der zwanziger Jahre, man wähnt fast Agatha Christie auf dem Schiff. Wie ich später erfahren habe, Luxus pur und sündhaft teuer. Es war der Raddampfer, der für mehrere Verfilmungen von <Tod auf dem Nil> zu sehen war.

Heute für die Schönen und Reichen; eine französische Reederei hat den Dampfer wohl übernommen.

Auf dem Nil war es ein Bild wie kaum ein anderes. Das alte Schiff passte so gut in die Landschaft. Auf dem Deck sah man nicht, wie bei uns, Touristen in kurzen Hosen und mit Schlabberlock, sondern feine Damen und Herren, gut gekleidet. Es machte schon Spaß, da zusehen zu dürfen.

Als wir fast auf gleicher Höhe waren, Fahrregeln auf dem Nil schienen nicht zu existieren, nahm ich eine Gestalt auf dem Mitteldeck wahr, wieder der Mann aus dem Tempel und dem Winter Palace. Er stand gut gekleidet im Anzug an der Holzreling, die mit Sonnensegeln und Vorhängen drapiert war. Er zog an seiner Zigarette und schaute zu uns herüber. Mir war der Blickkontakt völlig unangenehm, kannte ich ihn doch nicht einmal.

Der nächste Halt war in Esna, wieder ein Tempel, glaube des Horus, ein Gott in Gestalt eines Huhns oder anderen Federviehs.

Mit einer Kutsche, einem gut gelaunten Kutscher und mit Machmut, dem Pferd, ging es zum Tempel. Ich bin nicht so der begeisterte Pferdefreund, aber Machmut sah neben den vielen elendig aussehenden Tieren gut und satt aus.

Unserer Reiseleitung Gigi schien das Wetter zu missfallen, es war schön warm, aber merkwürdig gelb am Himmel.

Der Aufenthalt am Tempel wurde nach nur dreißig Minuten abgebrochen. Schade, denn der Tempel von Esna ist schier durch seine Größe schon beeindruckend. Der Weg aus dem Tempel bereitete uns Mühe, der Wind hatte zugenommen und es lag Sand und Staub in der Luft. Die Kutschen waren schon in Sicherheit, so dass man uns in Bussen zum Schiff zurückbringen wollte. Man sah kaum noch die Hand vor Augen. In den Augen mehr Sand als Tränen stolperten wir Richtung Ausgang, einer hielt sich am anderen fest.

Ich stolperte und fiel der Länge nach hin, mehrere Hände packten zu und zerrten mich weiter, eine Tür ging zu und alle waren im Bus.

Gigi, unsere Reisebegleitung, zählte schnell durch, keiner zurückgeblieben, der Bus wackelte in den Sturmböen.

Meine Brieftasche, durchzuckte es mich. Sie war immer in meiner rechten Hosentasche, weg!