Sawische-Shalom Herr Kaiser - Matthias Liebkopf - E-Book

Sawische-Shalom Herr Kaiser E-Book

Matthias Liebkopf

0,0

  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Es ist der dritte Teil der Ion Kaiser Reihe. In diesem Fall kommt Ion Kaiser unerwartet an seine Grenzen, körperlich wie auch geistig. Zuviel aus der Geschichte der letzten Kriegstage kommt ans Licht. Zuviel auch die Machenschaften von Siegern und Besiegten. Die Entwicklungen in diesem Fall überschlagen sich. Alles ist nicht mehr so wie es einmal für Ion Kaiser war. Tauchen Sie ein in einen Fall, der so eigentlich schon längst vergessen sein sollte. Große religiöse Mächte und undurchsichtige Gegenspieler machen die Jagd nach der Wahrheit mehr als schwer. Falls es diese überhaupt gibt!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 252

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Matthias Liebkopf

Sawische

Shalom Herr Kaiser

3.Teil, Vorgängerausgabe 2021

ISBN Softcover: 978-3-347-57857-9

ISBN E-Book: 978-3-347-57859-3

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung “Impressumservice“, Halenreihe 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Es war so ein normaler Augusttag. Schön warm schon am frühen Morgen, aber doch durch den leiser gewordenen Klang der Vogelstimmen in den Bäumen und den leicht über der Spree in Berlin stehenden Nebelschwaden, den nahen Herbst ahnend.

Ich hatte bald Urlaub, dringend nötig geworden war er. Zu lange hatten ungeklärte Fälle auf meinem Schreibtisch gelegen und auf ihre Bearbeitung gewartet. Nun war ich fast fertig mit dem angesammelten Mist.

Auch war, wie fast immer vor meinem Urlaub, mein Chef wieder einmal auf die Idee gekommen, mich auf Auslandseinsätze zu schicken, um ungeklärte Kriminalfälle und Tötungsdelikte an deutschen Staatsbürgern zu untersuchen, meist mit mäßigem Erfolg.

Die wirklich interessanten Fälle lagen schon wieder reichlich lange zurück.

Meine Arbeit hatte mal wieder den Punkt erreicht, mir eher eine Last zu sein als Gefallen an ihr zu finden.

Man kann auch sagen, ich befinde mich im Strudel des Alltags; jeder Tag als hätte man ihn schon hundertfach erlebt und könnte den nächsten minutiös voraussagen.

Auch privat lief es leider nicht viel anders.

Sie kennen das?

Ach ja, ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Ion Kaiser, Sie kennen mich vielleicht aus meinen vorigen Erzählungen.

Lang ist es her, als ich mit meiner jetzigen Frau den Fall der in Rumänien verschwundenen Touristen aufgeklärt oder mich danach an der Jagd nach dem verschollenen Brennstab aus dem bulgarischen Arkutino beteiligt hatte.

Das waren noch Zeiten, da war ich gefragt, wurde gebraucht, auch international als Polizist beachtet und anerkannt.

Es ist doch ruhiger geworden, die Fälle beschränken sich meist nur noch auf hässliche Eigentums- und Raubdelikte, manchmal auch einem Mord oder Suizid eines deutschen Touristen im Ausland, oder einem Steuerflüchtling, der dem deutschen Fiskus nicht auf die Schnelle entwischen soll.

Meine Frau Hannah lernte ich ja im Fall der verschwundenen Touristen in Rumänien kennen. Sie war mir von Europol, der europäischen Polizeibehörde, einfach vor die Nase gesetzt worden.

Mein Gott, was hatten wir für schöne Zeiten miteinander!

Auch beim Fall der Plutoniumbrennstäbe in Bulgarien war sie an meiner Seite und natürlich auch Sonja, der bulgarische sexy Wirbelwind und Dritte im Bund.

Wir hatten zusammen eine schöne Zeit damals, alle Drei, dann kam Nachwuchs bei Hannah und mir. Es wurde irgendwie schwieriger, die Leichtigkeit des Seins zu genießen, im Privaten wie im Beruf.

So kam es wie es kommen musste, unser Kind wurde größer und unsere Ehe wurde eine angenehme Begleiterscheinung. Nichts konnte einen am Anderen noch faszinieren, wir waren nur noch Mama und Papa. Und das, obwohl meine Mutter doch eher Mama Nummer zwei war. Ein Omakind, wohnt am liebsten in der Woche gleich dort. Angeblich ist der Weg zur Schule kürzer, aber wohl eher, Oma erlaubt Sachen, die bei uns niemals durchgehen würden.

Ach ja Sonja, zu ihr haben wir immer noch einen super Kontakt. Sie ist irgendwie ein Stück Familie in Bulgarien für uns.

Ja und meine Hannah! Mensch, da muss ich mich auch wieder etwas mehr kümmern. Zu lange leben wir irgendwie aneinander vorbei, Tag für Tag, ohne es zu ahnen, den Alltag als Normalität zu akzeptieren. Die kleinen Fluchten aus dem Alltag fehlen unserer Beziehung komplett. Mal nett Essengehen beschränkt sich meist am Dönerstand um die Ecke an der Dienststelle.

Aber das wollte ich gar nicht erzählen.

An diesem Augusttag ging ich also zum Briefkasten, um mal wieder die vergessene Post von gestern heraus zu holen. Werbung, Möbelhäuser mit Lockangeboten und Gratis-Zeitungen fielen mir entgegen.

Alles landet normalerweise sofort in der Papiertonne, als mein Blick auf einen Brief mitten in den Werbeprospekten fiel.

Anwalt und Notar aus Dresden, an mich adressiert!

Kann nichts Gutes bedeuten, Post mit solchem Absender verspricht meist die Ankündigung von Ärger und Stress.

Oben in der Wohnung angekommen, nahm ich Platz auf der Couch im Wohnzimmer und öffnete dieses ominöse Briefkuvert. Die merkwürdige Art des komischen Gefühls in der Magengrube werde ich nie vergessen.

Was ich las, war keinesfalls eine schlimme Nachricht für mich, konnte ich doch mit der Person, um die es ging, recht wenig anfangen.

Der Wortlaut ging in etwa so!

Hiermit muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tante mütterlicherseits, Frau Renate Höft, geborene Leibner, am 4. Juni des Jahres in Dresden verstorben ist.

Als Verwandter der Verstorbenen möchte ich Sie zur Nachlasseröffnung am unten angegebenen Datum in mein Büro bitten.

Na toll, die Schwester meiner Mutter, das Biest!

Sie war immer die Hexe der Familie, meine Mutter hatte schon damals kein Wort mehr mit ihr geredet und es flogen schon die Fetzen, wenn sie sich nur begrüßt hatten. Meine Mutter war das Nesthäkchen der Familie. Wohl ein Nachzügler und nicht geplant. Ihre Eltern waren bei ihrer Geburt schon fast zu alt für Kinder.

Drei Schwestern waren es eigentlich mal. Gerda war schon im Krieg gestorben, von ihr weiß ich so gut wie gar nichts. Doch beim reiflichen Überlegen kommt mir der Ort ihrer Bestattung in den Sinn. Crossen an der Oder. Meine Mutter hatte dort auf dem Friedhof ihr Grab gesucht. War über die Jahrzehnte aber eingeebnet worden.

Als mein Vater damals starb, war unsere gesamte kleine Familie zur Beisetzung erschienen. Nur meine Tante war nicht zur Beisetzung erschienen, ich hatte ihr extra einen Brief geschrieben und sie über die Dienststelle ausfindig gemacht.

Auch auf meinen Anruf reagierte sie nicht, der Anrufbeantworter von ihr, den ich erreichte, war genauso unfreundlich wie sie selbst.

Also war die Sache für mich beendet.

Das Schicksal sah es aber wohl etwas anders. Ich liebe es, wenn mir das Leben mal wieder in meine Planung spuckt.

Ich rief meine Mutter an, sie hatte auch einen Brief vom Notar erhalten mit der Aussage, Schwester gestorben, geerbt wird nichts. Sie wurde wegen Differenzen miteinander aus dem Testament gestrichen. Damit konnte sie wohl gut leben. Ihrer Aussage nach war meine Mutter froh, dass es das Familienbiest endlich erwischt hatte.

Na gut, lassen wir das mal unkommentiert im Raum stehen. Wer weiß schon, was in den Jahren so alles in einer Familie passiert.

Beim Abendessen erzählte ich Hannah eher beiläufig, was mir so ins Haus geflattert sei. Ihre Warnung habe ich noch im Ohr. Es könnte doch sein, dass ich jetzt die Schulden meiner Tante bezahlen soll. Die suchen bestimmt bloß einen Idioten, der alles finanziell übernimmt.

Die nächsten Tage war ich etwas mit meinem Privatkram beschäftigt, ließ ich doch ein wenig den Namen meiner Tante durch die Polizei- und Justizcomputer laufen.

Viel war es nicht, was sich so darin fand. Adresse, Bankverbindung, natürlich ohne Höhe des Saldos auf dem Konto, ehemalige Ehemänner. Insgesamt vier, sehr interessant!

So hätte ich sie gar nicht eingeschätzt, hatte sie nach außen doch den Charme eines alten Dachziegels verströmt.

Die Wohnadresse von Erbtantchen war reizvoll, Dresden im Außenbezirk an der Elbe in Hanglage, Ortsteil Loschwitz.

Per Google war wenig zu sehen, hohe Mauern von der Straße und von oben, nur große Bäume ohne Ende.

Hannah wollte oder konnte an dem besagten Tag im Oktober nicht mit nach Dresden kommen, also war ich Einzelkämpfer beim Advokaten.

Ich hasse diese Typen, meist schleimig und gewand, wie eine Schlange, um einem mit einem Biss die Halsschlagader zu durchtrennen.

Die topgestylten Halbmänner in teuren Anzügen und teuren Autos! Okay, ein wenig Neid spricht da schon aus mir. Durch meinen Job hatte ich öfter mit dieser Klientel zu tun. Geld ohne Ende, selbstsicher und von sich eingenommen.

Es war also Oktober geworden, als ich sehr früh in Berlin Richtung Dresden fuhr und einen Tag Urlaub entbehren musste.

Pünktlich stand ich vor einem schön restaurierten Gründerzeithaus in einer recht wohlhabenden Wohngegend Dresdens.

Ein dunkelhaariger junger Mann im teuren Nadelstreifenanzug kam mir entgegen, nickte mir kurz höflich zu und schien auf ein Taxi oder einen Abholer vor dem Grundstück zu warten.

Der Neid beschlich mich wieder, auch nach dem Blick auf den neuen Porsche auf dem Hof und die niedliche Bürokraft, die mir im netten, kurzen blauen Kleid öffnete.

Sie bot mir Kaffee und Kekse an, die ich gerne annahm, um einen Blick in ihre tief ausgeschnittene Bluse zu erhaschen, was mir auch gelang.

Als sich die Tür zum Anwaltsbüro öffnete, stieg meine Anspannung etwas an, war doch das Leben meiner Tante an mir spurlos vorbei gegangen und hatte nur durch die Erzählungen meiner Mutter einen stark negativen Beigeschmack hinterlassen. Meist fielen Worte wie Biest, Zicke, Miststück oder ähnliche Nettigkeiten.

Ein älterer, grauhaariger Mann begrüßte mich freundlich kühl und wies mir einen Platz zu. Schon wieder gab es Kaffee, bis er endlich zum Thema kam.

Meine Tante war im Krankenhaus an Altersschwäche gestorben, sie hatte keine Kinder oder noch lebende Ehemänner hinterlassen.

Ich sag ja, verbrannte Erde, wo sie drüber lief! Der Teufel ist bestimmt bei ihr in die Lehre gegangen. Ihr Testament ist wohl bis zur heutigen Endfassung mehrfach geändert worden. Wie gesagt, Mutter flog aus ihm raus.

Die Ausführungen des Anwalts endeten recht schnell. Der Satz, ob ich den Nachlass annehme, ohne die Hintergründe oder etwaige Schulden kennen zu können, war mir schon im Voraus von meiner Frau mehrfach aufgesagt worden.

Ich war keine Spielernatur, noch weniger erpicht Schulden von einem Drachen zu übernehmen, als doch innerlich in mir eine leise Stimme zu vernehmen war. Ganz leise war sie erschienen, so leise, als wäre sie im lauten Alltagsstress eigentlich untergegangen. Doch sie war da, die Stimme, nenn es Neugier oder die Sucht, endlich mal eine Abwechselung in meinem Leben zu bekommen.

Ich nahm mit einem Nicken den Nachlass meiner Tante an. Es reichte dem Anwalt noch nicht, wörtlich in Schrift und gesprochenem Wort musste es geschehen. Hannah wird mich dafür hassen, die Standpauke höre ich schon bis hier.

Die Formalitäten dauerten fast zwei Stunden, doch danach hielt ich zwei Hausschlüssel und jede Menge Akten in meinen Händen. Den gut gemeinten Rat vom Notar inklusive. „Gut gemacht, Herr Kaiser, finanziell stand Ihre Tante noch gut da und das Grundstück erst! Wenn da Bedarf besteht, einen Verkauf in Erwägung zu ziehen, einfach Bescheid geben. Ich kenne da solvente Leute, die würden sich freuen, über so eine Adresse.“ Aalglatt der Typ, nett!

Hannah informierte ich auf dem Weg zur Adresse meiner Tante per Handy. Begeisterung ist anders bei ihr, den Ton in ihrer Stimme kenne ich zu gut. Das war der Ton, Ion du Idiot!

Die Fahrt ans andere Elbufer glich einer Urlaubsfahrt. Die Fenster offen, um die spärliche Sonne des Oktobertages in vollen Zügen zu genießen.

Keine zehn Minuten später stand ich vor einem fast drei Meter hohen Zaun, einer schweren Holztür mit Briefkasten, der schon seit langem nicht geleert wurde und ohne, dass ich auf das Grundstück schauen konnte. Einer der Schlüssel passte in das alte Schloss. Mit lautem Geräusch gab die Tür nach innen nach und den Blick frei auf ein altes Grundstück mit ungewöhnlich viel Baumbewuchs, breiten Wegen und dunkler Mystik.

Nur mit Mühe konnte ich das gesamte Tor dazu bewegen, sich zu öffnen, um mit meinem Auto auf das Grundstück zu gelangen.

Die Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren vom Modell Horch und Guck, zuerst bewegten sich die Gardinen, dann wurde schnell der Besen bemüht, um die Straße zu fegen.

Ich grüßte nur schnell herüber und knallte das Tor wieder zu. Schlimm solche Typen.

Bunte Blätter der Bäume lagen überall herum und gaben dem Grundstück etwas Märchenhaftes.

Das Haus stand etwas weniger ansehnlich da, Putz bröckelte überall, die Farbe an den Holzfenstern war schon vor Jahren abgeplatzt, der Weg zum Tor fast zugewachsen. Ein weiterer Schlüssel passte und die Haustür öffnete sich.

Kennen Sie den Geruch aus einem Haus, wo alte Leute gewohnt haben und dieses Geräusch beim Tür öffnen? Als wenn man eine neue Kaffeetüte öffnet. Das Haus sog förmlich die frische Luft ins Haus. Seltsam wie ich mich fühlte, wie ein Voyeur im Leben eines Anderen. Der Flur lag vor mir, als hätte jemand gerade das Haus verlassen. Am Haken an der Wand hing noch eine dünne Jacke und Frauenschuhe standen darunter. Ein seltsames Gefühl drückte mir auf die Brust und mein Blutdruck schnellte nach oben. Was suchte ich hier? Was glaubte ich, hier zu finden? Oder wollte ich nur meiner Mutter gerecht werden und das Schwesterbiest endlich zu Grabe tragen und bestätigen, sie kommt definitiv nicht wieder!

Meiner Mutter hatte ich noch gar nichts weiter erzählt über die Erbschaft. War bestimmt nicht begeistert, ihr Sohn im Haus der Schwester und ohne sie.

Der Gang durch das alte Haus fiel mir schwerer als gedacht, vor allem als ich im Schlafzimmer eine Kommode erblickte, auf der alte Fotos standen, auch einige von meiner Mutter und mir als kleiner Junge.

Mein Handy klingelte, Hannah schien etwas geahnt zu haben und sprach leise mit mir. Sie saß schon im Auto und war auf dem Weg zu mir. Es tat gut, ihre Stimme zu hören, noch besser tat das mitgebrachte Essen und die Flasche Rotwein am Abend.

Aus dem Kofferraum ihres Autos zauberte sie zwei Campingschlafsäcke mit Unterlage, wir blieben also die Nacht über hier.

Etwas unangenehm war es schon, in dem Haus meiner verstorbenen Tante zu übernachten, doch irgendwie ihre Privatsphäre zu durchbrechen und uns ihr Eigentum anzueignen.

Davon war merkwürdigeweise kaum noch etwas da, scheinbar hatte wohl ein Pflegedienst schon kräftig die kleinen beweglichen Dinge aus dem Haus geschafft.

Abdrücke im Staub auf den Möbeln zeugten von kleinen Dingen, die sich spurlos aufgelöst hatten. Da hat wohl ein Pflegedienst recht gut weggepflegt.

Die Nacht in diesem Haus empfand ich mehr als beklemmend, mag es der Schlafposition auf dem Wohnzimmerboden oder den ungewohnten Geräuschen im Haus geschuldet sein. Im alten Bett des Schlafzimmers war es bestimmt gemütlicher, aber Hannah war davon nicht zu überzeugen.

Meine Frau holte schon früh Frühstück vom naheliegenden Bäcker, nicht ohne schon von Einheimischen auf unseren Besuch im alten Haus der Tante angesprochen zu werden.

Neugier ist was Tolles!

Nachdem ich meine recht unbequeme Liegeposition nach einer Drehung verlassen hatte, nahm ich von Ferne die Schiffsfanfare der Elbschifffahrt wahr, drehte mich zu diesem Geräusch um und genoss aus der großen Terrassentür den vollen Blick auf die Elbe. Nur eine alte Trauerweide im Garten stand etwas im Weg. War mir gestern gar nicht aufgefallen. Der Garten wirkte recht groß und trotz der fehlenden Pflege doch recht aufgeräumt und merkwürdig geradlinig.

Am rechten Ende des Gartens stand ein kleiner Schuppen, fast schon ein Bungalow. Der Baustil deutete auf die letzten Jahre des neunzehnten Jahrhunderts hin, cool die Gegend hier.

In der Morgensonne gab sich der Garten wie aus einer längst vergessenen Zeit, als stünde hier die Zeit still.

Hannah weckte mich aus meiner Tagträumerei, der Geruch frischen Kaffees drang zu mir herüber und die frischen Brötchen wollten vertilgt werden.

Mir war nach Frühstück auf der Terrasse, nur die alte Tür davor war so gar nicht davon begeistert und zickte mit mir herum. Seit Jahren war sie nicht mehr geöffnet worden. Ein paar Stühle aus der Küche und ein kleiner Beistelltisch aus dem Wohnzimmer und schon genossen wir die letzten warmen Sonnenstrahlen vor dem Winter noch einmal draußen.

So richtige Wohlfühltemperaturen waren es nicht mehr, aber besser als der stickigen Luft im Haus ausgesetzt zu sein.

Eine kleine Freitreppe führte von der Terrasse auf eine runde Rasenfläche, eher schon hoch gewachsenes Gras. Rechts und links vom Haus schlängelten sich Kieswege bis zum kleinen Bungalow und trafen sich dort. Nur die Trauerweide schien wahllos ins Grün gesetzt worden zu sein.

Von meinem Sitzplatz aus beobachtete ich die Elbe und den Raddampfer, der dort in Richtung Tschechien dampfte.

Auf dem rechten Weg fiel mir etwas ins Auge und ich stand auf. Auf dem Kiesweg waren Fußspuren zu erkennen, recht frisch und mit weitem Schrittabstand.

Hannah sah mir noch nach, als ich doch recht schnell vom Tisch aufstand und Richtung Bungalow eilte.

„Was machst du denn?“ rief sie noch hinter mir her.

Den Griff der Bungalowtür schon in der Hand und die Tür mit einem Schwung aufziehend, wurde es plötzlich dunkel. Etwas traf mich am Kopf und die Sendepause setzte ohne Vorwarnung ein.

Das Gesicht von Hannah kam mir ja bekannt vor, die zwei Männer neben ihr in rot weiß gelben Farben kannte ich nicht, machten aber einen kompetenten Eindruck von professionellen Ersthelfern.

Auch die Sirenen vor dem Grundstück nervten ein wenig. Den Kopf drehen war so gar nicht möglich, eine Halskrause verhinderte dies mit aller Macht.

Eine Trage kam in mein Sichtfeld, auf die ich mit gemeinsamer Kraft von den Männern und einem Polizisten verfrachtet wurde.

Der Weg durch den Garten, vorbei am Haus und runter auf die Straße war gesäumt von Polizisten. Auch die Nachbarschaft war zahlenmäßig recht stark auf der Straße vertreten, dringend bemüht mit so wichtigen Dingen wie Briefkasten putzen oder den hofeigenen Hund zum Pinkeln zu animieren, um ja nichts bei uns zu verpassen.

Als die Tür des Krankenwagens hinter meiner Krankentrage zuschlug, schlüpfte Hannah noch kurz durch die Seitentür an meine Seite.

„Na Schatz? Hast ja einen harten Schädel! Wie geht’s dir? Hast du den gesehen?“

Zu viele Fragen, zu viele Farben, die um meine Augen tanzten. Ich konnte in dieser Zeit Farben hören und Sterne neben der Sonne sehen. Wen sollte ich gesehen haben, viel war nicht mehr hängen geblieben in meiner Erinnerung? Etwas schoss auf mich zu, dann kam da die Dunkelheit, aber auch Wärme und alte Bilder aus meiner Kindheit. Meine Eltern zusammen mit mir in Rumänien, meine Oma und die kleine Hütte in der Nähe von Sibiu, wo sie wohnte.

Ein Gefühl der Geborgenheit überkam mich in der Dunkelheit, ebenfalls das Gefühl des nicht mehr Zurückkehrenwollens in die Gegenwart. Mit aller Macht wollte ich bleiben in der Vergangenheit, die mir sicher erschien, ohne Angst vor der Zukunft. Etwas zog mich in diese Richtung, tiefer und tiefer sank ich in meine alten Zeiten ein und steuerte diesen entgegen. Stärker wurden die Rufe längst verstorbener Personen nach mir, ohne dass sie mir Angst machten.

Die harte Realität kam mit einem Unwohlsein genauso schnell zurück, wie die Träume der Vergangenheit gekommen waren.

„Man, dröhnt mir der Kopf!“

Hannah sah mich mitleidig an. Der Sanitäter überprüfte einen Beutel mit Flüssigkeit, die über mir hing, ein durchsichtiger Schlauch schien mir etwas in den Arm zu drücken.

Ab und zu schaltete der Fahrer des Krankenwagens die Sirene ein, wahrscheinlich um besser durch den Verkehr zu kommen, allerdings stoppte er nach nur kurzer Fahrt. Die hintere Tür wurde geöffnet und meine Trage aus dem Wagen befördert.

Wie ein Krankenhaus sah es hier nicht aus. Der Krankenwagen stand auf einer Elbwiese, im Hintergrund nahm ich kurz die Umrisse des Blauen Wunders wahr, einer alten Brücke am Rande von Dresden.

Um mehr zu sehen, war mein Bewegungsfeld leider zu stark eingeschränkt.

Ich hörte die Stimmen von Männern, ein Polizist griff an der Trage mit an und trug mich vom Krankenwagen weg. Etwas entfernt stand ein ADAC Rettungshubschrauber, die Positionsleuchten blinkten und meine Augen schmerzten beim Hinsehen.

Vor dem Hubschrauber wurde ich mit vereinten Kräften umgeladen, ein Notarzt sah nach mir, leuchtete mir mit einer grellen, dünnen Taschenlampe in die Augen und nickte.

„Herr Kaiser, können Sie mich hören? Wenn ja, drücken Sie meine Hand.“

Warum sollte ich ihm nicht antworten? Meine Zunge war schwer wie nach einer durchzechten Nacht. Was zum Teufel haben die mir gegeben? Die Augenlider wurden schwerer, bleierne Müdigkeit machte sich im ganzen Körper breit.

„Herr Kaiser, wir bringen Sie nach Berlin, alles wird wieder gut, entspannen Sie sich bitte!“

So ein Spaßvogel, ich war doch entspannt, nur so müde und ein wenig übel war mir.

Mein Körper zitterte oder startete der Hubschrauber? Keine Ahnung, wo war eigentlich Hannah? Ich bin so müde!

Die Ankunft in Berlin habe ich nicht erlebt, in einem steril weiß gehaltenen Zimmer wachte ich auf und schaute an die Decke.

„Frau Kaiser, er ist jetzt wach, Sie dürfen kurz zu Ihrem Mann.“

Wo kam die Stimme her? Hannahs Gesicht tauchte über mir auf, sie sah übermüdet und fertig aus.

„Hallo Schatz, na hast mir ja einen schönen Schrecken eingejagt.“

„ICH?“

Meinen Kopf drehen konnte ich immer noch nicht, was zum Teufel war bloß los?

„Lieg ruhig, dein Kopf braucht noch Ruhe, du hattest eine Blutung im Gehirn, sie mussten eine Notoperation an deinem Kopf vornehmen. Deswegen haben sie dich nach Berlin ausgeflogen. Alles gut gegangen. Du hast keine Blutung mehr, sie haben dich aus dem künstlichen Koma geholt.“

Ein Mann im weißen Kittel kam an mein Bett. „Na Herr Kaiser, wieder fit? Versuchen Sie mal, ob Sie sich an etwas erinnern können. Ist ja nun doch schon ein paar Wochen her.“

Ein paar Wochen? Moment mal, es war doch Oktober oder was?

„Welches Datum haben wir heute?“ Meine Stimme klang irgendwie komisch.

Der Arzt lächelte: „Heute ist der siebente Januar.“

„Was? Warum? Und was ist mit Weihnachten?“

Hannah sah mich an. „Ist eigentlich immer noch Ende Dezember, normalerweise! Du Faultier hast Weihnachten verschlafen! Aber dein Geschenk liegt noch bei uns zu Hause.“

Dabei weinte sie, sah aber glücklich aus.

Der Arzt erzählte mir von Blutungen in meinem Kopf, Komplikationen, einer größeren Operation und dem künstlichen Koma, in das sie mich versetzten.

Mir war es alles etwas zu viel, Müdigkeit überkam meinen Körper und der Schlaf ließ mich all dies vergessen.

Die kommende Zeit war voll ausgefüllt mit endloser Rehabilitation, dem Lernen von einfachen und schweren Dingen, die ich teilweise vergessen hatte. Einige Besuche von Kollegen heiterten mich auf. Als auch mein Chef einmal auftauchte und eine Akte mitbrachte, dachte ich schon wieder an so etwas wie Arbeit.

„Ion! Na Sie Dickschädel, Sie sehen ja grauenhaft aus!“

Dabei war sein Grinsen nicht zu übersehen. Er schaute sich im Zimmer um, als suche er nach Zeugen. „Ich dürfte Ihnen die Akte eigentlich nicht zeigen, da Sie ja mit in den Fall involviert sind, aber ich denke, ein Blick da hinein, kann nicht schaden.“

Einen grauen Pappdeckel mit einem Aktenzeichen reichte er mir, ich schlug ihn auf und überflog den Text.

Es bereitete mir noch Mühe, mich zu konzentrieren, um die Akte zu verstehen.

Es wurde eine Fahndung nach einem Angriff auf einen Polizeibeamten auf Unbekannt gestellt. Tatwaffe war eine schwere Schaufel, die meinen Kopf an der rechten Schläfe traf und mir fast den Schädel zertrümmerte.

Den Täter hatte niemand gesehen, Schuhgröße nach Abdruck fünfundvierzig. Als Zeugin wurde meine Ehefrau angegeben, die den Täter ebenso nicht gesehen hatte. Er schien im Schuppen des geerbten Grundstücks verschwunden zu sein.

Viele nutzlose Informationen, ohne Zusammenhang. Interessant wurde es erst bei den Bildern aus Überwachungskameras der Umgebung. Der Porsche, den ich auf dem Hof des Notars gesehen hatte, kam auf den Fotos sehr gut raus. Der Fahrer sah eher nicht nach einem älteren Mann aus, Beschreibung eher Mitte zwanzig, kantiges Gesicht, kaukasischer Typ, dunkle Haare.

Laut einer Vernehmung des Notars, bei dem ich war, wurde ihm der Porsche kurz nach meinem Besuch vom Grundstück gestohlen, angeblich durch den Diebstahl des Autoschlüssels aus seiner Jacke im Vorraum des Büros.

Sehr dünn die Geschichte, Porsche und Dieb wurden bis jetzt nicht gefasst, auch wurde das Kennzeichen des Wagens auf keiner Überwachungskamera der Stadt registriert.

Falls die Story des Notars stimmte, hatte der Porsche kurze Zeit später neue Kennzeichen und war auf dem Weg nach Tschechien.

Eine kleine Randnotiz machte mir schon eher Sorgen. Drei Tage nach dem Überfall auf mich, wurde in dem Haus meiner Tante in den frühen Abendstunden ein Einbruch gemeldet.

Laut der alarmierten Polizei hatte ein Nachbar merkwürdige Geräusche gemeldet.

Nachdem die Beamten am Grundstück eintrafen und sich Zugang verschafften, wurde eine aufgebrochene Seitentür des Hauses bemerkt.

Personen wurden dabei nicht angetroffen. Laut Aussage meiner Frau wurde augenscheinlich nichts entwendet.

Ich schloss die Akte und gab sie an meinen Chef zurück. Er schaute mich mit ernster Miene an.

„Na, wo sind Sie denn da wieder reingeraten, Ion? Wenn Sie hier aus der Reha entlassen werden, dann nehmen Sie sich Zeit und klären das mal. Die Kollegen in Dresden wissen Bescheid, falls Sie Hilfe benötigen!“

Er sprach es und winkte kurz zum Abschied, die Akte blieb auf meinem Tisch einfach liegen.

Vergesslich der Alte, aber sympathisch in seiner Art!

Noch vier weitere Wochen musste ich die Reha über mich ergehen lassen, dann holte mich Hannah mit unserem Kind und Muttern ab. Mir ging es gut, wenn auch mit Abstrichen. Hauptsache es ging endlich wieder nach Hause zur Familie!

Zu Hause, ein wundervoller Gedanke. Erst einmal die Ruhe auf dem Sofa und mein eigenes Bett wieder genießen!

Leider empfing mich zu Hause Lärm und Geschrei, ich hasse Willkommenspartys!

Ja schön, so viele Menschen in der Wohnung und so gute Laune überall!

Verschwindet doch!

Also blieb mir Lächeln und Erzählen. Der Spuk war schon nach drei Stunden wieder vorbei und der letzte Gast machte sich auf die Socken.

Hannah sah zu mir herüber.

„Na? War doch ein wenig zu viel oder?“

Nein, überhaupt nicht! Mein Kopf schwirrte, das Wohnzimmer sah aus wie ein Schlachtfeld und Hannah verschwand in der Küche. Oma nahm unser Kind dann lieber mit zu sich.

Ich verschwand dafür im Schlafzimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Hier war Frieden und Ruhe.

Auf dem Bauch liegend sah ich zur Seite auf meinen Nachttisch, die gewohnte Ordnung mit Bildern meiner Eltern und meiner Oma. Dazwischen lag ein kleiner Umschlag mit dem Stempel des Bundeskriminalamtes. Er sah merkwürdig vergilbt und alt aus. Die Briefmarke war neu und verlieh der optischen Erscheinung des Briefes noch mehr Mystik.

Ich stand auf, nahm den Brief mit und ging zu Hannah in die Küche.

„Was ist das für ein Brief?“ Hannah drehte sich um, wischte sich die Hände ab und nahm mir den Brief aus der Hand.

„Gestern lag er im Briefkasten, sieht alt aus, aber ist für dich, steht hinten drauf, persönlich!“

Das hatte ich noch gar nicht bemerkt.

Mit einem Küchenmesser öffnete ich ihn und nahm einen Zettel aus dem Couvert, der sah nicht jünger aus und roch sogar alt und muffig. Aus der Mitte des Zettels fiel ein Foto auf den Boden. Hannah war schneller und griff zu. Sie sah kurz auf das Foto und wurde merklich blass.

Ich stellte mich hinter sie, nahm ihren Arm und sah ebenfalls auf das Foto.

Etwas vergilbt, die Ränder mit Kurven geschnitten wie es damals bei Fotos üblich war.

Das Motiv aber ließ mich Hannahs Arm etwas zu stark festhalten, sie schrie auf und ließ das Foto fallen.

Da lag es mit dem Motiv nach oben, wir schauten uns beide an und gingen einen Schritt darauf zu.

„Sorry, ich war wohl etwas zu brutal.“

Hannah grinste, von oben sahen wir auf das Bild. Eindeutig! Keine Zweifel, die Person auf dem alten Foto kannte ich zu gut.

Meine Oma! Meine Oma mütterlicherseits. Nicht die aus dem Fall der Andreasnacht in Rumänien, der uns fast das Leben gekostet hatte. Was sollte das jetzt?

Auf dem Zettel war als Datum der 2. Mai 1951 genannt.

Absender war das gerade vor ein paar Monaten gegründete Bundeskriminalamt in Wiesbaden.

Der Text gab nicht viele Informationen preis. Jede Menge Zahlen und Buchstaben, die keinen Sinn ergaben.

Beim Foto sah es etwas besser aus. Deutlich war meine Oma in jüngeren Jahren darauf zu sehen, gut gelaunt und vor einer großen Villa mit akkurat gestutzten Hecken und herrschaftlich anmutender Fassade und großer Freitreppe.

Auf der Rückseite in altdeutscher Schrift >Sommer in Sawische<.

Der Fall, der Hannah und mich in Rumänien zusammenbrachte, war nun schon ein paar Jahre her. Ich versuchte, dass damals Erlebte immer nicht so oft zwischen uns zu thematisieren, waren doch die kriminalistischen Erlebnisse dort alles andere als schön für uns.

Aber nun schon wieder eine Oma von mir in einem Fall verwickelt zu sehen, machte mir zu schaffen.

Hannah nahm die Sache in die Hand. Am nächsten Tag fuhr sie mit mir in unsere Dienststelle. Das Hallo war groß, als wir durch die Tür ins Büro kamen, auch ein kleiner Mann mit hässlichem Anzug in leberwurstgrau steuerte auf mich zu.

Herr Plathe, Dienstaufsicht! Toller Typ, sieht eher nach Kinderschreck aus und sein Rasierwasser riecht auch so.

Seine Stimme passte zur Erscheinung, Typ Napoleonkomplex. „Na, Herr Kaiser, wieder gesund? Hoffe doch! Sie wissen schon, Sie dürfen in Ihrem eigenen Fall nicht ermitteln!“

Hannah sah missmutig zu uns herüber, „Lassen Sie Ion in Ruhe, er ist noch krank! Ich muss bloß noch ein paar Akten unterschreiben, dann fahre ich ihn wieder mal zum Arzt. Er kann noch gar nicht arbeiten! Das sehen Sie doch!“

Der kleine graue Anzug verschwand lieber wieder ins nächste Büro.

Hannah zuckte mit dem Kopf und zeigte in Richtung Labor. In dem verschwanden wir schnellstmöglich und zogen die Tür von innen leise zu. Frank, unser Laborgenie sah uns freudestrahlend an. „Eh, Ihr hier? Geile Party gestern bei Euch! Was gibt’s denn?“

Wir erzählten ihm vom Brief, legten ihn dann auf den Tisch und er zog sich schon mal Gummihandschuhe an und nahm ihn dann in die Hand.

„Was wollt Ihr denn wissen? Wahrscheinlich mal wieder mehr, als ich herausfinden kann! Gebt mir mal ein wenig Zeit, ich melde mich! Äh, ist das offiziell?“

Wir schüttelten gleichzeitig den Kopf. Frank schien zu begreifen, zwinkerte uns zu und machte nur eine herauswinkende Handbewegung.

Ich zermarterte mir mein Hirn, was eigentlich so alles geschehen war. Meine Tante starb, ich erbte ein Häuschen, Beule am Kopf und dann der Brief. Da fand ich zwar Zusammenhänge, aber keine, die einen Sinn ergaben.

Ich war ja noch weiter krankgeschrieben und übernahm den Haus- und Küchendienst in der Zeit als Hannah arbeiten ging.

Von Frank war zwei Tage nichts zu hören, als mittags der Hausschlüssel zu hören war und Hannah viel früher als normal von der Arbeit nach Hause kam.

Sie stand mit hochrotem Kopf vor mir und wedelte mit dem Brief, der in einer Plastikhülle steckte.

„Frank war fleißig, aber du wirst es nicht glauben!“

Seit dem Fall in Rumänien glaube ich recht viel oder besser ausgedrückt, ich musste lernen, mehr zu glauben!

Wir setzten uns auf die Wohnzimmercouch und Hannah fing an, wie ein Wasserfall zu erzählen.

„Also, der Brief ist wirklich aus den fünfziger Jahren, er war, bis du ihn geöffnet hast, unangetastet. Die Briefmarke ist neu und der Brief wurde im Postamt in einem kleinen Ort bei Dresden abgeschickt und abgestempelt.